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No. 89. PAPIER-ZEITUNG. 1949 Neuheiten. Unter dieser Ueberschrift werden alle von Beziehern der Papier-Zeitung eingesandten Muster von Erzeugnissen des Papier- und Schreib waaren-Gewerbes, welche Neues oder Bemerkens- werthes bieten, kostenfrei besprochen. Unwiderstehlich! Diesen Titel gab der ungarische Maler Margitay einem prächtigen Bilde, welches einen jener »Unwider stehlichen« darstellt, die in jeder Grossstadt anzutreffen sind, wo sie in modischer Kleidung, das »Monocle« im Auge, die Hauptstrassen und Spaziergänge selbstgefällig durchwandern, überzeugt, dass kein weibliches Herz ihnen widerstehen könne. Die Firma G. Freytag & Berndt in Wien hat dieses Bild in Originalgrösse durch Mehr farbendruck in Photographietönen wiedergeben lassen, so dass es wie eine kraftvolle photographische Reproduktion wirkt. Der eroberungs lüsterne »Patentmensch« hat sich auf einer Bank neben einem jungen Mädchen niedergelassen, welches augenscheinlich die Aufgabe hatte, die Spiele ihrer jüngeren Schwestern zu beaufsichtigen. Der Stören fried sitzt mit übergeschlagenen Beinen und keck zur Seite ge schobenem Cylinder pfeifend da und schielt mit dem frechen Augen ausdruck grossstädtischer Lebemänner nach dem hübschen Mädchen an seiner Seite. Die kleinen Schwestern sind herangelaufen, und während die ältere sich der Komik der Situation nicht entziehen kann und hell auflacht, betrachtet die jüngere den Eindringling mit erstaunten grossen Kinderaugen. Das zum Zielpunkt des »Unwider stehlichen« erkorene junge Mädchen selbst hat in dem Abc-Buch des Schwesterchens einen Ruhepunkt für ihre beunruhigten Augen ge funden und studirt eifrig, halb verlegen, halb belustigt, dessen kind lichen Inhalt. Das Bild misst etwa 37 :67 cm und wird im Gesammteindruck durch den reichlich bemessenen Papierrand noch erheblich vergrössert. Neujahrs-Wunschkarten. Die Firma J. Miesler in Berlin S., Luisen-Ufer 44, hat wieder eine Anzahl neuer scherzhafter Neujahrs karten fertiggestellt, deren Inhalt sich meist, wie dies bei Neujahrs karten oft gewünscht wird, auf dem Gebiete des Derb-Komischen be wegt. Die Bilder und Verse verspotten, wie üblich, Maulheldenthum, Schwiegermutter- und Pantoffelherrschaft, unsolides Junggesellenleben, sowie verschiedene individuelle Körper- und Charakterschwächen. Da bei kommen manchmal neue und eigenartige Gedanken zum Ausdruck, wie z. B. bei dem »Wunsch-Automaten«, einem aufgerichteten Schwein mit weit geöffnetem Maul. Wenn man bei senkrechter Haltung der Karte in dieses Maul ein Zehnpfennigstück steckt, fällt ein be wegliches Einsatzstück nach unten und lässt zwischen den Hinter beinen des Schweines den Kopf einer jungen Frau erscheinen. Die Karten sind mit der Sauberkeit ausgeführt, welche die Arbeiten der Firma stets auszeichnete. Farbige Reklamekarten. Die Firma Peter Reck Nachf. in M.-Gladbach pflegt das dankbare Gebiet der Fabrikation von Re klamekarten. Die uns vorgelegten zahlreichen Muster bekunden, dass die besondern Ansprüche, welche an solche Erzeugnisse gestellt werden, mit Sachkenntniss und grossem Geschick befriedigt sind. Die Mehrzahl der farbigen Karten, auf deren Rückseite der Text einer Geschäftskarte oder die Empfehlung eines bestimmten Erzeug nisses angebracht werden kann, zeigt schon in der Wahl der Dar stellungsgegenstände, dass sie für denjenigen Kundenkreis bestimmt ist, der für farbige Bilder am meisten Verständniss besitzt. Hübsche Kinder sind beim Spiel, in fröhlicher Geselligkeit, auf Reisen und in historischen Gewändern, überhaupt in Lebenslagen dargestellt, welche geeignet sind, das kindliche Interesse zu erregen. Vier bis sechs Karten gehören meist zusammen. Eine solche Kartengruppe stellt z. B. die Abenteuer eines Knaben mit kleinen Indianerjungen dar, andre zeigen Mädchen in Amazonentracht, liliputanische Kinder die in Nähkörbchen und Bratpfannen hocken, blumentragende Genien , junge Pärchen in der Tracht des 17. Jahrhunderts, rauchende und schnupfende Knaben, ferner Blumensträusse in Vasen und Stillleben mit Fächern und Blumen. Eine sehr eigenartige Gruppe zeigt kleine Mädchen mit Flügeln und in einer Gewandung, welche auf bekannte Vogelarten: Schwalbe, Pfau, Sperling, Papagei usw. hindeutet. Diese Vögel sind stets neben der Haupt-Darstellung in ihrer natürlichen Umgebung gezeigt. Eine andre Abtheilung enthält Darstellungen von Verkaufsläden verschiedenster Art, die sich zur Benutzung für Schuhwaarengeschäfte, Modebazare, Uhrenhandlungen usw. eignen. Alle diese Bildchen sind etwas grellfarbig, wie es für Reklamezwecke erwünscht ist, aber mit viel Verständniss für dekorative Farbenwirkung ausgeführt. Gold ist reichlich und mit bestem Erfolg angewendet, theils zu Hinter gründen, theils zu breiten Umrahmungen, und verleiht den Karten freundliches und reiches Aussehen. Die Figuren sind meist gut, manchmal sogar mit künstlerischem Schwünge entworfen. Ein andres hübsches Erzeugniss der Firma sind die sogenannten »Bonbonsäcke«, zierliche langgestreckte Hülsen in Hermenform mit Verschluss aus farbigen Stoffen, der sackartig zusammengeschnürt werden kann. Auf den trapezförmigen Langseiten sind flott ent worfene, farbenreiche Bilder angebracht. Diese Bonbonsäcke sind fein lackirt und stehen französischen Erzeugnissen ähnlicher Art in nichts nach. Wunschkarten, Reliefbilder und Kalender von Otto Schaefer & Scheibe in Berlin S., Ritterstrasse 111. Die dies jährigen Neuheiten der Firma auf dem Gebiet lithographischen Farben drucks und derLuxuskarten-Fabrikation sind fast sämmtlich Leistungen ersten Ranges. Unter den Wunschkarten ragen die mit Seidenreliefs versehenen vermöge der Frische ihrer Farben, schöner dekorativer Anordnungen und der Körperhaftigkeit ihrer Darstellungen hervor. Die feine Wirkung dieser Karten wird meist durch zartgrauen neu tralen Grund erhöht, der die Farben besser zusammenhält als die kalte Naturfarbe weissen Chromopapiers es vermöchte. Auch die beigefügten Verse sind besser als man sie sonst auf Wunschkarten findet; z. B.: Ein frohes Grüssen mit den Winden Trägt heut zu Dir der Sonnenschein; Was meines Herzens Boten künden, Du weist es längst»In Treue Dein !« Einige Karten mit Figural-Darstellungen sind geradezu künst lerisch aufgefasst. So ist z. B. ein festlich geschmücktes, zum Tanze schreitendes südbayerisches oder tyroler Hochianispärchen in seiner übermüthigenLust und frischen Natürlichkeit vortrefflich charakterisirt. Auf Ausführung der Kulissen- oderKlappkarten ist grosse Sorg falt verwendet. Es sind dabei zwei Gruppen vertreten: eine, bei der die verschiedenen ausgestanzten Schichten offen über einander liegen, und eine andere, bei der sie zwischen Doppelkarten, die ent weder an einer Schmalseite oder an einer Langseite Zusammenhängen, eingefügt sind. Der erstgenannten Sorte gehört u. a. eine Karte an, deren Bestandtheile sich auseinanderspreizen, wenn man sie mittels einer aus Seidenband gebildeten Schleife an der Wand oder einer sonstigen senkrechten Fläche befestigt. Inmitten von Ros-nbüschen steht dann das oben erwähnte Pärchen, während vorn ein vergoldetes Gitter, im Hintergründe ein zierlicher mit Thürmchen geschmückter Bau den Abschluss bilden. Die zwischen Doppelkarten eingefügten Kulissenbilder enthalten zum Theil sehr eigenartige, hübsch erdachte Darstellungen. Eine Karte zeigt z. B. nach erfolgtem Auseinanderklappen einen Rosen zweig mit entfalteten Blüthen. Die aus rothem und rosa Seiden papier geschnittenen Blumenblätter sind so geschickt gelegt, dass sie beim Zusammenklappen wieder fest aufeinandergepresst werden. Ein kleiner aus Karton gestanzter Fuss gestattet schräge Auf stellung der Karte. Bei einer anderen Doppelkarte wird nach erfolgter Entfaltung ein prächtig in Farbendruck ausgeführter musizirender Engel sichtbar, dem zwei kleinere Engelchen voranschweben. Da sämmtliche Engel in Kulissenabsätzen hinter einander, theils vor, theils hinter einer Wolke angebracht sind, macht das Ganze einen sehr natürlichen, anmuthenden Eindruck. Andre Faltkarten dieser Art stellen einen Brautzug, der soeben die Kirche verlassen hat, einen prächtigen mit Blumen geschmückten Springbrunnen, eine Gruppe kleiner Hemdenmätzchen usw. dar. Den Klappkarten reihen sich gestanzte Reliefbilder grösseren Maassstabs an, die zum Christbaumschmuck bestimmt sind. Auch diese Bilder sind künstlerisch entworfen und mehrfach in zwei hinter einanderliegenden Kulissen ausgeführt, von denen die hintere eine Sonnen- oder kometenartige Glorie darstellt. Eine prächtige Kolossal figur des »Weihnachtsmannes« ist gleich den vorerwähnten Bildern zum Aufhängen an die Zweige des Tannenbaumes bestimmt und zu diesem Zweck mit einer Oese aus Goldfaden versehen. Funkelnder Glimmerstaub ist reichlich aufgestreut. Diese Christbaumbilder er scheinen als reizende Neuheit, würden aber ihrer Aufgabe noch besser entsprechen, wenn sie doppelseitig ausgeführt wären. Bei gegen wärtiger Ausführung kann es leicht vorkommen, dass der schwanke Faden sich dreht und dem Beschauer die weisse Rückseite des Bildes zukehrt. Fein ausgeführte, mit zarten Bildchen geschmückte Kalender lassen erkennen, dass sie hauptsächlich für Damen Schreibtische be stimmt sind. Ihre vornehme Ausstattung lässt sie hierzu trefflich geeignet erscheinen. Auch für die kleine Welt ist durch Bilderbücher gesorgt. Zwei solche, in Form von Leparello-Albums ausgeführt, enthalten die betrübsamen Geschichten vom »Naschkätzchen«, das Gift genascht hat und dann mit dick geschwollenen Lippen herum laufen muss, und vom »Zungenpeter«, dem Nachbars Nero die gewohn heitsmässig herausgestreckte Zunge abbeisst. Eine höchst prächtige Weihnachtsgabe, welche die Aufmerksamkeit aller kunstsinnigen Leser verdient, ist ein titelloses Werk in Gross- Oktav, eine Art von künstlerischem Wein-Brevier, in welchem durch 5 Bilder mit zugehörigen formvollendeten Gedichten 5 hauptsäch-