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No. 42. PAPIER-ZEITUNG. 989 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstattererbalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Typographisches aus Amerika. Sioux City, la. 30. April Ein Exemplar der zweiten Ausgabe der Indianerbibel, welche von John Elliot in die Sprache der Virginischen Indianer übersetzt und in Cambridge, Mass., zwischen 1680 und 1685 herausgegeben worden war, ist als Werk von grösster Seltenheit in den Besitz des Britischen Museums in London gelangt. Die Officin einer in meiner Nähe befindlichen Zeitung, »Times Record«, in Valley City, Dakota, wurde kürzlich von rohem Gesindel gänzlich zerstört, weil das Blatt für unbedingtes Verbot geistiger Getränke eingetreten war. Die Gefängniss-Verwaltung des Staates New York hatte beschlossen, im Staatszuchthause zu Sing Sing einen Theil der Gefangenen mit Schriftsetzen, Drucken, Elektrotypiren usw. zu be schäftigen. Sie stützte sich dabei auf einen Beschluss der vor jährigen Staats-Legislatur, wonach die Gefängniss-Verwaltung er mächtigt wird, die Gefangenen in irgend einem Industriezweig (aus genommen als Hutmacher oder Bürstenbinder) zu beschäftigen, vor ausgesetzt, dass die Zahl der in einem Industriezweig beschäftigten Gefangenen 5 pCt. aller in demselben Industriezweig beschäftigten Bürger des Staates nicht übersteige. Auf Grund dieses Beschlusses hatte sie mit der Firma Horatio N. Davies in Brooklyn einen Kon trakt für die Dauer von drei Jahren abgeschlossen, durch welchen sie sich verpflichtete, der genannten Firma täglich 100 000 bis 250 000 m (= Gevierte) korrigirten Satz zu 15 Cents für 1000 m zu liefern. Gegen diese Konkurrenz protestirte die »International Typographical Union« auf das Entschiedenste, und der bereits abge schlossene Vertrag wird jedenfalls von der Staats-Legislatur für nichtig erklärt werden, da das Preisverhältniss wie 1 zu 3 steht. Es verdient überhaupt hervorgehoben zu werden, dass den »Typo- graphias« das alleinige Verdienst zukommt, in diesem Lande des entfesselten Konkurrenz-Treibjagens nach Kräften zur Verhütung von noch schlimmeren Zuständen, als wir sie besitzen, beigetragen zu haben. In Chicago wurde vor einiger Zeit der einer Nichtverbands- Druckerei bereits zugeschlagen gewesene Stadtdruck auf das ener gische Betreiben der Typographia, und zwar namentlich mit Rück sicht darauf wieder rückgängig gemacht, dass die Verbandssetzer zu einem grossen Theil Familienväter, ansässige Bürger und Steuer zahler seien, was bei den Nichtverbandssetzern nicht entfernt in demselben Maasse der Fall sei. Welches schauerliche Deutsch hier von der Presse verübt wird, wenn eine anglo-amerikanische Druckerei es unternimmt, ohne deutsche Setzer Aufträge von Leuten auszuführen, die des Deutschen selbst nicht mächtig sind, beweist folgende bei Thayer in Phila delphia gedruckte, hier getreu wiedergegebene Anzeige: AUFRUF. AUFRUF. Brüder Arbeiters die am Schneider-fache belangen, auch die Arbeiters von Locall Assembly No. 5274, Knights auf Labor. Schneider Arbeiters ruffen eine Massenversammlung am Sonntag den 23ten Februar 1890, um 2 Uhr 30 Minuten, in Girard Halle, No. 608 Girard Avenue. Brüder Arbeiters wir bitten hilfe von allen Arbeiters der Stadt Philadelphia, wr wollen unser schlaffes Trade etwas verleuchtern, den da wir die Haupt Sprecherin an der Deutche Sprache Reden mit dem Nammen Mrs. Leonora M. Barry. Sie wird unser Schneider-fache überlegen, wir bitten nochmals es nicht zu vergessen, den wir hoffen das die Frauen Schneider Arbeiters eintreffen werden. Von das Assembly 5274^ Knights auf Labor. Umgekehrt sind die Leistungen deutscher Drucker, die sich an das Englische heranwagen, ohne der Sprache gewachsen zu sein, dem citirten Beispiel ebenbürtig. Das Gesundheitsamt einer kleinen Stadt in Illinois hatte beim deutschen Zeitungsherausgeber 50 Thür anschläge für Häuser mit Blatternkranken drucken und anschlagen lassen, die der anglo-amerikanische Kollege einer so vernichtenden Kritik unterzog, dass die Anschläge von der Polizei entfernt und durch neue ersetzt werden mussten, nachdem ein Sprachexperte über hundert Fehler herauskorrigirt hatte. Der Hauptschnitzer »Small Box« (kleine Schachtel), statt »Small Pox« (Bezeichnung für Blatternkrankheit), zog sich wie der bekannte rothe Faden durch den ganzen Satz, und. der einzige »Milderungsgrund« zu Gunsten des Setzers konnte höchstens in dem Umstande gefunden oder viel mehr gesucht werden, dass derselbe aus der Gegend von Leipzig stammte. Wie wenig Werth überhaupt, namentlich in Deutschland, auf sprachlich korrektes Englisch gelegt wird, geht aus der Uebersetzung von »einfache Schnellpressen« in »simple printing presses« hervor. Ich fand diesen Ausdruck in einer für amerikanische Druckereien bestimmten Preisliste. In dem nur anglo-amerikanisch verstehenden Leser wird dadurch der Eindruck hervorgerufen, als handle es sich um eine »simple Schnellpresse«. Die anglo-amerikanische Bezeich nung »one Cylinder« oder auch nur »Cylinder« für »einfache« im Gegensatz zu »double Cylinder« oder »doppelte« Schnellpressen ist schon deshalb zutreffender, weil sie keinen Zweifel zulässt, während »einfach« ein sehr dehnbarer Begriff ist, der seit der ausserordent lichen Vereinfachung der Doppel-Schnellpressen und »endlosen« selbst auf diese angewendet werden könnte, wodurch das technische Unterscheidungsmerkmal in dem Worte vollständig illusorisch würde. Es gelangen Fachblätter und Zirkulare in englischer Sprache aus Deutschland hierher, die von Verstössen gegen das moderne anglo-amerikanische Englisch derart wimmeln, dass man es kaum lesen kann. »Fachtischler« mit »Trade Joiner« übersetzt, kann der nachsichtigste Leser nicht anders deuten, als »Schreiner von Beruf« (Joiner by Trade). Dass er dabei viel eher an einen Möbelschreiner als an einen Verfertiger von Schriftkästen und Regalen zu denken verleitet wird, dürfte auf der Hand liegen. Dass Thomas A. Edison, der geniale amerikanische Erfinder, gleich vielen berühmten Männern, in seiner Jugend das Buchdrucker gewerbe betrieben, dürfte vielen Lesern der Papier-Zeitung bekannt sein. Weniger bekannt ist es aber, dass er auch auf diesem Gebiete schon in frühester Jugend seinen Unternehmungs- und Erfindungsgeist bethätigte. Er war als Knabe von zwölf Jahren an der Canada und Central Michigan Eisenbahn als Verkäufer von Zeitungen, Eisenbahnliteratur, Früchten, Cigarren usw. angestellt, und gab hier selbständig ein Eisenbahnflugblatt unter dem Namen »Grand Trunk Herald« heraus, welches er in einer Ecke des Gepäckwagens mit einer alten Presse und alter Schrift, die er billig erstanden hatte, druckte. Dies war des be rühmten Amerikaners erste Erfindung, und auch die erste Zeitung, welche je auf einem Eisenbahnzug hergestellt wurde. Das Blatt ent hielt allerhand Notizen, welche für die Reisenden von Nutzen waren, wie: empfehlenswerthe Hotels, die Preise für Omnibusse und Droschken an den verschiedenen Stationen, die Anschlüsse der Verbindungs linien und sonstige Mittheilungen, die Edison unterwegs erhaschen konnte. Die Regierungsdruckerei in Washington ist gegenwärtig mit Herstellung einer Riesenarbeit beschäftigt, wie sie eben nur diese grossartige Anstalt bewältigen kann. Es handelt sich um den Druck von 18 000 000 Formularen zum Gebrauch der 40 000 Zähler für den elften Census der Vereinigten Staaten, welcher am 1. Juni beginnen wird. Die Arbeit erfordert 15 000 Ries (zu 500 Bogen) Papier, und zwanzig Dampfschnellpressen haben sechs Wochen Tag und Nacht ununterbrochen daran zu thun. Das Druck-Komitee des Repräsentantenhauses hat beschlossen, für die Angestellten der Regierungsdruckerei die folgende Lohnliste zu empfehlen: Setzer, Drucker und Buchbinder 50 Cents für die Stunde bei Tag-, 55 Cents bei Nachtarbeit; Stückarbeit am Con- gressional Record 60 Cents für 1000 m. Alles Uebrige im gewissen Gelde. Im Anschluss daran will ich erwähnen, dass die 2000 bis 2200 Setzer der Regierungsdruckerei unter Grover Cleveland auf Grund des für alle im Dienste der Regierung stehenden Arbeiter maass- gebenden achtstündigen Arbeitstages bezahlt werden, und zwar besser als in irgend einer anderen Druckerei des Landes. Die Setzer hatten aber hieran nicht genug und liessen sich zum Range von »Bundes beamten« erheben. 2000 Stimmen mehr oder weniger zur Verfügung zu haben ist selbst für die Lenker der grossen Republik ein nicht zu unterschätzender Faktor, und es sieht ganz danach aus, als ob die Herren Bundessetzer den ihnen gewährten Rang durch ihre Stimme für Benjamin Harrison im voraus bezahlt hätten. Thatsache ist, dass sie vom Kongress letzten Sommer vier Wochen Bundes- beamten-Ferien mit laufendem Gehalt bewilligt erhielten. Es ist be zeichnend für die hier herrschende hamsterhafte Geldgier, dass nur 400 der Setzer Ferien machten, während die übrigen 1800 sich erst lich das Feriengehalt auszahlen liessen und obendrein gegen Sonder- bezahlung weiter arbeiteten. Das Deutsche, von ausserordentlich fähiger Hand redigirte Verbandsblatt rügte die jesuitische Auslegung eines liberalen Gesetzes seitens der Setzer ebensosehr, wie die scham lose Abzapfung des überfliessenden Bundesschatzes seitens der Re gierung auf Grund solcher Auslegung. Dieses Jahr scheint nun doch einer der wenigen Kongressabge ordneten, die, sei es aus Reklame, sei es aus patriotischem Drange, sich um die Finanzen des Bundes kümmern, der Sache auf die Spur gekommen zu sein. Wenigstens spricht die Empfehlung der Stunden-