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«nfallrS in das Grtrlebe der Dampfmaschine und wurde sofort getötet. Verteeterversammlnns der Sächsischen Lehrerveretns. So««t«a de« 2«. Januar 1912, vor«. 11 Uhr, im Städtische« Ausstellung-Palast zu Dresden. Erklärung des Sächsischen Lehrerveretns zum Regierungsentwurf für ein neues Schulgesetz. Ein Schulgesetz, das einen wirklichen Fortschritt im Ballsschulwesen herbetführen und einen kräftigen Anstoß zu Hebung der Volksbilaung geben soll, muß dem Geiste und de« Bedürfnissen unserer Zeit und den Forderungen einer neuzeitlichen Pädagogik entsprechen. Wir haben in jahrelanger, hingebender Arbeit die Grundzüge zu einer Neugestaltung unseres Vollsschulwesens beraten und in einer Denkschrift eingehend begründet. Der Regierungs- entwurf erfüllt jedoch keine einzige unserer grundlegenden, für «ine wirksame Hebung des Volksschulwesens und damit der Volksbildung entscheidenden Forderungen. Allgemeine Volksschule. Die Lehrerschaft fordert im Interesse einer einheit lichen nationalen Erziehung und der Versöhnung der sozialen und konfessionellen Gegensätze die allgemeine Volksschule und erblickt in ihr den Grundpfeiler im Aufbau deS gesamten Schulwesens. In jedem Orte soll nur eine Gattung von Volksschulen mit einem dem Stande der gegenwärtigen mittleren Volksschule ent sprechenden Mindestmaß von Stunden bestehen. Inner halb der Volksschule ist eine Gliederung nach Konfession und Vermögen der Ettern unzulässig. Der Unterricht ist unentgeltlich. Der Entwurf dagegen läßt die bisherige höchst nachteilige Zersplitterung unseres Volksschulwesens in einfache, mttllere und höhere Volksschulen fortbestehen Der Staat erlaubt nach wie vor den Gemeinden, das kümmerliche Institut der einfachen Volksschule mit seine« völlig ungenügenden Maß von Unterrichtsstunden bei- zubehalten. ' Die Entwicklung deS sächsischen Volksschulwesens fett 1873 hat aber gezeigt, daß auf diese Weise die all gemeine Volksschule nicht zur Durchführung gelangt; nicht Einheitlichkeit, sondern die denkbar größte Zrr- svlitterung unseres BolkSschulwrsens ist seitdem etngetreten. DaS Srlbstbesttmmuugsrecht der Gemeinde muß in den Interessen de- gesamten Volke» und des StaateS seine Grenzen finden. Ao«f-fst-«ELt der Volksschule und ReligiouSuuterrtcht. Der Entwurf hält fest an der konfessionellen Volks schule und drängt in einzelnen seiner Bestimmungen und bä seinem ganzen Charakter zu der Befürchtung, daß mehr als bisher die Konfesstonalisierung sämtlicher Unter- rtchtSgegenstände in der Volksschule betrieben werden soll. Nach wie vor soll daS Unterrichtswesen Sachsens nicht von einem selbständigen Unterrichtsministerium, sondern vom Kultusministerium mitverwaltet werden, also dem Einfluß der Kirche unterworfen, der Pfarrer bleibt als solcher Mitglied der örtlichen Schulverwaltung Nach wie vor soll die Volksschule unter und nicht wie die höheren Lehranstalten als selbständige Erziehungs- macht neben der Kirche stehen; die von dem Entwurf zugestandene Aufhebung der geistlichen Ortsschulaufstcht ändert an diesem Verhältnisse nur wenig Nach wie vor soll die Kirche den Religionsunterricht der L-Hrer, trotz der auch für dieses Lehrfach geordneten staailichen Auf- stcht, überwachen; der Religionsunterricht soll also auch weiterhin nach dogmatisch-theologischen, nicht aber aus schließlich nach pädagogischen Gesichtspunkten erteilt werden. Ein Religionsunterricht im Sinne des Entwurfs widerspricht dem Wesen der Kinderseele und der modernen Weltanschauung. Er hat nicht die beabsichtigte Wirkung, ja er verleidet sogar den Kindern die Religion. Die Lehrerschaft hält an der aus eingehendsten Studien und tausendfältig r Erfahrung hervorgegangenen Urber zeugung fest, daß nur auf dem von ior vorgeschlagenen Wege wahre Religiosität erzeugt werden kann. Indem so der Entwurf die gesamte Organisation der Volksschule und des Volksschulweien* mehr auf daS gründet, was die Glieder unseres Volkes trennt, als auf das, was sie eint, wirkt er dem Interesse des S aateS entgegen. Innere Gestaltung der Balk«sch«Ie und Frei heit der Lehrerpersö»tichkeit. Wie den Religionsunterricht, so sucht die Lehrer schaft den gesamten Unterrichtsbetrieb wirkungsvoller zu estalten. Sie faßt alle ihre Bestrebungen auf diesem Gebiete zusammen in das Wort Arbeitsschule. Diese Arbeitsschule soll ein Abbild se n der Arbeitsgemeinschaft, in der sich das Kind einst als Erwachsener betätigen soll. Sie muß daher so organisiert sein, daß darin alle Kräfte des Kindes zur leichten, freien und freudigen Betätigung gelangen. Sie muß den Grund legen zur höchsten staatsbürgerlichen Erkenntnis, zu der Erkenntnis, daß nur durch die Arbeit mit anderen und für andere das eigene Sein seine Vollendung und innere Be friedigung findet Im Gegensatz zu diesen Bestrebungen enthält der Entwurf Bestimmungen, die die alte Gebundenheit des Lehrers in vollem Umfange aufrecht erhalten. Es ist jedoch ohne weiteres klar, daß nur ein Lehrerstand, der, befreit von allen autokraiilchen und bureaukcattschen Hemmungen, sich schaffend und neugestaltend auswirken kann, dessen Tätigkeit im Pflichtbewußtsein und Selbst- verantwortlichkeitsgefühl ihre starken Wurzeln hat, die hier gezeichneten Aufgaben zu erfüllen mag. Schluß folgt. Aurze Chronik. Der Kronprinz Pate dei einem 25. Kinde. Bei dem 2S. SprößUng des Bäckermeisters Bringe zu Schwarz in der Provinz Sachsen hat der Kronprinz Patenstelle übernommen und als Patengeschenk bet der Kreissparkaffe einen Geldbetrag von 75 Mk. für den Täufling anlegen lassen. Es ist das erste Mal, daß der Kronprinz eine Patenstelle übernommen hat. Krost, Schneefälle und Berkehrsst-rnnge«. Die Kälte, die seit Donnerstag in Hamburg herrscht, hält an Das Eis der Alster wird voraussichtlich in den nächsten Tagen für den Eissport freigegeben, was seit neunzehn Jahren nicht mehr der Fall war. Zur Weg- räumung der Schneemaffen wurden zu den M) Staats- ardeitern im Laufe des vorgestrigen Tages noch 2100 Hilfs arbeiter angenommen. Die Ausgabe für den Schneefall belief sich vorgestern allein auf 30000 Mark. — In der Eifel hat es seit zwei Tagen ohne Unterbrechung geschneit. Viele Dörfer find vom Verkear abgeschnitten. Durch die Schneemassen wurden die Telegraphen- und Telephon- leitungen schwer beschädigt. Im Mtttelrhetn-Gebtet ist die Temperatur auf 15 Grad Celsius unter Null gesun ken. Der Rhein und seine Nebenflüsse führen Treibeis. — Der Freitag nachmittag in München eingetretende Schneefall it der heftigste in diesem Winter. Seit Sonn abend früh find 4000 Arbeiter und 20 Schneepflüge auf- geboten, um die gewaltigen Schneemaffen zu beseitigen. — AuS allen Landestetlen Oesterreichs laufen Melsungen über starke Schneefälle und Schneestü me ein. Insbe sondere in Böhmen, im Fichtel-, Erz- uno Riesengebirge find außergewöhnlich große Schneemaffen niedcrgegangen. Der Verkehr zwilchen den GebirgSorten ist unterbrochen. Die telegraphische Verbindung der Stadt Prag mit der Provinz ist ebenfalls unterbrach ». Auch der Bahnvrrkehr, besonders auf einzelnen Lokalbahnen mußte infolge Schneeverwehungen eingestellt werden. — Wegen gewaltigen Schneesturmes konnte die eidgenössische Post den Simplontunnel nicht passieren. Sie mußte beim Schutzhaus 4 nach Brig zurückkehren. — In Großbr tannten herrscht seit einigen Tagen eine dortzulande noch nicht dagewesene Kälte, die am Freitag in einigen Landestetlen mit heftigem Schneetreiben verbunden war, das den Bahn betrieb störte, und es notwendig machte, eine Anzahl Schulen zu schließen, sowie den Betrieb gewisser Schiffs- bauwerke an der Ostküste und in einigen Minen einzustellen. Das obere Lhemsetal, das infolge der jüngsten Regengüsse überschwemmt war, ist eine weite spiegelglatte Eisfläche und bietet den Londonern seit langer Zett wieder Ge legenheit für Wintersport. Bersch»lle«er Fischdampfer. Wie aus Bremer haven gemeldet wird, ist nicht mehr daran zu zweifeln, daß der Fischdampfer „Hannover", der seit etwa zeh» Tagen überfällig ist, beim Sturm in der Nordsee mit seiner Besatzung von zehn Mann untergegangen ist. Das ««-gedehnteste Dorf 1« Deutschland ist unstreitig Lenggries in Bayern. Es gibt zwar, wie beispielsweise in der Provinz Schlesien Gemeinden, die lediglich in die Länge gehen und sich über 10 bis 15 Kilo meter erstrecken, aber Lenggries hält den Rekord. Diese Gemeinde beginnt bei Geibach unweit Tölz und zieht sich bis zur Landesgrenze zwischen Vorder- und Hinter- riß in einer Länge von reichlich 25 Kilometern dahin. Während der Reichstagswahl war die Gemeinde in zwei Wahlbezirke eingeteilt, dennoch hatten die Bewohner am Vorderriß bis zu ihrem Wahllokale einen über vier Stunden langen Weg zurückzulegen. Kamiliendrama. Aus Petersburg wird gemeldet: Der achtjährige Sohn des Kandidaten der Physik und Mathematik Warsar erhängt sich aus unbekannter Ursache. Aus Gram darüber vergiftete sich die Mutter. Der Vater wurde wahnsinnig in den Straßen von Riga auf- gefunden. Unwetter. Während der letzten Tage find im Jschimbezirk achtzehn Menschen und sieben Pferde erfroren. Dreißig Personen find durch einen Schneesturm ver schüttet worden. Ihre Ausgrabung ist in Angriff ge nommen woroen. Der berühmte Diamant „Hope". Wie au» New-Aork gemeldet wird, erstand Mistres Edward Macltn den berühmten Diamanten „Hope" für 260000 Dollar (über eine Million Mark). Der Stein hat blaue« Schimmer und zeigt ein wunderbare» Feuer. Marktbericht. Meitze«, am 3. Februar. Butter, 1 Kilo 2FÜ bi» 3— Mk.; Gänse, 1 Pfund 95 Pfg.; Hase». Stück 4,00-5.00 Mk.; Sier, 1 Stück 11 Pfg. Getretdepretse geringe Qualität mittlere Qualität gute Qualität niedrigst, höchst, niedrigst, höchst, niedrigst, höchst. Weizen neuer — — — — 20,30 20.60 Roggen neuer — — — — 18,50 18,70 Gerste — — — — — — Hafer — — 2050 20,80 20,90 21,20 Aoftener peoömktenbSese am 2. Februar 1912 1000 lex Mk. bis Mk. k? Mk.biS M. Weizenum—/—- - —- —,— 85—,— . um -/- - - 201,— - 204,— 85 17,00 - 17,30 Roggen neu-/- - - 185,— - 188,— 8014,70 - 15,00 . , -/— . . —80 — Gerste Brau- - - —,— - —, — 70 —,— - Futter- - - —- — — 70 Hafer neu « -196,— - 203,— 50 9,75 - 10,10 - all - - —,— - —50 — Futtermehl i 100 - 18.75 - - - 50 9,50 - — - ll - - 17,75 - —50 9,-- — Roggeukleie - - 14 75 - 15,75 50 7,50« 8,00 Weizentieie grob - - 1475 - —,- 50 7,50- — Maiskörner grob - - —- —,— 50 —- 9,75 Maisschrot - - —,— - —50 —,— - 10,50 Heu, alt per 50 Kilo von Mk. — vis Mk. — Heu, neu . 50 - - - 5 — - - 5,25 Schüttstroh - 50 - - - 3,— - - 3M Gebundstroh - 50 - - - 2.50 - - 3,— Kartoffeln alt « 50 « - - — , . — - neu - 50 - - ' 3,80 - - 4,— Stürmische Mögen Kriminal-Roman von Karl von Riegerstein. 38j (Nachdruck verboten.) »Ganz genau. Selbstverständlich. Die Szene steht zu lebhaft vor mir, um mich nicht zu entsinnen. Ich beruhigte meine Schwester, ich sagte ihr, sie solle das Haus ihres Gatten verlassen. „Aber das Kind!" rief sie, „ich kann doch das Kind nicht ver lassen. Und ehe das Urteil nicht gesprochen ist, habe ich gar kein Recht, es von ihm zu nehmen." Um des Kindes willen also kehrte sie in das Haus zurück. Und ihre Furcht sollte grauenvoll in Erfüllung geben." Er war so erschüttert, daß er sich die Tranen trocknen mußte, die unwillkürlich in seine Augen traten. »Und in der Nacht, in der die Mordtat geschah, haben Sie, Herr Zeuge, den Angeklagten ganz deut lich gesehen und erkannt?" „Ganz deutlich. Er suchte sich Zwar vor mir zu verstecken, aber ich erkannte ihn sofort." , »Ich danke. Sind sonst noch Fragen an den Herrn Zeugen zu richten?" Der Verteidiger Walters stand auf. Ja, er hatte noch einige Fragen an den Zeugen zu richten. „Wissen Sie sich, Herr Zeuge, noch zu erinnern, an welchem Tage Sie Frau von Walter zum letzten mal sahen?" „Ich sagte es eben jetzt. Am Tage vor der Scheidung. Also am Tage vor der entsetzlichen Tat." »Da war Ihre Schwester bei Ihnen?" «Da war sie bei mir." .Und Sie waren später nicht mehr im Watter ichen Hause?" — .Nein." „Ihr letzter Besuch bei Ihrer Schwester datiert also viel weiter zurück?" „Nicht viel. Ich war am Abend zum letzten Male in der Walterschen Villa, aber auch nur auf ganz kurze Zeit, um mit meiner Schwester alle weiteren Schritte zu besprechen." „Sie wollten zu Ihrer Schwester gehen und eine Art Vermögensverwalter bei ihr werden?" „Jawohl. Aber natürlich nur in ihrem Inter esse." „Selbstverständlich. Aber Frau von Walter war sehr reich. Ihre Vermögensverhältnisie aber zer rüttet. Hat vielleicht doch der Reichtum Ihrer Schwester Ihre Entschlüsse . . ." Da aber unterbrach von Ramingen den Anwalt entrüstet: „Ich glaube, ich kann mir, selbst von Ihrer Seite, solche Insinuationen verbitten." „Ich halte allerdings diese Frage auch nicht für am Platze", meinte der Vorsitzende. „In jedem Falle brauchen Sie keine Antwort darauf zu geben." „Dann möchte ich an den Herrn Zeugen nur noch eine einzige Frage richten. Haben Sie einen besonderen Schlüssel gehabt, um in die Gemächer Ihrer Schwester zu kommen?" -Ja." Die Antwort kam nur zögernd von Ramingens Lippen, und er schien um eine Nüance bleicher zu werden. „Und ist der Schlüssel noch in Ihrem Besitz?" - „Ja." Wieder war das Zögern bemerkbar. Der Anwalt lächelte spöttisch. „Sind Sie dessen gewiß?" — „Ja." -3L Lanke." „Hat sonst noch jemand eine Frage an den Zeugen zu richten?" Niemand meldete sich. „Dann erkläre ich das Zeugenverhör für ge schlossen. Ich unterbreche die Sitzung auf eine halbe Stunde und gebe dann dem Herrn Staatsanwalt das Wort . . 19. Kapitel. Langsam leerte sich der Schwurgerichtssaal. Die Richter gingen zu ihrem Frühstück. Die Zuschauer verteilten sich teils in den Korridor, teils blieben sie sitzen, um ihre Plätze nicht zu verlieren, teils eilten sie hinüber in die einzelnen Bierkneipen und Weinstuben, die das Gerichtsgebäude so zahlreich umgeben. Der Angeklagte wurde abgeführt. Um ihn zu sehen, staute sich die Menge auf dem Korridor, und laute Verwünschungen schollen hinter dem „Mörder" her. Ja, einige Fäuste ballten sich ihm sogar entgegen. Er schritt bleich, aber ruhig und ohne durch eine Miene die Erregung seiner Seele zu verraten, auf die gegenüberliegende Tür zu, die hinter ihm und dem ihn begleitenden Schutzmann verschlossen wurde. Ramingens Blicke hatten indessen seine Braut gesucht. Er mußte mit ihr sprechen, er mußte Aufklärung über ihr seltsam kühles, abweisendes Benehmen haben. „Ich bitte, lasse mich", wehrte sie aber ab. „Ich weiß nicht, was mir ist. Vielleicht wirkt die Um gebung so auf mich. Vielleicht der Gedanke an das furchtbare Schicksal, das den Mörder erwartet." (Fortsetzung folgt.)