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1926 PAPIER-ZEITUNG. Ha 88. Mitscherlich-Patentstreit. Professor Dr. Mitscherlich hat bekanntlich eine Reihe von Prozessen gegen diejenigen Zellstofffabriken angestrengt, von welchen er an- nimmt, dass ihre Vorrichtungen zur Wiedergewinnung der schwefligen Säure gegen seine Patentrechte verstossen. Der Patentanspruch Nr. 2, auf den seine Klagen begründet sind, lautet folgendermaassen: Die Bereitung der Lösung des sogenannten doppeltschweflig- säuern Kalkes unter Wiederbenutzung der ausgetriebenen schwefligen Säure. Die erste Fabrik, gegen welche Prof. Mitscherlich klagend vor ging, war die Aktiengesellschaft Freiberger Papierfabrik zu Weissen born. Wir haben den Verlauf und für den Kläger günstigen Aus gang des Prozesses im Jahrgang 1888, Seite 1673, mitgetheilt. In demselben Jahrgang, Seite 1058, erwähnten wir auch, dass Prof. Mitscherlich eine Firma verklagt habe, die ihre Lauge von jeher nur in Bottichen und mit Kalkmilch bereitet hat, also weder Thürme noch Kalksteine an wendet. Diese Firma ist die Aktien gesellschaft für Maschinenpapierfabrikation in Aschaffen burg. Die Klage ist inzwischen in erster Instanz vom Landgericht Aschaffenburg unter Verurtheilung des Klägers in die Kosten abge wiesen worden. Der uns vorliegenden Urtheils - Ausfertigung entnehmen wir Folgendes: Professor Mitscherlich hatte beantragt: 1. Die beklagte Aktiengesellschaft ist schuldig, das dem Kläger in dem deutschen Reichspatente No. 4179, Anspruch 2, patentirte Verfahren zur Bereitung des sogenannten doppelt-schwefligsauren Kalkes in ihrer Sulfit - Cellulose-Fabrik einzustellen und bei Ver meidung einer Geldstrafe von 1500 M. für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung bis zum Ablauf des erwähnten Patentes zu unter lassen. 2. Die beklagte Aktiengesellschaft und die beklagten Direktoren Philipp Dessauer und Ludwig Stutz sind schuldig, dem Kläger unter solidarischer Haftung für die in der Vergangenheit liegende und bis zur Einstellung erfolgende Benutzung des patentirten Verfahrens Schadenersatz, dessen Bezifferung vorbehalten wird, zu bezahlen. 3. Das Urtheil zu Ziffer 1 ist gegen angemessene Sicherheits leistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Beklagten erhoben Widerspruch und behaupteten, dass in ihrer Sulfit-Zellstoff-Fabrik das Mitscherlichsche Thurm- Verfahren zur Bereitung der Lösung doppelt-schwefligsauren Kalkes niemals angewendet worden sei, dass insbesondere der Lösungsprozess nicht in einem Thuim oder thurmartigen Bau vor sich gehe. Dem gegenüber beantragte der Kläger Feststellung des Sach verhalts durch richterliche Augenscheinnahme und Ernennung von Sachverständigen. Auch die Beklagten benannten ihrerseits mehrere Zeugen und Sachverständige. Entsprechend diesen Anträgen wurde Beweisaufnahme angeordnet. Bevor dieselbe jedoch erfolgen konnte, beantragte der Vertreter des Klägers einen neuen Termin und erklärte darin, er habe inzwischen erfahren, dass das Mitscherlich’sche Patent von den Beklagten jetzt nicht mehr in der im Klageantrag angegebenen Weise verletzt werde; er verzichte daher auf die Augenscheinnahme und beantrage die Beweiserhebung nur darauf zu erstrecken, dass die beklagte Fabrik das patentirte Verfahren vor und während der Zeit der Klage-Er hebung angewendet habe. Als Beweismittel beantrage er Eides leistung der Beklagten. Der Vertreter der Beklagten bezeichnete die Eides-Zuschiebung als gesetzlich unstatthaft, obwohl die Beklagten gegebenenfalls den Eid auch leisten könnten, und beantragte Beweisaufnahme durch Zeugen und Sachverständige. Durch Gerichtsbeschluss wurde die letztere Form der Beweis- Erhebung angenommen, Gutachten von Sachverständigen eingeholt und die vorgeschlagenen Entlastungszeugen in der Haupt-Verhand lung vom 4. Oktober 1889 vernommen. Der Zeuge und Sachverständige E. Höhn bekundete eidlich, dass er in der Zeit vom 15. Februar 1884 bis dahin 1886 in der Fabrik der Beklagten als Chemiker thätig gewesen sei; dass die Be reitung einer Lösung von saurem schweflig-saurem Kalk während dieser Zeit auf andere Art als in der Patentschrift No. 4179 be schrieben, erfolgt sei; dass insbesondere kein Thurm oder thurm- artiger Raum zur Verwendung gekommen sei, dass auch kohlensaurer Kalk in Stücken hierbei nicht benützt worden sei. Infolgedessen sei auch das Princip des sogenannten kontinuirlichen Gegenstromes nicht zur Anwendung gekommen. Er bestätigte weiter, dass auch das andere in der Patentschrift angegebene Verfahren: Einleitung von schwefliger Säure in einen Kasten, enthaltend Wasser und aufgerührten reinen gelöschten Kalk, in der erwähnten Fabrik während der angegebenen Zeit keine An wendung gefunden habe. Der Zeuge und Sachverständige Dr. A. Frank bekundete, dass er in der Zeit zwischen dem 21. Juni bis 23. November 1888 öfters in die Sulfit-Zellstoff-Fabrik der Beklagten gekommen sei und hierbei wahr genommen habe, dass die Herstellung der schwefligen Säure stets in der nämlichen Weise erfolgte, und zwar mit Hilfe des sogenannten Leonhardt’schen Apparates. Er erklärte ferner, dass die Lösung von doppelt-schwefligsaurem Kalk in chemischer und mechanischer Hinsicht anders war, als bei dem in der Patentschrift No. 4179 beschriebenen und durch Patentanspruch Ziffer 2 geschützten Ver fahren des Klägers. Er bestätigte, dass sich das in der Fabrik der Beklagten beobachtete Verfahren von dem patentirten Verfahren des Klägers wesentlich dadurch unterscheide, dass zur Herstellung der Lösung von Bisulfit die lange vor Ertheilung des Patentes bekannt gewesene und in der chemischen Literatur beschriebene Methode, schwef lige Säure in Kalkmilch zu leiten, angewendet worden sei und noch angewendet werde. Er fand einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Arten des Verfahrens darin, dass in dem Verfahren der beklagten Gesellschaft das der patentirten Erfindung des Klägers charakteristische Prinzip des Gegenstromes fehlt. Die Kalkmilch wurde in Aschaffen burg durch Löschen von Aetzkalk mit reichlichem Wasser hergestellt, war frei von Kohlensäure, und der chemische Prozess ging also ganz anders vor sich, als bei der Anwendung von kohlensaurem Kalk. Hierin liege ein wesentlicher Unterschied der beiden Arten des chemischen Prozesses. Auf mechanischem Gebiet liege der Unter schied in der Verschiedenheit des Apparates, indem bei dem paten tirten Verfahren ein Prozess kontinuirlichen Gegenstromes stattfinde, bei demjenigen der Fabrik dagegen nicht. Der sachverständige Zeuge Professor der Chemie Dr. Conrad bestätigte, dass er die Sulfit-Zellstoff-Fabrik der beklagten Gesellschaft seit Beginn des Betriebes derselben, d. h. seit 1885, kenne, dass er dieselbe seitdem in jedem Jahre einmal besucht habe, und dass von ihm das in der Fabrik eingeführte Verfahren zur Herstellung des doppelt schwefligsauren Kalks jedesmal als das nämliche beobachtet worden sei, insbesondere, dass diese Gleichheit der Fabrikationsmethode bei seinem ersten Besuche nach Inbetriebsetzung — 1885 — und bei seinem letzten Besuche der Fabrik — 30. Juni 1889 — von ihm wahrgenommen worden sei. Derselbe Zeuge, der vom Gericht als »Sachverständiger höherer Ordnung« anerkannt wurde, bekundete ferner, dass das in der Fabrik der Beklagten angewendete Verfahren zur Herstellung von doppelt schwefligsaurem Kalk in wesentlicher Beziehung anders sei, als das durch den Patentanspruch 2 der Patentschrift geschützte Verfahren des Klägers, und zwar sowohl mit Rücksicht auf das verwendete Ausgangsmaterial, als mit Rücksicht auf die angewendeten Vor richtungen. Statt des in der Patentschrift erwähnten kohlensauren Kalkes werde, wie schon mehrfach erwähnt, Aetzkalk in Form von Kalkmilch verwendet, und die Gewinnung von doppelt-schwefligsaurem Kalk gehe nicht in einem Thurme, sondern in einem cylinderartigen Bottich vor sich. Der Sachverständige bestätigte, dass das von der beklagten Ge sellschaft angewendete Verfahren der Absorption der schwefligen Säure durch Kalkmilch schon lange vor Ertheilung des Patents in der Wissenschaft und Technik bekannt gewesen und insbesondere in dem Werke von A. Payen, Chimie industrielle, übers, von Stohmann- Engler, Stuttgart 1872, Bd. 1, S. 232/33, beschrieben worden sei. Angesichts dieses Beweisergebnisses erkannte das Gericht, dass weitere Beweise über die Art und fortgesetzte Anwendung des Ver fahrens nicht erforderlich seien. Da ferner der Kläger bereits am 18. April 1889 zugestanden hatte, dass sein Patent zur Zeit von der beklagten Gesellschaft nicht mehr verletzt werde, d. h. dass das in der Fabrik der Beklagten angewendete Verfahren ein anderes sei, als das patentirte; da ferner durch die Zeugenaussagen festgestellt war, dass das in der Fabrik der Beklagten angewendete Verfahren in den Jahren 1885—1889 unverändert ein und dasselbe geblieben ist, gewann das Gericht die Ueberzeugung von der Grundlosigkeit der Klage und wies den Kläger kostenpflichtig ab. Fabrik lackirter Oelpappwaaren (Papiermache — schwarze Japan-Artikel) [44220 Photographie-, Spiegel- und Bilder-Papprahmen. Gegründet 1862. Starosky & Haring, Warmbrunn in Schlesien Engros. (Inhaber August Buchholz). Export.