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«Mil!° WWE 2. Beilage zu Nr. 17. Sonnabend, 10. Februar 1912. Ans Stadt and Land. Mitteilung«» auS dem Leserkreise für diese Rubrik nehme» wir jederzeit dankbar entgegen. Wilsdruff, den 9. Februar. (Fortsetzung aus dem Hauptblatt.) — Der amtliche Bericht der Königlichen Kommission sür das Vetertnärwesen über die am 31 Januar 1912 im Königreiche Sachsen herrschenden ««steckende» Tier« krarrkheiten stellt im Bezirke der Königlichen Amts. Hauptmannschaft Meißen die Maul« und Klauenseuche in den mit der Anzahl der verseuchten Gehöfte nachstehend verzeichneten Ortschaften fest: Karcha 1, Niedereula 2, Reichenbach 1, Schmiedewalde 1, Seeligstadt 1, Tanne- berg 2, Wildberg 3 — Im Vergleiche zu dem Stande am 15. Januar 1912 mit 18 Ortschaften und 35 ver seuchten Gehöften mit dem Stande am 31. Januar 1912 Mit 7 Ortschaften und 11 verseuchten Gehöften hat im Bezirke der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen die Maul- und Klauenseuche eine abermalige wesentliche Abnahme von 11 Ortschaften mit 2t von der Seuche be troffenen Gehösten zu verzeichnen. — Außerdem wurde »sch im amtshauptmannichaftliche« Bezirke Meißen das le eiamalige Vorkommen der Schweineseuche einschließlich Schweinepest in Mutzschwitz, der Geflügelcholera in Zschrila und der GHirnrück-nmarksentzürdaug der Pferd: in Nossen konstatiert. — Die Maul- und Klauenseuche ist am 31. Januar d. I. im Königreiche Sachsen in 114 Gemeinden und 165 G.'höfteu amtlich festgestellt worden. Der Stand am 15. Jrnuar war 171 G:mrindeu und 306 Gehöfte und ergibt sich demnach eine Abnahme von 57 Gemeinden und 141 Gehöften. — Aus unserem Leserkreise erhalten wir folgenden Artikel, der in dem „Dresdner Nachrichten" erschienen ist. Diese ichreibrn: Zur Erklärung des Sächsischen Lehrervereins in Bezug auf ven Entwurf -es -euen Bolksschulgesetzes erhalten wir folgende Za- Arifl: Außeroroentttch merkwürdig ist es, daß der Sächsische Lehrerv.'retn unermüdlich von der „Hebung der Volksbildung" redet und von dem Idealismus seiner Be strebungen, ohne den Stimm:« anderer, die das gleich: Ziel verfolgen, irgendwie Gehör zu schenken. Immer wiederholt er nur seine Forderungen und Pläne. SretS «ur die alten Schlagwörter. Schoa das aber ist eine nicht geringe Befangenheit, wenn jemand meist, daß er »stein das Richtige gefunden habe. Diese Ueberzeugung ors führesden Teiles innerhalb der sächsischen Lehrer schaft geht deutlich hervor aus der veröffentlichten Er- Gärung t« Bezug auf den Entwurf des neuen Volks- -chulgrsetzrS. — 1. Der Sächsische Lehrervrrein verlangt fortgesetzt die „allgemeine Volksschule". J:der StaatS- durger soll also gesetzlich gezwungen sein, seine Kinder in diese allgemeine Schul; zu schicke«. Das aber verstößt doch gegen die Freiheit des einzelnen, für die sonst die Lehrer so begeistert eistrete«. Oser meinen sie, »ur für sich solche fordern zu dürfen? Zugleich ist es eine B-- ichränku«g deS Individuellen, von dem die moderne Pä- »agogik so viel zu sagen weiß. — Dir sogenannte allgemeine Volksschule ist überhaupt eine Uiopie, allen sozialen Ver- Mdmss-s bar. Hier fehlt der rechte, klare R-aliSmas. §er begreift, daß unabänderliche Tatsachen nicht durch graue Theorien zu überwinden sind. — 2. An dem gleichen Mangel leidet die bis zur Trivialität wiederholte Forderung der konfessionslose« Schule. Sie kann nur von solche» gestellt werde», denen jedes Verständnis der Geschichte, vor allem der ReltgionSgeschichte, der symbolischen Be deutung der Dogmen und wirklich pädagogischer Psychologie abgeht, die die Lehrerschaft sonst so hoch stellt. Diese ganze Forderung und ihre Begründung erinnert überhaupt stark an die Aufklärungszeit des 18. Jahrhunderts mit ihrem unhistorischen Sinn und ihrer Kirchenfeiadschaft. Sie unterläßt vollständig, das rechte Verhältnis zwischen Konfession und Religion abzuwäzen und die religiöse Er ziehung der Kirche zu würdige«. Daß der Geistliche nach dem Entwurf des Religionsunterricht zu beaufsichtigen hat, sollte jedem, der die Stellung der Schale zu Staat und Kirche begriffen hat, selbstverständlich sein. Die religiöse Erziehung wird hauptsächlich von der Kirche ausgeübt, und zwar in weit größerem Umfange als von der Schule, die von der Kirche den religiösen Stoff empfängt. Wollte man in Beziehung hierauf einen Wunsch für den Entwurf aussprechen, so kösnte es nur der sein, daß der den Re ligionsunterricht beaufsichtigende Geistliche, der hier allein der Fachmann ist, seine Wahrnehmungen nicht au dir Bezirksschultnspektio», sonder« an die kirchliche Behörde mttzutetle» habe. Er handelt künftig nicht mehr im Namm und Auftrage des Staates, soadern der Kirche. Nur der Einheitlichkeit in der Schulaufsicht wegen wäre dann der BezirkSschulinsprktiou außerdem noch M tteilung zu waches, die doch nur hiastchtltch des Schultechatschen in Betracht kommt, das nicht so schwer zu beurteilen ist. — 3 Die Freiheit der Lehrerschaft aber ist ganz gewiß weder durch das alte Schulgesetz behindert gewesen, noch durch den neuen Eutwurf beeinträchtigt. Wer seine Pflicht gewissenhaft erfüllt, ist immer frei. Jrde Organisation aber bedarf objrklivrr Regeln, die der individuellen Willkür Schranken setzen. Das gilt für jeden Beruf. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein nicht unerheblicher Teil der Bolksschullehrer in einem Alter zu selbständigen Stelluazm gelangt, in dem guter Rat und wohlmeinende Weisungen nur mit Disk entgegrngenommss werden können. Die Konfereszrechte haben schon bisher bestanden. Sie werden durch den neuen Entwurf tu keiner Wsise alterniert, sondern ausdrücklich anerkannt. Sie geben Gelegenheit, auS den Mitteilungen und Aussprache« der Erfahrenen reiche Belehrung zu schöpfen. Kleine Schulparlamenre mit Rechte« einer Art Gssetzzebuag zu schiffen, könnte nur von Nachteil sei« für die ruhige, kontinuierliche Eut- wicklang einer Schule. Eins aber möchte wünschenswert erscheinen: Schulsy roden einzurichten, ämltch den kirchlich:« Syroden, und damit das gesamte Schulwrsen bis zur Hochschule hinauf za eisem lebendigen einheitlichen Or ganismus zu gestalten. E; wäre möglich, daß hierdurch Staat, Kirche, und Schule in die rechte Stellung zueinander gebracht würden und die gesamte Volkserziehang nach außen und inne« einen wirksame« Zusammenhang bekäme Daß aber Laien im Schulvorstande gew.sse Rechte ein- geräumt werden, ka«n jedem tüchtigen und strebsamm Lehrer nur willkommen sein. Nicht nur die Lehrer, soudsrn auch die Eltern sind bet der Kindecerziehung beteiligt, und zwar in hervorragender Wrise. Ofl wird ein ernst- denkender, erfahrener Vater weniger Laie sein, als ein janger, noch uuerfahreaer Lehrer, wmn ihm auch die pädagogische Theorie abzeht. Wie viel hat doch Pestalozzi von der Muttererziehung gehalten! Auch empfängt der Fachmann in allen Berufsarten nicht selten den besten Rat von dem Nichtfachmanne, der vorurteilslos ist. — Das alles möchte der Sächsische Lehrerveret« doch einmal in Erwägung ziehen Lehrer gerade werden doch nicht zu denen gehören wollen, die sich durchaus nicht belehre, lasse«. Ein Idealismus, der den realen Boden verläßt und »ur seine Art für die einzig richtige hält, führt zu Illusionismus. Er verwandelt das Ideal in ein Idol. — Der hessische Hauptverein des Eva«-. Bundes ist im letzten Berichtsjahre um mehr als 2600 Mitglieder gewachsen. Ec zählt deren im Gaazeu 18323 in 171 Z veigvereinen. Der Vorsitzende erledigte im Jahre 718 Korrespondenzen, der Schriftführer 335, die Geschäfts stelle 3821 Drucksachen und Briefe. Dec Preßausschuß gab 60 Artikel über den Bund und die evaagelische Be wegung an die Tagespresse. Die Rednerliste weist 112 Namm auf. — (Eingesandt.) Der Kampf zwischen Groß- «»d Kleinmühle«. DaS umfaagreiche Mählea-Ge- w:rbe, das im Deutsche« Reiche noch immer 40000 Fa milien ernährt, führt seit Jahrzehnten eiaen verzweifelte« Kampf um seine Existenz. Durch gewisse Zoll-und Tarif- Behältnisse begünstigt, haben sich an de« großen Haseaplätzi« eine Anzahl größere Mchlfabrikea etabliert, die hauptsächlich ausländisches G:treidev:rarbeites und damit den anderen Mühlen im Binnenlande eine schwere Konkurrenz bereiten. Durch diesen übertriebe nen Wettbetrieb sind i« de« letzten 25 Jahren bereits gegen 18000 Mühlen etagegangen und eS scheint, als ob auch die übrigen Mittel- und Klriamühlen alle v:r«ich!et werden sollten. Damit würde aber ein assehn- licher Teil des Netional-BermözenS entwertet uad viele Familie« gerade tnS Proletariat hinab gestoßen werden. Auch würdr der Landwirt in vielen Gegenden den wich tigsten Abnehmer seines GrtceiseS eiabüßen. Die B-r- teistgec der großen Mehlfabrike« ziehen nun gern de« Nazelschmied uad Handweber zum Vergleich heran, um zu beweise«, daß die Kieinmüble« nicht mehr existenzfähig wäre«. Sie sagen: wir der Nagelschmied mit seiner müh seligen Hasdarbeit nicht mehr bestehen kann «eben der modernen Nazelfabrik, die mit Maschinen (Pressen und Stanzen) arbeitet, uad wie der Haasveber nicht mehr mit dem mechanischen Wetzstahl konkurriere« könne, so müsse auch der kleine Müller vor der moderne« Mehl- fabrik notgedruagea zucückoeiche«. Eine solche Beweis- fühcung hat für das große Publikum, das von technische« uad müllerischen Verhältniss:« keine Ahnung besitzt, etwas sehr bestechendes; wer aber die Tatsachen der Praxis kennt, kann diesen Vergleich höchst lächerlich staden. Mahlt denn etwa der hrutige Kleinmüllec sein M-Hl mit der Hand? — oder mit dec Kuff-emühle? — Nein, er hat ebenfalls Maschinen, uad zwar genau dieselben wie der Großmüllrr. Er bezieht st- aus derselben Fabrik und Mühleaoaa-Anstalt wie der Groß-Mihlfabrtkant; der Uuerschiev ist bloß dec, daß der Kietamüllec nur zwei oser drei Walzenkühle kaufen kann, während der spekula- live Gcoßkapiialik 50 oder 100 solche Welzesstühle von derselben Sorte kauft. Daß aber diese Maschinen in der Riesen-Mehlfabctk eia bessere- Mehl mach:» müßte«, als m der Kletamühle, wo sie von fachmännisch ausgebildete« Slürmiscbe Mögen Kriminal-Roman von Karl von Riegerstein. 42) (Nachdruck verboten.) Unterdessen fuhr der Verteidiger, der es ver standen hatte, plötzlich die Spannung und das Inter esse des Publikums wieder zu erregen, in seinen Ausführungen fort: „... es blieb also nur die eine Möglichkeit, Laß eine fremde Person in klas Haus eingedrungen sei und den Mord verübt habe. Die Polizei scheint jedoch diese Eventualität seltsamerweise gar nicht ins Auge gefaßt zu haben. Blicke zu fühlen. Augen saß.er d^ blaß, bebend, M Lie Worte heroM Herr StaatsanW Wen, der nicht wußte, sondern de «benso unbemerkt ii — dem Herrn von Bei diesen Wo! rin flüsterndes Mw Blicke richteten s« mingen, oder Ra« Men hinwies. Und wenn man mden Eindringling gelten r,." nur an jemanden ^ause genau Bescheid ^r, jederzeit . das Haus zu kommen, wie etwa Ramingen." Men des Verteldrgers ging es wie firmeln durch den Saal. Hundert H in diesem Momente auf Ra- nngen glaubte vielmehr, alle diese „ Mit stieren, fast heroorquellenden «, mühsam richtete er sich nun auf, Rnd mit fast lallender Zunge streß er kor: „Was wollten Sre damit sagen? lvalt, ich ... bitte Sie . - - Mich . .. -gen solche Borwürfe zu schützen. . Tat", sagte der Staatsanwalt, „ich e- zumindest unvorsichtig ist, eine Be« au, haß auch in dieser Hinsicht nrchts, gar mchts auf, ein gewaltsames Eindringen eines unbekmkkK-DAt " di^bporhese von eine! lasst wollte, dann kä ge ... gen „In bei glaube, bah^ hauptung aufzustellen, die in der Art, in der sie vorgebracht ist, tatsächlich als auf den Zeugen ge münzt erscheinen konnte, und ich glaube, der Herr Vorsitzende . . Der Vorsitzende kam aber gar nicht dazu, seine Meinung zu äußern, denn der Verteidiger lächelte nur und sagte in seiner ruhigen, sicheren, über legenen Art: „Pardon, ich gebe gern zu, daß ich meine Worte vielleicht nicht ganz richtig gewählt habe, und es lag mir ganz fern, auch nur den ge ringsten Schatten auf Herrn von Ramingen werfen zu wollen. Aber ich habe den Beweis, daß eine dritte Person in jener verhängnisvollen Nacht wirklich im von Walterschen Hause war, und diese Person hatte — leider genau wie Herr von Ramingen, der sich hoffentlich dadurch nicht wieder getroffen fühlt — einen Schlüssel zu der von ihm so oft benutzten Hintertür des Hauses." Und aus der schneidenden Ironie, die in dem Tonfalle lag, mit dem der Rechtsanwalt diese Worte vorbrachte, merkte ein jeder, wo dieser hinauswollte, und ersah jeder, welche furchtbare Anklage gegen den Zeugen geschleudert wurde. Das Auditorium stand in seiner Erregung auf und reckte sich, um zu sehen, wie der Mann sich unter der Wucht dieser Anklage benehmen würde, und wer des Mannes Gesicht sehen konnte, wer die schreck verzerrten Züge erblickte, wer das keuchende Arbeiten der Brust sah, wer sah, wie er vergeblich danach rang, mehr als einen heiseren Ton aus der Kehle ru bringen, der wußte sofort: ja, das ist der Schul dige, das ist der Zusammenbruch eines bösen, vom Fluch des Verbrechens beladenen Gewissens. Der Verteidiger tat, als sähe er nichts, als gehe das Furchtbare dieser Szene spurlos an ihm vorüber. „Der Schlüssel ist hier", und er wies einen seltsam geformten Schlüssel vor, „und dieser Schlüssel wurde weit in einer Ecke deS Zimmers gefunden, als hätte ihn jemand von sich geschleudert. In der Wut. Vielleicht darüber, daß Frau von Walter ihm in jener Nacht, in der er glaubte, endlich eine Art Herr im Hause und durch seine Macht über die Frau, die seine Schwester war, ein Mann geworden zu sein, der über ein Vermögen verfügen könnte — den Laufpaß gab." Ungeheure Sensation folgte dieser Erklärung. „Wer . . . wer sagt daS?" rief Ramingen aus, der endlich die Kraft gefunden hatte, die ihm die Verzweiflung eingab. „Wer wagt das zu sagen?" „Ich", sagte der Verteidiger. „Ja, ich sage noch mehr; denn ich will nicht länger mit einem Manne, dem das Schuldgeständnis wie ein Kainszeichen auf der Stirn geschrieben steht, ein Spiel treiben, das in diesem Falle ja frevelhaft wäre. Und so sage ich Ihnen denn, Herr von Ramingen, auf den Kopf zu: Sie sind der Mörder und kein anderer." „Ich?! ich?!" schrie dieser auf, und eS schien in diesem Augenblicke, als wollte er sich in wilder Wut auf den Verteidiger stürzen. Es war ein Moment, wie er in diesen Räumen noch nickt erlebt worden war. Die Geschworenen sprangen auf, als wollten sie vorstürzen, um ein Unheil zu verhüten. Die Richter selber schienen bereit, den Verteidiger zu beschützen, falls es zu einem Angriffe seitens deS Wahnsinnigen kommen sollte. Aber eS kam nicht dazu. Ramingen § schien sich zu fassen. (Fortsetzung folgt.)