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well >m »110. 2^2^I>VL^L^L^L<2v»vv^>L^I^r>V^L<rL^L^L^!XdL-2»» k^mäer äer Heimat. Roman von L. Erhard-Clausnitzer. Gorlsetzung.) (e) Psarrmilly nickte frohe, freund- ,-^^M liche Grüße. Die Gegengrüße zeigten Hochachtung nor dein Pwrrherrn, die Danie an seiner Seile keines. Ein Graubart drehte sich noch einmal um, er trieb eine Herde Schafe zur Weide, Milly lief auf ihn zu: „Vater Chrischan — haben Sie Lust, mir heut 'ne Weidenpfeif' zu schnitzen ?" Da hielt der Hirt des Herrn Oberamt- i mann seine Herde inne. „Woher kennt' 'n d' Mamsell mein'n Pfeifenberuf?" Glückselig klang es: „Ich bin doch die Psarrmilly —!" „Ja, wirklich?! — — Die Psarrmilly?" Vater Chrischan fühlte wohl so etwas nie ein Entzücken — er wischte sich mit den Fingern die Augenwinkel aus und stam nelte: „So schön — und so aa gesunde Gestalt — und nu wollen's gewiß ein' Kaffee beim Herrn Pastor trinken ?" „Jawohl, Vater Chrischan — — das heißt, wenn die Frau Pastor mich herein laßt." Der Alte bot einen seltsamen Anblick, er stotterte ganz erschrocken etwas, aber die Psarrmilly fiel ihm ins Wort und lachte laut: „Ja — ja Vater Chrischan — ich werd's ihr schon sagen — wer mir die schöne Pfeif' für die Wanderschaft schnitzte — — wer mir die Hand gedrückt — — bleib froh und gesund inein Mädel — — du verdirbst nicht draußen — — wenn du Gott vor Angen und im Herzen hälft —." Wie der Erde warmes, lichtes Gesicht glänzten Millys Augen. Und der Alte verzerrte die seinen und sprach von der Allmacht, der alle Berge und Hügel weichen müssen und warf einen lan gen, langen Blick über den Pfarrherru. Er schritt jetzt schneller aus. Wie Abend sonnenlicht blickte das rote Dach des Tirsch- nitzer Pfarrhauses aus grünem Laube hervor. — Das Heimathans —! Mit einer jähen Bewegung faßte Milly Pfarrer Rudrcchts Hand: „O, ich schäme räch — — was wird Ihre Frau sagen?" „Nichts —," lautete die kurze Antwort. In warmem Duft in Somumglanz lag Ws Pfarrhaus da — Milly schaute in das grüne Astgcwirr — — wo der Tauber mit dem Eichelhäher spielte — — schallte zu Großvaters Fensterplatz — —. Alle Blutkörperchen rechen sich in ihr — in Wonne und Wehmut Milly Grittberg lieble ihr Heimat hans — hatte es nie vergessen in den Wogen des Lebens. Nun flüsterte es: „Willkom- ! men!" Nun schritt sie zaghaft, schluchzend durch seine Türe. — Pastor Günther Rudrecht hatte ihr den Hut und den Schirm abgesordert. Milly hatte beides von sich getan und bat für ihre Korn blumen um Wasser. Nu , siel das Son nenlicht hell auf sie, hell auf den Mann in dein langen schwarzen Rock. Und Milly dachte mit schmerzlicher Wehmut: wie faltig, wie hager, wie duldsam ihn die Jahre ge macht haben. Mit einem hörbaren „So" brachte er das Wasser und eine,: bequemen Stuhl. Si. setzte sich und er blieb stehen- Und er faßte ihre beiden Hände: „Ich habe so oft an Sie gedacht, Fräulein Grittberg — — un gern -- und gern und manchmal waren Selbstvorwürfe dabei —" „Dann hatten wir ja Geistesverwandt schaft," sagte sie und sah sich im Zimmer um und sah wieder herauf zu ihm. „Wollen wir uns nicht ein wenig aussprechen, nach dem wir uns das bestätigt haben — wie ich aus Ihrem ganzen Wesen empfinde, geht es Ihnen sehr gut?" sagte er und sie ant wortete: „Nehmen wir an „gut" — — ich zeichne Möbel. Teppiche, Tapeten, man be zahlt mich gut, man sucht mich gern, weil ich bringe, was verlangt wird " „Ja, ja — — wenn man bringt, was verlangt wird — —! Ja. Das ist von großem Wert, Fräulein Grittberg; wenn man aber nun entschieden fühlt, daß man nicht bringt, was verlangt wird — ? Was dann? Haben Sie das schon einmal emp funden — —?" „O ja, dann bleibt einem eben nichts anderes übrig, als etwas anderes zu ver suchen, wenn man angewiesen ist, sür seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen." „Das mögen Frguen können, Fräulein Grittberg, wir nicht, Männer, um vollständig im Ernste zu reden, brauchen über ein Vier tel Menschenalter, ehe sie zu Recht einen Beruf erlangen, sie können ihn daher nicht ablegen, wie ein Kleid, wenn man's satt bekommt, bei uns muh es klappen, unser Angebot lautet: Nach was willst du dich! denn Umsehen? Nach Armut — Kämpfen! — Schulden? Ich spreche ohne Scherz, Fräulein Grittberg. Mit was sollte sich's denn z. B. versuchen, wenn ich aufhören wollte, Pfarrer zu sein?" „Haben Sie das nöt'g, Herr Pastor Rud- ; recht?" , „Ja! Sie gutes Kind Sie sehen mich! an. Warum? Ich müßte da zu weit aus holen, das wäre Ihnen eine langweilige Geschichte, darum sagen Sie mir lieber, nach was könnte ich auch umsehen? Es ist Wahr- heil, Fräulein Grittberg, ich denke ernstlich ' daran, meinen Beruf niederzulegen." „Haben Sie ihn satt bekommen? -Oder keine Zuneigung der Bevölkerung mehr?" „Nein, und Ja." Er machte eine ganz verzweifelte Gebärde: „Wissen Sie Fräu lein Grittberg, Sie waren zwar damals noch Kind, dazu ein recht wildes, trotziges, aber manchmal konnten Sie nicht umhin, sehr vernünftig zu sein, ich glaube. Sie ha ben den Einblick in unsere Verhältnisse be halten, meine Frau war freigebig, groß- ! wütig, sic konnte das, sic sparte ja an so! welem, sie hatte zu allem Selbsttun Gabe, ich wunderte mich, wo sie immer das Geld ! hernahm, ohne Schulden zu machen, welche Summen gab sic den armen Leuten, aber! sie waren wirklich zum Geben da. Ich ar beitete sorglos meine Predigten aus, ge noß meine Familie, mein Amt, meine ! Würde, hatte eine gute Figur, klare, edle Gedanken Worte und Taten, Ich genügte mir, genügte den Menschen, den Dingen, die mir widerständig entgegentraten. Und jetzt?! Es ist wirklich Wahrheit, ich taugest nicht mehr zu dem, was man von mir ver langt! Ich erblicke das selber, wie in mir aller Eifer, alle Gewissenhaftigkeit im Amt und in der Familie nachlassen." Er faßte sich und sagte: „Es sind heute zwei Jahre, daß meine Frau starb. Die ersten Wochen Habe ich's mit Würde ge tragen mich selber unterrichtet: Was Gott tut, das ist wohlgetan. Ja, ja, andern Tros! bringen ist wenig Kunst, aber sich sel ber trösten, ist schwer, wenn man allüberall entdeckt, wo es fehlt, Natalie bildete eben ein zu starkes Band zwischen mir und der Gemeinde, zwischen mir und den Kindern. Meine Cousine führt mir die Wirtschaft. Jedoch, sie kennt sich drin aus, kocht, wäscht, näht, geht auch manchmal zu einem kranken Gesindekind, aber meine Frau,^ die Für sorgerin meiner Familie, die Helferin in memer Gemeinde, nein, die hat Minna mir noch keine Minute ersetzt. Noch einmal gesagt, die Hirtin des Hau ses fehlt! Die Notwendigkeit, mich um Dinge zu kümmern, deren Berechtigung mir früher nie bewußt ward, macht mich un frei. unduldsam, hemmt mir Geist und Kör per. Ja, ja, Fräulein Grittberg, ich bin sehr arm geworden, sehr müde und mürbe und habe noch lange kein Alter und kein Vermögen, das einen Ruhestand rechtfer tigte. Aber ich sehe das Gespenst — kann mir's an meinen Knöpfen abzählen, wenn's mich ganz Packen wird. Und was ich aus meinen eignen Kindern gemacht habe, ist mir selber Rätsel — niemand steht mir nahe, füh.t, was ich unerbittlich fühle Wie soll ten Fritz und Dudi auch das können, sie fürchten dem Vater seine Augen, seine Sor gen nicht! Und nun kommt der Haupt- satz: Ich mahle die Mühle meiner Ge danken und bringe sie nicht zum Wort; tönend wie eine gute Geige will ich's brin gen, will zurückkehren zu meiner alten Art, aber es wird kein rechter Text, kein geschick- res. erfreuliches Kanzelwort und ich will's doch so gern aus mir heransgeben, so mit echtem Seelenklingen, Ivie ich's wirklich innerlich empfinde, aber do kommen aller hand Ausgänge, nur nicht die Entfaltung, die ich herausholen muß, wenn ich ebenso sagen will wie Sic: Mir gelingt, was verlangt wird. Fräulein Grittberg. Sie machten mir im Zorn einmal das Bekenntnis: Wenn ich alt und zahnlos wäre, da hörten die Leute meiner Predigt auch ungern zu." Er lächel te, er zeigte ungewollt seine gesunden Zähne. „Ich ersehe es, es kommt, nein, es ist schon da. ?ehre Prophezeihung geht schon jetzt in Erfüllung." Milly senkte peinlich berührt die Lider, ihre Züge veränderten sich, aber sie würgte die Rührung tapfer hinuter, sie murmelte: „Mein herzlichstes Beile'd. Ich habe das nicht gewußt, ich sah Ihre Kinder auf dem Friedhof, aber ich ahnte nicht, daß sic cs waren." „Ach so, ja die törichte kleine Motte hatte den herrlichen Kranz, den die Fran Baro nin meiner Frau zum Jahrestag widmete, zerstört, deswegen wollte ich eigentlich auf den Friedhof, das sind nun so Augenblicke, die verhallen, aber die garstigen, die klin gen und schwingen unablässig. Sie dürfen mich nicht mißverstehen, außergewöhnlich schlecht sind die Kinder nicht, nur führerlos." „Führerlos? Wieso?" „Na ja. in meinem Aerger überlaß ich sie meiner Cousine und die kann sie so wenig leiden wie ich sie beaufsichtige." Er sah sehr rot aus. Das Schwingen und K'ingen der Seele stand ihm im Gesicht. „Ich möchte Fritz und Dudi gern noch einmal sehen. Herr Pastor" Er sagte kein Wort dazu. Und sie wiederholte die Frage. Und endlich sagte er: „Die törichte, kleine Motte hatte die Strafe verdient und der Junge, na —" Milly fühlte das Dunkel, die Leere eines Raumes, sah das blonde Mädchen in ihm eingesperrt und hörte die zornige, heisere Stimme des Knaben reden.