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1880 PAPIER-ZEITUNG. No. 86. Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Buchheftmaschinen. Die Anfänge der Buchbindetechnik fallen in die Zeit, in welcher man begann, Pergament als Beschreibstoff zu verwenden und Perga mentblätter zu Heften und Büchern zu vereinigen. Das Heften ge schah anfangs auf einfache Weise mittels Lederriemen, die einige Millimeter vom Rücken entfernt seitlich durch sämmtliche Blätter hindurch gezogen wurden, ähnlich, wie noch jetzt dünne Broschüren seitlich geheftet werden. Die überstehenden Enden der Lederriemen wurden sodann durch den Buchdeckel gezogen und diese auf solche Art mit dem Buchkörper verbunden. Als sich die Technik weiter ausbildete, ging man von dieser einfachen Heftweise ab, ordnete die einzelnen Doppelblätter zu Lagen und stellte die Verbindung dieser mit Hilfe von Heftzwirn her. Die Art des Heftens war schon in früher Zeit der noch jetzt geübten ähnlich. Man heftete die Bücher je nach Formatgrösse auf drei bis sechs Pergamentstreifen, um welche der Heftfaden von innen nach aussen und über den Streifen weg wieder nach innen laufend ge schlungen wurde, so dass jede einzelne Lage an die Pergamentstreifen festgeheftet war. Das Heften ging dabei vor sich, wie Abb. 1 zeigt. Die senkrechten Streifen a, a, a, a sind die vier Heftbünde, welche quer über den Rücken des Buches wegliegen; b, b sind zwei Pergament- oder Papierlagen im angehefteten Zustande. Bei c wird der Faden zuerst von aussen nach innen in die Lage gestochen und läuft, wie die punktirten Linien andeuten, inmitten der Lage bis zum ersten rechtsliegenden Bunde «, an dessen rechter Seite der Faden nach aussen läuft, über den Bund weggreift und an der linken Seite wieder in das Innere des Bogens gezogen ist, dessen sämmt liche Doppelblätter er festhält. Beim nächsten Bunde a tritt der Faden wieder nach aussen, greift über den Bund weg, um dann wieder in das Innere der Lage zu treten und die Blätter festzuhalten. Dasselbe wiederholt sich beim dritten und vierten Bunde. Bei d tritt endlich der Faden aus dem unteren Bogen heraus, um an derselben Stelle am oberen Bogen wieder nach innen zu treten, von links nach rechts den Weg entgegengesetzt wie bei der ersten Lage wieder zu vollenden, bei c' wieder auszutreten und nach dem Verknüpfen der beiden Fäden c und c' in eine dritte Lage überführt zu werden. So ist jede einzelne Lage an den vier Bünden festgeheftet, und auch bei c und d, den sogenannten Fitzbünden, hängen alle Lagen unter sich zusammen. Diese Art der Heftung hat sich bis auf die Jetztzeit erhalten. Wandlungen sind insofern eingetreten, als man die Pergamentstreifen beim Heften gedruckter Bücher durch Bindfäden ersetzte, die in älterer Zeit ohne besondere Vorarbeit unmittelbar auf den Rücken der ein zelnen Lagen geheftet wurden. Durch den ziemlich dicken Bind faden bildeten sich hohe Wülste, die quer über den Rücken wegliefen und auf dem Lederrücken als erhabene Bünde bemerkbar waren. Als man später infolge der eigenartigen Dekorationsweise der Lederrücken glatte, durch keine hohen Bünde unterbrochene Flächen anstrebte, ver fiel man darauf, die Bücher am Rücken an den Stellen, an denen sich die Bünde hinziehen, mittels einer Säge so mit vertieften Löchern zu versehen, dass die Bindfäden versenkt im Buchrücken liegen, und dieser eine vollständig ebene Fläche bildet. Das Anbringen dieser Löcher wird mit dem technischen Ausdruck »Einsägen« bezeichnet. Zur Ausführung dieser Arbeit verwendete der Grossbetrieb früher Einsägemaschinen, die jedoch nach Erfindung der Heftmaschinen fast verschwunden sind. Bei Handheftung werden die Bücher fast alle eingesägt, da diese Arbeitsweise schätzenswerthe Erleichterungen bietet. Die Sägelöcher gestatten schnelles, wenig anstrengendes Durchstecken der Heftnadeln, weshalb auch die Stelle der Fitzbünde mit eingesägt wird. Ferner bekommen die einzelnen Bogen eine stets gleichmässige Lage; keiner kann am oberen Schnitt vorstehen oder zurücktreten, sobald das Buch vor dem Einsägen gut gleichgestossen wurde. Der am meisten ge schätzte Vortheil ist aber der glatte Rücken, welcher bei Herstellung unserer modernen Einbände in den meisten Fällen gefordert wird. Auch legen sich eingesägte Bücher leichter auf. Freilich bringt das Einsägen auch Nachtheile mit sich. Dieselben sind jedoch, falls die Löcher nicht übermässig gross gesägt sind, nicht von besondrer Be deutung. Trotzdem dürfte es empfehlenswerth sein, kostbare Bücher nicht einzusägen, sondern auf hohe Bünde zu heften. Das Handheften mit Nadel und Zwirn ist eine langweilige, geist- tödtende Arbeit, deren Vereinfachung und Beschleunigung man seit langer Zeit erstrebt. Der Grossbetrieb suchte sich zu helfen, indem er zur Verrichtung derselben Mädchen heranzog, welche in Führung von Nadel und Zwirn den Männern im allgemeinen überlegen sind. Dieselben hefteten die eingesägten Bücher, und die Buchbinder ver arbeiteten sie dann weiter. Trotzdem blieb das Heften Handarbeit, es kam als solche ziemlich theuer zu stehen, und die Wünsche der Grossbuchbinder waren daher allgemein auf eine schnellarbeitende Maschine gerichtet. Da erfand Elias Howe 1846 die Nähmaschine. Sofort richteten sich die Blicke der Buchbinderwelt hoffnungsvoll auf diese Erfin dung, deren Brauchbarmachung zum Buchheften von vielen erwartet wurde. Vorläufig blieb das aber noch ein frommer Wunsch, denn es fand sich keine barmherzige Erfinderseele, welche geneigt war, ihre Ruhe für eine schwer ausführbare Sache auf das Spiel zu setzen. Endlich erbarmte sich Singer und machte lange Versuche, deren Ergebniss recht armselig war. Singer beging einen Fehler, an dem auch seine nächsten Nach folger krankten: Er hielt sich zu eng an die Bauart der Nähmaschine und dachte mit Nadel und Zwirn die ganz anders geartete Arbeit der Buchheftung ähnlich auszuführen wie das Nähen von Hemden. Auf diesem Wege konnte man aber nicht zum Ziele gelangen, wie die Erfinder zu ihrem Schaden zuletzt stets selbst einsahen. So ist denn die von Singer gebaute Buchheftmaschine nicht viel mehr als eine gewöhnliche Nähmaschine, an welcher ein Abfallkasten zur Aufnahme der gehefteten Bogen angebracht ist. Der zu heftende Bogen wird unter den Nadelmechanismus der Nähmaschine gelegt und läuft, nachdem die Maschine durch Treten in Bewegung gesetzt ist, unter demselben weg. Dabei wird er im Falz mit weiten Stichen ebenso mit Zwirn zusammen genäht, wie ein Taschentuch gesäumt wird. Ist er durchnäht, so besorgt eine Schneide vorrichtung das Abschneiden des Fadens, der Bogen fällt mit dem genähten Bruche voraus in den winklig gebauten Abfallkasten, läuft zwischen zwei aufeinanderlaufenden Walzen hindurch, von denen er fest zusammen gedrückt wird und fällt gefalzt nach unten heraus. Aus der Beschreibung geht schon hervor, dass die Maschine nur zum Heften von Broschüren und Schreibbücherr zweckentsprechend sein konnte. Zum Heften von gebundenen Büchern war sie dagegen nicht zu verwenden. Denn es fehlte jede Vorrichtung, welche es er möglichte, Bogen an Bogen hintereinander auf Bünde zu heften. Da gegen vermochte sie bei Broschür- und Schreibheftarbeiten ganz gute Dienste zu leisten. Bei Broschüren mussten die einzelnen Bogen sofort nach dem Falzen geheftet und dann erst zusammengetragen werden. Da sich keine gebundenen Bücher auf der Maschine heften liessen, so war die Nützlichkeit derselben nur gering, und die Gross buchbinder sahen immer noch sehnsüchtig ihrem kommenden Wohl- thäter entgegen. Man erwartete mehr von einer Maschine, welche von Wheeler & Wilson gebaut und in den Handel gebracht wurde. Der Mecha nismus derselben war ziemlich sinnreich erfunden, doch lag der Maschine eine Arbeitsweise zu Grunde, welche auf die Dauer wenig befriedigen konnte. In die Mitte eines jeden Bogens wird nämlich durch den Mechanismus der Maschine ein Draht von der Länge des Bogens eingeführt, um den sich die vom Rücken ausgehenden Heft faden schlingen, indem sie so die einzelnen Blätter im Innern fest halten und zugleich die Bogen aussen verbinden. Durch den Draht erhalten die Bogen ziemlich hohen Falz; ferner traten bei der Weiter verarbeitung Hindernisse auf, welche diese Art Maschinenheftung als wenig zweckentsprechend erscheinen liessen und sie unfähig machten, die Handarbeit zu ersetzen. Auch eine von Theine erfundene Maschine erwies sich als wenig zweckentsprechend. Dagegen fand Smyth’s Fadenheftmaschine weitere Verbrei tung. Als dieselbe bekannt wurde, schien es sogar, als solle sie zur Herrschaft in Grossbuchbindereien gelangen. Doch bald wurde sie von einer kurz darauf gemachten Erfindung in den Schatten gestellt, und jetzt dürfte es nicht viel Buchbindereien mehr geben, in denen sie verwendet wird. Der Mechanismus ist ebenso einfach wie sinnreich und hat nur die eine Schwäche, dass die Bünde nicht sofort auf den Rücken festgeheftet werden, sondern dass sie der Arbeiter besonders einziehen muss. Fig. 2 zeigt Smyths Fadenheftmaschine. Oberhalb befinden sich acht Zwirnspulen, von denen ebensoviel Fäden nach den unterhalb befindlichen sichelartig gebogenen Nadeln laufen. Von letzteren liegen stets zwei in Schutzhülsen befindliche Nadeln einander gegenüber