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WMtt für WMM Beilage zu Nr. 2!. Dienstag 20. Februar 1912. Dtrrkfprüchr für Gemüt und Verstand. Wer nur Eindrücke empfangen hat, ohne sie inner« lich zu verarbeiten, hat nicht gelebt. Vinat. Aus Sachsen. Wilsdruff, den l9. Februar. Die Stadtverordneten in Dresden überwiesen in ihrer Donnerstagfitzung den Antrag, dem Zentralarbeits« nachweis für den Bezirk der Kreishauptmannschaft Dres den mit einem jährlichen Beitrage von 10000 Mk. unter gewissen Voraussetzungen beizutreten, den zuständigen Ausschüssen. — Auch in Dresden wird man wieder ein Sechstage-Rennen zu sehen bekommen Es gelangt für die Zeit vom 28. Februar bis 5. März zur Ausschreibung. Die Konkurrenz soll in einer von der Dresdner Hygiene- Ausstellung noch stehen gebliebenen großen Halle ausge« fahren werden und ebenso wie das Berliner Sechstage- Rennen ohne Unterbrechung zur Durchführung kommen. — Das Landgericht Dresden verurteilte den Rechtsanwalt Dr. Schlegel und den Buchdruckereibesitzer Schmidt zu je 100 Mk Geldstrafe, und den Kaufmann Guido Meusel zu 1000 Mk. Geldstrafe. Alle drei waren Gründer und Inhaber des gemeinnützigen Vereins „Stadtbeförderung Dresden". Die Reichspostverwultung erhob gegen das Unternehmen Protest, da dieses einem Postbetrieb täuschend ähnlich sah. Das Gericht erkannte an, daß durch die ge meinsame Gründung die Angeklagten die gesetzlichen Be stimmungen verletzt hatten. — Ein fast unkenntlicher Weib- licher Leichnam war am Dierstag vormittag in Dresden- Eotta in der Nähe der Weißeritzmündung aus der Elbe gezogen und nach dem dortigen Friedhof gebracht worden In der Toten wurde später des seit 4. Dezember von seiner Dresdner Dienststelle vermißte Dienstmädchen Wilhelmine Mißbach sestgestellt. Sie stammt aus Lin« denau bei Kötzschenbroda und ist 1886 geboren. — Die Königliche Polizeidirektion Dresden gibt über den Karne valsumzug und das Faschingstreiben in Dresden eine Reihe von Verkehrsbestimmungen bekannt, wobei sie die Erwartung ausspricht, daß das Publikum bestrebt sein wird, im Karnevalstreiben Roheitsausbrüche zu unter- lasten und, wo solche doch Vorkommen sollten, sie mit unterdrücken zu helfen. Insbesondere wird dringend ge- beten, rohe Scherze, wie das Zuschlägen mit harten Pritschen, das Bespritzen mit Flüssigkeiten, das Werfen mit Mehl, mit beschmutzten Konfettis und dergleichen zu unterlassen. — Die diesjährige ordentliche Hauptver sammlung des Verbandes Sächsischer Industrieller findet am 11. und 12. März in Dresden statt. — Mit dem jetzt eingetretenen Eisgang auf der Elbe gibt der Strom seine Opfer zurück. Ein männlicher Leichnam wurde am Sonnabend vormittag bei der Schiffswerft Uebtgaa ans Land getrieben. In dem Toten wurde der 59jährige Eisengießer Wilhelm Wellner aus Beiersdorf bei Bautzen sestgestellt. Für die in Mittweida zu errichtende große Für- ssrgeerztehungsanstalt wurde Pfarrer Munde in Zwönitz j. Erzgeb. zum Direktor gewählt. Der achtjährige Sohn des Rittergutsvogts Schönig in M-i«förstchen stürzte beim Spielen vom Scheunen« boden auf die Tenne herab. Dabei erlitt der Knabe einen Schädelbruch, der den alsbaldigen Tod herbeiführte. Unterirdische Gänge hat man in Eckartsberg auf dem Grundstücke der mechanischen Papierhülsensabrik von Alfred Hübner-Zittau aufgefunden. Zuerst stieß man auf eine unterirdische Höhle, die nach einigen Tagen allerdings wieder größtenteils eingefallen war. Durch Einsinken eines Lastwagens ward eine zweite Höhle bloß gelegt, die in einen acht Meter langen unterirdischen Gange verlief, der früher jedenfalls länger gewesen zu sein scheint. Da in dieser Höhle Holzreste und durch Rauch geschwärzte Stellen wahrgenommen wurden, kann wohl darauf geschloffen werden, daß sie einst bewohnt gewesen ist. Höhlen und Gänge haben allem Anscheine kLiul As kiuäsrn mit äsr Seste1lun§ auf ein Abonnement des „^ockenblatt .. tür Wilsckrulk" .. so lange ru rögern. Oeben Lie bitte Ikrs LestellunAsofortbei ^er?o8t oäer äirelrt in6. Txpeäition aut. nach miteinander in Verbindung gestanden. Welchem Zwecke sie gedient haben, läßt sich nicht angeben. Wie wir dem soeben erschienenen Jahresbericht für 1911 der Heil« und Zufluchtsrätte für Alkoholkranke „Tannenhos" in Beiersdorf O.-L. (Anstalt des Pro- vinzialvereinS für innere Mission in Bautzen) entnehmen, ist die Entwicklung der Antza t im verflossenen Jahre, dem zweiten ihres Bestehens, wiederum günstig gewesen. Das Jahr begann mit einem Besuch von 14 und schloß mit einem solchen von 20 Heilungsuchenden. 54 wuiden im Berichtsjahre im ganzen im „Tannenhof" verpflegt; 34 wurden mit wenig Auenahmen nach beendeter Herl- behandlung entlassen. Die durchschnittliche Aufenthalts dauer betrug 6 Monate was immer als der erwünschte Mtndestzeitraum für ein ausst vtsreiches Heilverfahren gilt. Von den 34 Entlassenen des Jahres 1911 können bis jetzt 25 als geheilt gelten (— rund 75 Prozent, ein recht erfreuliches Resultat) während bei 3 über ihr jetziges Befinden überhaupt nichts festgestellt werden konnte. Das eiserne Ehejubiläum feierte das Braunsche Ehe« paar in Grünhai» (Erzgeb.). Der Stadtgemeinderat bewilligte dem Jubelpaare ein Geldgeschenk. Aurze Chronik. Die Wertzeichenherstellung in der Reichs« drulkerei. In der Reichsdruckeret in Berlin werden, wie die „Neue politische Correspondenz" mitteilt, werk täglich 19 Millionen Wertzeichen im Nennwert von 20 Millionen Maik hergestellt. Im ganzen werden 940 Sorten Wertzeichen vorrätig gehalten, deren Wert sich auf 430 Millionen Mk. beläuft. Zur Beförderung dieser Wertzeichen an die Postanstalten usw. sind jährlich 109560 Kisten- und Paketsendungen im Gesamtgewichte von über 3 Millionen Kilogramm erforderlich, d. s. wöchentlich über 2l00 Sendungen im Gewichte von 60000 Kilogramm. Vier Kinder verbrannt. Vier Kinder des Ge« meindevorstehers Duscha in Jägersdorf bei Neidenburg wurden von brennendem Petroleum aus einer explodierten Petroleumkanne überschüttet. Die Kinder, die ein bis acht Jahre alt find, verbrannten. Bostsungrück auf der Donau. Bei Bazias (Südungarn) ereignete sich auf der Donau ein schreckliches Unglück Ein Boot, auf dem sechs serbische Bauern und eine Frau mit einem Kinde von Bazias in einem kleinen Kahn nach dem serbischen Ufer zurückrudern wollten, schlug mitten auf dem Strom infolge starken Wellenganges um. Alle acht Personen ertranken nach verzweifeltem Ringen in Gegenwart vieler Zuschauer auf beiden Ufern. Verheerende Ueberschwemmunge« in Un garn. Das Dorf Planvola im ungarischen Komitat Szatmar ist durch Hochwasser teilweise zerstört. Einige Häuser sind eingestürzt Militär arbeitet mit Pantons an der Rettung der Bevölkerung und ihrer Habseligkeiten. Ungefähr 10000 Stück Geflügel und Vieh sind fortge schwemmt worden; zahlreiche Ortschaften in der Umgegend von Panyola sind überflutet. Brandunglück in einem Kinematographev- theater. Zufolge eines Defekts in der elektrischen L itung brach in einem Kinematozraphentheater in Bukarest während der Vorstellung Feuer aus. Der Zu« schauerraum war bald in Flammen gehüllt. Unter dem Publikum entstand eine furchtbare Panik. Alles drängte nach den Ausgängen. Viele Frauen wurden ohnmächtig und niedergestoßen. Auch viele Kinder wurden in dem Gedränge schwer verletzt. Drei Kinder wurden buchstäblich zertreten. Eine Lehrerssrau, deren einziges Töchterchen bei dem Brande ums Leben kam, wurde aus Schmerz darüber wahnsinnig. Der Besitzer des Theaters hat sich nach der Kal krophe erschossen. Katastrophe an Bord eines japanische» Kreuzers. An Bord des japanischen Kreuzers „Satsuma" sprang, einem Telegramm aus Tokio zufolge, bei einem Manöver beim Abziehen einer Kanone infolge Expl ston das Bodenstück der Kanone und tötete zehn Malroien auf der Stelle. Die Explosion richtete an Bord großen Schaden an. Schweres Eisenbahnunglück in Nordame» rika. Bel Altoona in Pennsylvanien ist ein Personen« zaa entabiit. Bier Personen wurden getötet, 40 verletzt. Der Rurier des Mnigs. Erzählung aus dem Jahre 1813 von Friedrich Thieme. 7Z (Nachdruck verboten.) Bis hierher war er glücklich gelangt, mehr als zwei Drittel des gefährlichen Terrains lagenhinterihm. Doch verhehlte er sich nicht, daß die eigentlichen Schwierig keiten seiner Mission erst begannen. Die Gegenden der Mark, in welche ihn die ersten Tage seiner Reise führten, traf er zum größten Teil von Feinden entblößt, sobald er jedoch die sächsische Grenze passiert hatte, begegnete er zahlreichen Anzeichen ihrer An wesenheit. Unzweifelhaft war ganz Sachsen von ihnen überschwemmt. Sein Paß leistete ihm gute Dienste. Die Legi timation hielt er sorgfältig verborgen. Das Sicherste und Unauffälligste war noch, am Hellen Tage zuver sichtlich und kaltblütig seine Straße zu fahren, wogegen nächtliches Reisen in einer kriegerischen und bedenk lichen Zeit leicht Verdacht hätte erwecken können. Nur em Umstand beunruhigte ihn. Der Wirt hatte ihm erzählt, daß die Franzosen erst seit gestern wieder in der Gegend eingetroffen seien. Was führte sie hierher? Er wußte nur zu gut, daß die Eindringlinge vortreffliche Spione unterhielten, die es verstanden, sich auf ost unerklärliche Weise ihre Informationen zu verschaffen. Geld öffnet eben alle Türen, und damit kargen die Usurpatoren nicht. Wenn seine Mission dem Feinde verraten worden wäre? Die Möglichkeit war nicht ausgeschloffen. Ihm fehlte ja alle Wissenschaft darüber, wer außer ihm noch in das Geheimnis eingeweiht sei. Der Aufwärter, welcher daS Abendbrot servierte, entriß ihn seinen unbehaglichen Träumereien. Hungrig fiel er darüber her mit dem Entschlusse, sich dann, Ermüdung vorschützend, unverzüglich auf sein Zimmer zu begeben, da er sich durch die neugierigen Blicke der allmählich zahlreicher werdenden Gäste belästigt fühlte. Einer der letzteren, ein kleiner silberhaariger Mann in schäbiger Bauerntracht, mit listig umher flirrenden grauen Augen nahm ohne weiteres, nach dem er sich bei seinem Eintritte forschend in der Stube umgesehen, an seinem Tische ihm gegen über Platz. „Gestatten, mein Herr?" „Bitte", lautete die nicht gerade freundliche Zustimmung. Der Mann ließ sich ein Glas Bier kommen und schaute, während er trank, den Reisenden neu gierig an. „Sie sind wohl fremd hier?" fragte er mit zudringlicher Liebenswürdigkeit. „Ja". — „Darf man fragen, woher?" — „Meinetwegen." „Ich wollte sagen, darf man es erfahren?" ' Der Hauptmann hätte den Neugierigen am liebsten schroff abgewiesen, sagte sich aber, daß dies mit der Klugheit unvereinbar sei. „Aus Berlin", antwortete er kurz. „O, aus Berlin." Der Mann betrachtete ihn mit lächelndem Blicke. „Welche Ehre für Sachsen", meinte er halb ironisch. „Die Herren Berliner bilden sich immer so viel auf ihre Abstammung ein." „Nicht alle, mein Lieber." — „Nichts für ungut — wir Sachsen —" „Sie sind ja gar kein Sachse." — „Woher wollen Sie daS wissen?" „Ich höre es an Ihrem Dialekte. Sie sind Rheinländer." „Ich bewundere Ihren Scharfblick." Felix erwiderte nichts, die Entdeckung war ihm nichts weniger als angenehm. Der zudringliche Gast wartete eine Weile, daß fein Tischnachbar das Wort nehme, als dies jedoch nicht geschah, äußerte er mit dem früheren Lächeln: „Eine schlechte Zeit, in Geschäften zu reisen. Gefahren rund umher. Sie reisen doch in Geschäften?"— „Ja." „Nehmen Sie sich- in acht — Sie wären nicht der erste, der diese Kühnheit mit Geld und Leben büßt." „Ich fürchte mich nicht." „Davon bin ich überzeugt. Sie sind ein starker Mann — wohl auch Soldat gewesen?" —, „Nein." „Sonderbar — Sie haben so was Militärisches in Ihrem ganzen Wesen, als ob Sie den bunten Rock erst kürzlich ausgezogen hätten." Felix blickte den Sprecher prüfend an. Was wollte der Mensch von ihm? Waren seine Fragen lediglich der Ausfluß zudringlicher Neugier, oder verfolgte er einen anderen Zweck damit? Der kleine Mann erschien ihm ordentlich unheimlich. Doch zwang er sich zur völligen Gleichgültigkeit, als er, ruhig seine Mahlzeit fortsetzend, die Frage hinwarfr „Reisen Sie auch in Geschäften?" Der Kleine lachte laut. „Ich? Ja. Jawohl, mein Herr - obgleich ich als armer Teufel nicht so viel riskiere als Sie." „Sve sind ein Handelsmann?" „Wenn Sie wollen, ja. Ich bin so eine Art Armeelieferant im kleinen." (Fortsetzung folgt.)