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1904 PAPIER-ZEITUNG. No. 87. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Buchheftmaschinen. (Fortsetzung zu Nr. 86.) Auf einem andern Wege suchten Martini & Co. in Frauenfeld, Schweiz, die Aufgabe zu lösen. Der Gedanke, welcher sie leitete, war an sich glücklich, denn sie gedachten mit einem Schlage zwei Fliegen zu treffen und eine Maschine zu bauen, welche die Bogen zugleich falzt und heftet. Demnach führt ihre Maschine den Namen Falz- und Heftmaschine. Der ungefalzte Bogen wird, wie auch in andern Falzmaschinen, nach den Punkturen angelegt, die bereits von der Schnellpresse des Buchdruckers in jeden einzelnen Bogen gestochen sind. Dadurch wird gleichmässiges Falzen erzielt. Der nach Punk turen angelegte Bogen wird von einem Falzmesser ergriffen, das erste Mal gebrochen und in die Maschine gezogen. Hier wirken zwei an dere Falzmesser, welche den zweiten und dritten Bruch geben. Das Heften führt die Maschine selbstthätig auf zwei Arten aus: entweder mit zwei Stichen nach Art der Broschürenheftung, oder sie heftet jeden Bogen durchaus von Fitzbund zu Fitzbund und bereitet das Buch zum Einbinden vor. Dabei heftet der Mechanismus, bevor der letzte Falzbruch gemacht wird, also wenn der zweimal zusammen gebrochene Bogen bis zur Ausführung des dritten Bruches fertig ist. In diesem Zustand liegt der Bogen, zwischen zwei gerippte Walzen geklemmt, senkrecht in der Maschine vor dem dritten Falzmesser, welches bereit liegt, den letzten Bruch zu falzen. Bevor das geschieht, wird der Heftzwirn von einer Spule abgewickelt und an derjenigen Stelle über den Bogen gezogen, an welcher später das Falzmesser zum Herstellen des letzten Bruches auftrifft. Zugleich stechen von der Rückseite her zwei Nadeln, welche in gewünschter Entfernung ver stellbar sind, durch den Bogen, greifen mit ihren Spitzen, die in kleine Häkchen auslaufen, über den Zwirnsfaden hinaus, ziehen sich dann wieder zurück, fassen dabei mit ihren Häkchen den Zwirn und ziehen ihn nach aussen zu durch den Bogen hindurch. Gleichzeitig wirkt ein Scheerenmechanismus, welcher den Zwirn in der nöthigen Länge abschneidet. Die Enden des Zwirns, welche nun auf der Aussenseite des Bogens liegen, werden von der Maschine selbst thätig angeklebt. Sobald das geschehen ist, tritt das Falzmesser in Thätigkeit, macht den letzten Bruch, und der gefalzte und geheftete Bogen fällt in den Ablegekasten, nachdem er vorher noch durch zwei Glättwalzen gelaufen ist und dabei festgewalzt wurde. Zur Herstellung von Broschüren ist diese Maschine gewiss zweck mässig. Die mit zwei Stichen gehefteten (geholländerten) Bogen werden erst nach dem Heften zusammengetragen, kaschirt und in Umschläge gehängt. Dabei ist die quantitative Leistungsfähigkeit durch den Umstand, dass die Maschine zugleich falzt und heftet, ohne Zweifel sehr bedeutend. Die Nutzbarkeit der Maschine wird noch dadurch erhöht, dass der Heftapparat abstellbar ist und mit derselben nach Belieben nur gefalzt oder zugleich gefalzt und ge heftet werden kann. Der Schwerpunkt liegt aber bei Heftmaschinen darin, dass die selben zum Heften solcher Bücher tauglich sind, die gebunden wer den sollen. Das wussten die Erfinder wohl und bemühten sich, ihre Falzmaschine auch nach dieser Seite hin brauchbar zu machen. Die Nadeln wurden so eingerichtet, dass sie in der Entfernung der Fitz bünde stellbar sind, so dass der Faden durch die Länge des ganzen Bogens gezogen wird. Bevor jedoch der Heftmechanismus in Thätig keit tritt, müssen die Bogen erst mit Einsägelöchern versehen wer den. Das kann natürlich nicht mit Sägen geschehen, denn der letzte Bruch ist noch nicht gemacht, und die Bogen sind noch in flach liegendem Zustande, in welchem die Sägelöcher rund erscheinen, wie man bemerkt, wenn man einen eingesägten Bogen öffnet und flach vor sich legt. Die Erfinder brachten deshalb runde Stanzeisen an, die genau an der Stelle, welche später gebrochen wird, drei runde Löcher einstanzen. Ueber diese Löcher weg spannt der Mechanismus nun den Heftfaden; an den Stellen der Fitzbünde greifen die Nadeln durch den Bogen und ziehen die Faden-Enden nach aussen, wo die selben festgeklebt werden. Der Falzapparat macht den letzten Bruch, und der geheftete und gefalzte Bogen tritt durch die Glättwalzen aus der Maschine. Wie bei Broschüren, so können auch bei zu bindenden Büchern die Bogen erst nach dem Heften zusammengetragen werden. Das zusammengetragene Buch hat drei Einsägelöcher am Rücken, welche durch die Heftfäden verschlossen sind. Damit die einzelnen Bogen untereinander festhalten, werden zwischen den Heftfäden und dem Bogen hindurch in die Einsägelöcher drei Bindfäden gezogen, die aufgeschabt und an das Vorsetz geklebt werden. Auf solche Weise wird eben so feste Verbindung geschaffen, wie durch unmittelbar ein geheftete Bünde. Dagegen ist es als Nachtheil anzusehen, dass der Heftzwirn nicht von Bogen zu Bogen überlaufend ununterbrochen durch das ganze Buch hindurch fortläuft, sondern bei jedem ein zelnen Bogen an den Fitzbünden abgeschnitten und mit den Enden verklebt wird. Dadurch ist die Haltbarkeit eines so gehefteten Buches in Frage gestellt und kommt auf keinen Fall derjenigen der Hand heftung gleich. Dennoch hätte die Martini’sche Falz- und Heft maschine sowie auch die Smyth'sche Fadenheftmaschine Aussicht auf grössere Verbreitung gehabt, wenn nicht kurz darauf eine Maschine erfunden worden wäre, die in kurzer Zeit über alle andern den Sieg davon trug. Ich meine die Brehmer’sche Drahtheftmaschine, welche anfangs der siebziger Jahre in Deutschland bekannt wurde. Die geringen Erfolge, welche frühere Erfinder mit ihren Faden heftmaschinen gehabt hatten, brachten Herrn Brehmer auf den Ge danken, von dem alten Zwirnheftverfahren ganz abzugehen und an Stelle des Zwirns dünnen, verzinnten Stahldraht zu verwenden. Hier bei brauchte er die grösste Schwierigkeit, den Heftfaden fortlaufend von Bogen zu Bogen überzuführen, nicht mehr zu bewältigen. Denn seine Drahtheftung ist auf ganz andere Voraussetzungen begründet und fusst lediglich auf der Eigenschaft des Drahtes, die ihm einmal gegebene Form lange Zeit beizubehalten und sich schwer aus seinem festgebogenen Zustande wieder aufzubiegen. Diese Eigenschaft aus nützend, baute Brehmer eine Maschine, deren Hauptthätigkeit darin besteht, von einer Spule abgewickelten Stahldraht in einige Centimeter lange Stücke zu schneiden, diese Stücke in die bekannte Form | | zu biegen, die Enden der Schenkel zugleich von innen nach aussen durch den Falz des untergelegten Bogens zu treiben und an der Aussenseite desselben fest zusammenzudrücken, wodurch diese Form entsteht i—' -2J. Die zugebogene Drahtklammer umschlingt die Doppel blätter des Bogens und hält dieselben fest zusammen. Sollen einzubindende Bücher geheftet werden, so geschieht das, indem die Maschine sämmtliche Bogen auf einen aufgespannten Gaze streifen von der Höhe des Buches mit je 3 bis 6 Klammern fest heftet, immer einen Bogen an den andern pressend. Die Bogen sind somit unter sich nicht unmittelbar verbunden, sondern werden durch den gemeinsamen Gazestreifen zu einem Ganzen vereinigt. Bei einem drahtgehefteten Buche liegen die Klammern mit ihrem Mitteltheil stets in den einzelnen Bogen, während sämmtliche Drahtenden auf dem Rücken über dem Gazestreifen zusammengebogen sind. Auch diese Enden sind nicht untereinander verbunden, sondern der Zu sammenhalt wird durch die Zähigkeit des Stahldrahtes gewährleistet, erhöht durch Stoff, der nochmals über den Rücken mit den umge bogenen Drahtenden weggeklebt wird. Auch der festanliegende Ein bandrücken trägt zum Niederhalten der Drahtenden bei. Die ersten Maschinen, welche die Gebrüder Brehmer in den Handel brachten, waren bereits so gut gebaut, dass im Laufe der Zeit keine wesentlichen Veränderungen mehr nöthig waren. In dieser Vollkommenheit, mit welcher die Erfindung sofort auftrat, ist wohl hauptsächlich die Ursache der ungemein schnellen und weiten Ver breitung der Maschine zu suchen. Der Mechanismus arbeitete mit erstaunlicher Sicherheit, und trotz der Eigenart der Heft weise, trotz des ungewohnten Heftstoffs brachte man in betheiligten Kreisen der Erfindung Zutrauen entgegen und setzte sich bald über die nicht ganz ungerechtfertigten Bedenken hinweg, welche die Drahtheftung anfangs erregte, und welche auch jetzt noch nicht ganz geschwunden sind. Widersacher hat die Drahtheftung zu allen Zeiten gehabt, und wenn die Anzeichen nicht täuschen, wächst gegenwärtig die Zahl derselben. Das mag eine Folge der allzu ausgedehnten Anwendung des Drahtes sein, mit dem gar manches geheftet wird, was besser mit Fadenheftung ausgeführt würde. Mag sich die Drahtheftung zu einer Arbeit noch so gut bewähren, zu einer andern kann sie trotz dem unzweckmässig sein. Eines schickt sich nicht für Alle, und die Drahtheftung sollte nur da angewendet werden, wo man von ihrer Zweckmässigkeit überzeugt ist. Fig. 4 zeigt eine grosse Brehmer’sche Drahtheftmaschine. Der Antrieb derselben erfolgt durch einen Treibriemen, welcher von der Transmission auf die Stufenscheibe c läuft, die sich lose auf der Hauptwelle dreht. Leichtes Auftreten auf die Trittstange m veran lasst, dass die Klauen bei d in gleichartige Klauen eingreifen, welche in der Innenseite der Stufenscheibe angebracht sind, und die Maschine beginnt zu arbeiten. Sobald der Druck auf der Trittstange m nach lässt, bringt die Schwere des Gegengewichtes s die Klauen wieder äusser Eingriff, und die Maschine steht still. Zur Aufnahme der Bogen dient Tisch h, welcher beweglich schwingt und sich nach jeder Umdrehung des Werkes zur Empfangnahme des Bogens dar bietet. Das bedienende Mädchen ergreift den Bogen mit der linken Hand, öffnet ihn und legt ihn dann mit der rechten auf den Tisch h gegen eine Anschlagführung. Hierauf schwingt Tisch h mit dem Bogen