Volltext Seite (XML)
gab. Auf der kraftvolleren Seite kämpfte die bewußte Härte, die ost geübte Selbstbeherr schung und Selbständigkeit eines Königs gegen die rasche Entwickelung einer über triebenen Liebe zur Weichen Anschmiegung, zum Verlieren in träumerische Phantaste reien des zukünftigen Königs, Kämpfte mit allen Mitteln der Schärfe und Unerbittlichkeit! War es da ein Wunder, wenn seine nahe- zu krankhafte Vorliebe für Musik, Dichtkunst und namentlich für die französische Lite ratur ihn dem Vater und den Ansprüchen des Thrones mehr und mehr entfremdete? Daß er den Wunsch nährte, sich ungesäumt mit einer liebreizenden englischen Prin zessin zu vermählen, um frei und ungehin dert fortan gänzlich dem leben zu dürfen, was er begehrte. Aber auch dies wurde ihm zerbrochen! — So wuchs sich die Spannung zwischen Vater und Sohn zum Bruch aus. Nach der miß lungenen Flucht, welche im Sommer 1730 auf einer gemeinsam mit den Eltern unter nommenen Reise nach Süddeutschland und dem Rhein, unter Mitwirkung der beiden einzigen Freunde, der Leutnants von Katte und von Keith, auSgeführt werden sollte — nach jener genugsam bekannten Tragödie in Küstrin — fiel der Kronprinz in völlige Ungnade, die erst auf die wärmste Für sprache des gesamten Königlichen Hofes wich. Nach einem Jahr erhielt er von dem mehr und mehr versöhnlicher gestimmten Vater als Chef das Infanterieregiment in Ruppin und vermählte sich 1733 mit der Prinzessin Elisabeth Christine von Braun- schweig-Bewern. Er hat sie nicht geliebt, und dennoch sieben selige, schöne Jahre in den nächst folgenden verlebt. Als er 1734 aus dem Polnischen Thronfolgekrieg heimkehrte und sein höher Vater das Wort: „Er wird ge wißlich" ausgesprochen, da baute er sich ein Leben zurecht, wie er es sich lange umsonst erträumt hatte. Er umgab sich mit gleich gesinnten Freunden, spann einen regen Briefwechsel mit Voltaire, vertiefte sich in das Studium der Philosophie und der fran zösischen Klassiker und nahm schließlich auch, aus eigenster Veranlassung, die ersten Anteile an der Politik. Als am 31. Mai 1740 der Kronprinz als Friedrich der Zweite den Thron bestieg, da ging es wie eine heilige Offenbarung durch das Land. Der verträumte Schöngeist, der alle Wissenschaften an sein Herz genommen, der seine Flöte fanatisch gesiebt, war kein geschworener Idealist mehr! — Ueber Nacht War er zum tatkräftigen, Willensstärken Re alisten gewachsen, und als dieser bewährte er sich, solange er auf dem Thron blieb. Seine erste Königstat war es, die Aka demie der Wissenschaften neu herzustellen, danach durch Knobelsdorf in Berlin ein Opernhaus erbauen zu lassen. Er richtete auch 17 neue Bataillone, ein Husarenregiment und das stolze Regiment Garde-du-Corps ein. Als dann 1740 in Kaiser Karl VI. der letzte Habsburger starb, erhob sich der Streit um das österreichische Erbe. Und die Aus'" ht bot sich dem Preußenkönig, die große, trefflich gelegene Provinz Schle sien dadurch zu a-Winnen. Auf gütlichem Wege ließ sich dies nicht erreichen und so entstand im, Dezember desselben Jahres der erste Schlesische Krieg. Der Junifriede des folgenden Jahres zu Breslau gab reichen i Lohn für die ausgestandenen Kriegsent behrungen und die Opfer. Schlesien bis zur Oppa und die gesegnete Grafschaft Glatz fielen dem König zu. Aber die Königlichen Augen schweiften weiter. Sie wurden nicht müde, seinem Volk den großen, ehrenvollen Weg zu ebnen, auf dem es dereinst die Höhe aller Kultur erreichen sollte. Als 1744 das Fürstenhaus in Ostfriesland ausstarb, da nahm er auf Grund der Anwartschaft, die sein hochseli ger Großvater von Leopold dem Ersten er langt hatte, Besitz von jenem Lande. Im Juni 1744 erstand das neue, allum fassende Bündnis mit Frankreich, dem die mit Bayern, der Pfalz und Hessen-Cassel geschlossene Frankfurter Union auf dem Fuße folgte. Im August drang dann der König als Bundesgenosse des Kaisers in Böhmen ein. Anfänglich schien ihm wieder um die Siegesfahne des Unüberwindlichen, wie ihn die damaligen Dichter hießen, zu winken — aber bald wandte sich sein Glück. Er Wurde nach Schlesien zurückgeschlagen und konnte sich erst wieder durch den denk würdigen Sieg bei Hohenfriedbcrg aus der gefährdeten Lage befreien. Im gesicherten Besitz von Schlesien kam nun eins große Friedfertigkeit über den König. Er wollte, daß sein Land und sein Volk jetzt alle Segnungen eines gedeihlichen und erziehenden Friedens genössen, deren sie bisher unter seiner Regierung entbehren mußten. Er behielt in erster Linie die für den Kriegsfall nötige, aber für den Frieden den meisten unnötig drückende Kriegsmacht und brachte die ungeheuren Kosten für dieselben nicht etwa durch erhöhte Steuerbelastung, sondern durch eine rationelle Hebung des Landes, d. i. der Landwirtschaft und In dustrie im Kleinen und Großen . . . nach vielen harten Mühen auf. Es wäre ein Blühen und Grünen in der Deutschen Au gewesen, wenn nicht der siebenjährige Krieg dazwischen gefahren und Vieles unter Schweiß und Mühen Errichtete zerbrochen und vernichtet hätte. Maria Theresias Ehrgeiz, das schöne Schlesierland allen Bündnissen zum Trotz wiederum an sich zu bringen, wuchs zur Begierde. Der große Krieg war da und es mußten viel Blut und tuet Tränensold stießen, ehe nach Kolin und Apraxin bei Großjägerndorff ein Roßbach und ein Leu chen als Helle bleibende Sterne in der Ge schichte erglänzen dursten. — Vorweih nachtszeit war es damals in dem schweren — in dem harten Kriegsjahr 1757! Der 5. Dezember sah den König bei seinen Sol daten, sah chn mit gefalteten Händen vor der Schlacht stehen — ein Diener und De mütiger. Und sein Beten und sein Mut brachte den Sieg. Der Tag von Leuchen wird ewig ein unvergessener sein und bleiben. Mit einem Schlage waren die w- littenen Scharten ausgewetzt. Ganz Schlesien außer Schweidnitz wurde zurückerobert. Dach völliger Friede war immer noch nicht ver gönnt. Der König wollte das Gewonnene festigen und nicht ein Kleinod besitzen, das in ewiger Gefahr schwebte. Darum brach er von Oberschlesien her in Mähren ein und umschloß die Feste Olmütz. Allein das Un ternehmen des Königs in Mähren miß glückte. Bis 1760 wandte sich dann das Kriegs- glück von der siegreichen Fahne ab. Erst als 1762 die erbitterte Feindin des großen Königs, die Kaiserin Elisabeth von Ruß land starb, von der Voltaire einst gesagt: „Sie können sich nur lieben oder hassen — diese beiden Majestäten — also ist der Haß in ihre Herzen gekommen", wurden die Preußen wieder siegreich. Am 30. Dezember 1762 wurden die Friedensverhandlungen von Hubertusburg angebahnt und zu Ende gebracht. Nun war wieder Friede im Land. Die Wunden bluteten zwar noch ein volles Jahrzehnt weiter, aber sie schlossen sich doch langsam und schmerzten von Jahr zu Jahr weniger. Die Aufhebung der Leibeigenschaft wenigstens auf den König lichen Domänen führte auch den entmann ten Städten frisches, tatkräftiges Bauern blut zu, wie denn auch jetzt der große König sein Hauptaugenmerk auf das Wachsen und die gute Zucht in den Städten richtete, weil er eingesehen hatte, daß die Entwicklung zur Gesundheit aus dem Lande nunmehr ohne jede Beihilfe von statten ging. — Die eiserne Tatkraft des Königs war durch die Entbehrungen und Enttäuschungen der Kriegsjahre noch gestärkt. Die oberste Verwaltung aller Dinge blieb er! Er prüfte die Handlungen und Anordnungen des Handelsdepartements, des Kricgsdepar- tements, die Verwaltung der gesamten Zölle und Steuern — kurz, die Minister blieben nur die ausführenden Organe eine- starken, durch nichts zu beugenden Willens. Auch auf dem Gebiete des Justizwesens schuf der große König Bedeutsames! Carmcr und Suarez, nach denen je eine schöne Straße in Charlottenburg benannt ist, arbeiteten nach seinen Anregungen da? ! allgemeine Preußische Landrecht aus, dar den damaligen Preußischen Provinzen end lich ein einheitliches Recht schuf und noch heutigen Tages in Anwendung ist. Der König ließ sich über die Fertigstel lung der einzelnen Absätze alle Woche ein mal von den Betreffenden Vorträge halten, warf des öfteren scherzend ein, daß er nie mals gedacht habe, langsame Dinge können so gedeihliche werden . . . Die Herren ver standen ' den stillen Vorwurf des großen Schnellarbeiters gar Wohl, aber sie hüteten sich trotzdem, ein Werk, das Jahrhunderte überdauern sollte, zu übereilen. So hat er geholfen und gesorgt, wo er nur konnte, denn, nachdem er aks unerbitt licher Realist, seine kllnstleriscben Interessen unterdrückend und begrabend, als harter Realist seinem Lande Wohlfahrt und Nutzen geschaffen, da zeigte er sich in diesen stillen Zeiten des Friedens als echter, warmher ziger Philanthrop . . . So tat der große, entschlossene, taten reiche Sieger von Leuthen und der große König, wenn er nicht nötig hatte, König und Sieger zu sein! — — Am 17. August 1786 schloß er die großen, leuchtenden Siegeraugen für ewig. Zwar trauerte kein Kind an seiner Bahre — aber das ganze Volk weinte und klagte, weil es den toten Herrscher lieb hatte. Und diese Liebe ist geblieben, mögen auch andere Geschlechter heranwachsen — denn das Gedächtnis des großen, mutigen Königs Friedrich des Zweiten wird ewig sein und bleiben, wie es seine Taten sind.