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vprlt Iw b11a. v^!>VL^I^^^^L^^^I^^rL^2^^)--vü^^r>L »Nein! Nein! Nein! Und nun lassen Sie mein Herz und meine Sorgen stehen, ausgenommen Sie stehen mir bei, daß ich doch so schnell wie möglich mein Wort ein lösen kann! Meinen Nachfolger gedächte ich in ein Paar Tagen in meine Arbeit einzu weihen, ich will ihm herzlich gern alle meine Handwerksgeheimnisse in gewissen Punkten preisgeben." „So sind nun die Frauen . , ." sagte er. „Na, wo waren denn wieder einmal die Gedanken? Ich glaube bei Ihnen hört die Vernunft in Zukunft noch ganz auf." „Ja," sagte Kamilla Grittberg leise und lachte ganz herzlich. Er war jetzt ganz still. Die vielen Pas santen, der Straßenlärm hielten ihn ab, weiteres zu reden. Und nun waren sie auch schon am Ziel und gingen ein jedes an die gewohnte Tätigkeit, Die seine war zumeist im Erdgeschoß die ihre ausschließlich im Obergeschoß. Fräulein Grittberg hatte hier ein eignes Atelier, hier entwarf sie ihre Muster, faßte Farbenstimmung und führte sie aus, sobald sie ihr zweckdienlich erschienen. Infolge dringender Aufträge und der Notwendigkeit immer vom Neuen das Neueste zur Saison herauszubringen, hätte sie am liebsten Ueberstunden machen mögen. Herr Ditmarschen entpuppte sich immer als Tyrann, je blühendere Aufträge er zu erwarten hatte. „Nur noch ein paar Tage, Fräulein Grittberg . . ." sagte er, und sahstie doppelt wohlwollend dabei an. Und er siegte wirk lich. Die erste Zeichnerin brachte, was er und die Mode forderten, stets pünktlich zum Vorschein. Kamilla Grittberg tönte ein farbenfrohes Teppichmuster, es sollte Leben darin liegen und Eleganz. Es sollte im äußerlichen Ein klang des Unauffälligen, des Bicdcrmeier- tums stehen. Sie schuf stralstenförmige Blumenkelche, Moosroscn und hängte blauen Rittersporn drum. Und gan- insgeheim kam ihr das Lied chen in den Sinn: Ein Kränzlein wollte ich binden, Lius irgend welchen Blümelein MooSresiein tat ich finden Und tiefen, blauen Rittersporn. Nun wind ich alle Tage stränzelein, Im golden Mond der Maien . . . Ter schürt ein Feuer mächtig, Im Herzen wach. Tas sucht andächtig, Des Herzliebsten Dach . . . „Fräulein Grittberg . . . !" Sie erhob sich, die große, Weiße Mal schürzs verdeckte ihre gutgeformte Gestalt. Der Prokurist und ein Herr in dunklem, ele ganten Anzug standen in ihrem Zimmer. „Verzeihen Sie, wenn ich störe," sagte Heinrich König förmlich. „Ihr Herr Nach folger möchte gern einmal sein zukünftiges Terrain besichtigen. Ich darf Sie wohl be- könnt machen: Herr Kunstmaler Gisbert Richard von Lührsen Fräulein Gritt- berg, unsere erste Kraft, die Kraft, die nie versiegt, wo es gilt, der Frau Mode Gerech tigkeit zu verschaffen." Sie neigten beide ihre Köpfe und Nucken, sie sahen sich an. Sein etwas trotzig schönes Gesicht zeichnete eine Mensurnacbe. In diesem Augenblick hob sie sich rot hervor. Sonst war das Gesicht von glatter, lie benswürdiger Männerschön-. Ein eigentümliches Lächeln umspielte den Akund, aber er sprach dabei ganz ruhig, ganz sachlich. „Mein Engagement ist festgelegt, ich trete morgen an und hoffe, wir zwei werden uns die paar Wochen, die wir zusammenarbeiten dürfen, recht gut miteinander vertragen." Seine Worte züngelten ruhig, aber un endlich klangschön in Millys Ohr. Sie sah langsam von seinem Gesicht weg, aber die rote Mensurnarbe blieb ihr aus der Netzhaut haften. Genau so, als wie wenn man lange in die Helle Sonnenscheibe gesehen hat und nachher überall kleine blaue oder grüne Kugeln erblickt genau so sah Kamilla Grittberg überall die kleine rote Narbe schimmern. Sie lag an der Wand, auf dem Tisch, sie hing an Heinrich König, sie guckte sie an aus dem eben entworfenen Teppichmuster. Sie lebte in Kamilla Grittbergs Ge dächtnis . . . Ja, wo hatte sie sie denn schon einmal ge sehen? An wem und wo? Sie strich mit den Fingern an ihrer Schürze herunter und dachte nach. Da sagte Herr von Lührsen etwas spielend gleich gültig: „Gnädiges Fräulein, Sie sind berechtigt auszusprechen, was Sie denken . . . oder soll ich Ihnen zu Hülfe kommen? Ja, Sie waren Zeuge einer Stunde, wo ein schein- totes Gefühl jäh wieder in mir austlackerte. Vielleicht haben Sie so manches in diem Stunde von mir aufgegrifsen. Es geniert mich aber wirklich nicht. Nein, rein gar nicht. Ein echter Künstler, ein echter Idea list muß eben auch ein Draufgänger in der Liebe sein . . ." Sie betrachtete ihn. Sie wußte auch jetzt ganz genau, wo die Mensurnarbe hinge hörte. Sie sah seinen schönen, etwas eigen sinnig geschwungenen Schnurrbart an. „Liebes Fräulein wie so'n paar Parallelsäulen stehen wir uns gegenüber — aber jetzt haben Sie es doch wenigstens her aus, wer ich bin . . .?" Es ist eigentümlich in der Welt, daß der Reiz eines ^Menschen oft plötzlich und ge waltig auf einen andern Menschen einwirkt, ohne sich gegenseitig vorher je gesehen oder gekannt zu haben. Aber sie zwei hatten sich kennen gelernt. Es war zwar nur jenes sich von Weiten- kennen-lernen . . . das oft dem Gedächtnis lebenslang haften bleibt... Es ist etwas da, das das Blut entflammt, das Gehirn beschäftigt sich. Dieser Zustand läßt sich nicht beschreiben, zuweilen steigert er sich in dem Bewußtsein der Erinnerung, mit Achtung, mit Anerkennung an denjenigen denken zu müssen, mit dem man einmal eine Stunde guter Unterhaltung oder wahrer Lebens weisheit durchlebte Sie hatte noch viel über ihre zwei Reise gefährten nachgedacht. Sie war nicht auf Geheimnisse versessen, aber die Erinnerung, was mit diesen zwei Menschen geschah, war fortwährend in ihr geblieben. Und nun stand der Mann dicht neben ihr, wußte, daß sie ungewollt vieles aus seinem Leben gehört hatte. Die Uhr tickte, Herr von Lührsen war verstummt. Und Kamilla Grittberg atmete tief auf und setzte sich auf ihren Arbeitsstuhl und spielte an den Messingbeschlägen des Zeichentisches. Gisbert Richard von Lührsen reizte diese Starrheit . . . Er lächelte, ein sichgehenlassendes Lächeln, er sagte mit einem Gemisch von Hochmut und Liebenswürdigkeit: „Ich war schon als Primaner ein Don Juan, das ist so mit mir gewachsen, Fräulein Grittberg. Und was Sie durch Zufall von mir und meinem Leben erfahren haben, das brauchen Sie jetzt zu keiner Kardinalfrage aufzurollen — Also ein, zwei Sekunden warte ich jetzt noch — so ! Nun geben Sie mir Ihre hübsche Hand — —" Er griff danach: „Adieu ... Lösen Sie Herrn König nachher das Rätsel, woher wir uns kennen. Auf Wiedersehen, Fräulein Grittberg . . . Das Richarde! sagt Ihnen nicht ewig Lebewohl. Aber Ihr Jsegrimm von Chef ist meiner gewärtig . .. ! Adieu . . ." Ihr Mund zuckte, ihre Kehle formte: „Adieu, Herr von Lührsen . . ." Es glitt plötzlich ein wundervoller Schimmer über sein Gesicht, dann sah ec noch einmal auf sie hin, und dachte mit sich selbst genießender Eitelkeit: „So streng die schönen Augen auch sind — - es wird halt doch das Uebliche passieren, übermorgen ist sie in mich verliebt . . . gleichviel, ob ich sie Will oder nicht . . . Die Lampe brannte. Es war abends neun Uhr. Das kleine freundliche Dienstmädchen Kamilla Grittbergs stickte an einem Wand schoner „Fleiß bringt Segen." Kamilla Grittberg saß an ihrem Schreib- pult und hatte dw Arme auf seine Platte gelehnt. „Störe ich etwa, Fräulein Grittberg?" „Nein. Aber wenn Sie müde sind, dann gehen Sie meinetwegen ins Bett." „Ich bin gar nicht müde." Das Mäd chen stickte weiter. „Frida?" „Bitte, Fräulein Grittberg." Kamilla Grittberg stand auf und legte ihre Hand auf die Schulter des Mädchens: „Frida, ich will es Ihnen fchon heure sagen, am l. September löse ich meinen Haushalt auf und da —" „Da heiratet Fräulein Grittberg den Herrn König!" Die Herrin sah dem Mädchen streng in die Augen, aber Frida bemerkte das aar nicht, sie sagte mit einer glücklichen Stimme: „Herr König ist's? Nicht wahr? Nck. wer sollte es denn Wohl sonst anders sein!" „Nein, Frida, da spazieren Ihre Ge danken falsch — — ich löse meinen Haus halt auf — weil — Weil — sehen Sie :n meiner Heimat lebt ein Verwandter von mir, dessen Frau ist leider tot. und nun bleibt meinem Verwandten fast gar keine Zeit für seine Kinder und da soll ich sie ihm erziehen —" „Oh je, Fräulein Grittberg, das ist aber 'ne schwere Sache! — — Ich habe sieben Geschwister — — nein lieber tat ich mich hängen, als wenn ich die erziehen sollte, wenn meine Mutter einmal nicht mehr wäre. Aber gewiß, Fräulein Grittberg. nein io- was tun Sie doch auch mit W verstreben und Furcht! Und Fräulein Grittberg ha ben doch gar keine Geschwister gehabt und nie ein kleines Kind um sich! Ach. was da zu gehört, die Zeit und die Geduld! Und in alles können doch Fräulein Grittberg auch nicht einwilligen, der Vater wird 'n