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mem Lieber. Das Geschick wird nicht müde, mich zu ver folgen. Aber auch ich will nicht müde werben, ihm die Stirne zu bieten. Das geht jetzt wirtlich über den Spaß. Ich stecke so tief im Dreck als nur möglich. Nichts als Unglück! Diericke hat sich wenigstens als tapferer Soldat verteidigt und nicht ehrlos übergeben wie der Tölpel bei Maxen. Diese Scharte werde ich schon wieder auswetzen, aber die Schande von Maxen kann in der öffentlichen Meinung nie wieder gut gemacht werden. Am 6. Dezember früh 5 Uhr bricht der König mit den Qar6e8 ciu corps, den Gendarmen, dem Regiment Seydlitz und sechs Bataillonen nach Freiberg auf. Er will den kaiserlichen General iAaquire bei Dippoldiswalde angreifen. Als er den Wagen besteigen will, muß er einige Augenblicke warten, weil ein paar Riemen in Unordnung geraten waren und ein Pferd nicht ordentlich angeschirrt war. Darin sieht man sofort ein schlimme Vorbedeutung. Satt knüpft daran die Bemerkung: So machen Furcht und Unglück Menschen abergläubisch, die sich keine feste Ueber- zeugung über die Dinge der Welt gebildet haben. — Und wirklich, der Vorstoß des Königs mißlingt, und beide Heere beziehen endglltig ihre Winterlager in Sachsen, dicht ein ander gegenüber auf dem linken Elbufer. Die Preußen standen mit dem rechten Flügel bei Freiberg, wo auch Friedrichs Hauptquartier war. Ihre Stellung zog sich über Wilsdruff bis in die Gegend von Meißen. Die Avant garde lag unter Zieten bei Kesselsdorf. Der rechte Flügel der Kaiserlichen befand sich mit dem Hauptquartier in Dresden, das Zentrum lag hinter dem Plauenschen Grunde, der linke Flügel aber bei Dippoldiswalde und Maxen. Zur Ergänzung lasse ich folgende Tagebuchaufzeich nungen folgen, die nicht im Aufsatze unterzubringen waren, aber doch voll des Interesses sind: Wilsdruff, 24. Nov. 1759. Er sprach von seiner Absicht, später die Regierung niederzulegen ... Ich würde mir einige ehrenhafte, aufge klärte und entgegenkommende Freunde wählen, deren keiner jedoch ein Schmeichler sein dürfte. Mit allen Kräften würde ich bemüht sein, Ehrgeizige und Intriganten fern von mir zu halten. Ich würde nicht zu nahe an einer Stadt wohnen, um nichts von Königtum und Ehrsurchtsbezeugungen zu sehen. Als unverbrüchlichstes Gesetz würde ich die völlige Freiheit eines jeden hinstellen . . . Darauf zeigte er mir den Plan des Hauses für sich und 6 Freunde, den er am Morgen entworfen hatte. Wilsdruff, 26. u. 27. Nov. 1759. An diesen beiden Tagen wurde ich zwar zum Könige befohlen, sah ihn aber nur einen Augenblick im Bette. Er litt fiel an der Gicht, jedoch brachte ihm ein starker Schweiß eine solche Erleichterung, daß er am nächsten Tage keine Schmerzen mehr empfand. Wilsdruff, 28. Nov., 4 Uhr. Ich glaube, der Teufel hat die Hand im Spiele, um mich zu quälen. Gerade jetzt habe ich ein bischen Gesund heit mehr nötig als jemals, und dabei kommt jeden Augen blick ein neues Leiden über mich . . . Jetzt wo ich handeln und gut handeln muß, sind mir die körperlichen Schmerzen, die ich leide, schrecklich. Dazu kommen noch Seelenqualen, von denen ich auch mehr habe, als ich brauchen kann. (Der König spricht dann von Voltaire, dem „alten Affen"). Wie schade ist es, daß ein so großer Geist einen so ver wünschten Charakter hat. Wilsdruff, 29. Nov. 1759. ... Ich muß morgen sehr früh nach Freiberg auf brechen, um Hülsen zu verstärken, und nut ihm die für die Sicherheit meiner Armee nötigen Maßregeln verabredest. In einigen Tagen bin ich wieder zurück. Ich kaffe Sie mitten unter angsterfüllten Leuten zu rück, die ihnen unsre augenblickliche Lage mit den düstersten Farben schildern werden. Sie ist allerdings nicht gerade sehr schön, das ist schon wahr, aber verzweifelt ist sie auch nicht. . . In der Folge sprach er von der Uebersinnlichkeit der Seele. . . . Nun, dann will ich Sie Ihren orthodoxen Glauben überlassen, jedoch mit dem Ersuchen, Ihnen be merken zu dürfen, daß ich ganz sicher bin, daß mich, wenn dereinst nichts mehr von mir übrig ist, auch nichts mehr be- unruhigen wird. Wilsdruff, 3. Dezember. Der König kam am Morgen dieses Tages zurück und ließ mich um 6 Uhr rufen. — Ich habe mich während der paar Tage, die ich fort war, gehörig angestrengt. Ich habe eine ausgezeichnete gute Stellung für das Korps ausfindig gemacht, welches dort bleiben muß. Folgen Sie mir auf der Karte, die Mulde, welche zwischen felsigen Ufern dahin strömt, deckt die Front. Der Fluß kann nur auf 3 steiner nen Brücken überschritten werden, die sämtlich durch an den Brückenköpfen aufgestellte Infanterie verteidigt werden. Um die Stellung noch fester zu machen und den Feind in jeder Weise gut empfangen zu können, habe ich auf den Brücken Holz mit anderen leicht brennbaren Stoffen aufhäufen lasten Sie werden es erleben, daß ich noch bester aus meiner schlimmen Lage herauskomme, als ich es zuerst zu hoffen wagte. Vielleicht kann ich sogar noch eine Offensivbewegung machen. Deshalb habe ich den Herzog Ferdinand gebeten, mir durch den Erbprinzen einige Verstärkungen herzuschicken. Durch diese hannöverischen Truppen und meinen Neffen verstärkt will ich, wenn es menschenmöglich ist, noch einen Versuch machen. (Lott ist Caloinist, sie kommen oft in Glaubensstreitigkeiten) Der Glaube wird Ihnen kommen, Majestät, ohne daß Sie darauf gefaßt sind. Ein ruhiger Augenblick, Lebensüberdruß, ein Ustglück — etwas derar tiges kann aus Ew. Majestät ein Muster von Frömmigkeit machen. Der König lachte lange über meine Behauptung. Meinen Sie nicht auch, daß sämtliche Kanzelredner sich darauf legen sollten, nur die Sittenlehre zum Gegenstände ihrer Predigten zu machen . . . Statt von der Stttenlehre sprechen diese Pedanten immer von Dogmen und Mysterien, die kein Mensch versteht. Allerdings kann eine verständig eingerichtete Lektüre den Mangel an Menschenkenntnis einigermaßen ersetzen, aber man muß doch die Menschen wirklich sehen und was man gelesen hat, durch die Kenntnis der wirklichen Welt und eigene Erfahrung berichtigen und ergänzen. Schluß. Kühne. Schustleitung, unter Mitwirkung des Vereins für Naturkunde, Sektion Wilsdruff, Druck und Verlag von Arthur Zschunke, WilSdru^. Der Nachdruck des Inhaltes dieses Blattes ist nur mit genauer Quellenangabe „Heimatbeilage zum Wochenblatt sür Wilsdruff" gestattet. Artikel mit dem Vermerk „Nachdruck verboten" sind vom Nachdruck überhaupt ausgeschlossen, auch auszugsweise. Alle Beiträge und Auschristen sind zu richten „An di« Wedaktton des Wochenblatt für Wilsdruff". 8 Nr. 2. Februar 1912. Kkilage MM „Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend". Die älteren und ältesten kirchlichen Verhältnisse der Wilsdruffer Gegend. läe. Or. Böhnhoff, Annaberg. Nachdruck verboten. Seine Funktionen bestanden vor allem in der geistlichen Gerichtsbarkeit (iunsclictio), für die Laien hauptsächlich in Eheangelegenheit, ferner in den Befugnissen, die Gemeinden zu visitieren (vimtatio), die Einweisung und Bestallung der Geistlichen, die ihm von den Patronen, also auch von dem Bischöfe als Kollator, präsentiert wurden, zu vollziehen bez. jemanden mit dem Vollzüge zu betrauen (institutio et in- vestiturs), die Strafgewalt über die Geistlichen auszuüben (censum ecdemssticu), ihnen Urlaub zu erteilen (absenti^ clsre), Stellentausch zu genehmigen (permutationes auc- torirare), kirchliche Uebertretungen der Laien zu rügen (correctio exeessuum) und den Bischofszins (csstieckrs- ticum, s. u.) in seiner Provinz einzuziehen. Dafür hatte er Anspruch auf die Unterordnung (subiectio), die Ehr erbietung (reverentia) und den kanonischen Gehorsam (oboeckientia) der Geistlichen seines Bezirkes, und sie mußten es mit Handschlag geloben. Von jeder Stelle bezog er als Archidiakonalgebühr das sogenannte Verpfleggeld (procu- rstio), das für ehedem in natura bei der Visitation ihm geleistete Verpflegung eingeristener Mißstände halber in Geld gezahlt wurde.') Seine Unterbeamten waren die Erzpriester (arcstipresb^teri) oder Landdekane (Uecani^ rursle8); es waren, wie wir sahen, ibrer acht, und einer von ihnen verwaltete die Geschäfte des Erzpriesterstuhls -) Vgl. a. a. O. n, 2, NO. 572 f. 638. II, 3, NO. 1007. y vecsnus erst ein militärischer, dann ein mönchischer Ausdruck: eigentlich einer, der über 10 gesetzt ist. Die evangelischen Superinten denten in Bayern und Württemberg heißen heute noch Dekane. (8ecle8) zu Wilsdruff, d. h. er erledigte die kleineren Rechtssachen kirchlicher Natur, er vermittelte seinen Amts brüdern alle behördlichen Verfügungen, er vollzog die Ein führung ins Amt, hielt Konferenzen (8^nocii) ab, hob die bischöflichen und archidiakonalen Gefälle ein und zitierte die Laien als Beklagte oder Zeugen vor das geistliche Gericht nach Meißen; dafür bekam er von den Geistlichen des Bezirkes die Synodalgebühr (^nockaticum). Der Wilsdruffer Erzpriester war nun keineswegs von vornherein der dortige Pfarrer, sondern die Kreisgeistlichen konnten dazu einen beliebigen Pfarrer oder Altaristen aus ihrer Mitte wählen und dem Archidiakonus präsentieren, der den Erzpriester selbständig dann ernennen konnte, falls jene die Wahlfrist versäumten oder nicht innehielten. Welche Kirchen und Altäre gehörten nun zum Wils druffer Kirchenkreijes Wir odnen sie nach der Höhe des Pfarrgehaltes bez. der Altaristenbesoldung: a) Pfarrkirchen (23): 1. Rothschönberg (8ckonber§): 2 Mark Silber. — 2. Brockwitz (Lrocktitz): 2 Mk. — 3. Sora (Somw)- 2'/, Mk. — 4. Niederschöna (Zclionavv inferior): 3 Mk. — 5. Limbach (UimpaLst): 3 Mk. — 6. Herzogswalde (lkerti^vvslcle): 4 Mk. — 7. Krummenhennersdorf (Krommen Ileinersckorkf): 4 Mk. — 8. Hirschfeld (llirg- kelcli): 4 Mk. — 9. Danneberg (Tannenberg): 4 Mk — 10. Miltitz sMtitr): 4 Mk. — 11. Burkhardtswalde (korcker^alcle): 4 Mk — 12. Mohorn (Odom): 5. Mk. —13. Dittmannsdorf(lDitmLr8cjorkk):5Mk.—14.Bieb er stem (Kiber8tein): 5 Mk. — 1o. Röhrsdorf (Kuciiger8- clorff): 5 Mk. — 16. Fördergersdrf (Oe^er8clorff): 6 Mk. — 17. Reinsberg (Kein8perg): 6 Mk. — 18. Blankenstein (Llsnkermtein): 6 Mk. — 19. Neukirchen (blewkirck): 6'/, Mk. — 20. Wilsdruff (V^il3ncl86orf): 8 Mk. — 21. Grumbach: (Orumbacb): 8 Mk. —- 22. Nau ¬ tz