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«MM ff, MM Beilage M Nr. 3. Dienstag 9. Januar 1912. Devksprüche für Gemüt u«d Berft««d. Nicht der schöne Aermel, sondern der starke Arm schlägt den Feind. Anr Sachsen. Wilsdruff, den 8. Januar. Die Unterschlagungen deS flüchtigen Bankdirektors Willkomm von der Vereinsbank in Dipp»ldi-W«lve Und weit erheblicher, als man ursprünglich annatzm; sie sollen fast eine Million Mark erreichen. Beim Roden fanden die Söhne deS WirtschaftSbefitzerS ZuliuS Reichel in Weller-Walde bei Oschatz 42 größere und 293 kleinere Silbermünzen, und zwar 24 verschiedene Gepräge. Dir Münzen stammen auS de» Jahren 1569 As 1634, sind also wahrscheinlich im Jahre 1637 der. graben worden, als die Schweden die dortige Gegend «»d besonders die Besitzungen des Herrn v. Opel so ver- wüsteten, daß 1649 nur zehn Familien in Wellerswalde wohnten, dagegen sieben Güter, zwölf Gärtnerwohnungen And ein Haus wüste lagen. Der Gaunerstreich, der kurz vor den Weihnacht- seiertagen von Berliner Schwindlern den beiden Vieh- tretbern Pelz, am Schlachthof in Leipzig in Szene ge setzt wurde, und wobei dem einen der Betrüger gegen 8tXX) Mark in die Hände fielen, wird noch eine Anzahl schwieriger Prozesse ergeben. Von den geschädigten Vieh- Händlern wird nämlich die Bahnvervaltung für den ent- standenen Schaden haftbar gemacht, weil diese den in Frage kommenden Wagen Vieh auf ein einfaches Tele gramm (der Schwindler) hin von der ursprünglichen Route (Schweinfurt) weggenommen und nach Leipzig ge- -leitet hat. Die Geschädigten sind der Ansicht, daß nur auf diese Weise der Betrug gelingen konnte. Der Vieh- IranSport war von den Schwindlern nach Leipzig geleitet und dort verkauft worden, worauf sie sich ans dem Staube aemacht batten. Wie die „Chemnitzer Allg. Zig." meldet, wurde am Freitag mittag gegen 12 Uhr ein Raubanfall von einem 18jährigen Arbeiter in der Bedürfnisanstalt auf der sehr Hark belebten Theaterstraße in Ehemnitz verübt. Dem Zkafsenboten einer dortigen Firma entriß der Räuber zwei Grldsäcke und ergriff damit die Flucht. Er wurde aber Äuf die Hilferufe de« Beraubten von Paffanten festge- «ommen und der Polizei übergeben. Vergiftet hat sich am Dienstag abend der Handschuh macher S. in Oberwiesenthal. Der Grund zur Tat sind Nahrungssorgen. Seine Frau ist vor einem halben Fahre gestorben. Er hinterläßt acht Kinder, von denen sechs noch schulpflichtig sind. Kleber einen krassen Fall von so zialdemokratischen Terrorirmur Lerichten die „Dresdner Nachrichten". Er ist geeignet, ba« größte Aufsehen zu erregen, weil er ein eigenartiges Schlaglicht auf die Gewaltherrschaft der gewerkschaftlichen Organisationen wirft. Der Fall wurde am vorvorigen Sonnabend in einer Verhandlung des Dresdner städtischen Gewerbrgerichts aufgedeckt, die unter Vorsitz deS Herr« StadtamtmannS Dr. Großer stattfand. Die Firma Kunstanstalt Stengel L Co, G. m. b. H., in Dresden klagte gegen den minderjährigen Lithographen Rudolf Stroisch, zurzeit in München, vertreten durch seinen Vater, den Hutmacher Stroisch, wegen Kontraktbruch«, da er die Arbeit ohne Kündigung verlassen habe. Nach der Arbeitsordnung der Klägerin ist ein durchschnittlicher Wochenlohn als Strafe wegen Kontraktbruch« vorgesehen!; die Klägerin fordert daher die Zahlung der Summe von 23 Mark. Der Beklagte wendet ein, den Kontrakt wohl gebrochen zu haben, er sei aber dafür nicht verantwortlich zu machen, da er unter einem unwiderstehlichem Drange, also nicht freiwillig, gehandelt habe. Der Beklagte hat ursprünglich dem Senefelderbund als Mitglied angehört, der wie die anderen Verbände in Lohnbewegungen etn- getreten ist. ES ist deshalb zu häuslichen Differenzen gekommen, und der Sohn hat sich schließlich auf Ver- anlassung deS Vaters bei der Firma wieder al« ardeitk- willig angemeldet und ist au« dem Senefelderbund auS- geschieden. Kurz darauf sind nun ein oder zwei Mit glieder de« SenefelderbundeS in die Wohnung de« Vater« gekommen und haben eindringlichst auf ihn eingesprochen, seinen Sohn zum Wiedereintritt in den Bund und zur Niederlegung der Arbeit zu bewegen. Der Vater hat dieS jedoch abgelehnt, da er nicht wolle, daß sein Sohn beschäftigungslos sei Daraufhin habe der Betreffende sich dahin ausgesprochen, daß nun andere Saiten auf gezogen werden müßten. TagS darauf hat der Vater de« Beklagten von der Hutmacher-Organtsation eine Ein ladung nach dem „Seidnitzer Hof" zu einer Besprechung erhalten. Außer dem Geschäftsführer der Organisation, Hutmacher Herrmann, sind noch fünf Fabrikdelegierte anwesend gewesen. Sie legten dem Vater nachdrücklich anö Herz, seinen Sohn zur Wiederbeteiligung an dem Streik zu veranlassen. Der Vater lehnte dies jedoch ab. Daraufhin hätten die Hutmacher erklärt, er würde au« seiner Organisation auSgestoßen «erden, die Firma Kronheim, bei der Stroisch sen. beschäftigt ist, würde aufgefordert werden, ihn zu entlassen, er würde niemals eine Stellung mehr erhalten und ihm sein Leben bis ans Ende schwer gemacht werden. Der als Zeuge ver nommene Lithograph Adalbert Kliemt, Vorsitzender der Lithographrn'Ftltale in Dresden, sagte aus, daß er, nachdem er gehört habe, Stroisch jun. arbeite wieder, im Auftrage seiner Organisation ihn mittags sofort am Ge schäft abgepaßt und ihn zu bestimmen versucht habe, die Arbeit ntederzulegen. Dabei habe er ihn aber lediglich darauf aufmerksam gemacht, daß eS unkollegial sei, seinen Kameraden in de» Rücken zu fallen. Irgendwelche Drohung habe er nicht ausgesprochen. Da Stroisch jun. von seinem Vater gezwungen worden se«, die Arbeit wieder aufzunehmen, habe er sich am Abend darauf in die Wohnung deS Vaters begeben und in demselben Sinne auf diesen eingewirkt, doch vergeblich. Er habe ihm darauf erklärt, daß er und sein Sohn die Konsequenzen zu tragen hätten. Unter „Konsequenz n" habe er nur die verminderte Achtung gemeint, die der Beklagte und sein Vater bei ihren Kollegen künftig ge- nießen würden. Er bestreite entschieden, daß er von dieser Angelegenheit der Hutmacher-Organisation oder einem Mitgltede derselben Mitteilung gegeben oder habe geben lassen. Kliemt gab zu, daß Stroitsch sen, üls seinem Sohne eine Stellung in München in Aussicht gestellt worden sei, verlangt habe, dieser müsse die bei der Klägerin in Geltung befindliche Kündigungsfrist von 14 Tage einhalten. Er habe ihm darauf erwidert, daß ihnen allerdings daran liege, den jungen Mann sofort aus der Arbeit bei der Klägerin herauSzuhaben. Darauf habe der Vater erklärt, da« geschehe dann gegen seinen Wille«. Der darauf al« Zeuge vernommene Geschäftsführer deS Hutmacher-VerbandeS Herrmann sagte aus, daß ihm Mitte November Mitglieder der Lithographen-Organisation, die er nicht namhaft machen könne, mitgeteilt hätten, der Vater de« Beklagten habe diesen gezwungen, au« seiner Organisation anszutrete« und die Arbeit bei der Klägerin wieder aufzunehmen. Wie sie weiter angabrn, hätten fie erfahren, daß der alte Stroisch auch organisiert sei, und sie hätten htnzugefügt, ob er die Sache nicht einmal untersuchen könnte. Herrmann habe daranf bei der Be sprechung im .Seidnitzer Hof" den Vater darauf aufmerk sam gemacht, daß e« unschön von ihm sei, al» Angehöriger einer Organisation da« Mitglied einer anderen zum Aus tritt zu veranlassen. Nur für den Fall, daß er auch künftig auf seinen Sohn einen Zwang auSüben werde, seien ihm die voraussichtlichen Folgen vorgehalten worden. In diesem Zusammenhänge habe er auch wohl gesagt: „Du bist auch organisiert und wirst au« der Organisation au-gestoßem" Er »der ei« anderer der anwesende« Hut macher hätte wohl auch auf die Möglichkeit hingewiesen, daß seine Kollegen dann nicht mit ihm weiter arbeiten würden. Es sei auch möglich, daß die Aeußerung ge fallen sei, ein junger Mensch, dem so etwas passiere, nehme einfach, Hacke und Schaufel und fange etwa« Neue« an, aber das würde Stroich sen. in seinem Alter (58 Jahren l) schwer fallen. ES sei richtig, daß der größte Teil der Dresdner Hutmacher organisiert sei (nach Aus sage des Gerichtsvorsttzenden 98 bi« 99 Prozent), er könne aber nicht zugeben, daß ein Nichtorganisierter keine Arbeit finde. Wer die Hutmacher-Organisation veranlaßt habe, auf Stroisch se». rinzuwirke», war nicht festzustellen. Der Geschäftsführer Herrmann konnte nicht angeben, ob Kliemt oder Hofman» bei ihm gewesen sei Stroisch jun. hat am nächsten Tage seine Arbeit nicht wieder ausge nommen, sondern der Firma schriftlich mitgeteilt, daß bet einer Rückkehr an seine Arbeitsstätte sein Vater gemaß regelt würde. Die Zeugen mußten ihre Aussagen beeiden. DaS Gericht sah einen Kontraktbruch al« vorliegend an, wenn auch viele Momente für die Annahme sprächen, daß Stroisch jun. gewillt gewesen fei, dem Rate seine« Vater» zu folgen. Der Beklagte wurde zur Zahlung vo» 23 Mk. Schadenersatz und zur Tragung der Kosten verurteilt. Die Klägerin erklärte, daß ihr an der Vollstreckung de« Urteils nicht« liege, sondern sie nur den vorliegenden Fall prinzipiell zur Entscheidung gebracht habe« wollte. Anrze Chronik. Bter Gchwirwa--« verschüttet ««d getötet. In Camburg an der Saale hat sich am Donnerstag abend ein schweres Unglück ereignet, bei dem vier Schul knaben getötet wurden. Die 12 bis 14 Jahre alten Knaben Richter, Körner, Machhold und Mauf hatten i» der Nähe der Zigarrenfabrik am Saaleufer eine tiefe Höhle gegraben. Die weiche Erddecke rrwie« sich als z» Stürmische Mögen Kriminal-Roman von Karl von Riegerstein. 43) (Nachdruck verboten.) „Was?" sagte er sehnsüchtig. »Daß ich deinen Wunsch erfüllen und nicht länger zögern will, auch wirklich deine Frau -u werden." „Wirklich?" rief er auS. „O Kathe, Käthe, jetzt gehe ich mit doppelter Kraft und doppelter Lust an die Sache. Aber da hilft kein Sträuben. Gerade darauf nehme ich mir jetzt doch ein a conto." Und sie mochte sich lachend sträuben und wehren wie sie wollte, er nahm es sich wirklich. 7. Kapitel. Herrn ReiSnerS Bericht war sehr interessant. Wenigstens erfüllte er Hans Heide mit lebhafter Be- medtgung die in einem Ertrahonorar in Gestalt eines Goldstückes zum Ausdruck kam. Denn „leben und leben lassens, das war Heides Devise, durch Lie er sich dw Anhänglichkeit und das blinde Ver- trauen semer Angestellten ,u erwerben wußte. Ramingen galt als ein nicht sehr sympathischer Umgang. Man duldete ihn im Klub, ohne ihn recht leiden zu können. Man konnte ihm -war nicht das geringste nachsagen. Gar nichts. E, «rar auch kein angenehmer Gesellschafter. Sehr hochfahrend, Whne jeden Grund. Ein Rous, ohne die liebens würdigen Seiten eine» solchen. Ein Verschwender, ohne die Eleganz desselben. Kur», e» ging Lurch alles, wa» er tat, etwas Brutale«. Bei den Frauen hatte er «ehr Glück att bei den Männern. Die Erben ein wenig Brutalität. Und er rühmte sich dieser Glückes so, daß er manch eine Frau bewußt kompromittierte. Daß er Walters Schwager war, wußte man. DaS hatte ihm ja auch die exklusi veren Kreise der Reichshauptstadt geöffnet. Daß er mit Walter verkracht war, wußte man auch. Jeden falls wegen Geldangelegenheiten. Und daß er die Scheidung seiner Schwester von Herrn von Walter betrieben hatte, war ebenso bekannt. Er hatte sich dessen gerühmt. Einige wollten darin eine besondere Absicht sehen. Er wollte die Scheidung deS Ehepaares provozieren, um dann seine Schwester ganz in Händen zu haben als ihr natürlicher Beschützer. AlS eventueller Verwalter des Geldes, denn das brauchte er. Sein eigenes Vermögen hatte er, das wußte man, durchgebracht. Er hatte, namentlich in letzter Zeit, viel und unglücklich gejeut. Er brauchte Geld, das war zweifellos. Und gerade in diesen Tagen war die Klemme bei ihm so groß, daß er eine größere Summe auf Wort schuldig blieb. Die professionellen Geldoerleiher wollten auch nicht so recht mehr heran, kurz, er hatte seinen Kredit schon gründlich verloren. „Ganz recht", sagte Heide, dem diese Charakter schilderung prächtig in seine Kombination paßte. „Fahren Sie fort." „Da kam der Urteilsspruch im Walterschen Scheidungsprozeß, der so günstig ausfiel, daß Ramingen wieder hoffte aufatmen zu können. Nichts stand der Rangierung seiner Verhältnisse mehr im Wege. Da traf ihn heute die Nachricht von dem Mord mit niederschmetternder Gewalt. Der Tod seiner Schwester hatte durch alle seine Berechnungen einen Strich gemacht." „Donnerwetter ja, da haben Sie recht. Das paßt wieder nicht. Ich war fest überzeugt . . . aber nein" ... und er strich sich über die Stirn, als wolle er sich einen dummen Gedanken da weg wischen. „Es stimmt ja vollkommen. Er hat ja an dem Tode seiner Schwester kein Interesse. Aber fahren Sie fort." „Es ist nichts weiter zu sagen. Mehr erfuhr ich dort nicht. Nun über gestern. Er ging kurz nach drei Uhr dort fort. . ." „Also doch!" und Heide sprang auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, als wolle er seine Gedanken sichten. „Erzählen Sie nur weiter, lieber Reisner, ich höre alles." „Der Weg vom Klub nach dem Walterschen Hause nimmt im gemächlichen Schritt sieben und eine halbe Minute in Anspruch . . -" „Das macht rund viertel auf vier. Oder sagen wir drei Uhr zwölf." „Vom Walterschen Hause bis nach der Wohnung des Herrn von Ramingen sind es höchstens zwölf bis fünfzehn Minuten . . „Das wäre halb vier, nicht wahr?" „Ja, und um halb vier war Herr von Ramingen auch zu Hause." „Mensch, sind Sie verrückt!" rief Heide und blieb vor Reisner mit hoch erhobenen Armen stehen. „Ich kann mich nur auf das berufen, was mir der Portier selber gesagt hat. Herr von Ramingen, der sonst daS Tor selber auszuschließen pflegt, hatte gerade gestern seinen Haustorschlüssel vergessen." (Fortsetzung folgt.)