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WeMt für WiNM Beilage zu Nr. 20 Sonnabend 17. Februar 1912 Betens sich geschämt, eS wieder recht herzlich und inbrünstig gelernt hat. Wohl uns, wenn wir uns dem göttlichen Unterricht in der Kreuzschule des Glaubens nicht entziehen, sondern die Prüfung bestehen; denn selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet, denn nachdem er be währet ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat, denen, die ihn lieb haben. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 16. Februar. Es ist geplant worden, in diesem Jahre in DreSdex nach Kölner Muster einen dreitägigen Karne» val zu veranstalten, das heißt, es sollten am 18, 19 und 20. Februar karnevalistische Umzüge veranstaltet werden m d an allen drei Tagen sollte auf den Straßen vollständige MaSkenfreihett herrschen. Die Polizei scheint die Dresdner Bevölkerung erfreulicherweise für derartige rheinische Veranstaltungen reif zu halten, denn der drei» tägige Karnevalstrubel ick ihc venehmigt worden. Es findet außerorm am 20. d. M. ein großer Festzug statt, der allerdings in künstlerischer Beziehung alle Erwartungen übertreffen wird. — Zur Förderung der Kirchgemeinden in materieller wie ideeller Hinficht hat sich jetzt in Dresden eine Korporation unter dem Namen „Verein zur Förde» rung der Kirchgemeinden" gebildet 72 Kirchenpatrone, Rittergutsbesitzer, Geinliche, Kirchenvorstände und Ver treter von Kollaturbehörden stad ihm beigetreten. In der Gründungsfltzung sprachen Pfarrer Liebert über die Bedeutung der unangreifbaren, werbenden Ktrchvermögen und Dr. jur Böhme über daS PfarrerbesoldungSgesetz. Zum Vorsitzenden wurde Kammerherr von Carlowitz ernannt. — Die Studentenschaft der Tierärztlichen Hoch» schule in Dresden beschloß in einer Versammlung, für Verlegung der Hockschule nach Leipzig einzutreten — AuS dem zweiten Stock eines Hauses der Fürstenstraße in Dresden stürcke sich vorgestern ein 19 jähriges Dienst mädchen in den Hof hinab und blieb bewußtlos liegen. Das sehr schwer verletzte Mädchen wurde dem Johann- städter Krankenhaus zugeführt. Ja der Schuhwarensabrik Ad Keller in Rstzweix sind die Arbeiter in eine Lohnbewegung getreten. Seit Montan streiken gegen 50 Wender. Am Sonnabend will das gesamte Personal tue Kündigung etnreichen, falls eine Einigung bis dahin nicht erzielt sein sollte. Als Dienstag früh in der Ungerstraße in Leipzig Anger-Crottendorf ein 19jädriger schwer vorbestrafter Arbeitsbursche wegen Diebstahls unter Führung von zwei Kriminalbeamten verhaftet werden sollte, schoß er sich vor den Augen der Beamten zwei Kugeln in die Brust, so daß er schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Dem Rat zu Crimmitschau ist eine Petition des Gewerbevereins zugegangen, m der dieser ersucht wird, dafür Sorge zu tragen, daß Crimmitschau bet der bevor stehenden Heeresvermehrung mit als Garnisonort in Be tracht gezogen wird. In der Oberreichenbacher Mordaffäre hat sich nunmehr herausgestellt, daß der Korbmachergehilfe Dillinger seine fünf Kinder und seine Frau im Einver ständnis mit seiner grau erschossen hat. Die Frau hat der Mörder zuletzt erschaffen. Dillinger, der bei seiner Deuksprüche für «emüt «uv Brrstaxd. Das ist die rechte Demut nicht, Daß man sich glaubt ein schlechter Wicht; Die echte Demut der nur hegt, Der echten Stolz im Busen trägt. Sollet. Betrachtung zum Sonntage Gstomihi. Drei Schulen sind es, die wir alle zu durchlaufen haben, in denen wir unterrichtet und tüchtig gemacht werden sollen für unseren zeitlichen und ewigen Beruf. Die erste ist uns die leichteste und liebste, auf die wir in späteren Jahren mit Wehmut zurückblicken, die harmlose Schule der Kindheit. Und doch schlag n die jungen Herzen unserer Konfirmanden, die jetzt wieder den kirch- lichen Unterricht empfangen, voll Verlangen dem Zeitpunkt entgegen, wo sie an der ersten wichtigen Station ihrer Pilgerreise angekommen sein werden. Es ist ja das Vorrecht der Jugend, mit tausend frohen Erwartungen hinauszubltcken in die Zukunft, die noch vor ihr liegt, bestrahlt vom goldigen Morgenrot der Hoffnung Noch kennt sie die zweite ernstere und schwerere Schule nicht, aus der man nicht wieder herauskommt, sein Leben lang, in der man ein Schüler bleibt, und würde man auch hundert Jahre alt Die ernste Schule des Lebens ist ja die wichtige Vorschule für die Ewigkeit. Darum ist es eine wahrhafte Lebens- frage, daß man die große Aufgabe dieser Schule nicht durch Leichtsinn oder Trägheit versäumt, daß man die heilsamen Lehrmittel dieser Schule mit allem Fleiß ge braucht, daß man den himmlischen Lehrmeister und das ewige Lehrziel nicht aus dem Auge verliert. Auf diese Schule beziehen sich alle Erziehungspläne der göttlichen Weisheit, alle H-ilstaten der ewigen Liebe. Die Kinder dieser Schule machen dem himmlischen Erzieher von jeher die größte Mühe, wie er ja schon über sie geklagt hat durch Prophetenmund: Du hast mir Arbeit gemacht in deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht in deinen Missetaten. Was würde wohl aus den meisten dieser schwierigen Schüler werden, wenn Gott in seiner Väter- lichen Weisheit und Güte nicht noch eine besondere Nach- hilfeklafft und Notschale eingerichtet hätte, wo er um ihrer Seeltgkeit willen rauhere Lehrmittel und eine strengere Lehrzucht gebraucht, uns wo er bald den, bald jenen zwangsweise hineinschickt; denn freiwillig ginge keiner. Wenn uns der Herr aus dem Getriebe der Welt in die Stille führt, wenn er uns das Weltleben verleidet durch schwere Sorge oder geheimen Kummer, wenn er uns in die Einsamkeit eines Krankenzimmers oder in die Stille eines Trauerhauses verbannt, da will er uns Gelegenheit und Anleitung geben, einmal recht ernstlich über uns selbst, über unsere Vergangenheit und unsere Zukunft nach zudenken, da will er uns mahnen, unseren Gott und Herrn, den wir im Geräusch des Lebens vergessen, dus Ziel unserer himmlischen Berufung, das wir beim Laufen ums Irdische aus dem Auge verloren, wieder recht eifrig zu suchen und zu finden Das ist die Kreuzesschule, in der schon manches Auge wieder ängstlich fuchend und innig flehend hat emporblicken lernen zu dem lange vei- Menen Gott, tn der schon mancher Mund, der im Sonnenschein glücklicher Tage das Beten verlernt oder des Vorführung am Tatort äußerte, er wolle lieber auch sterben, wurde vorgestern früh nach Plauen in das Ge fängnis des dortigen Landgerichts geschafft. Kurz vor der Tat hat er einen Brief geschrieben, auf dem Kreuze gemalt waren und in dun er vermutlich den Grund zur Tat angtbt. Dieser Brief befindet sich in den Hände« der Staatsanwaltschaft. Dillinger und seine Frau waren Methodisten. Am Vorabend der Tat versuchte das Ehe paar, den Kindern Bitterkleesalz beizubringen, um sie zu betäuben, doch nahmen es die Kinder nicht. Auf dem Tisch des Zimmers, in dem die Tat erfolgte, lagen Ge betbücher und Traktätchen. Die Frau war öfters von trüben Anwandlungen befangen und versuchte schon früher einmal Selbstmord. Zu dem Hcckenrosentag am FastnachtSdienStag in Chemnitz werden umfassende Vorbereitungen getroffen. ES finden zahlreiche Veranstaltungen statt. U«vze Chronik. Der 32S Millionex-Eixt v-rlix». Der Ber liner Stadt-Etat ist wieder in außerordentlichem Maße in die Höhe gegangen. Er schließ! mit einer Gesamt summe von 329 Millionen Mark in Einnahmen und Ausgaben. Während sich der Etat bis vor wenigen Jahren unter 300 Millionen Mark gehalten hatte, bean tragte der Magistrat im vorigen Jahre die Bewilligung von 313'/, Millionen und der endgültig festgesetzte Etat betrug dann 310 Millionen Mark Der größte Krax der Wett. Die Schiffswerft von Blohm L Voß stellt in DurSburg einen Niesenkran für zwei Millionen Mark auf, der imstande ist, 200 Tonnen zu heben Dieser Kran wird der größte der Welt sein. Der bisher größte Kran in Hamburg hebt 150 Tonnen. Gr-tze» Schadenfeuer im Amsterdamer Hafex. Am Mittwoch früh brach in einem Speicher der Gesellschaft „Ozeon" im Hafenviertel von Amsterdam ein Brand aus. Das ganze etwa 150 Meter lange Ge bäude ist abgebrannt. Die Waren im Werte von an nähernd zwei Millionen Mark sind mitverbrannt. Außergewöhnliche Külte auf der fkaxdixa- Vischer» Sarviusel. Aus Stockholm wird gemeldet: In der letzten Woche herrschte in ganz Skandinavien eine ungewöhnltche Kälte. In Tromsoe7 im nördlichen Nor wegen, waren am Di-msiag 52 Grad Celsius unter Null, in Umea, im nördlichen Schweden 43 Grad Celsius. Auch im ganzen mittleren Schweden und Norwegen wurden durchweg 30—40 Giao Celsius konstatiert. Im südlichen Schweden war da ganze Küstengebiet mit Treibeis fak blockiert. Außerhalb Malmö lagen am Dienstag 27 größere Schiff.- im Treibeise fest. Explosioustalastrophe. Aus Brilon wird ge meldet: Das M^nghauS de Sprengstoffavrik tn Hoppecke, Aktiengesellschaft, tst infolge einer Explosion am Donners tag morgen tn die Luft geflogen. Vier Arbeiter wurden getötet, zwei s. wer verletzt Lie Leichen der Getöteten sind unauffindbar. Eine furchtbare Kamtlievtragödie ereignete sich in der Via Polegtino in Palermo Aus Eifersucht wurde die Frau des Bankiers A osttna Guarneri wahn sinnig und tötete ihren Mann, sowie ihre vier Kinder im Alter vm vier bis zehn Jah en durch Bulhrede. Darauf Der Kurier des Königs. Erzählung aus dem Jahre 1813 von Friedrich Thieme. Ls (Nachdruck verboten.) „Sie müssen trotz der doppelten Gefahr den direktesten Weg wählen. Eile tut not. Wir müssen bestimmte Erklärungen des Fürsten haben, um unserer Unentschlossenheit ein Ende machen zu können. Der Rückweg wird weniger bedenklich sein, da Sie ohne Beglaubigung reisen, vielleicht auch ohne Antwort. Wir hoffen, daß diese Antwort von der österreichischen Regierung offen gegeben werde und dadurch vielleicht sichre Rückkehr auf direktem Wege gar nicht nötig werden wird. Wir hoffen, daß Sie unter dem Schutze eines verbündeten Heeres Ihren Einzug in Deutschland «auen werden." Dohna verneigte sich bescheiden, sprechend Mre plötzliche Abreise muß ent- FreVnden als o^ ^ Was wollen Sie Ihren der Edlich -rlronlm könnte r ^ec Zwei mutz in diesem Falle das Mittel heiligen. „Einen Onkel nicht, aber eine Tante - „Gut, so sei es eine Tante. Oder haben Sie Bedenken?" „Nein, es wird so am besten gehen. Ich habe eine schlechte Nachricht von ihr erhalten und bin sofort nach Thüringen abgereist. Es handelt sich auch um eine Erbschaftsangelegenheit denn einige Kameraden wissen, daß ich mir herzlich wenig aus der Dame «rache, die von schäbigem Gei» und ohne einen dünken Gemüt ist.* „Um so besser, so fällt Ihnen die kleine An dichtung nicht schwer. Wollen Sie zu Pferde oder zu Wagen reisen?" „Unsere Kaufleute reisen meist zu Wagen." „Oder per Post. Verfahren S^e nach Um ständen. Haben Sie einen bürgerlichen Anzug, wie etwa ein wohlhabender Kaufmann ihn trägt?" „Nicht eigentlich." „Er wird Ihnen vom Herrn Major zur Ver fügung gestellt werden. Vermeiden Sie jedes Auf sehen, reisen Sie schnell, aber ohne verdächtige Eile. Steigen Sie wie jeder Kaufmann in Hotels ab, nehmen Sie sich Fuhrwerke. Ein Wagen ist bereits auf morgen sechs Uhr in einem Gasthofe, dessen Adresse ich Ihnen geben will, für Sie bestellt, der Sie nach Potsdam bringen soll. Dann müssen Sie sehen, wie Sie weiter kommen." „8u Befehl!" „Eins nicht zu vergessen. Sie haben einen herr lichen Schnurrbart — ich kann mir denken, daß er Ihr Stolz ist. Trotzdem muß ich Sie dessen berauben — er muß fallen, er ist zu auffällige" „Es soll geschehen." „Und nun setzen Sic sich, Herr Hauptmann, das Weitere zu vernehmen." Die beiden Männer hatten bisher ernst einander gegenüber gestanden, der Fremde an den Pfeiler gelehnt, Felix in fester militärischer Haltung. Jetzt nahm der Fremde auf einem der Stühle Platz und winkte dem jungen Offizier, sich neben ihm'niederzulasjen. Dann verhandelten beide wohl eine halbe Stunde tn vertraulichem Flüsterton. Nach etwa einer Stunde verließ Hauptmann von Dohna das Haus des Majors, mit Patz und »IW II! MI i. ... ..TN mm ! III MW« Legitimation und einem wohlgefüllten Geldbeute in der Tasche und mit einem ebreu- und bedeutungs vollen Auftrage im Kopf. Henriette und ihre Tante saßen in banger Er wartung. Schon hatte erstere sich entschlossen, nun mehr aufzubrechen, als der Hauptmann hereinstürmte, um fast atemlos zu erk aren, daß er noch in der Nacht abreisen müsse, da seine Tante in Thüringen erkrankt sei und ihn zu sich berufen habe. Die Damen waren einigermaßen enttäuscht, doch unter drückte Henriette jede neugierige Fruge, als der Ge liebte ihr zuwinkte und den Finger zum Zeichen des Schweigens auf den Mund legte. Als er gleich darauf einen Augenblick mit dem schönen Mädchen allein war, teilte er ihr so viel von der Wahrheit mit, als er sagen durste. Auf ihre Verschwiegenheit konnte er sich ja r erlassen. „Henriette, ein wichtiges Amt ist mir übertragen, das mir vielleicht Beförderung, in ledem Falle aber große Ehre bringt. Frage nicht, was es ist, ich darf es dir nicht sagen. Es ist ein Staatsgeheimnis. Ich muß unverzüglich abreisen." „Und wann lehrst du zurück?" „Ich weiß nicht, vielleicht in vierzehn Tagen, vielleicht später." „Droht dir Gefahr?" „Nicht mehr als in der Schlacht — der Tod für das Vaterland." „So zieh mit Gott, Geliebter — und kehre gesund und treu m meine Arme zurück!" „Ich ziehe aus, um dich zu erringen!" rief Felix begeistert. (Fortsetzung folgt.)