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No. 30. PAPIER-ZEITUNG. 635 (Chemiker, Techniker und Kaufleute) besteht aus 210 Personen. 70 Doktoren der Chemie arbeiten in den zahlreichen, mit allen wissenschaftlichen Apparaten glänzend ausgestatteten Laboratorien, und von der erfolgreichen Thätigkeit derselben zeugen die zahlreichen Erfindungen, von denen alljährlich das Deutsche Patentamt meldet. Erst in den letzten Monaten hat die Direktion ein Hauptlaboratorium von 82 m Länge und ein Verwaltungsgebäude von 103 m Länge, die beide durch eine 22 m lange Galerie verbunden werden, neu hergestellt, so dass sich der Neubau mit einer Kiesenfront von 203 m entwickelt und eine Hauptsehenswürdigkeit der Stadt Ludwigshafen bildet. Gleich merkwürdig sind die Einrichtungen für den Verkehr innerhalb des Gebietes der Fabrik. Auf verhältnissmässig engem Baum entfaltet sich ein Schienengeleis von 18 km Länge. Die Eisenbahn durchzieht alle Strassen und Plätze der Fabrik, dringt in alle Stockwerke der Lagerhäuser und bringt die Anstalt in unmittelbare Verbindung mit dem Rhein und dem grossen Güterbahnhof der Stadt. Eine selbständige Telegraphenanstalt und ein halbes Hundert Fernsprechstellen vervollständigen die Einrichtungen zur Erleichterung und Beschleunigung des Verkehrs. Die grossartigen Wohlthätigkeitsanstalten der Badischen Anilin- und Sodafabrik zu Gunsten ihrer Beamten und Arbeiter geben lautes Zeugniss von dem menschenfreundlichen Geist, der die Direktion beseelt. Etwa 2000 Seelen wohnen in den eignen, einen ganzen Stadttheil bildenden Ge bäuden der Fabrik, und zwar in etwa 50 Beamten- und 300 Arbeiterwohnungen. Von letzteren besteht jede aus einem Wohnzimmer mit Kammer, einer ge räumigen Küche, Keller und Dachkammer, wofür im Monat nur 6 M. 80 Pf. Miethe entrichtet werden. Jede Wohnung hat besondern Eingang. Alle Gebäude dieser Arbeiterstadt sind nach gleichem Grundriss angelegt, haben ein Stockwerk mit Dachgeschoss und enthalten je 4 vollständig von einander getrennte Wohnungen. Ringsum von schmucken Gärtchen mit Nutzpflanzen oder üppigem Blumenschmuck umgeben, gewähren die regelmässigen Strassen dieses Viertels den Eindruck sehr gleichartiger Pflege und grosser Sauberkeit. Etwa 600 Arbeiter besuchen zur Mittagszeit die Speiseanstalt der Fabrik. Für Gemüse und 75 Gramm beinfreien Fleisches bezahlt der Arbeiter 20 Pf. und für ein halbes Liter Kaffee, dessen Beschaffenheit demjenigen in Gast häusern nicht nachsteht, 2 Pf. Dass die Speiseanstalt bei diesen billigen Preisen eines Zuschusses seitens der Fabrik bedarf, ist selbstverständlich. Der Bezug der Rohstoffe erfolgt im Grossen, und die unabhängige Direktion ist in der Lage, auf stets tadellose Lieferungen zu sehen, wie es die Arbeiter im einzelnen nie imstande wären. Im grossen Speisesaal herrscht peinlichste Reinlichkeit, so dass selbst das schärfste Auge kein Stäubchen zu entdecken vermöchte. Für die »Farbigen«, wie die in den Farbenlaboratorien beschäftigten Arbeiter kurzweg genannt werden, bestehen sechs grosse Badeanstalten mit Bassins und Brausen, so dass die Arbeiter jeder Farbenabtheilung ihren eigenen Reinigungsraum haben. — Eine grossartige Schenkung von 450 000 M. sichert das Gedeihen der neu gegründeten Kranken- und Pensionskasse. Die Mannigfaltigkeit der Produktion der Badischen Anilin- und Soda fabrik darzustellen, würde die Grenzen dieser Skizze überschreiten. Die Anilinfarbenfabrikation ist kaum einige Jahrzehnte alt und hat bereits den grössten Theil der natürlichen Farbstoffe entbehrlich gemacht. Sie hat die sämmtlichen Farben des Sonnenspektrums und noch mehr in nie erreichter Reinheit und Tiefe aus einem Abfallerzeugniss anderer chemischer Industrieen, das vorher nicht nur als unbrauchbar, sondern als höchst lästig verwünscht wurde, dargestellt, — aus Steinkohlentheer. An diesen Fortschritten hat die Badische Anilin- und Sodafabrik hervorragenden Antheil. Ihre Massenerzeugung erstreckt sich aber äusser den Anilinfarben auch auf Alizarinfarben und Soda; ferner hat die Fabrik eine Reihe der schwierigsten Probleme der modernen organischen Chemie in das Bereich ihrer Untersuchungen und Forschungen gezogen. Grossartig sind die im Umsatz begriffenen Summen, und das Budget der Fabrik dürfte dasjenige manches deutschen Fürstenthums übersteigen. Die im verflossenen Jahr zur Auszahlung gelangten Arbeitslöhne beliefen sich allein auf etwa 3 Millionen Mark. Japanische Fapiermalerei. Dio Japaner verwenden ihre köstlichen Papierstoffe nicht allein zu Fenstern, Kleidungsstücken und Regenschirmen, sondern auch durchweg als Träger ihrer Wandbilder oder Kakemonos. Diese Bilder haben längliche, fast handtuchartige Form, sind oben und unten an Stäben befestigt und werden an der Wand mittels einer in beweg lichen Ringen am oberen Stabe befestigten Schnur aufgehängt. Ver glasung wird nie angewendet, und eine Art von Rahmen kommt nur bei Tempelbildern vor. Solche Rahmen oder Gaku werden in ganz flacher Profilirung aus dunkelgelacktem oder naturfarbigem Holz gearbeitet. Auch Rahmen aus gekreuzten Bambusstäben finden Ver wendung. Unter den vielen, aus dem Bast des Papier-Maulbeerbaumes und anderer Pflanzen gewonnenen Papiersorten geben die Maler der chinesischen Schule und der ihr verwandten Kano- und Sesshiu- Schulen einer chinesischen Sorte von bräunlich angehauchter Farbe und ziemlich rauher Oberfläche den Vorzug. In Japan wird aus dem Baste der Broussonetia papyrifera »Kozo«, das »Kokushi« oder »Mino- gami« genannte Papier schon seit dem 9. Jahrhundert, und ebenso lange schon aus dem Bast der Wickstroemia canescens, „Gampi", das »Gampishi« genannte Papier bereitet. Die feineren durchschei nenden Arten dieser beiden vortrefflichen Papiersorten dienen für Pinselzeichnungen, welche auf den Holzstock übertragen werden sollen, die dickeren Arten für die mannigfachen Zwecke des Malers. Aber nur für skizzenhafte Tuschmalereien werden diese Papiersorten, welche das Wasser sehr leicht aufsaugen, ohne weitere Zubereitung benutzt. Für ausgeführtere Malereien in Gold und Farben müssen sie erst durch Tränken mit Dö-sa, einer dünnen wässerigen Lösung von zwei Theilen Leim und einem Theil Alaun, hergerichtet werden. Die Vorzüge, welche das nach Art unserer Büttenpapiere her gestellte japanische Papier vor dem abendländischen Papier durch seine unübertroffene Festigkeit und Zähigkeit, seine Weichheit und Schmiegsamkeit, seine matt seidenartig glänzende, oder dem feinsten Pergament vergleichbare Oberfläche voraus hat, haben in neuester Zeit die Aufmerksamkeit unserer Künstler seiner Verwendung für Zwecke des Kunstdrucks zugelenkt.. Ph. Burty, einer der feinsten Kenner unter den Pariser Japan-Sammlern, hat in einer Studie, welche die Kunstdrucker über jene Vorzüge des japanischen Papiers auf klären soll, daran erinnert, dass schon Rembrandt und andre hollän dische Maler-Radirer ihre Kupferplatten mit Vorliebe auf japanischem Papier abdruckten, das ihnen durch den Handel ihrer Landsleute mit Japan gelegentlich zuging, und Burty wie Anderson geben in gleichem Sinne ihrer Freude darüber Ausdruck, dass in jüngster Zeit sowohl die Einrichtung besonderer Agenturen unseren Kunstdruckern den Bezug japanischer Papiersorten auf regelmässigem Handelswege erleichtert hat, wie dass die kaiserlich japanischen Papierfabriken den europäischen Markt mit Formaten versorgen, wie sie den bei unserm Buchdruck üblichen entsprechen. In Paris erscheint heute kein auf geschmackvolle Ausstattung Anspruch erhebendes Werk, ohne dass dem »Amateur« Abzüge auf japanischem Papier geboten würden. Ueber die Technik der japanischen Papiermalerei macht Dr. Brinckmann, Direktor des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe, in seinem neuen Werk »Kunst und Gewerbe in Japan« (Berlin, R. Wagner) interessante Mittheilungen. Wir entnehmen dem lesenswerthen Werk mit Genehmigung des Verlegers nachstehende Angaben: Der Herstellung guter Pinsel wird unübertreffliche Sorgfalt ge widmet. Pferde-, Hirsch-, Hasen-, Katzen-, Marder- und anderes Haar wird in runde Halter aus Bambusrohr oder in flache breite Halter aus weichem Holz gefasst. Die verschiedenen Malerschulen bedienen sich eigener Pinsel, welche nach Zahl und Art genau festgestellt sind. Der Satz der Tosa-riu z. B. besteht aus vierzehn rundgefassten Pinseln, deren grösster nicht viel über Zolllänge bei Bleistiftdicke hat. Auffallend sind kleinere, das Wesen der Schule schon verkün dende, feine und ganz spitze Pinsel, alle aus starkem, elastischem Haar, der kleinste schwarzhaarige so fein, dass man mit ihm Striche ziehen kann, welche dem nackten Auge fast unsichtbar sind. Die dreiundzwanzig Pinsel des Satzes der Kano-riu sind durch schnittlich von grösserer Fülle des Haares, die spitzen Pinsel weniger fein und nur in geringer Zahl; dafür fallen die in Holz gefassten breiten flachen Pinsel, fünf von verschiedener Grösse, als die Werk zeuge auf, mit deren Hilfe die Kano - Maler ihre erstaunlichen Schwarz- und Weiss-Bravourstücke auf das Papier schmettern. Goldene Flächen werden durch Aufkleben von Blattgold, oft in mehreren Lagen, gedeckt. Zum Ueberpulvern des Goldstaubes ge braucht man Bambusröhrchen, deren eines Ende mit feiner Seiden- Gaze überspannt ist, durch deren Maschen, wenn man an das Rohr klopft, das unfühlbare Gold durchstäubt. Die Stellen, auf denen es haften soll, werden vorher mit einer ganz dünnen Leimlösung befeuchtet. Als Farben werden ausschliesslich Wasserfarben benutzt, die, wenn sie nicht schon einen Zusatz von Leim enthalten, mit einer Lösung feiner Hausenblase angerieben werden. (Da die Japaner, ebenso wie die Chinesen, vorzugsweise auf ungeleimtes oder schwach geleimtes Papier zeichnen und schreiben, müssen sie ihren Farben und Tuschen beträchtlichen Leim-Zusatz geben, damit sie nicht ausfliessen. D. Red.) Unter den Farben behauptet die schwarze chinesische Tusche „Karasumi" den ersten Rang, denn nirgends hat, nach Chinas Vor gang, die Schwarz-Weiss-Malerei sich zu so hohem Ansehen aufge schwungen, wie in Japan. Seitdem dort gemalt wird, ist die chine sische Tusche in allen Sorten, von denen die feinsten sehr hoch be zahlt werden, ein wichtiger Einfuhrartikel gewesen. Dio nach dem chinesischen Maler Muh-ki genannte und mit seinem Namen bezeich nete Tusche wurde besonders geschätzt. Alte chinesische Tusch stücke stehen in so hohem Ansehen, dass sogar Bücher mit Abbil dungen solcher, zum Theil schon für den Gebrauch abgeriebenen Stücke veröffentlicht worden sind. Die Maler ziehen die chinesische Tusche im allgemeinen der einheimischen vor, obwohl auch in Japan selbst Tusche von ausgezeichneter Güte, vorzugsweise in Nara und Kioto, hergestellt wird. Anstelle der schwarzen Tusche wird bis weilen eine mit Zinnober roth gefärbte Tusche für besondere Dar stellungen, z. B. des Teufelvertreibers Shoki, angewandt.