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MM » UWkH Beilage zu Nr. 2. Sonnabend 6. Januar 1912. Denksprüche für GernüL «uv Verstand. Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht- Betrachtung für -ar Fest der Er scheinung Christi. Jesala 60, 1: Mache dich aus, werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn gehet ans über dir. Das Epiphanias fest oder das Fest der Erscheinung Jesu Chnsti ist das Heidenmissionsfest der christlichen Kirche. Es ist zugleich das älteste Fest, das die christliche Kirche feiert Schon um deswillen ist es recht, daß man an dessen Feier am 6 Januar festhält, und es nicht ver schiebt und verlegt auf einen anderen Tag Das Epiphanias- fest will mit s inem Herrenrufe an unser Ohr und Herz kommen: „Predigt das Evangelium aller Kreatur". So hat unser Heiland befohlen. Und lieser Befehl, dieses Gebot tst der Schild, mit dem wir uns decken gegen alle Anklagen und Einreden und alles Gespött der Welt; das ist auch die starke Waffe, mit welcher wir die Einwände unserer eignen klugen Vernunft, unserer Träghe t und Verzagt heit, unseres Unglaubens und Kleinglaubens siegreich darniederschlagen. Und dieser Befehl ist für alle Christen gesprochen, er gilt auch dir, lieber Leser. Wohl nicht alle können hinausziehen zu den Heiden; ein Missionar muß besondere Gaben b esitzen und ein von Liebe brennendes Herz und ein Hohes Maß der Selbstverleugnung. Aber zweierlei kann jeder tun: für die Mission beten und für die Mission opfern. Betest du, mein Christ, für das größte und wundersamste W rk christlicher Lrebestätigkeit? trägst du die Missioasarbeiter und die Missionsarbeit auf deinem fürbittenden Herzen? Und opferst du gern und reich für die Mission? Du tast ja damit etwas Köstliches, du machst arme reich, und dir Heiden sind die aller- ärmsten. Oder sind es die nicht die den Ub ndigen Gott nicht kennen? Die von Jesu nichts wissen, denen fein HUl und sein Friede verschlossen ist? Sind nicht die arm und elend, denen die Wahrheit nicht offenbart ist, die im dunkeln wandeln, in der Nacht des Aber- glaubens, in der Finsternis des Götzendienstes, der Ge- wissensangst, der Todesfurcht? Sind die nicht arm und unglücklich, die in den Banden der Sünde und dec Schande liegen und kennen kcine Erlösung aus der Knechtschaft ihres Fleisches? Ohne Gott, ohne Heiland, ohne Vergebung, ohne Trost, ohne Hoffnung — so leben sie, so leiden sie, so sterben sie, so fahren sie dahin in den bitteren Tod. Da wollen wir doch hören des Pro pheten Rus: „Mache dich auf, werde Licht". Da wollen Wir vernehmen des Mannes, der Paulus erschien, Gebot: .Komm hernieder und hilf unS!" Wir kommen ja helfen und wir müssen helfen. Und wir wollen gern helfen Aber liegts allcin an unS. Ach, wenn das der Fall Wäre, da möchten wir bald verzweifeln. Was liegt an unseren Opfern, die so oft nur armselige Gaden sind und an unseren Grbetea, die meist so lässig sind. Nun Gott lob, der Herr der Kirche will ja seinen Segen auf alles legen, was wir in seinem Namen tun. Za ihm, dem Heiland der Sünder, richten wir unsere Beichte. Er wird den Tag herbciführen, da die Herrlichkeit Gottes aufgehen wird über allen Heiden Und diese» Gottessegen haben wir auch im vorigen Jahre erfahren können. Ja, es ist Misstsnszeit, es ist die Zeit, da sichs erfüllt: „Hebe deine Augen auf und siehe umher, diese alle versammelt kom men zu dir. Dein Herz wird sich wundern und aus- breiten, wenn sich die Menge am Meere zu dir bekehrt und die Macht der Heiden zu dir kommt". So segne der H:rr auch dieses Epiphantasfest. Er schenkte uns willige Herzen, offene Hände, treue Beter. Er mache uns alle zu seinen Mitgehilfen am großen Werke der Mission, daß es auch durch unS mit Licht werde in der Welt Ja, das helfe Gott Aus Sachsen. Wilsdruff, den 5. Januar. In der Feuerbestattungsanstalt der Stadt Dresden sind im Monat Dezember vorigen Jahres 53 Einäscherungen erfolgt und zwar, 36 männlichen und 17 weiblichen Ge schlechts. Von den Verstorbenen waren 52 evangelischen und 1 mosaischen Glaubens In 47 Fällen fand religiöse Trauerfeier in der Anstalt statt Vom Tage der In betrtebnahme (22 Mai 1911) sind dies 238 Einäscherungen. — Die Anmeldungen zu den Feuerbestattungen haben beim städtischen Bestattungsamte, Am See 2, (Stadthaus) Fernruf 4385, zu erfolgen. — Mit Ostern 1912 (47. Schul jahr) beginnen an der Klemischsch-n Handkls- und höheren Fortbildungsschule in Dresden-A, Moritz-Str. 3, neue Kurse in allen Abteilungen mit Tages- oder Abendklassen für Kaufleute, Gewerbetreibende, Beamte usw. zur Aus bildung für selbständigen Beruf, als Gehilfe im Konior- und Kanzleidienst, sowie zur Vorbereitung für Prüfungen zum Eintritt in den Staats- und Gemeindedienst; für Frauen und erwachsene Mädchen zur Vorbereitung für den Kontor- und Kanzleidienst (Jahres- und Zweijahres- karsc), für St nographie und Shrcidmaschtne, auch für allgemeine Ausbildung in Literatur, Sprachen usw; für Lehrlinge und Fortbildungsschulpflichtige in mehr jährigen wie einjährigen Kursen, deren Besuch von dem der allgemeinen Fortbildungsschule befreit, und zwar in der Tagesvollschule bei erlangter Reife nach einem Jahr. — Meldungen zur Aufnahme (täglich 11—1 Uhr) müssen bis Erde Januar erfolgen. FortbildungSschulpflichtige und minderjährige Schulbesucher haben die Schulzeugnisse vorzulegen. — Eine Schar Stare ließ sich gestern mittag auf einem Felde an der verlängerten Nöthnitzer Straße in Dresoen-Plauen nahe der Schrebergärten nieder. Auf demselben Areale suchten Krähen emsig nach Nahrung. Die Stare als Boten des Frühlings, die Krähen als Künder deS Winters nebeneinander wie die Jahreszeiten. Die größeren der schwarzen Vögel dürften aber den rechten Instinkt bekundet haben und die lieben Gelbschnabel sich haben vom Wetter täuschen lassen. Die Vereinsbank in Dtppsldlswalve ist in Zah lungsschwierigkeiten geraten. Der Vorstand des Vereins, Direktor Willkomm, Ist geflüchtet In einem hinter- lifsenen Schreiben teilte er mit, daß er sich das Leben nehmen werde. Es herrscht ein grwalttger Andrang der kleinen Spareinleger. — Zu den Veruntreuungen wird noch gemeldet, daß der flüchtige Kassierer Willkomm rund auch aus seinem Schlafe geweckte Kind: Mama", und begann, da niemand sich darum kümmerte, leise zu weinen. Frau Welpner aber hatte keine Fähigkeit, auf das Kind zu hören. „Sage mir alles, Karl", stieß sie hervor, „sage mir, daß de unschuldig bist, daß kein Blut an deinen Fingern klebt." „Blut?" und er starrte dabei seine Hände an. „Ich verstehe dich nicht. Von wessen Blut sprichst du?" „So weißt du nicht, was geschehen ist? Weißt du es wirklich nicht? Frau Walter ist tot, und man nennt dich und ihren Mann als die Mörder!" 6. Kapitel. Hans Heide entfaltete einen fieberhaften Eifer in der Sache. Sie machte ihm Spaß. Noch nie waren Polizei und öffentliche Meinung, die diesmal in der Beurteilung der Tat merkwürdigerweise eines Sinnes waren, so sehr auf dem Holzwegs, wie gerade hier. Noch nie aber hatte sich ihm der Zufall aber auch so günstig erwiesen und alle Fäden in seine Hand gegeben. Es blieb zwar zur Aufklärung noch sehr viel zu tun. Aber die Möglichkeit der selben hatte vorläufig nur er. Bei sich selber konnte Heide aus begreiflichen Gründen Herrn von Walter keine Unterkunft geben. Bei dem Kommen und Gehen von Parteien war ein Zusammentreffen mit Fremden, selbst bei der größten Vorsicht, schwer zu umgehen. Er rief daher Wendler. „Ist Ihr Zimmer noch frei, oder ist es vermietet?" 5000 Mark der Kaffe entnahm und dafür eine Quittung in dieselbe legte. Der Status der Bank ist aber so un durchsichtig, daß sich eine Liquidation wohl kaum wird vermeiden lassen. — Ueber daS Vermögen der Vereins- bank wurde vorgestern, nachdem die angestrebte Hilfs aktion des Chemnitzer Bankvereins nicht zustande ge kommen ist, das Konkursverfahren eröffnet. Eine neue Steuer ist jetzt in den Lötznitzort- schafte» bei Dresden eingeführt worden. Es handelt sich dabei um eine Reklamesteuer, der Reklamrzeichen aller Art unterliegen und für jeden angefangenen Quadrat meter drei Mark pro Jahr beträgt Erschossen hat sich in seiner Wohnung der bisherige Mitbesitzer der Bautzemer Eisengießerei Strohbach L Co., Emil Bernhard Strohbach. Als Grund zum Selbst morde wird Besorgnis für die Zukunft angenommen. Strohbach war ledig und stand im 58 Lebensjahre. In der letzten Direktorialsttzung des Kreisvereins für Innere Mission in Großenhain wurde die Gründung eines Jugendheims in Riesa in Aussicht gefaßt, wozu eia Neubau erforderlich ist — Die seit längerer Zeit zwischen der Studt Riesa und der Gemeinde Gröba ge pflogenen Verhandlungen wegen Einverleibung der Ge meinde Gröba nach Riesa sind cntgültig gescheitert. Der Gemeinderat Gröba lehnte definitiv die Einverleibung GröbaS nach Riesa ab. Gröba zählt jetzt über 5000 Einwohner (Riesa 14000) und ist ein industriell lebhaft entwickelter Ort, dem schon durch seine Ueberlandzrntrale (die größte Deutsch'ands) eine aussichtsreiche Zukunft blüh d Die städtische Gasanstalt in Rotzweitt ist in eine SteinkohlengaSfabril umgebaut worden. Der Bau ist so weit fertig gestellt, daß die Abgabe von Steinkohlengas erfolgen kann. Dw Preis ist auf 20 Pfg. pro Kubik meter Leuchtgas und 14 Pfg. pro Kubikmeter Koch- oder Kraftgar festgesetzt. Bei einem Jahresverbrauche von über 500 Kubikmeter wird auf obige Preise Rabatt gewährt. Ein Hausbesitzer in Flöha wurde wegen schwerer Verbrechen an einem zehnjährigen Mädchen verhaftet. Infolge fortgesetzter Hänseleien geriet ein Insasse eer B-zirksanstalt Augustusburg so in Wut, daß er auf einen anderen Insassen mit einem Beile einschlug und ihn so zurichtete, daß an seinem Aufkommen ge zweifelt wird Nach der Tat ging der Pflegling zum Inspektor der Anstalt und gestand ihm sein Verbrechen ein. Vorgestern mittag ereignete sich im Hause Goldbach- straße 20 in Chemnitz ein Familtendrama. Der 27jäh- rige stellenlose Kaufmann Gerhardt geriet mit seiner Frau in Streit, ergriff ein Beil und spaltete ihr den Schädel. Darauf erhängte er sich selbst am Gashahn. Zwei kleine Kinder mußten, unter dem Küchentisch sitzend, dem Vor gänge zusehen. Ueber die Gründe zum Selbstmord deS Gemeinde vorstandes Fischer in Borna bei Chemnitz wird jetzt be kannt: Fischer, der früher in Overccinitz bei Zwickau tätig war, teilte in Briefen mit, daß ihm von dorther auS Rache Verdächtigungen unterstellt worden seien, die ihm, obwohl grundlos, daS Leben weiterhin unerträglich gemacht hätten. Wie verlautet, soll ein Bataillon der 134er am 1. April d. I von Plauen i V. nach Reichenbach verlegt werden. Man will die „Schöne Aussicht" an- „Es wird heute noch frei", sagte Wendler. „Das trifft sich sehr günstig. Ich habe einen Mieter für Sie. Der Herr, der vorher bei mir war." „Den Paul verfolgen sollte, nicht wahr?" „Nein, der andere, der noch hier ist." „Der!" rief Wendler ganz entsetzt. „Nein, Herr Heide, das kann Ihr Ernst nicht sein." „Es ist mein vollständiger Ernst. Der Herr wird das Zimmer bei Ihnen auf vorläufig unbestimmte Zeit nehmen. Sie können dafür verlangen, was Sie wollen. Der Betrag spielt weiter keine Rolle. Sie werden dafür sorgen, daß es dem Herrn an nichts fehlt. Aber werden auch verhüten, daß er das Haus verläßt." „Ich werde ihn auf Tritt und Schritt be wachen lassen, Herr Heide. Schon um meiner Frau und meiner Kinder willen. Denn daß der Mensch ein Verbrecher ist, das, Herr Heide, sieht man ihm auf hundert Schritte schon an." „Sie sind ein Narr, Wendler. Der Mann ist so wenig Verbrecher, wie Sie oder ich. Ein Unglück licher ist es, und wenn ich nicht will, daß er gesehen wird, so geschieht dies um seinetwillen. Um ihn vor noch größerem Unglück zu bewahren. Verstanden?" „Ich werde mir Mühe geben, Herr Heide, es zu glauben, obgleich . . ." „Lassen wir das", schnitt aber der Detektiv die weiteren Auslassungen seines Untergebenen ab. „Brmgen Sie den Herrn so unauffällig wie möglich in Ihre Wohnung. Weisen Sie ihm das Zimmer an und kommen Sie dann zurück, um mir zu melden, ob alles pünktlich geschehen ist. — Haben Sie Paul Auftrag gegeben, mich telephonisch zu verständigen?" (Fortsetzung folgt.) Stürmische Mögen Kriminal-Roman von Karl von Riegerstein. t 1) (Nachdruck verboten.) Ein leises Pochen an die Haustür störte sie aus ihren liebevollen Gedanken auf. Durch den unteren Spalt des Tores wurde etwas in den Hausflur geschoben. Das große „Lokalblatt". Leise, einen Blick nach den Schläfern werfend, stand sie auf und holte sich das Blatt. Leise faltete sie es auseinander. Telegramme vom Kriege. Politik. Streitigkeiten im Reichstag. Was inter essierte sie das. Plötzlich aber hatte sie etwas ge funden. Das war was für sie. „Ein Mord im Tiergartenviertel." Da gab es Spannung, Aufregung, Mitleid. So etwas erlebte man dann förmlich mit. Man fieberte mit dem Opfer. Weinte mit den Hinterbliebenen und fluchte dem Mörder. Und sie verschlang die ersten Zeilen. Frau Walter. Rück kehr vom Ball. Erdrosselt aufgefunden. Gestohlene Juwelen. Das Kind ... Und hier stockte ihr Atem, und es begann in ihrem Kopfe zu schwirren. Walter! Walter! war das nicht der Name der Herrschaft, bei der ihr Karl — bei der der Mann, der dort im friedlichsten Schlafe lag — im Dienste gestanden? Ja, gewiß! Und das Kind! das Kind! Da lag es. Mit einem Morde erkauft. Ihrer Sinne nicht mächtig, stürzte sie zu dem Lager des Schlafenden hin. „Karl, Karl", schrie sie auf, daß er jählings erwachte. „Sage mir alles, alles, was de getan hast. Sage mir, ob du een Mörder bist!" Er sah sie verstört mit wirren, schlaftrunkenen Augen an. Drüben im Nebenzimmer wimmerte das