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No. 36 PAPIER-ZEITUNG. 839 Verfahren der Charlottenburger Anstalt möglichst entsprechender Papierprüfungen überwachen können. Der Verfasser geht von der Zeit und den Verhältnissen aus, welche zum Erlass der »Normalien« drängten. Während damals das Augenmerk der Fabrikanten meist auf Fertigung solcher Papiere gerichtet war, welche durch ihr Aeusseres den Käufer bestechen sollten, ist jetzt, dank den Normalien, das Hauptaugenmerk auf den innern Werth der Papiere gerichtet. An die Stelle der alten mangel haften Prüfung durch Befühlen, Hindurchsehen und Beschreiben ist ein genauer, zuverlässiger Maassstab für die Werthschätzung der Papiere getreten, mit welchem der Fabrikant rechnen muss. Der Verfasser weiss auch aus seiner Thätigkeit, dass die vielfach zu hoch befundenen Anforderungen an Stoff- und Festigkeit der besten Papiere nicht zu hoch gegriffen waren, da die Industrie denselben ohne Schwierigkeit nachkomme. Der Verfasser deutet an, dass die bevorstehenden Aenderungen der Vorschriften für Beschaffung des behördlichen Papierbedarfs die Fabrikanten noch mehr als bisher zur Vornahme regelmässiger Prü fungen während der Fabrikation drängen werden, und geht auf die für die Praxis geeignetsten Prüfungsarten näher ein. Er macht die Leser mit den Vorrichtungen bekannt, welche sich am besten be währt haben, beschreibt dieselben und verweist auf die Gelegenheit zur Prüfung der Zuverlässigkeit der Prüfungsapparate, welche die Charlottenburger Anstalt den Fachleuten bietet. Aus seiner Darstellung ergiebt sich, dass sich für Reissprüfungen der Wendler’sche Apparat, und für Aschenbestimmung die zweck entsprechend umgeänderte Reimann’sche Substitutionswaage am besten bewährten. Er empfiehlt den Fachleuten, bei Neuanschaffungen die Erfahrungen der Charlottenburger Anstalt zu Rathe zu ziehen, w eiche stets zu ausführlichster Auskunft bereit sei. lieber die gegenwärtigen ziemlich mangelhaften Prüfungsmittel, welche Herr Ilerzberg in den von ihm besuchten Fabriken vorfand, bemerkt er Folgendes: Von den 14 besuchten Papierfabriken benützten das Horack'sche Dasy meter 2 Fabriken, den Hartig-Reusch’schen Zerreiss-Apparat 4 Fabriken, den Wendler'schen Zugfestigkeitsprüfer 2 Fabriken. Eine dieser Fabriken besass zu gleicher Zeit 3 Horack'sche Dasymeter und einen Zerreissapparat von Hartig-Reusch. Sieben Fabriken besassen überhaupt keine Apparate zur Bestimmung der Festigkeitseigenschaften des Papiers. Der Verfasser geht sodann auf die verschiedenen Gesichtspunkte ein, welche die Prüfungsmaassnahmen der Fabrikanten von denen der Händler unterscheiden müssen. Dem Fabrikanten ist die Zusammen setzung seines Stoffes bekannt, und auf Grund seiner Erfahrung weiss er, welchen Erdezusatz er zu geben hat, wenn er einen gewissen Aschengehalt erzielen will. Er bedarf deshalb selten einer Prüfung auf Aschengehalt. Auch das Mikroskop hat für ihn nur in den- j nigen Fällen Werth, wo er etwa ein aus rein leinenen Lumpen zu fertigendes Fabrikat auf geringe Mengen Baumwolle untersuchen will. Er kennt die in seinem Papier befindlichen Fasern und hat daher wenig Neigung, mikroskopische Untersuchungen vorzunehmen. Für den Papierhändler ist es dagegen von grossem Werth, wenn er äusser den Festigkeitsprüfungen auch noch eine Prüfung jeder Lieferung in Bezug auf ihre Zugehörigkeit zu einer der vier Stoff klassen vornehmen und sich auf diese Weise überzeugen kann, ob vertragsmässig geliefert wurde. Hier liegt dann die Versuchung sehr nahe, das Mikroskop heranzuholen. Der Verfasser warnt jedoch vor dessen Benutzung durch Ungeübte: »Ist an sich schon das Mikroskop ein für Laien schwer verständliches Instrument, so erfordert die Beurtheilung der im Papier enthaltenen Fasern Vorkenntnisse in der Anatomie der Pflanzen, der Mikrochemie und andern Gebieten der naturwissenschaftlichen Forschung, die in der Regel erst durch eingehendes Studium an geeigneter Stelleerworben werden können. Das mikroskopische Bild zeigt oft so aussergewöhnliche Erscheinungen, dass selbst ein geübter Mikroskopiker Mühe hat, sich vor Täuschungen zu bewahren. Der durch mechanische Einflüsse in hohem Grade veränderte Zustand der Fasern, die Schwankungen in der Intensität der Färbungen, die abnormalen Erscheinungen bei mikrochemischen Reaktionen usw. schaffen Eigenthümlich- keiten, zu deren richtiger Beurtheilung nur unausgesetzte Beschäftigung mit dem Gegenstände führen kann.« Nach Aufstellung allgemeiner Grundsätze für Benutzung der verschiedenen Prüfungsapparate verweist der Verfasser auf die Noth wendigkeit guter Instandhaltung derselben. Er empfiehlt die Auf stellung der Apparate an trocknen Orten, z. B. in Schreibstuben, und warnt vor Benutzung des Papiermaschinensaales zu Prüfungs zwecken, da dort der hohe Feuchtigkeitsgehalt baldiges Rosten der Eisentheile herbeiführen müsste, auch den Papierstreifen zu viel Feuchtigkeit zuführen würde. Ebenso sollte man es vermeiden, die Apparate in Laboratorien aufzustellen, in denen ausserdem chemische Analysen, wie z. B. Chlorkalkbestimmungen, vorgenommen werden. Die an solchen Orten unvermeidlichen Säuredämpfe würden eben falls zerstörend auf die nicht geschützten Eisentheile einwirken. In der Handhabung und Pflege der Apparate hat der Verfasser vielfach Mängel gefunden, »welche leicht zum Schaden der Bethei ligten ausfallen können«, und deutet einzelne dieser Mängel an: »Wenn beispielsweise Jemand mit der Konstruktion eines Zerreissapparats so wenig vertraut ist, dass er nicht imstande ist, die Spiralfedern auf die Richtigkeit ihrer Angaben zu prüfen, oder wenn ein Anderer V ersuchsstreif en von stets wechselnder Länge wählt, wie sie ihm gerade das zur Verfügung stehende Material liefert, und nicht darüber unterrichtet ist, dass die Länge des Streifens besonders auf die Dehnung einen beträchtlichen Einfluss aus übt, oder wenn ein Dritter auch die Prüfung der schwächsten Papiersorten mit der stärksten Feder vornimmt und sich über den Grund der Herstellung von drei verschiedenen Federn keine Rechenschaft ablegen kann, so lässt sich nicht verkennen, dass unter solchen Umständen ausgeführte Unter suchungen in keiner Weise Vertrauen einflössen können.« Der Verfasser empfiehlt allen Beamten und Angestellten, welche mit Vornahme von Papierprüfungen betraut sind, sich an der Hand der veröffentlichten Arbeiten auf dem Laufenden zu erhalten und macht besonders auf den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Ver halten des Prüfungsstreifens aufmerksam. Dieser Einfluss auf die Festigkeitsverhältnisse der Fasern sei so gross, dass die Charlotten burger Anstalt es für nöthig fand, schon jetzt damit zu rechnen. Sie hat daher Einrichtungen getroffen, um im Prüfungsraum dauernd möglichst denselben Feuchtigkeitsgrad zu erhalten. Hierfür ist eine Luftfeuchtigkeit von 65 pCt. gewählt worden. Da die Feuchtigkeit der Stubenluft meist geringer ist, so wurde ein Wasser-Zerstäuber (Kosmos- Ventilator) aufgestellt, der gestattet, den Feuchtigkeitsgehalt in kurzer Zeit auf die gewünschte Höhe zu bringen. Den mit geringeren Hilfsmitteln ausgestatteten Versuchsräumen der Praxis kann die gewünschte Luftfeuchtigkeit durch die Dämpfe kochenden Wassers mitgetheilt werden. Hierdurch lässt sich die gewünschte Luftfeuchtigkeit bis zu 5 pCt. genau feststellen. Zur Bestimmung des Feuchtigkeitsgehalts verwendet die Char lottenburger Anstalt Koppe’sche Prozenthygrometer, deren Einrich tung und Behandlung der Verfasser beschreibt. Diese Hygrometer wurden von Dr. Müncke, Berlin N., Luisenstrasse 58, geliefert. Betreffs genauer Ermittelung der Grösse und etwaigen Gesetz mässigkeit des Luftfeuchtigkeitseinflusses auf die Ergebnisse der Papierprüfung sind, wie bereits früher erwähnt, schon seit längerer Zeit Ermittelungen im Gange. Die Versuchsanstalt hat zu diesem Zweck besondre Einrichtungen getroffen; es wird aber noch geraume Zeit dauern, bis die umfangreichen Versuche beendet sind. Berichte unserer Korrespondenten. Aus Bussland Aschabad, 25 - Februar (Mittel-Asien) 9. März Es gewährt mir besonderes Vergnügen, der Papier-Zeitung von hier, aus dem tiefsten Süden Russlands, berichten zu können, nach dem ich im vergangenen Sommer Einiges über den hohen Norden aus eigener Anschauung mitgetheilt habe. In diesen neu eroberten asiatisch-russischen Provinzen sind noch kaum die ersten Anfänge eines Papier-Verbrauchs nach europäischem Begriff zu bemerken. Die eingeborenen Völkerschaften: Sarten, Tekinzen, Perser usw. bedienen sich fast ausschliesslich noch des an Ort und Stelle erzeugten Handpapiers, wovon ich einen Bogen zur Ansicht sende. Sie schreiben auf demselben noch mit asiatischer Ruhe und Ausdauer mit aus Schilf geschnittenen Federn, indem sie sich statt der europäischen Tinte der Tusche bedienen, die sie in Federkasten nebst den Federn mit sich führen. Da dies originelle Schreibgeschirr wohl interessiren dürfte, so sende ich auch hiervon ein Exemplar nebst Tusche, wobei ich noch bemerke, dass die Schilf federn bei den Tartaren den keiner weitern Deutung bedürfenden Namen »Calmos« führen. (Der gesandte Papierbogen misst 35:62 cm, ist von unscheinbar gelbgrauer Farbe, gerippt, in der Durchsicht wolkig, an den Rändern beschnitten und, was das Merkwürdigste ist, so stark mit Reibung geglättet oder »friktionirt«, dass beide Seiten Hochglanz zeigen. Da den asiatischen Papiermachern wohl keine Friktionskalander zur Verfügung stehen, kann man nur annehmen, dass das Papier in alter mühsamer Weise mittels polirter Steine geglättet ist. Die Faser ist von mittlerer Festigkeit, die Leimung gut. Das Schreibzeug ist nach unsern Begriff an roh gearbeitet, be kundet aber in der Ornamentik der Oberseite Sinn für Flächen verzierung. Es besteht aus einem langen und schmalen Kästchen mit bogigen Enden, welches in eine Art Scheide eingefügt ist. Inter-