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No. 79. PAPIER-ZEITUNG. 1715 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Zeitschriften-Lesezirkel. Wie an den Buchhändler der kleinen Provinzstadt das Be- dürfniss herantritt, in seinem Laden Waaren zu führen, die im Grunde nur in einen Papierladen gehören, so wird es auch dem Papierhändler zur Nothwendigkeit, aus dem ihm gezogenen Rahmen zu treten, seinem Geschäft durch Zuführung von Nebenzweigen eine grössere Ausdehnung, seiner Ladenkasse eine bessere Einnahme zu verschaffen. Wir haben in Nrn. 50 und 51 dieses Jahrgangs den Nutzen darzulegen versucht, welchen das Stiefkind des neuzeitlichen Buch handels, die »Kolportage«, einem thätigen Geschäftsmann zu schaffen imstande ist. Wir wollen heute einen Schritt weiter in dieser Richtung thun und die Interessenten mit dem Wesen, der Einrichtung und dem Betrieb eines Zeitschriften-Lesezirkels vertraut zu machen suchen. Es wird dies um so weniger »leeres Stroh dreschen« heissen, als die ganze Sache ziemlich einfach liegt und unschwer, ohne eigentliche praktische Uebung, aus einer gedruckten Anleitung sich lernen lässt. Wer einen Zeitschriften-Lesezirkel einrichten will, braucht äusser dem nöthigen Anlage-Kapital dreierlei Dinge: 1. Zeitschriften, die Waare, mit welcher Geld verdient wer den soll; 2. Kunden, an welche die Waare abgesetzt werden soll; 3. Hilfskräfte, welche den Kunden die Waare vermitteln. Die Auswahl der Zeitschriften richtet sich nach den Ansprüchen und Gewohnheiten der Leser, für welche man die Errichtung eines Lesezirkels ins Auge fasst. Der Verlegermarkt Deutschlands hat auf diesem Gebiete seit Jahren eine so grossartige Erzeugungskraft ent faltet, dass für alle Klassen ausreichend gesorgt ist. Für die gelehrteren Leser haben wir: Ausland, Gegenwart, Globus, Grenzboten, Illustrirte Zeitung, Litteratur-Zeitung, Litterarisches Zentralblatt, Natur, Nation, Nord und Süd, Westermann’s Monatshefte, Magazin für die Litteratur des Auslandes (sämmtlich wöchentlich erscheinend) und die monatlich erscheinende Deutsche Rundschau. Für minder gelehrte Leser eignen sich: Alte und Neue Welt, Daheim, Europa, Echo, Gartenlaube, Illustrirte Zeitung, Illustrirte Welt, Neue illustrirte Zeitung, Neuzeit, Roman bibliothek, Romanzeitung, Schorer’s Familienblatt, Salon, Geber Land und Meer, Zur guten Stunde (sämmtlich wöchentlich), das 14 tägig erscheinende »Universum« und die monatlich erscheinenden: Illustrirte Monatshefte des Daheim, Unsere Zeit und Vom Fels zum Meer. An noch breitere Bildungsschichten richten sich: Abendglocken, Kriminal-Zeitung, Das neue Blatt, Dorf barbier, Hausfreund, Humoristische Blätter, Illustrirte Romane aller Nationen, Weltspiegel und die alle zwei Wochen erscheinenden: Buch für Alle, Illustrirte Chronik der Gegenwart und Illustrirte Chronik der Zeit. Den Bedürfnissen unserer Frauenwelt dienen: Bazar, Frauen zeitung, Für’s Haus, Dies Blatt gehört der Hausfrau; während sich bloss auf humoristischem Gebiete bewegen, also schliesslich für jeder mann geeignet sind: Fliegende Blätter, Schalk, Lustige Blätter, Ulk, Wespen, Das humoristische Deutschland und Kladderadatsch. Für musikalische Leser sind zu nennen: das Musikalische Wochen blatt, die Neue Musikzeitung, Sängerhalle und Signale. Das Erste, was gethan werden muss, um einen Lesezirkel ein zuleiten, ist die Bestellung, oder, wie der buchhändlerische Ausdruck heisst, »Verschreibung« der Zeitschriften. Es ist nicht nothwendig, dass man sich dieserhalb nach Leipzig wendet. Liegt dem Händler in der Provinz ein anderer grosser Platz geographisch günstiger, so wird er in demselben für die Zeitschriftenwaare dort eben so billige Bezugscpiellen finden, wie in der grossen Buchhandels-Zentrale. In gewissen Fällen, wo sich die höheren Spesen ertragen lassen, wird man auch zum direkten Bezug vom Verleger durch die Post schreiten können, aber natürlich nur dann, wenn die betreffenden Zeitschriften Aufnahme in der Post-Zeitungsliste gefunden haben. Man halte für den Anfang den allgemein gütigen Satz fest: »Sparsamkeit erleichtert den Erfolg« und bestelle immer erst ein Exemplar von einer jeden Zeitung. Mehr bekommt man ja zu jeder Zeit. Dagegen ist es verdriesslich, wenn Geld bezahlt worden ist für Dinge, die nicht sofort nothwendig waren. Das Zweite, was gethan werden muss, ist die Herrichtung der verschriebenen Zeitschriften für den Umlauf. Jede Zeitschrift be kommt ihren Umschlag, in den sie eingeheftet wird. Man kann sich diese Umschläge selbst zurechtschneiden aus guter Lederpappe, kann auch fertige Umschläge, die in allen Zeitschriften-Formaten vorhan den sind, kaufen. Man kommt bei den letzteren deshalb nicht theurer fort als bei den ersteren, weil die Firmen, von welchen solche Um schläge zu kaufen sind, einen Theil ihrer Kosten durch den Aufdruck von Bücher- und anderen Anzeigen hereinzubringen bestrebt sind. Die bekannteren von diesen Firmen sind: Theodor Knaur in Leipzig (»Schutzmappen« für Folio 32 :45, für Quart 23 :33, und »Einband decken«), C. Neubert, Berlin (»Dauerhafte Zeitschriftendecken« in allen Formaten), Albert Petersdorf in Kottbus (»Lesezirkel-Journal-Mappen«), Aug. Heilsdorf in Adorf (»Springfolien«). Feste Mappen für gleiche Zwecke liefert u. A. E. Gernert, Berlin SW. Man kann die Zeitschriften in der ersten Zeit, so lange die Arbeit noch nicht sehr gross ist, mit der Hand einheften, und bedient sich dazu starken grauen Zwirns. Später, wenn der »Lesezirkel« über die Anfangsstadien hinaus gediehen ist, wird man sich nach einer Draht heftmaschine umsehen müssen, wie sie z. B. speziell für Journal- Lesezirkel 0. Th. Winckler in Leipzig liefert, oder nach einem so genannten »Patenthefter« oder einem »Schnellbinder«, wie sie u. a. Aug. Zeiss & Co., Berlin W.; Franz Müller, Leipzig, Dorotheenstr. 9; Louis Leitz, Stuttgart; Hermann Lange, Neu-Ruppin; Rud. Morgeneyer, Leipzig, liefern. Jede Mappe bekommt aussen ein Papierschild, auf welches in deutlicher Schrift der Name des betreffenden Theilnehmers am Lese zirkel und darüber in einer unterstrichenen Zeile die Bemerkung ge setzt wird, an welchem Tage und wieviel jeweils für diese Theil- nähme zu zahlen ist. Auf der Innenseite der Mappe stehen dagegen die Zeitschriften verzeichnet, für welche sich der betreffende Theilnehmer verpflichtet hat. Hat man diese Vorarbeiten erledigt, so schreitet man zu der Vertheilung der gedruckten Rundschreiben, für welche man am besten eine Fassung wählen wird, wie etwa folgende: Euer Wohlgeboren! (Hochwohlgeboren usw.) Durch Gegenwärtiges beehre ich mich Sie zu benachrichtigen, dass ich mit der von mir seit .... am hiesigen Platze betriebenen Papierhandlung einen Zeitschriften-Lesezirkel zu verbinden gedenke. Eine Durchsicht der umseitig angefügten Liste wird Ihnen zeigen, dass ich nur die beliebtesten Zeitschriften aufgenommen habe. Die Bedingungen, unter welchen der Bezug stattfinden kann, sind so mässig, dass ich wohl hoffen darf, Sie zu meinen Kunden zu zählen. Indem ich um gütige Unterstützung meines Unternehmens bitte, zeichne mit vorzüglicher Hochachtung Papierhandlung und Lesezirkel. Auf der zweiten Seite eines solchen Rundschreibens fügt man das Verzeichniss derjenigen Zeitschriften an, die man dem Lesezirkel einverleiben will, giebt bei jeder Zeitschrift an, wieviel Nummern im Jahr von ihr erscheinen, was sie beim Verleger das Jahr über kostet, und welche Lesegebühr man für sie berechnet. Die Lesegebühr scheidet man in zwei Klassen. Die erste Klasse umfasst die 1. bis 4. Woche, bringt also die Zeitschriften gleich oder kurze Zeit nach ihrem Erscheinen und kostet, je nach dem Werth der Zeitschrift, 20—30 Pf. die Zeitung mehr als die zweite, von der 4. bis zur 6. Woche reichende Klasse, in welche man also die soge nannten »älteren Journale« aufnimmt. Unter das »Zeitschriften-Verzeichniss« setzt man schliesslich noch die Bedingungen, welche für die Betheiligung am Lesezirkel Geltung haben und etwa wie folgt lauten werden: 1. Der Eintritt in meinen Lesezirkel kann an jedem Tage erfolgen. 2. Jedem Bezieher steht die Wahl der Zeitschriften frei. Die Summe des Bezugspreises muss mindestens .. M. .. Pf. für das Vierteljahr betragen. 3. In jeder Woche findet zweimaliger Wechsel statt. Keine Zeitschrift darf länger zurückbehalten werden, als der vereinbarte Termin läuft. Mein Bote hat die bestimmte Weisung, auf der Zurückgabe der sämmtlichen Zeit schriften zu bestehen, welche er bei seinem letzten Besuch übergeben hat. 4. Abbestellungen müssen bis längstens vier Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist gemacht werden. Ich bitte dringend, hierauf gütigst zu achten, da mir, wenn ich keine Verluste erleiden soll, die nothwendige Zeit für Zu rückziehung meiner Bestellung beim Verleger gelassen werden muss. 5. Zeitschriften nachzuliefern kann ich mich nur insoweit verpflichten, als mein Vorrath reicht. Jedem Prospekt fügt man einen besondern »Bestellzettel« bei mit folgendem Vordruck: Der Unterzeichnete erklärt hierdurch seinen Beitritt zu dem sehen Lesezirkel auf Grund der in dem Prospekt dieser Handlung veröffentlichten Bedingungen und bestellt die nachstehend aufgeführten (6, 8 usw.) Zeitschriften in der ten Klasse zu dem im voraus zahlbaren Preise von M Name: Ort: , -Strasse Nr Datum: Hat der betreffende Unternehmer an seinem Wohnort wenig oder vielleicht gar keine Konkurrenz, dann wird er nicht allein einen ent*