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«>»>» »m »Nä. ^^v^>^v»»v^v-rv^i^i<>^d^^dv-ri/L^rL<>v^ü^ Anonyme Briefe. Roman von M. Ko hak. is r—77 c^-7 (Zchlu tz.) lE^ä man jemanden so niedcr- i -v^Tck trächtig antlagt, mich man ihm f Am anch die Gelegenheit geben, sich t v^1 gegen den infamen Ankläger per- sönlich zu verteidigen." „Herr Prozessor —" beschwor ihn der Schauspieler — „schonen Sie Ihre Frau Gemahlin —" Doch Lias Gatte ließ sich nicht abhal ten, das zu tun, was er für einen Akt der Gerechtigkeit hielt. „Also doch das Spiel verloren!" dachte Ende traurig. „Im letzten Augenblick noch, da ich es bereits für gewonnen glaubte!" Er kannte ja Lia und wußte, daß sie, gefoltert von Angst vor dem Ausgang der Angelegenheit, müde von den ausgestande nen Schrecken, nicht die Kraft haben würde, mit eherner Stirn dem Ansturm stand zu halten, der ihr bevorstand. Er hatte sie zwar gebeten, unter keinen Umständen zu zugeben, daß sie die Karten und Briefe ge schrieben und vielleicht, vielleicht würde sie auch wirklich leugnen, aber — verraten, auf irgend eine Weise würde sie sich doch, zu mal, wenn ihr Gatte sie zwang, Robert ge- gegenüberzutreten. Ja, wenn ihre Nerven nicht so zerrüttet gewesen wären! Aber eine Kranke wie sie, findet in einem Fall, wie diesem, in dem alles, was von Leiden- schäften der Liebe und des Hasses in ihr aufgewühlt wurde, nicht die Selbstbeherr schung, deren sie in dieser furchtbaren Stunde zu ihrer Rettung bedurft hätte. Seltsam, daß Ende, der sie doch so liebte, nicht für die Dauer einer Sekunde der Gedanke kam, sie möchte die Wahrheit ge stehen, um ihn selbst zu rechtfertigen, der sich für sie geopfert! Nicht mit dem Schatten eines Gedankens beschäftigte er sich init der Möglichkeit, daß sie sein großmütiges Opfer vielleicht nicht annehmen möchte. Stumm saßen die beiden Männer, nach dem der Professor sie verlassen. Roberts Seele war zu erfüllt von seinem Zwist mit dem Vater, von der Anklage, die dieser Wider gegen ihn gerichtet, um sich darüber zu verwundern, daß Ende sich der Täter schaft bezichtigt und dieser seinerseits hü tete sich wohl, das Schweigen zu brechen, um nicht schwer zu beantwortende Fragen her vorzurufen. Fast hätte man glauben kön nen, daß der Doktor des andern Gegenwart vergessen hätte. Doch, was war das für ein sonder bares verworrenes Geräusch, das aus dem Hintern Flügel der Villa zu ihnen herüber drang? Hastig hin- und hereilende Schrit te, Werfen von Türen wurden laut, da zwischen Stimmen — ja, schrie da nicht je mand Plötzlich gellend auf? Beide Männer fuhren empor und sahen sich schreckensbleich an und dann, wie von dem gleichen Impuls erfaßt, sprangen sie aus und stürzten, ohne sich durch ein Wort zu verständigen, durch die zu dem dunkeln Musiksalon führende Tür, in den Vorsaal und weiter, dem Getön nach. Es kam aus den gemeinsamen Zimmern der Ehegatten. Ueberyll war das elek- l rische Licht aufgedreht, auch in dem Schlafzimmer, dessen Tür weit offen stand. Hier aber kniete vor dem Bett, auf dem eine weiße regungslose Gestalt *ag, der Professor Franz Eger, das Gesicht in den Kissen vergraben, kaum minder regungslos, als die, welche dort schlief. Etwas ent fernt von der Gruppe standen ein Paar schluchzende Mägde. „Der Diener ist zum Arzt gelaufen," sagte die eine flüsternd zu Robert — „aber helfen kann auch der nichts mehr." „Gehen Sie hinaus," bat Ende mit er stickter Stimme die Dienstboten „lassen Sie uns mit dem Herrn allein." Jene gehorchten widerspruchslos der Aufforderung und schlichen auf leisen Soh len hinaus, die Tür vorsichtig, geräuschlos hinter sich schließend. Dann trat der Schau spieler zu dem Bett und betrachtete schwei gend sie, die ihm so lieb gewesen war, trotz dem sie ihm so schweres Leid zugefügt. Wie friedlich sie dalag, wie eine sanft Schlummernde! Alle Leidenschaft, allen Schmerz, alles, was ihre arme kämpfende Seele durchwühlt, war aus ihren Zügen geflohen, gleich, als hätte sie die Erlösung gefunden, als sie sich aus dem Leben stahl. Durch einen Schleier von Tränen, die ihm über die Wangen rannen, schaute Ende sich im Zimmer um, nach dem suchend, wo mit sie es vollbracht. Nichtig, auf dem Nachttisch stand ein leeres Fläschchen, dane ben ein leeres Glas. Schade, daß die Dienstboten es gesehen! Nun hatte es kei nen Zweck mehr, es zu entfernen. Aber noch etwas anderes nahm sein forschender Blick wahr — ein weißes Blatt Papier, das der Professor in seiner Hand hielt. Leise berührte er diesen an der Schulter. „Herr Professor." Zusammenzuckend schaute der Genannte auf. „Ach, Sie sind's!" Müde, wie ge brochen klang die Stimme und dann kam es ächzend nach „und er — wo — ist — er?" „Ihr Sohn?" Er wies auf Robert, der scheu an der entgegengesetzten Wand des Zimmers lehnte. „Er soll dort bleiben — er soll mir nicht mehr nahe kommen, aber -- er soll nicht fortgehen, bevor Sie — gesprochen haben — hier im Angesicht der Toten — hier sol len Sic alles sagen, wahrheitsgetreu — als ob Sie vor Gott ständen. Hier — lesen Sie." — Und Ende las auf dem Blatt, das der Professor ihm reichte, in Lias wahrer Handschrift geschrieben: „Mein einzig heißgeliebter Gatte! Ich war im Musikzimmer, als du mit Viktor sprachst und habe alles gehört. Und dann sah ich deinen Sohn kommen und da wußte ich, daß Viktors großmütiges Opfer vergebens gebracht und ich verloren war. Und da ich nicht den Mut habe, dir danach vor die Augen zu treten, so habe ich das Gift genommen, daß ich mir vor einem Jahr gelegentlich einer Reise, die wir mach ten, verschaffte. Ich weiß nicht, warum ich es damals haben wollte, es war vielleicht eine Ahnung in mir, daß ich es einmal brauchen könnte und ich fühlte mich so ge sichert, als ich es hatte. Frage Viktor, was zwischen uns gewesen und warum ich die Briefe schrieb — er weiß alles und sage ihm, ich lasse ihn bitten, alles, alles, zu sa gen. Aber denk' nicht, daß ich dir jemals untreu war — ich habe dich so aufrichtig geliebt und er, er war mir nichts, als ein Freund, ein Bruder. Daß ich zu ihm ging, geschah nur, weil ich von früherher so ge wöhnt daran war, ihm zu erzählen, was ich erlebte und weil ich doch keinen hatte, gegen den ich mich aussprechen durfte, über jene, die mich so quälten. Denn dir durste ich nicht zu viel klagen. Er wollte es auch nicht, daß ich zu ihm kam, er fürchtete, man könnte es herausbekommen, aber dann gab er doch nach, weil ich ihn so bat. Aber nie — nie — ich schwöre es dir in dieser meiner Sterbestunde, ist auch nur ein Wort zwi schen uns gesprochen, was du nicht hättest hören können. Ich habe ihn einmal lieb gehabt, damals, als ich feine Braut war, aber als ich deine Frau wurde, habe ich ihn vergessen. Ich weiß nicht, ob ich dich aus Liebe gewählt — ich wollte wohl nur eine reiche, vornehme Frau werden und er hatte ja nichts und war nichts, aber dann habe ich dich geliebt, so sehr — viel mehr, als jemals ihn. Und daß ich die Briese schrieb, bereue ich nicht, ich bedauere nur, daß ich so töricht war, mich fangen zu lassen. Sie waren schlecht gegen mich, nur Arpad nicht. Ihn lasse ich grüßen. Und Viktor danke in meinem Namen, daß er so gut zu mir war. Adieu, mein einzig geliebter Gatte, leb' Wohl, leb' wohl. In Ewigkeit deine Lia." Ende legte den Brief zurück in des Pro fessors Hand. So ganz War dieser Brief Lia — Lia in ihrer gedankenlosen Kindlich keit, ihrem Egoismus und ihrer leiden schaftlichen Nachsucht — Lia, die zu schwach war, um zu kämpfen und die zuletzt, als sie im Leben keine heimliche Hintertür mehr sah, hinter der sie sich und ihr Handeln ver stecken konnte, aus dem Leben selbst floh. Und dann erzählte er, wie sie es ge wollt, in ihrem, der toten Lia Beisein, die ganze traurige Geschichte ihrer Irrungen und Leiden. „Sie war mir sehr teuer —" schloß er — „und ich werde lange um sie trauern, aber — sie ist erlöst." „Ich hätte ihr alles verziehen," kam es zitternd von des Professors Lippen. „Sie hätte nicht zu sterben brauchen! Warum ist sie von mir gegangen?" „Weil sie nur leben wollte, als der Stern Ihres Lebens, als Ihre Königin, nicht als eine arme Verirrte," sprach der Schauspieler. „Und sie hätte sich verirrt — wieder und wieder, wenn sie gelebt hätte, denn sie konnte nicht anders, weil sie krank war. Ihre unglückliche Mutter starb im Jrrenhause und Lia — wer Weitz, was ihr Vorbehalten wäre, wenn sie nicht ein Ende gemacht hätte! Aber geliebt habe ich sie doch — vielleicht nicht weniger, als Sie, Herr Professor." Dann ging er und küßte die Tote so zart und behutsam auf die Stirn, wie er heute noch die Lebende geküßt und verließ gebeugten Hauptes das Zimmer. Auch Robert folgte ihm, ohne daß sein Vater noch einmal einen Blick auf ihn ge worfen oder ein Wort an ihn gerichtet hatte. ' — - — — * * * Jahre waren verflossen, seit Lia Egers arme irrende Seele sich von dieser Erde ge löst hatte. Auf ihrem Grabe blühten zur Sommerzeit weiße Rosen und in dem Gar ten vor der Villa, in der sie gelebt, grünte und duftete es, Blumen prangten in leuch' tenden Farben und Vöglein bauten auf den Bäumen, die ihre Neste unter der Last ihrer Früchte zur Erde neigten, ihre Nester. Wie der sprachen die Leute, die an dem vergolde-