Volltext Seite (XML)
weil im nna / ' > Binder cLer Heimat. tttvinan von L. Erhard - C ! a u s n i g c r. sAvr tse t;:l .lg.) 9 ozu sollte er spare»? Wozu? Drei und eine halbe Million be saß er. Er wußte garnicht, wie er dazu gekommen' war. Ein Onkel, ein gutgelaunter Jung geselle hatte sie ihm »-.nterlassen. So ein Narr. Er mutzte gar nicht gewußt haben, wie einem beim Champagner wurde und ivie allerliebst man sich am Spieltisch unter hielt. Die Hochzeit Richard von Lührsens war - ein Symbol seiner Millionen gewesen und dann hatte man eine Reise um die Erde gemacht und jetzt saß man mit seiner jun gen Frau in dem Liliputhäuschen, .das die Außenstehenden mit ausgerissenen Augen anstaunten und über seinen Besitzer aller hand tuschelten. Sein Besitzer —! Mit vielem Bangen hatte Milly Gritt- berg vor der Zukunft gezittert, Richard als Ehegattin anzugehören. Nun war sie seit > zwei Jahren seine Frau. Frau Kunstmaler von LUHrsen. C" be tonte seinen Stand immer und er malte doch so wenig und das, was er wirklich einmal malte, war flatternd in Farben und For men — — flatternd ivie er selbst. „Soll ich vielleicht Abschied nehmen von den goldenen Narrheiten des Lebens, jetzt, wo ich glänzendes Gold mein nenne. Ich kann unbekümmert tun, was ich will. Ich habe eine schöne Frau, die mich liebt und viel, viel Geld, von dem mir noch genug bleibt, w^m ich die Hälfte meinen mir an genehmen Gewohnheiten opfere. Wenn die alten, hochstrebendcn Tannen und Fichten um das Liliputhäuschen nicht gewesen wären, hätten seine mit raffiniert künstlerischem Geschmack ausgestalleten Zim mer wohl oft schon das Leid und die Trä nen gesehen, welche die Zweige der Bäume aus ihren Träumen aufrüttelte, daß sie den Wind nicht mehr wehen hörten, sondern nur das tiefe Schluchzen einer totunglücklichen Frau. Und doch — — und doch liebte diese Frau, den, um den sie weinte. Wunderlich ist das, aber es soll wirklich sehr ost so sein zwischen Mann und Frau, f So kraftlos fühlte sich Kamilla von Lühr- sen in ihren: Leid und das ganze Leben , mit ihrem Mann schien ihr schwer. Er ' stand in seiner ganzen männlichen Schön heit vor ihr, sah ihr mit einer gewissen Sen timentalität in die Augen und sagte: „Lächerlich, Milly, sei doch nicht so prosa isch. Ich verehre dich. Ich halte dich für die schönste, für die beste Frau der ganzen Welt, aber klage mich nicht an, wenn meine ; Künstlerseele, mein Künstlerblut mich an - irgend etwas fesselt. Ich ginge als Maler zu Grunde, wenn ich das nicht ausniitzte." „Wenn du nur wirklich ein Maler wärst, Richard, dann würde ich dich nimmermehr anklagen — — aber wo liegt deine Kunst?" Er hatte sich eine Zigarette angezündet und die feinen blaue: Wölkchen von Milly abgeblasen. Dann hatte er leise gesagt mit einer Weichheit, mit einer zauberischen Stimme: „Sieh dahinüber - - in meine erste Zukunft - ! Tas ist ja das tolle Ge heimnis, Milly, seitdem ich dich so gemalt habe, geht mir alles andere fehl - — Da schöpfte ich eben noch mit oem vollen Pinsel aus den Becher der Lieve — und jetzt — ? Denk' mal, heute entdeckte ich an meinem Modell zur Semiramis Sommer sprossen. Das hat auf mich so eine Wirkung gehabt — — daß ich das 'Bild — — mit diesen Fingern hier zerfetzte —!" „Zerfetzt!? -Die Semiramis — ?! Milly sah ihren Mann an. „Ist das wirklich Wahrheit?" Da setzte sich Richard auf dis niedrige, mit türkischen Fetten gedeckte Chaiselongue, zog seine, Frau neben sich nieder und küßte sie. „Milly, war's die kleine, gelbe Eifer sucht, die uni deinen Mann wieder einmal ein schwarzes Mäntelchen hängte? Eifer sucht über ein Modell und auch über ein Bild? Ja? Erhob die sich wieder einmal in deinem Herzen?" „Ja!" Sie sagte es blitzend und ihr Gesicht brannte, als habe sie Fieber. „Und jetzt möchtest du dich am liebsten schlagen, daß du deinen Mann so schlecht kennst —. Was du alles siehst. Merkwür dig. Also eifersüchtig bist du gewesen, auf dieses elende Modell, das nicht in einer ein zigen Pose aushalten konnte? Milly — ? Merkst du denn nicht, daß nur eine, eine einzige den Schlüssel hat, welcher mein Herz aufzuschließcn vermag ?" Sie lachte, es war ein klingendes Lachen, aber dabei lief ihr fast eine Träne aus dem Auge. „Sei vernünftig, Milly — denn ich sieh, ich habe jetzt ein neues, starkes Motiv vor Augen ." „Du hast immer neue starke Motive. Wo dti hinsi.hst, liegen sie dir, aufgegrifsen hast du noch nie eins." „Aber ich kann's, Milly. Wenn du wüß test, wie mir das manchmal durch alle Ner ven geht — — wie das in mir steigt, schwillt und zwingt. Cs loste, was es wolle; diese Glieder, dieser Kopf, diese Augen müssen dir angehören für das heilige Gesetz der Kunst!" Richards Atem umspielte ihre eiskalten Schläfen. Er rang die Hände: „Ja, und wenn ich am letzten Rand des Erreichbaren bin — — dann — — dann finde ich nichts in dem Sternengarten der Kunst — — — dann verachte ich, dann hasse ich meine Schöpfung, dann verschwindet spurlos aus meinem Gedächtnis das Modell, das mir vorher alle Körper- und Seelenfasern peitschte! Entsetze dich nicht, Milly! Tau send Frauensonnen müssen dem Künstler leuchten! Sein Weg braucht sie. Seine Laune! O Milly, sieh mich nicht so an. Nur Freiheit gibt Freiheit, da kann man mit Lust schöpfen im Heiligtum der Kunst. Du kennst ja nicht jenen Dämmerzustand, wo die Seele zwischen Himmel und Erde hängt, du kennst ja nicht jene giftigen Feuer, jene roten Punkte, die in dem Gehirn brennen. Da kann man selber mit Abscheu auf sich niedersehen, da können einem tausend leise Stimmen zuraunen: Tus nicht! Nein —! Nein! Man bebt vor der Tat, aber man führt sie aus!" Ihm stürzten die Tränen aus den Augen. Vor Schmerz? Bor Zorn? Er wußte es selber nicht Aber Milly wußte es. Sie fühlte es aus dem leisen, steinen Alkoholounsl, ler ! ans seinem heißen Munde Wehle, sie fall es mit Abscheu an der tiefglänzenden, roten, kleinen Mensurnarbe, an den weichen, wun derschönen Münneraugen- Seltsam quollen die Hellen Tropfen aus ihnen.. „Du hast wieder getrunken, Richard — ?" stieß Milly gepeinigt hervor. Merkwürdig, die winzige Narbe wurde ivie ein kleiner, blutunterlaufener Striemeü. Die schönen Augen rollten,'daß sie gräßlich aussahen. Die Stimme schrie wie toll: „Du —! Du?! Gerade jetzt? Wo ich Hilfe von dir erwartete! Wo ich alles be folgen würde, was du von mir verlangst —. Wirfst du mir vor: Du hast wieder ge trunken. Warum habe ich denn getrunken? 2Aarum denn? Warum trinke ich denn über haupt?! Deinetwegen! Nur deinetwegen!" Er hatte ihre Gelenke gefaßt, er hielt sie fest wie mit -eisernen Klammern. „Warum marterst dir mich denn Lag und Nacht? Warum treibst du den Spuk, nicht aus meinem Hirn? Du — du allein machst mPne schlafende Ariadne lebendig. Milly — Milly, ich habe dich lieb — uü flehe dich an. Spürst du denn nicht mein heiliges Tun? Meine Kunst? Deine Ge stalt als Ariadne - ? Milly, ich brauche sie —! Nimm mir meine Unrast! Du bist swön.— ! Schöner als alle Modelle, die ich bis jetzt getroffen habe — Milly, sitze mir! Einmal' — zweimal — —!" „Nie — niemals!" Er stieß einen heiseren Wutschrei aus — dem folgte ein Wchlaut. Ein verlorner, wirrer Schrei - . Ein Türenkrachen — und dann war alles totenstill . . Und dann stürzten wilde Tränen ms Millys Augen. In ihren Haaren, in ihren wundervol len schönen Haaren hatten Männersingec gerissen — —. Eine geballte Faust l.atke ihr Antlitz berührt — — War das wirklich wahr? Kein Traum? Kein Spuk —?! Sacht, unhörbar, auf den Zehen schlich Milly aus ihres Mannes Prunkgemach und schleppte sich, aus ihr Zimmer und weinte die halbe Nacht hindurch. Nein, es war kein Traum . Seine Finger hatten in ihrem Haar gerissen — — seine Faust hatte ihr Antlitz berührt — —. Und dennoch — — dennoch dachte die gepeinigte Frau: Ich habe ihn lieb — — ich weiß nicht warum —. Berlin hatte Ferien - . . Ein schönes Wort für Großstadtlinder —, Großstadtmenschen! Die Berliner drängten sich zu den Bahn- - Höfen. Da gingS fort, an die See — in die wirkliche Schweiz und in die säch sische — — nach Kirche Wang und auf die Schneekoppe, nach Picheiswerder und nack) Werder, zum Wannseestrand und in den Grunewald —. Aber ob die Großstädter nun in die Nähe oder in die Ferne gingen, ohne den Bahn hof und die Stadt - oder Staatsbahn giyg es selten ab. Frau Kunstmaler von Lührsen fuhr im Automobil an der Stadtbahnhalle Bahnhof Friedrichstraße vorbei, da traf sie ein freund licher Blick aus einem Gesicht, das große Freude zeigte, gewiß in dem heiteren Be-