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No. 38 PAPIER-ZEITUNG. 809 aufzuerlegenden Einrichtungen war in jedem Fall der Gesammt-Eindruck entscheidend Die grössere oder geringere Gefährlichkeit eines Betriebes wurde dabei nicht lediglich nach den in demselben enthaltenen Maschinen und nach dem Vorhandensein von Schutzvorrichtungen bemessen. Es ist mit Rücksicht auf grosse Belästigungen in der Fabrikation praktisch nicht durchführbar, alle jene Stellen zu schützen, an denen möglicherweise Unfälle eintreten können, und es wird demnach ein möglichst gesicherter und gefahrloser Betrieb nur durch das gleichzeitige Vorhandensein noch anderer allgemeiner Bedingungen und Erfordernisse geschaffen werden können. Zu diesen Bedingungen und Erfordernissen allgemeiner Natur zählt der Beauftragte: 1) Genügenden Raum für Aufstellung der Maschinen; geordnete und zweckentsprechende Gruppirung derselben ; hinreichend breite Gänge zwischen den Maschinen hindurch und um die Maschinen herum; 2) Ordnung und Sauberkeit im Behiebe, um so peinlicher durchgeführt und dauernd unterhalten, je beengter der für einen Betrieb gegebene Raum ist, oder es durch allmälige Vergrösserung des Betriebes wird; 3) Gute Instandhaltung der für den Verkehr und für die Arbeit selbst dienenden Fussböden, Treppen, Leitern, Holztritte u. dgl. m., beson ders dort, wo solche sich in unmittelbarer Nähe bewegter Maschinen oder Maschinentheile befinden; 4) Hinreichende natürliche oder künstliche Beleuchtung auch deijenigen Räume, in denen nur selten Arbeiter zu verkehren pflegen; 5) Gefahrlose Unterhaltung der die Arbeitsräume inr Bereiche der Arbeiter durchziehenden, wenn auch nur langsam bewegten Betriebs-Riemen, die man doch unmöglich alle, ohne den Betrieb wesentlich und un- nöthig zu belästigen, bis über Kopfhöhe der Arbeiter mit einem Schutz gehäuse umgeben kann; 6) Verwendung geschulter und erfahrener Arbeiter an solchen Maschinen, an denen von dem sie Bedienenden ein besonderer Grad von Zuver lässigkeit und Geschicklichkeit erfordert wird. Als besonders gefährlich müssen diejenigen Betriebe gelten, in denen grosse Balanciere, Papier-Beschneidemaschinen, Heftmaschinen mit schwin gendem Tisch und Walzwerke (Satinirwerke, Gauffrirmaschinen mit und ohne Tisch, Kalander mit nicht selbstthätiger Papiereinführung und ähnliche Maschinen) verwendet werden; ferner wegen ihres Allgemein-Charakters die Buntpapier-, Gold- und Silberpapier-, sowie die Tapeten-Fabriken. Einnahme und Ausgabe. Die Einnahme der Genossenschaft aus den Umlagen betrug 107 615 M 93 Pf., mit Zurechnung des Kassenbestandes und des Betrages für verkaufte Effekten 172 359 M. 9 Pf., die Ausgabe 145 392 M. 39 Pf., sodass ein Kassenbestand von 26 966 M 70 Pf. verbleibt. Geschäftsreisende. Die Mittheilungen aus dem Leben eines amerikanischen Ge schäftsreisenden in Nr. 105 von 1888, Nrn. 7 und 12 laufenden Jahr gangs, haben mich als alten »Reiseonkel« lebhaft interessirt. Ich sprach mehrfach mit Berufsgenossen darüber, und wir gelangten zu der Ansicht, dass die Berichte und Anschauungen des Amerikaners viel Wahres enthalten, aber nicht durchweg deutschen Verhältnissen entsprechen. Ich beschloss schon damals, auf Grund eigner Erfahrung Einiges über deutsche Reiseverhältnisse für die Papier-Zeitung zu schreiben, fand aber wenig Zeit und konnte erst jetzt zur Sichtung und Bear beitung des überreichen Stoffs kommen. Beim Verkehr mit der Kundschaft muss man hauptsächlich von dem Gesichtspunkt ausgehen: »Eines schickt sich nicht für Alle«. Es wäre verkehrt, wollte man alle Geschäftsfreunde »über einen Kamm scheeren«; der Reisende muss vielmehr sein Auftreten stets der Eigenart des Betreffenden anzupassen suchen. Hierzu gehört allerdings Menschenkenntniss, die man nur all- mälig erringt. Neulinge werden manchen Fehler machen, aber wer mit offenen Augen um sich blickt und aus jedem Erlebniss eine Lehre zu ziehen sucht, wird bald herausfinden, worauf es ankommt. Je tüchtiger, gediegener und kenntnissreicher der Vertreter des Hauses ist, bei dem der Reisende vorspricht, desto weniger Redens arten sind erforderlich, desto unmittelbarer kann man auf den eigent lichen Zweck des Besuchs losgehen. Tüchtige Fachleute lieben ge wöhnlich keinen überflüssigen Redeschwall, und es wäre thöricht, ihnen auseinanderzusetzen, was sie wahrscheinlich besser verstehen als der kaufmännische Reisende. In solchen Fällen ist daher sachliche Kürze zu empfehlen. Man kann im wesentlichen die Waaren für sich selber sprechen lassen. Wenn der Geschäftsfreund sie gut findet und darin Bedarf hat, wird er ohne besondre Ermunterung bestellen. Kurze Erklärungen, an passender Stelle eingeflochten, treffende Hinweise auf gute oder neue Eigenschaften der Waare werden den besten Eindruck machen. Mit Kunden der vorbeschriebenen Art verkehrt es sich am an genehmsten, aber sie sind leider selten. Die Mehrzahl besteht aus Personen, deren Entschliessungen von Stimmung und Laune abhängig sind, und auf deren Schwächen der Reisende Rücksicht nehmen muss, wenn er Geschäfte machen will. In diese Abtheilung gehört beson ders die grosse Masse der kleineren Kunden. Die meisten davon plaudern gern und lassen sich erzählen, wie es den Fachgenossen in andern Städten geht, sie bekümmern sich auch wohl um Familien verhältnisse. Bei solchen Kunden, muss der Reisende viel Zeit opfern, die oft in keinem rechten Verhältniss zu den erzielten Aufträgen steht. Es giebt ferner Geschäftsleute, die jeden Reisenden zunächst mit der Bemerkung abzuweisen suchen: »Bedaure, ich brauche nichts«. Das darf nicht abschrecken, denn der ablehnende Ausruf ent springt oft nur einem Gefühl des Unbehagens, welches durch frühere Besuche zudringlicher Geschäftsreisender veranlasst wurde. In sol chen Fällen ist es Sache persönlichen Taktgefühls, herauszufinden, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Manchmal hilft der freund lich-eindringliche Hinweis auf ein neues wirklich interessantes Muster, manchmal vollständiges Ablenken vom Gegenstand und Anschlägen eines neuen Gesprächsthemas, welches auf Umwegen zum Ziele führt. Eine gewisse Gewandtheit des mündlichen Ausdrucks sollte je dem Reisenden eigen sein; dass er Fachkenntnisse besitzen muss, versteht sich von selbst. Sein Auftreten muss sicher, aber frei von Zudringlichkeit und, alles in allem, derartig sein, dass es Vertrauen zu seiner Person und seinem Hause einflösst. Hat man sich überzeugen müssen, dass wirklich kein Bedarf vorhanden ist, so halte man sich nicht unnöthig auf. Man nutze die Zeit und suche an einem Tage soviel Geschäfte zu machen als nur immer angeht. Hat es an einem Orte nicht »geklappt«, so bietet viel leicht der nächste Ersatz. Es ist schade um Zeit und Mühe, die Mancher opfert, nur um des fragwürdigen Triumphes willen, einem schwer zugänglichen Manne einen kleinen unlohnenden Gefälligkeits auftrag abgelockt zu haben. Sorgsame Behandlung der Muster und möglichste Einschränkung der Ausgaben sind selbstverständliche Bedingungen für jeden Reisenden. Von Ersterem hängt zum Theil das Geschäft ab, und für das Letztere sorgen in der Regel schon die bewilligten Reisespesen. Für Fernstehende mag es wunderbar und verlockend genug klingen, wenn man hört: der oder jener Reisende hat täglich 20—30 M. Spesen! Die Ausgaben sind aber auch entsprechend hoch. Auf der Reise gehen nicht allein mehr Kleidungsstücke drauf als bei ruhiger Schreibstubenthätigkeit, sondern man ist auch oft im Interesse der Sache gezwungen, ein paar Mark für Unterhaltung des Kunden oder zur Kurzweil seiner Familie zu opfern. Gerade die nähere Fühlung mit dem Geschäftsfreund und dessen Familie hat mir manchen schönen Auftrag eingebracht, und ich hatte die daraus sich ergebenden kleinen Ausgaben nie zu bereuen. Man muss es thunlichst vermeiden, seine Muster im Gasthaus zu lassen. Die Kunden sind durch das viele Besuchtwerden so ver wöhnt und bequem geworden, dass sie sich nur selten bewegen lassen, auch nur einen einzigen Schritt zu gehen, um ihre Wünsche zu befriedigen. Die Probe muss stets zur Hand sein, damit sie vorgezeigt werden kann, wenn eine günstige Gesprächswendung Gelegenheit dazu bietet. Weiss man indess, dass der Käufer gern in Gemüthlichkeit ein Glas Bier trinkt, so kann man vorschützen, dass man die Muster im Gasthaus vergessen habe. Geht er nicht gleich mit, so fordert man ihn zu einem Abendbesuch auf, und der Erfolg wird in den selten sten Fällen ausbleiben. Namentlich verheiratheten Geschäftsleuten, die ein wenig unter dem Pantoffel stehen, ist ein solcher Vorwand zum Ausgehen oft willkommen. Für den näheren Verkehr mit der Kundschaft gelten natürlich dieselben Regeln wie für den geselligen Verkehr überhaupt. Man vermeide Gespräche über Politik und Religion, sei mindestens sehr vorsichtig in seinen Aeusserungen darüber. Unterhaltungsgabe ist werthvoll, doch darf man nicht beflissen sein, stets das grosse Wort zu führen, sondern muss auch verstehen, mit Verständniss zuzu hören. Die meisten »Reiseonkels« verfügen über einen reichhaltigen Schatz von Anekdoten. Unter diesen muss je nach Person, Zeit und Ort richtige Auswahl getroffen werden. Was den Einen höchlich ergötzt, kann leicht bei einem andern Missfallen erregen. Man muss es verstehen, kleine Gefälligkeiten der Kundschaft verbindlich und dankbar entgegenzunehmen. Es wurde mir manchmal nicht ganz leicht, die freundlichst angebotene Cigarre aufzurauchen und dabei das erforderliche Entzücken über das »herrliche Kraut« an den Tag zu legen, aber ich habe doch tapfer weiter gepafft und damit wenigstens die an sich kleine, aber doch merkbare Verstimmung vermieden, die bei einer Ablehnung oder bei vorzeitiger Beendigung des Rauchopfers erregt werden kann. Vor allem gewöhne man sich als Reisender das »Schaufenster fieber« ab, d. h. die Angst in Geschäfte zu gehen, die von aussen schon grossartigen Eindruck machen. Man vergegenwärtige sich stets, dass der Inhaber eines grossen Hauses sich dieselbe Aufgabe stellt wie der Reisende, nämlich: Geschäfte zu machen. Kann man wegen mangelnder Leistungsfähigkeit des eigenen Hauses oder aus