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Eigenschaften und Behandlung der Tinten. Vortrag, gehalten im Papierverein Berlin und Provinz Brandenburg von Beinhold Tetzer. Von älteren Beamten hört man oft den Ausspruch: »In früheren Zeiten waren die Tinten viel besser als heutzutage«; und mit Er staunen fragen wir uns: »Wie ist diese Behauptung möglich? — Wie konnte ein Zweig unserer so weit vorgeschrittenen Chemie so weit Zurückbleiben oder gar zurückgehen?!« Es dürfte daher wohl lohnen, der Sache näher zu treten: Bis Anfang unseres Jahrhunderts wurden Tinten nur aus Gall äpfeln bereitet: die sogenannten »Gallus-Tinten«. Die Herstellung derselben geschah auf primitivste Art, sehr oft von Personen, denen jegliche Kenntniss der Chemie mangelte. Tinte und Schuhwichse standen so ziemlich auf derselben Stufe. Die Tinte wurde hergestellt, indem man Galläpfel auslaugte, altes Eisen mit verdünnter Schwefel säure oder Essig übergoss und beide Auszüge mischte. Hierauf wurde die dadurch entstandene Tinte mit Gummi verdickt und es der Zeit überlassen, das ihrige zur Fertigstellung zu thun. Die Grundsätze, nach denen heute Gallustinten gefertigt werden, sind im grossen Ganzen dieselben. Wir ziehen nach wie vor den Gerbstoff aus den Galläpfeln, bringen diesen Auszug mit Eisensulfat (schwefelsaurem Eisen) zusammen und verdicken ebenfalls mit Gummi. Die Fabrikation wird aber heutzutage zum grösseren Theil von Fach kundigen, welche die nöthige Vorbildung besitzen, rationell ausge führt. Der Fabrikation selbst dürfte hiernach die Schuld an schlechten Erfahrungen beim Tinten verbrauch wohl kaum beizumessen sein, ebensowenig dem verwendeten Rohmaterial, welches in jeder grösseren Fabrik vor dem Gebrauch sorgfältig geprüft wird. Es bleibt uns hiernach nichts übrig, als den Grund der Klagen in der Behandlung der Tinte beim' Verbrauch zu suchen. Früher verwendete man zum Schreiben ausschliesslich die Kiel feder, deren Hommasse weder durch die in der Tinte enthaltene Gerb- oder Gallussäure, noch durch Eisensulfat angegriffen wurde. Ganz anders liegt die Sache heute. Stahlfedern uud Gallustinten, die eigentlich auf freundliches Zusammenwirken angewiesen sind, verhalten sich zu einander wie die grössten Feinde. Sowohl die in der Tinte enthaltene Gerb- resp. Gallussäure als auch das Eisensulfat greifen den Stahl sehr stark an; ja sie können ihn sogar im Laufe der Zeit vollständig zerfressen. Den Beweis finden wir an der Stahlfeder, welche den Tag über zum Schreiben gedient hat und abends von der anhaftenden Tinte nicht befreit wurde. Heber Nacht bildet sich eine mehr oder weniger starke Kruste an der Feder, welche dadurch entstanden ist, dass der Stahl zersetzt wurde, und welche ihrerseits wieder allmälig die Tinte ver dirbt. Diese Krustenbildung lässt sich vermeiden, wenn man die Stahlfeder stets nach Gebrauch auswischt; aber leider geschieht dies nur in den seltensten Fällen, vielmehr erweckt die erwähnte Erscheinung bei den Schreibenden meist den Glauben, die Tinte sei zu dickflüssig und an der Stahlfeder angetrocknet. Ersehen wir nun aus Vorstehendem den schädlichen Einfluss, welchen Gallustinte auf Metall und Metall auf Gallustinte ausüben, so geht daraus hervor, dass wir das Einwirken beider auf einander auf das denkbar geringste Maass beschränken müssen. Die Stahlfeder darf äusser Gebrauch nicht in der Tinte bleiben; etwa ins Schreibgefäss gefallene Stahlfedern müssen sofort heraus genommen werden, und man muss streng darauf achten, dass etwaige Metallbeschläge des Schreibgefässes mit der Tinte nicht in Berührung gebracht werden. Die besten Tintenfässer sind diejenigen, welche nur aus Glas bestehen und mit einem Trichter zum Eintauchen versehen sind. I Zur Erhaltung der Tinte ist es nöthig, dass dieselbe so wenig wie : möglich der Luft ausgesetzt wird. Diese Forderung wird bei An- < Wendung dieser Tintenfässer, welche stets nur einen kleinen Theil < der Tinte dem Einfluss der Luft preisgeben, erfüllt. Auch der in i der Luft enthaltene Sauerstoff wirkt schädlich und zersetzend auf Eisengallustinte, indem er die Gerbsäure der Tinte in Gallussäure ' und das schwefelsaure Eisenoxydul in Eisenoxyd verwandelt. Hat ; die Tinte diese Zersetzung durchgemacht, so erscheint sie dickflüssig 1 und nur noch wenig zum Schreiben geeignet. Gehen wir nun zu der zweiten Gruppe, zu den Blauholztinten j (Hämatoxylintinten) über. Die Blauholztinten haben sich schnell die f Gunst des schreibenden Volkes erworben und werden unter den ver- schiedenartigsten Namen in den Handel gebracht. I Das Blauholz enthält einen Farbstoff, »Hämatoxylin«, welcher 1 durch Auskochen aus dem Holz gezogen wird, und, mit Lösungen I von neutralen chromsauren Salzen vermischt, eine Tinte ergiebt, 1 welche röthlichviolett leicht aus der Feder fliesst, auf dem Papier aber bald blauschwarze Farbe annimmt, und weder durch Luft noch s durch Licht angegriffen wird. Auch die Blauholztinten werden durch Einwirkung von Metallen etwas angegriffen, wenn auch bei weitem v nicht so stark, wie Gallustinten. Es empfiehlt sich daher, auch bei ihnen die vorstehend beschriebenen Vorsichtsmaassregeln anzuwenden. Eine dritte Gruppe umfasst die aus Theerfarbstoffen (Anilin) r bereiteten Schreibtinten. Wenn diese Farbstoffe lichtbeständig wären, - so gäbe es sicherlich keine besseren Tinten als die aus ihnen be- - reiteten. Die Anilintinten, wie wir sie kurzweg bezeichnen, lassen ) sich bequem herstellen, fliessen äusserst leicht aus der Feder und greifen dieselbe nicht an. Diese Tinten fanden, als sie vor einigen Jahrzehnten in den Handel kamen, allgemeinen Beifall. Leider aber - stellte sich später heraus, dass sie durch Luft und Licht stark an- ; gegriffen werden, ja sogar völlig verschwinden, wenn sie direkten 1 Sonnenstrahlen ausgesetzt werden. Man kann dies leicht beobachten, ; wenn man mit Anilintinte hergestellte Schrift längere Zeit ans , Fenster legt. Die Anilintinten, welche in allen Farben hergestellt werden, f eignen sich daher wohl ganz gut zur Korrespondenz und zu Schriften, i bei denen längere Haltbarkeit nicht nöthig ist, dagegen werden sie mit Recht vom Gebrauch bei Aktenstücken ausgeschlossen. Äusser den vorbesprochenen drei Hauptarten der Schreibtinten giebt es eine wichtige Tintengruppe, deren Bedeutung von Jahr zu Jahr steigt. Es sind die Kopirtinten. Auch diese lassen sich, wie die Schreibtinten, in mehrere Gruppen theilen. Sie unterscheiden sich von den Schreibtinten meist nur dadurch, dass sie intensiver angefertigt werden, d. h. mehr Farbstoff enthalten, um einen Theil desselben an das Kopirpapier abgeben zu können. Die Galluskopirtinten können, ohne dickflüssig zu werden, am gehaltreichsten hergestellt werden, und zwar so, dass man von einem mit ihnen hergestellten Schriftstück die meisten Kopien erhält, jedoch haben sie meist den Nachtheil, dass die anfänglich schwarzen Abzüge im Laufe der Zeit mehr und mehr vergilben und dadurch unbrauchbar werden. Die Blauholzkopirtinten lassen sich, wenn Dickflüssigkeit ver mieden werden soll, zwar nur so intensiv herstellen, dass man vom Original bis drei Kopieen erlangt; jedoch ist diese Ergiebigkeit hin reichend, da ja in den meisten Fällen nur 1—2 Abzüge verlangt werden. Diese Tinten haben den Vortheil, dass die von ihnen genommenen Kopien mit der Zeit immer kräftiger und dunkler werden. Die Kopie erscheint anfangs röthlich violett und wird nach und nach blauschwarz. Vorausgesetzt ist selbstredend bei allen Fabrikaten rationelle fachmännische Herstellung. Die Anfertigung guter Kopieen erfordert Aufmerksamkeit und Geschick und will gelernt sein, zumal fast jede Kopirtinte ab weichend von andern behandelt werden muss, da die eine Tinte einer stärkeren, die andere einer geringeren Anfeuchtung bedarf. Ferner ist auch zu berücksichtigen, ob die Tinte gleich nach An fertigung des Schriftstückes kopirt werden soll oder erst, nachdem die Schrift tagelang gelegen hat. Im ersteren Falle genügen ge ringere Anfeuchtung und kürzeres Verweilen unter der Presse, wäh rend im entgegengesetzten Falle stärkeres Anfeuchten und längeres Verweilen unter der Presse nöthig ist. Das Papier, auf welchem das Original geschrieben ist, muss gut satinirt sein, da sonst die Tinte zu sehr in die Papierfaser dringt, mit dieser theilweise unlösliche Verbindungen eingeht und sich durch Anfeuchtung nicht wieder aufweichen lässt. Leider wird die Arbeit des Abziehens oft recht ungeübten Händen überlassen, und wenn die Kopieen dann nicht gut ausfallen, so schiebt man die Schuld kurzer Hand auf die Tinte und nicht auf die Ungeschicklich keit bei der Behandlung. So ist es mir z. B. vorgekommen, dass von einer Tinte behauptet wurde, sie kopire nicht, und als ich der Sache auf den Grund ging, stellte sich heraus, dass die noch ganz nassen Schriftzüge des mit der Tinte angefertigten Originals mit dem Löschblatt abgetrocknet worden waren. Selbstredend hatte dieses die Tinte aufgesogen und für das Kopirpapier nichts davon übrig gelassen. Laufen Klagen über Kopirtinte ein, so sollte man nicht ohne weiteres den Aussagen des betreffenden Lehrlings oder Hausdieners glauben, sondern selbst prüfen, ob die Schuld wirklich der Tinte beizumessen ist. Fernere Sonder-Erzeugnisse der Tintenfabrikation sind Hekto graphentinten, welche aus sehr gesättigten Lösungen von Anilin farben bestehen. Die violette Farbe ist bei weitem die ergiebigste, während Schwarz die wenigsten Abzüge liefert. Auch hier muss bei Handhabung des Abziehens viel Sorgfalt aufgewendet werden, und nur Uebung macht den Meister, zumal die Leimmasse der Hektographen-Platte in sehr verschiedenen Mischungsverhältnissen hergestellt wird. Stempelfarben werden verschiedenartig hergestellt, je nachdem sie bei Kautschuk- oder Metallstempeln verwendet werden sollen. Für erstere eignet sich eine mit Glycerin angefertigte Farbe, welche im Handel meist unter der Bezeichnung »Stempelfarbe ohne