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1752 PAPIER-ZEITUNG. No. 80. Reklamebilder. Das Gesetz über das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst vom 9. Januar 1876 bestimmt in § 14: Wenn der Urheber eines Werkes der bildenden Künste ge stattet, dass dasselbe an einem Werke der Industrie, der Fabriken, Handwerke oder Manufakturen nachgebildet wird, so geniesst er den Schutz gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie usw. nur nach Maassgabe des Gesetzes, betreffend das Urheber recht an Mustern und Modellen. Wer also einem solchen mit einem Werke der bildenden Kunst versehenen Industrie-Erzeugniss rechtsgiltigen Schutz verschaffen will, muss es ins Musterregister eintragen lassen, sonst kann eine etwaige Nachbildung nicht verfolgt werden. Die Firma M. & J. in H. hatte auf Veranlassung des Nord deutschen Lloyd ein Plakatbild anfertigen lassen, welches ein auf der Fahrt befindliches, unter Segeln gehendes Dampfschiff darstellt. Ein ähnliches Reklamebild, welches zugestandenermaassen unter Benutzung des bekannten Loyd-Reklameplakats gefertigt war, ver wendete die Firma H. 0. sen. & Co. in R. zur Empfehlung von Rauchtabak. Obgleich auf dem Bilde des Norddeutschen Loyd der Vermerk »Gesetzlich geschützt« steht, ist es nicht in die Musterschutzlisten eingetragen. Trotzdem hielt sich die Firma M. & J. für berechtigt, die Firma II. 0. sen. & Co. wegen unbefugter Nachbildung zur Rechenschaft zu ziehen. Die Klägerin machte geltend, dass es sich um eine durch § 43 des Urheberrechts-Gesetzes vom 11. Juni 1870, gegebenenfalls auf Grund des oben angeführten Gesetzes vom 9. Januar 1876, geschützte Abbildung handle. § 43 a. a. 0. lautet: Die Bestimmungen in dem §§ 1—42 (welche den Schutz für Schriftwerke, Abbildungen usw. aussprechen) finden auch An wendung auf geographische, topographische, naturwissenschaft liche, architektonische, technische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen, welche nach ihrem Hauptzweck nicht als Kunst werke zu betrachten sind. Mit Bezug auf den Eventualschutz des Gesetzes über Werke der bildenden Kunst wurde geltend gemacht, dass die Abbildung auf den Plakaten des Norddeutschen Loyd von einem Künstler ersten Ranges entworfen sei, dass Klägerin hierfür 900 M. bezahlt und das aus schliessliche Vervielfältigungsrecht erworben habe. Klägerin hatte in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 5000 M., eventuell zur Heraus gabe der Bereicherung von 2500 M. zu verurtheilen und die Ein ziehung der im Besitz der Beklagten befindlichen Nachdrucks- Exemplare, wie der ausschliesslich zur widerrechtlichen Vervielfäl tigung bestimmten Vorrichtungen zu verordnen. Die Verhandlung wurde indess auf den Grund des Anspruchs be schränkt. Die beklagte Firma bestritt die Behauptungen und Aus führungen der Klägerin und machte ihrerseits geltend, dass sie in gutem Glauben gehandelt habe, und dass ihr höchstens eine ent schuldbare Fahrlässigkeit zur Last falle. Durch Urtheil der Kammer für Handelssachen des Königlichen Landgerichts zu D., vom 27. April 1888, wurde Klägerin mit der erhobenen Klage abgewiesen. Sie legte Berufung ein und stellte den Antrag, unter Abänderung des landgerichtlichen Urtheils: 1) Beklagte zu verurtheilen, Klägerin dafür zu entschädigen, dass Beklagte das von der Klägerin als Urheberin auf Veranlassung des Norddeutschen Loyd geschaffene Plakat hergestellt und ver breitet hat; 2) die Einziehung der im Besitz der Beklagten befindlichen Nach drucks-Exemplare, sowie der zur widerrechtlichen Vervielfälti gung ausschliesslich bestimmten Vorrichtungen zu verordnen; 3) die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Gegen das Berufungsurtheil legte die Klägerin nun Revision ein mit dem Anträge, dasselbe aufzuheben und ihren Berufungsanträgen stattzugeben. Das Reichsgericht wies die Revision zurück unter Angabe fol gender Entscheidungsgründe: Die Instanzrichter nehmen an, dass die in Rede stehende bildliche Dar stellung weder durch § 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken, noch durch das Gesetz vom 9. Januar’ 1876, be treffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste, geschützt sei. Die Unanwendbarkeit des § 43 a a. 0. ist auf die Erwägung gegründet, dass zu den in dieser Bestimmung den geographischen, topographischen, naturwissenschaftlichen, architektonischen, technischen an die Seite gestellten ähnlichen Zeichnungen und Abbildungen, welche. ihrem Hauptzweck nach nicht als Kunstwerke zu betrachten sind«, nur solche bildliche Darstellungen gehören, die zu wissenschaftlichen oder belehrenden Zwecken hergestellt sind, und dass dem klägerischen Plakatbilde ein derartiger Zweck fern liegt- Diese Erwägung ist thatsächlich und rechtlich zutreffend, auch nicht zum Gegenstand eines Revisionsangriffs gemacht worden. Die Instanzrichter haben der fraglichen Abbildung den Schutz des Ge setzes vom 9. Januar 1876 aus zwei Gründen abgesprochen: einmal, weil sie überhaupt nicht als ein Werk der bildenden Künste zu betrachten sei; so dann, weil sie bei entgegengesetzter Auffassung doch jedenfalls unter § 14 des gedachten Gesetzes fallen würde. Den Erwägungen, die bezüglich des ersten dieser beiden Gründe für die Vorinstanzen maassgebend gewesen sind, kann nicht zugestimmt werden. Der Berufungsrichter hat im Anschluss an die Entscheidungsgründe des Landgerichts ausgeführt, »dass die mehrerwähnte Abbildung nicht zum Zweck der Darstellung des Schönen, jedenfalls nicht vorwiegend zu diesem Zweck geschaffen sei, wie aus ihrer Benutzung als Träger der aufgedruckten Firmen erhelle, abgesehen davon, dass eine Absicht kaufmännischer Firmen, aus Menschenfreundlichkeit in den Betrachtern ihrer Reklameplakate die Gefühle des Schönen zu erwecken, nicht zu vermuthen sei«. Was zunächst die letzte Bemerkung anlangt, so ist ohne weiteres klar, dass, wenn eine Darstellung an sich dem Begriff eines Werkes der bildenden Künste entspricht, sie diese Eigenschaft durch die Art ihrer Benutzung un möglich verlieren kann. Der Begriff eines Werkes der bildenden Kunst wird aber dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Urheber dasselbe zum Behuf der Benutzung für Zwecke der gewerblichen Reklame angefertigt hat. Es ist nicht bloss möglich, sondern kommt, wie die Erfahrung lehrt, häufig genug vor, dass die künstlerische Thätigkeit, wie anderen der Kunst fremden Zwecken, so auch der gewerblichen Reklame dienstbar gemacht wird. Die ästhetische Darstellung ist in solchen Fällen doch immer der unmittelbare, in der Sache selbst liegende Zweck, der für die Frage nach der Anwendung des Gesetzes vom 9. Januar 1876 allein von Bedeutung ist. Dass der Urheber bei der Hervorbringung andere Zwecke ins Auge gefasst hat, ist für die rechtliche Würdigung des Werkes ohne Erheblichkeit. Von dem hervorgehobenen Gesichtspunkt aus würde in neue thatsäch- liehe Erörterungen einzutreten sein, wenn das Berufungsurtheil nicht durch die Bezugnahme auf § 14 des Gesetzes vom 9. Januar 1876 getragen würde. Der Urheber eines Werkes der bildenden Künste, der gestattet, dass das selbe an Werken der Industrie nachgebildet wird, soll hiernach gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie nur nach Maassgabe des Muster- und Modellschutzes geschützt werden. Dieser Fall liegt hier vor, da Plakate unzweifelhaft zu den Werken der Industrie zu rechnen sind. Die Ausführung der Revision, § 14 a. a. 0., setze voraus, dass das betreffende Werk des Musterschutzes fähig sei, Plakate und Geschäftsreklamen aber seien zur Ein tragung in das Musterregister nicht geeignet, ist unbegründet. Nicht das Plakat, für welches das von der Klägerin hergestellte Bild zuerst benutzt worden ist, wohl aber dieses Bild als Plakatvignette würde der Eintragung in das Musterregister ebenso fähig sein, wie z. B. Muster von Randver zierungen für Plakate in dasselbe eingetragen werden können. Uebrigens bezieht sich § 14 unterschiedslos auf alle Werke der bildenden Künste, die mit Gestattung ihres Urhebers an Werken der Industrie nachgebildet sind, würde also auch dann zur Anwendung kommen müssen, wenn es sich um ein Werk handelte, welches seiner Beschaffenheit nach zur Eintragung in das Musterregister ungeeignet ist. Da ein mit Erlaubniss des Urhebers an Indu strie-Erzeugnissen nachgebildetes Werk gegen weitere Nachbildungen an Werken der Industrie nur nach Maassgabe des Muster- und Modellschutzes geschützt ist, so entbehrt dasselbe, wenn dieser Schutz versagt, den ge dachten Nachbildungen gegenüber des Rechtsschutzes gänzlich. Dieses Ergebniss steht im Einklang sowohl mit dem Inhalt, wie mit den Motiven der gesetzlichen Bestimmung, in denen bemerkt wird, dass ein Künstler, der die Nachbildung seines Werkes an einem Industrie-Erzeugniss zulässt, damit aus dem Gebiet der sogenannten hohen Kunst heraustritt und daher gegen weitere Nachbildung im Bereich der Industrie nur denjenigen Schutz in Anspruch nehmen kann, welcher den gewerblichen Mustern und Modellen eingeräumt ist Geschäftsbücher-Fabrik Fr.Wilh. Ruhfus, Dortmund.