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Die Teuerung! Teuerung! Welch schlimmes Wort, das Not und Elend vergangener Hungerjahre vor dem besorgten Geiste wach ruft I And ganz gewiß, wir leben in einer teueren Zeit. Sengend brannte die Sonne wochenlang vom Himmel und kein ausgiebiger Regenguß brachte den verdorrenden Feld- srüchten Las zu ihrem Wachstum unerläßliche Naß. Mit dürren Fingern klopfte die Not an die Türen unferer fleißigen Landwirte und die Mißernte an Winterfutter für das Vieh und an Kartoffeln macht sich in steigenden Preisen geltend. Ansere Molkereien sind nicht imstande, die Menge Milch auszubringen, Lie sie sonst benötigen. Solche Zeiten sind ernst, aber schmachvoll ist es, Wenn das Volk von gewißen politischen Parteien über die Arfachen und über die Wirkung der Mißernte noch getäuscht wird. Die ungeheure Aufbauschung und Aber treibung kann nur die Folge haben, daß durch unbesonnenes Verhalten der Verbraucher die Preise noch mehr in die Höhe getrieben werden. Die Partei, die auf folche Weife das Volk schädigt, die über die Arsachen der Knappheit an Lebensmitteln die Anwahrheit verbreitet, die ihr mageres Parteisüpplein an der allgemeinen Lage zu kochen und durch Verhetzung und Verbreitung von Anwahrheiten Geschäfte zu machen sucht, ist die Sozialdemokratie. es tatsächlich Brotwucher r NN Deutschen Reich? Am 7. Ok tober 1911 notierte der Chemnitzer Marktbericht pro 10 Doppelzentner: Weizen 202—206 Mk. Roggen 188—190 Mk. 1870—1880 kostete in Chemnitz im Durchschnitt: Weizen 223 Mk. Roggen 173 Mk., wobei zu berücksichtigen ist, daß bei letzteren Preisen der Durchschnitt ausgleichend wirkt. Vor 100 Jahren, im Dezember 1806, kostete nach heutigem Geldwerte Weizen 370—397 Mk. Roggen 337—375 Mk. Wenn man bedenkt, daß seit 1871 alle Löhne und Ein kommen gewaltig gestiegen sind, Roggen und Weizen und Kartoffeln aber den gleichen Preis noch kosten: wer hat da den Mut und spricht von Brostoucher? Wer das tut, verrät seine gänz liche Allwissenheit oder eine kaum glaubliche Vosheit. Ganz besonders raffiniert sucht die Sozialdemokratie das System der Einfuhrscheine als Drotwucher hinzustellen. Mit der Verachtung der Wahrheit, welche die Amstürzler allezeit ausgezeichnet hat, schleudert man den unsinnigen Satz ins Volk: „Während das deutsche Volk hungert, führen die Agrarier ihr Getreide nach dem Auslande aus, um es dem deutfchen Markte zu entziehen, die Preise zu treiben und dabei gleichzeitig noch Riesensummen aus der Reichskaffe zu erhalten." Jedes Wort eine Anwahrheit! Das deutsche VE leidet zwar unter hohen Preisen, aber es hungert nicht! Wie steht es mit seiner Ernährung? Im August dieses Jahres waren auf den Schlachthöfen des Königreichs Sachsen 6009 Schweine und 4461 Kälber, im September 5066 Schweine Mehr aufgetrieben als in den gleichen Monaten 1910. Die Getreideernte des Jahres 1911 ist eine ausreichende, Las zeigt sich schon aus dem schnellen Fall der Getreiöepreise, nachdem sie Anfang September, zu einer Zeit, wo der Land wirt wenig verkaufen kann, vorübergehend gestiegen waren. Wer sührt Getreide aus aus Deutschland? Der Agra rier gewih nicht, sondern der Handel. Dem Handel zu liebe ist das System der Einfuhrscheine geschaffen worden. Anser deutsches Vaterland zerfällt in zwei große Gebiete, die die Elbe trennt. Links der Elbe, im Westen, Industriegebiete, die Getreide kaufen müffen: rechts von der Elbe, im Osten, landwirtschaftliche Gebiete mit Getreide überfluh. Da ist nun nichts einfacher, glaubt man, als daß man bloß den Äberfluß des Ostens nach dem Westen zu transportieren brauchte! Das klingt sehr schön, gehl aber nicht. Die Fracht würde das Getreide auherordentlich verteuern, wozu noch kommt, dah der ost- preuhische Roggen den Wünschen der west- und süddeutschen Verbraucher nicht ganz entspricht. Deshalb gestattet das Gesetz, für deutsches Getreide, das nach dem Auslande geht, die gleiche Menge Getreide zollfrei nach Deutsch land einzuführen. Wer Getreide ausführt, bekommt von der Zollbehörde einen Gutschein, und dieser Gutschein wird von der Zollverwaltung wieder in Zahlung genommen bei Einfuhr der wichtigsten Bedarfsartikel: Getreide, Hülfen- früchte, Kaffee und Petroleum. Getreide aus Südamerika oder aus Indien kostet bis nach Sachfen bloh die Hälfte Fracht, wie von Ostpreußen nach Sachfen. Gäbe es also keine Einfuhrscheine, so würde auch keine vorteilhafte Einfuhr von Getreide nach Sachsen aus überseeischen Ländern erfolgen können, der sächsische Verbraucher würde für sein Getreide einen höheren Preis als jetzt zahlen müßen, nämlich um so viel höher, als die Cisenbahnfracht von Ost- preuhen hierher teuerer ist. So ermöglichen die Einfuhrscheine eine gleichmäßige Versorgung des deutschen Volkes mit Brotfrucht, sie begünstigen vor allen Dingen eine Versorgung des Westens und des Südens mit verhältnismäßig billigem Korn. Leiden wir etwa im Deutschen Reiche an Ge treidemangel? Es entfallen auf jeden Kopf der deutschen Bevölkerung an verfügbarem Getreide (Erntemenge abzüg lich Saatquantum und Ausfuhr, zuzüglich der Einfuhr): Roggen: 1895/96 144,2 Kilo 1905/06 148,9 Kilo 1900/01 147,4 „ 1909/10 154,9 „ Weizen und Spelz: 1895/96 90 Kilo 1905/06 99,6 Kilo 1900/01 90,9 „ 1909/10 97,1 „ Den Bedarf für die menschliche Ernährung berechnet man pro Jahr und Kopf auf 170 bis 180 Kilo, sodaß im Jahre 1910 72 Kilo Brotgetreide pro Kopf mehr verfügbar waren, als gebraucht wurde. Der Rest war zur Verfütterung frei! Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Hafer. Der Inlands- Vorrat betrug: 1905/06 6877373 Tonnen, 1908/09 aber 7010784 ,, Diese Zahlen strafen die Sozial demokratie Lügen. Das deutsche Volk hat heute mehr Getreide zu seiner Verfügung als in früheren Jahren. ist es auch, wenn die Sozialdemokratie behauptet, das System der Ginfuhrfcheiue schädige dis Meichskaße. Das Reich nahm 1908 an Ge treidezöllen ein: 185996886 Mark und vergütete für Ein-