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No. 43. PAPIER-ZEITUNG. 917 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Amerikanische Buchornamente. Der Aufsatz »Amerikanische Titelschriften« in Nr. 41, Seite 872 brachte einige Beispiele der Veränderungen, welche die Amerikaner unter dem Einfluss der gegenwärtig bei ihnen herrschenden Geschmacks richtung mit den Formen einzelner Titelschriften vorgenommen haben. Dabei wurde bereits angedeutet, dass auch die kalligraphischen und typographischen Ornamentformen erhebliche Wandlungen er fuhren. Welcher Art dieselben sind, und was für Ziermotive in Amerika gegenwärtig Beifall finden, lässt sich am besten ebenfalls durch Beispiele erläutern. Vorstehende Figuren 1 und 2 veranschaulichen amerikanische Bandornamente, welche zu Einfassungen verwendet werden. Fig. 1 zeigt ein wüstes Liniengewirr, in welchem man eine gra phische Darstellung des Labyrinths von Kreta vermuthen könnte. Bei näherer Betrachtung lässt sich als »Leitmotiv« der abgesetzte chinesische Mäander erkennen, dessen einfache Formen dem Zeichner vermuthlich noch nicht interessant genug erschienen und daher ver renkt und aus dem rechten Winkel gequetscht wurden. Fig. 2 könnte man als »Trichinen-Einfassung« bezeichnen. Die Einzelstücke sehen aus wie zusammengerollte, der Verkapselung entgegengehende Trichinen. Beide Einfassungen sind auf Gevierte gegossen und werden ohne Eckstücke verwendet. Dabei behält das einzelne Stück im ganzen Rahmen dieselbe Stellung. Das Muster wird also folgender maassen herumgeführt: Sehr beliebt scheint die nachstehende »Tintenklex-Einfassung«, Fig. 3, zu sein. Grosse und kleine Klexe sind anmuthig vertheilt und geben ein Gesammtbild, welches das Entzücken jedes Chaostypie- freundes erregen muss. Fig. 4 enthält noch seltsamere Gebilde. Die Einzelformen sehen aus wie Polypen, oder wie Spinnen, die mit einer Ueberzahl von -44-*•« W * 2 4 • i ® # •& #-a v* r* < *»" • aa•e-s a»a +******• Beinen versehen sind und in geschlossener Schlachtordnung über das Papier marschiren. Nicht minder interessant ist nachstehende Ornamentserie, Fig. 5, Bandwurm, der beliebig verlängert werden kann. Zierliche Bacillen und elegante Fadenwürmer sind dazu bestimmt, ihm Gesellschaft zu leisten. Die sternartige Figur rechts stellt vermuthlich den gemein samen Angriff von 7 Spermatozoen auf eine nichtsahnende Trichine dar. Diese Beispiele dürften das Aussehen der kleineren Ornament formen jenes Stils erläutern, welchen die Amerikaner als »genuine« bezeichnen. Wie grössere Omamentformen ausgeführt und in Verbindung mit Schrift gebracht werden, lässt sich an nachstehenden Beispielen erkennen. Fig. 6 ist eine Kopfleiste aus »The American Bookmaker«. Be- achtenswerth ist dabei die steife, abgezirkelte Eintheilung; die un natürliche Ausbildung des flatternden Bandes undKdie eigenthüm- liehe gitterartige Hintergrundbehandlung. Fig. 6. Die Verzierungselemente der nachstehenden beiden Initialen Figg. 7 und 9 sind wieder echt amerikanisch. Beim Initial H scheint zunächst dem äusseren Rahmen eine doppelte Reihe Knack mandeln zu liegen; die unregelmässig runden Gebilde, welche den Hintergrund des Schildes füllen, stellen vielleicht die zugehörigen Rosinen dar. Initial E steckt in einem windschiefen Kasten mit zittrigen Rändern, von dem rosenkranzartig aufgereihte Körner ab- flattern und die Entfernung vom anschliessenden Buchstaben in un gehöriger Weise vergrössern. Fig 8. Fig. 8 zeigt eine Ecke von strengerer Zeichnung, daher auch besserer Wirkung, und die eingestreuten Ligaturen bieten Beispiele der oft sehr geschickten Art, wie man in Amerika Buchstaben mit einander verschmilzt. Namentlich für so häufig vorkommende Wörter wie Co., & Co., To (an), and, The usw. sind Ligaturen behebt. Von den grösseren Kombinationseinfassungen der Amerikaner ist ein Theil auch nach Europa gedrungen. Dadurch lernten weitere Kreise die Versuche kennen, welche auf Vcrwerthung ägyptischer, assyrischer und chinesischer Motive abzielten. Eine andre amerikanische Ornamentgattung benutzt rein natura listische Formen: Vögel, Blumen, watende Störche, hüpfende Frösche usw. zur willkürlichen Füllung der in Accidenzarbeiten zufällig frei gebliebenen Stellen. Von der rechten Ecke der Einfassung lässt Fig. 5. die man als »Bandwurm-und Bacillen-Einfassung« bezeichnen möchte. I sich z. B. ein Affe herab, links unten steht ein mächtiger Blumen- Das Hauptmotiv bildet ein vielfach geschlängelter, wohlausgebildeter | kübel mit Schilfpflanzen und rechts unten schnappt ein Frosch, der an-