Volltext Seite (XML)
MM» st, »WM »,-»1. Beilage zu Nr. 35. Sonnabend, 25. März 1911. Denkiprüche für Gemüt UNS Verstand. Das, was dein Äug' an andern saht, Wird andern nicht an dir entgeh'n, Wir steh'n uns selber viel zu nahe, Um unsre Fehler selbst zu seh'n. Keteachtung zumKsnntag Latare. Jes. S3, 5: Die Strafe liegt aus ihn, aus daß wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilet. Diesen Spruch hat St. Petri eingessthrt in seiner 1. Epistel (K. 2). Der heilig« Prophet hat Worte genug, von diesem Artikel zu lehren, auf daß er uns bestätige und versichere in unserm Glauben, daß wir je gewiß wären, daß Christus nicht ein Richter und Ver- ! derber sei, sondern ein solcher gnädiger Herr, der auch unsere Sünde auf sich trage; denn wir armen Mensche« ! fürchten uns und beben von Natur und Art vor Gott als vor einem zornigen Richter, also hat auch der Papst Mit den Seinen andere Seligmacher aufgeworfen, denn den einigen Mittler Jesum, nämlich Marien und andere Heiligen — damit ist unsere böse Nmur nur gestärkt worden, weil eine solche Lehre dazu schlug; darum wohl denen, die in ihrer Jugend diese Lehre hören, welcher Herzen noch nicht besudelt und vergiftet sind. eis Derhalben wenn ihr höret den Namen „Jesus" nennen, so soll je keiner an einen Richter gedenken, der da sitze und verdamme zur Hölle, sondern an einen Sündenträger, der alle unsere Sünde auf sich geladen habe, und soll ein jeglicher keine anderen Gedanken ins Herz fallen lassen, daß unsere Herzen sich also gewöhnen und üben im Glauben, daß sie in allerlei Trübsal Trost bei dem lieben Herrn Jesu Christo holen können; denn also redet der heilige Geist durch den Propheten klar und frisch heraus, daß er, der liebe Messias, ist gc- strafet worden, auf daß wir Frieden Hütten. Darum, so wir vollen Frieden haben, so kann eS nicht anders seschehen, denn durch sein Leiden. 6N m6. Ich wünsche den Rottengeistern, die jetzt hin und her viel Zertrennung anrichten, allein das, daß sie doch eine Zeit lang versucht würden mit Schrecken und Zagen des Todes, ob sie doch also lernen wollen, was das für heilsame, kräftige Worte sind: Jesus Christus ist für uns gestorben; wenn sie das also anfingen zu verstehen, so würden sie gar bald fallen lassen, die unnützen, müßigen Gedanken, damit sie die Welt mit Aergernis erfüllen. So tröste dich, lieber Christenmensch, nicht deines Kasteiens oder Leidens und Kreuzes, denn damit wirst du nicht verbunden und vermehret, sondern wende und wirf deine Augen auf Christum und vertraue denselben aus Herzensgründe, so wirst du geheilt werde«, das ist: du wirst haben eine ewige Gerechtigkeit und Leben! Nach Dr. Luther (Werke Vl, Seite 365.) Amr KaWe«. Wilsdruff, den 24. März. Die Leitung der Hygiene.Ausstellung in Dresden hat den täglichen Eintrittspreis auf 1 Mk. festgesetzt, die Abonnementskarte für die Dauer der Ausstellung beträgt 15 Mk, die erste Anschlußcarte kostet 10 Mk. und jede weitere Anschlußkarte 5 Mk. Hierzu tritt noch die städtische Billettsteuer, die für die Abonnementskarte und die erste Anschlußkarte 1 Mk., für jede weitere Anschlußkarte 50 Pfg. beträgt. In dem Preis für den einmalige« Eintritt von 1 Mk. ist die Billettsteuer inbe» griffen. Von abends 7 Uhr an wird der tägliche Eintrittspreis wahrscheinlich erniedrigt werden; am Eröffnungstage, dem 6. Mat, beträgt der Eintrittspreis voraussichtlich 2 Mk. I« dem Dorfe Zschillichau bei Niedergurig in der Nähe von Bautze« wurde der Hausschlächter Robert Ringel Dienstag früh mit einer schweren Kopfverletzung Lot aufgefunden. Der Tote war 46 Jahre alt, ver. heiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist offenbar in der Nacht nach einem Streit von einem polnischen Arbeiter in der Trunkenheit erschlagen worden. Der Täter, der etwa 35 Jahre alt ist, wurde verhaftet und in das Bautzener Gerichtsgefängnis eingeliefert. In Schmöll« bei Bautzen ließ sich Montag abend gegen 9 Uhr auf dem Bahnhofe unbemerkt die 22 jährige Anna Gneust durch den von Zittau kommenden Güter» zug überfahren. Sie war sofort tot. Ein Sittlichkeitsverbrechen wurde vorige Woche an der 10jährigen Tochter eines Arbeiters in einer Fabrik in Lauter verübt, als das Kind für seinen Vater etwas in der Fabrik zu besorgen hatte. Der Täter soll ein An gestellter der Firma sein. Die Stadt Leipzig wird am 10. Mai, dem Tage des Frankfurter Friedensschlusses 1871, an bedürftige Veteranen der Feldzüge 1864, 1866, 1870/71 oder an deren Witwen die Summe von 20000 Mk. zur Verteilung bringen. — Dienstag früh nach 6 Uhr stürzte am Schloß platze in Leipzig der 35 Jahre alte Kaufmann Deneke aus Markkleeberg mit seinem Kraftfahrer und trug so schwere Verletzungen davon, daß er bald darauf starb. In Leipzig-Lindenau, Nähe Henriettenstraße, wurde der siebenjährige Knobe Ernst Lippold von einem 'Güterwagen überfahren. Das Kind spielte mit einem Reifen. Dieser rollte unter een Güterwagen, der sich in Fahrt befand. Der Knabe wollte seinen Reifen hervor- holen und wurde so auf der Stelle totgefahren. Der 43 Jahre alte Kaufmann Gustav Albin Spenke aus Oberruppersdorf bei Löbau wurde am Montag auf der Chemnitzer Straße vor dem Restaurant „Wettiner Hof" in Burgstädt von einem Privatautomobil, das aus Göppersdorf kam, überfahren und getötet. Der Verunglückte soll kurz vorher von einem Unwohlsein be fallen und auf der Straße bewußtlos liegen geblieben sein. Infolge des wirbelnden Staubes will der Chauffeur den Mann nicht gesehen haben. AsrVze Lhssnik. Für die Veteran««. Aus Danzig wird gemeldet: Die Stadtverordneten beschlossen. 200 Kriegsveteranen, deren Einkommen weniger als 660 Mk. beträgt, Steuer freiheit zu gewähren, ebenso Arbeitern, die über 60 Jahre alt sind. Der Rei«gewi«n de- Kieler Kornblumen» tage-. Wie der „Lok.-Anz. meldet, brachte der Kieler Kornblumentag einen Reingewinn von 80000 Mk. Durch Kohlengas an Bord eines Schlepp dampfers vergiftet. Der einer Danziger Reederei gehörige Schleppdampfer „Erna" ging am Sonntag mit Schleppzug nach Neuenburg an der Weichsel. Da sich am Mittwoch morgen niemand an Bord des Dampfers zeigte, drangen Schiffer gewaltsam ein und fanden die aus drei Mann bestehende Besatzung bewußtlos vor. Alle drei tarben in kurzer Zeit infolge Kohlengasvergiftung. Schmuggel im Aeroplaa. Nach einer Meldung des Pariser „Matin" aus Genf hat im dortigen Hospital ein junger Italiener namens Smeroglio Aufnahme ge funden, der versucht hatte, im Aeroplan die italienisch, schweizerische Grenze zu überfliegen. Er ist dabei ab- gestürzt und hat beide Beine gebrochen. Sein Zustand ist deshalb besonders bedenklich, weil er eine volle Nacht im Schnee liegen mußte, wobei seine gebrochenen Beine erfroren. Smeroglio berichtet, daß er den Mont CeniS überfliegen wollte, um mit seinem Apparat Schmuggel zu treiben. Vierfacher Mord und Selbstmord. Aus Budapest wird geschrieben: Infolge von Familienzwistig- keilen erschoß nachts in dem Dorfe Barand der wohl habende Landwirt Valentin Szakac« seine Frau und drei Kinder. Sodann verübte er Selbstmord. Vermischtes. * Der nichta«erka«nte Schützenkönig. Um die Würbe eines Schützenkönigs ist in Kallowttz ein Prozeß entstanden, der wegen der absonderlichen Begründung de8 Landgerichts noch das OberlandeSgericht beschäftigen wird. Im Sommer v. I war der Kaufmann Laß in Preuß.- Friedland Schützenkönig der dortigen Schützengilde geworden. Er hatte de« besten Schuß getan, aber die Gilde wollte ihn trotzdem nicht als ihren König anerkennen, weil er höchst unbeliebt war, und verweigerte ihm schlankweg die dem Schützenkönig zustehenden Ehrungen, wie z. B. die Dekorierung mit der Schützenkette. Das verdroß den Schützenkönig so gewaltig, daß er die Hilfe des Gerichts in Anspruch nahm und die Schützengilde auf Anerkennung seiner Königswürde verklagte. Dir Sache schien ganz einfach zu liegen, und der Kläger war seines Sieger gewiß. Darin sollte er indeß irren, denn nach mehreren Verhand lungsterminen entschied jetzt das dortige Landgericht gegen ihn. Es wieS ihn mit seiner Klage ab, weil, wenn Laß auch die statutenmäßig zur Erringung der Königswürde vorgeschriebene Bedingung erfüllt habe, ihm den» noch nicht daS Recht zustehe, von der Schützeszilde die An- erki-nnnna seiner Köaigswürds ru verlangen. Schießen teilt ISI Vs - SA »nz". ) gesoki draußen vorgegangen. Nach einigen Minuten stand auch Niels schon neben ihm. Das junge Mädchen war mit Tor geflohen! . . . Es war kein Zweifel möglich, und die Brüder waren sich darin einig, was hier zu tun sei. Zum ersten Mal in ihrem Leben beseelte sie nur ein Wille, nur eine Absicht — nur ein Gedanke der Rache . . . Doch diesmal fielen sie nicht übereinander her — während Anmond die Arme in die Höhe streckte und seine Wut toben ließ, hatte sich der ruhigere Niels in den Pferde stall begeben, um ein Pferd loszubinden und vor einen Schlitten zu spannen. Sie wechselten nur einige Worte, um sich höhnend zu sagen, Tor habe weder das beste Tier noch das beste Fahr zeug genommen. Dann trieben sie ihr Gespann auf das Eis — beide mit dem festen Entschluß, das juuge Mädchen wieder einzufangen. Was ihre Gefühle für Tor anbetraf, so versprachen sie nichts Gutes. Es war ein verzweifeltes Dahinrasen durch die eisige Nacht. Um sie her herrschte tiefe, fast undurchdringliche Finsternis — das Schweigen des Todes . . . Hin und wieder engten die hohen Berge den Fjord ein, und dichte, schwarze Wolken bildeten über ihnen ein düsteres GewöZW Kein Stern ließ den Weg erkennen . . - Wimmmn dm immfindm Eists WmM - - - ''' ' '' ' ' ' ' - - m' ' fi- n. 's ' m '' ' .-S/. 41 Irr den Fjorden. Novelle von Madeleine Kragh. Uebcrtragung von Heinrich Hesse. (Nachdruck verboten.) le Laj ag W Es war ungefähr eine einstüudige Fahrt bis zu dem Pfarrhause. Das Eis war noch fest genug, und man konnte sich ihm ohne Gefahr anvertrauen, wenn sie ihr Pferd vor sichtig leitete. Und wenn sie dem ergrauten Pfarrer alle ihre Leiden und inneren Kämpfe klagte, die sie seit Jahr und Tag ausgehalten, würde er ihr seine Hilfe sicher nicht versagen. . . Unter den Pferden, die im Stalle standen, war ein sehr altes, das Ingeborg einst nach Lukne gebracht. Sie wollte es vor den Schlitten spannen, der umgekehrt hinter dem Holzschober lag, da er nicht gebraucht wurde. Und im Nu hatte sie ihr kleines Bündel Kleider gepackt. O, wohl hatte sie der Mutter feierlich versprochen, über den Stiefvater zu wachen und ihn nicht zu verlassen! Doch jetzt mußte sie ihren Schwur brechen, um sich nicht freiwillig ins Verderben zu stürzen- Die Gedanken kreuzten sich in Augotts Gehirn mit aller Schnelligkeit, und die Handlung folgte dem Entschluß auf dem Fuße. Sie hatte schon so viele Leiden erduldet und Mußte sich auf so viele andere gefaßt machen, daß die Idee der Flucht ihr einen übermenschlichen Mut und jenes Selbst vertrauen verlieh, das eine Frau immer besitzt, wenn sie sicher weiß, sie darf nur auf sich selbst rechnen. Als sie daher wenige Augenblicke später aus dem Hause trat, um sich dem Pferdestall zuzuwenden, war sie ebenso fest entschlossen wie ein Mann — wenn es wahr ist, daß in einer solchen Lage ein Mann festere Entschlüsse fassen kann als ein Weib. „Mache cprf!" schrie Aumond, noch immer in der Boden kammer eingeschlossen. „Ich höre, Du bist noch draußen!" „Warte, bis ich das Pferd angebunden! Es hat sich losgerisseu und läuft überall herum!" antwortete Augott, die fortfuhr, das Tier anzuspannen. „Mache auf, Mädchen, oder ich schlage die Tür ein!" brüllte Aumond mit Donnerstimme. „Du sollst warten, sage ich Dir, bis ich das Pferd wieder in den Stall getan!" Und die Zügel ergreifend, gab sie dem alten Pferde einen leichten Schlag mit der Peitsche — mit dem Fahrzeug und der Lenkerin eilte es dem Eise zu. In diesem Augenblicke richtete sich Tors Gestalt vor Augott auf, als wüchse sie aus dem Boden hervor . . . „Ich sehe, was Du tun willst!" flüsterte er ihr zu und machte Miene, die Zügel zn ergreifen und das Gespann an zuhalten. „Hast Du auch nachgedacht? Das Eis ist ja nicht sicher . . . überall hat man Löcher geschlagen, um zu fischeu, das alte Pferd ist lahm ... es hält die Fahrt nicht aus . . ." „Du wirst begreifeu, wenn ich handele, wie es mir ge fällt!" versetzte sie trocken. „Laß das Pferd los, damit ich fortkomme, ehe Aumond die Tür der Dachkammer einschlägt und Niels ruft. Mein Leben gilt mir nichts mehr . . . um Himmelswillen geh und suche Aumond zu hindern, mir zu folgen." „Ich vermag nichts gegen diesen Rasenden, aber ich kann über Dich wachen!" antwortete der junge Mann fest. Und ohne noch ein Wort hinzuzufügen, ergriff er die Zügel und sprang hinter dem Mädchen auf den Schlitten. Dann begann die Fahrt über das Eis. Es war nicht mehr möglich, die Flncht zn verhehlen — das Pferd wieherte, und die auf das Eis aufschlagenden Hufe erzeugten ein Klirren, das weit über den Fjord dahin hallte. Einen Augenblick später hörte man oben in der Scheune ein entsetzliches Toben, begleitet von dem Aufbrechcn einer Tür. Aumond hatte sie in der Tat zertrümmert und stieß wuterfüllte Schreie aus — er ahnte, was soeben . zu rl.