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Mc»!!d BeÄttA- u Nr i36. Dienstag 2!. November 19V. Denksprüche für Gemüt und Verstand. Sagt nur nichts HUb — ergänzen, welche P-in! Sagt nur nichts grob, das Wahre spricht sich rein! Vuktag. Ach meine Sünden, meine Sünden, Sie gehen hoch mir übers Haupt, Die Gottes Heilgen Zorn mir künden, Daß alle Hoffnung mir geraubt. Weh dem, der bricht deS Herrn Gebot, Der Sold der Sünde ist der Tod! Ich hab' den nächsten nicht geliebet, Nicht seine Not gesehen an, Ich hab' manch' Angesicht betrübet Und manchem Herzen wehgrtan. Verdarb und starb nicht manche Seel' Au meiner Schuld, an meinem Fehls Gott selber hab' ich widerstanden, Der retten will die ganze Welk, Die schmachtend in de» Todes Banden Noch nicht b»m Himmelslicht erhellt, Die laut noch nach Erlösung schreit, Bis sie gelangt zur Hcrlichkeit. Die Engel wissen es und weinen, Die Himmel zürnen über mich, Verdüstert alle Sterne scheinen, Und Sonn' und Mond verhüllen sich, Und Sturm und Donner tragen fort Die schlimme Tat, da» böse Wort. Die Büsche und die Bäume klagen, Die Blumen steh'n im Trauerkleid, Sie schaun betrübt mich an und fragen, Weißt du, woher der Erde Leids Die Vöglein aber fliehn vor mir Und singt«: „Wehe uns und dir!" Ich rief: Ach Herr, vergib die Sünde, Nimm weg den Fluch der Missetat! Mach wieder mich zu deinem Kinde, Vollende an mir deinen Nat! Da hat er mich mit Heil gekrönt Und mit der ganzen Welt versöhnt. Nun lacht der Himmel droben wieder, Es leuchten herrlich Feld und Flur Und singen Helle Freudenlteder, E» jubeU alle Kreatur. O selig, wer durch Jesus Christ, Von Sünd und Schuld erlöset ist! L. L. X. M-, Pp e. Betrachtung zum Vuhtag. u"d Bettagl Darum handelt e» sich Lei der kirchlichen Einrichtung, die im Volke schlechtweg Bußtag genannt wird und in dieser abgekürzten Form Urkraft Ker Arve. Roman von Karl Engelhardt. -271 (Nachdruck verboten.) Und allmählich trat in ihre Augen ein Ausdruck, dessen man diese sonst so energisch blinkenden grauen Augen gar nicht für fähig gehalten hätte. Wie ein Schleier zog es darüber. Weich und verschwimmend schauten sie ins Weite, während ihr Kopf auf ihre ausgestützte Hand sank. Ein ivcher Zug legte sich ihr um Nase und Mund. Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust. Und die Worte kamen ihr in den Sinn, die sie vor wenigen Wochen auf der Hochzeit Majas mnd Erichs gesprochen. „Unser eigner Wille schafft uns die Sonne!" Ja, auch jetzt noch glaubte sie au das, was sie damals gesagt. Unser eigner Wille schafft uns den Teil von Glück- der uns zugewiesen ist. Aber wie verschieden sind tue Gluckesteile, die den einzelnen Menschen zukommen! Nicht alles und ledes Glück, nickt jeder höchste Grad ist allen gemeinsam. Nicht jeder darf die Hand ausstrecken nach dem Inbegriff aller Seligkeit, nach Vollendung seiner Sehn sucht! Wie oft ist es nur durch übermenschliche Kraft des Willens, der sich selbst bezwingt und sich bescheidet, möglich, rin kleines Stückchen Sonnenschein für sich zu erhaschen! Durch Erstickung aller hochfliegenden Wünsche, indem man sein Leben der Seite zukehrt, wo für andere die Sonne scheint. Genügenlassen in dem Glücke der andern, einen Abglanz nur der Sonne der übrigen — ja, das allein konnte oft vor Verzweiflung retten. Man hielt sie für närrisch, überspannt, für ein Mann weib. Und wie weit war sie von allem entfernt. Sollte sie der Welt ihr wahres Gesicht zeigen, das der Schmerz ent stellte? Sie in ihr Inneres sehen lassen, indem es zuckte wie in einer offenen Wunde? schon viel Mißverständnisse gezeitigt hat. Wenn wir bloß vom „Bußtag" sprechen, so kann leicht die Auffassung ent stehen, als solle an diesem Tage jeder für sich mal „ganz besonders" „Buße tun". Und im Zusammenhang damit, daß man im Volke noch immer nicht ganz den mittel alterlichen Begriff der Buße — so etwas Veräußerlichtes, etwas wie in „Sack und Asche umhergehen" — über wunden hat, bekommt im Volksempfinden der Bußtag dann leicht den Abstrich von etwas Muckerischem, Heuch lerischem, Pfäsfi'chem — also ungefähr das gerade Ge genteil von dem was echte Buße, in der ja gerade der Keim seelischer Befreiung liegt, bewirken soll Es wird immer etwas Mißliches haben, wenn wir beim Bußtag gewissermaßen an Buße der Massen auf Kommando denken; doppelt deswegen, weil das evangelische Volk seinen Luther, gottlob, gut genug kennt, um nicht, wenig stens dem Sin« «ach, die erste seiner weltberühmten 95 Thesen ganz genau zu kennen: „Da unser Herr und Meister Jesu» Christas spricht: „Tut Buße!" will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden e ne stete Buße seil" — Gar anders aber sieht sich die kirchliche Einrichtung an, wenn wir den Begriff Landes-Buß- und Bettag fest im Auge behalten. Was heißt denn zu nächst Buße? Nicht» anderes als gesammelte Einkehr in sich selbst, um zu kontrollieren, wie es denn um die Hin- kehr zu Gott bestellt ist, diese oberste sittliche Forderung, ohne deren Erfüllung zugleich kein Mensch da» Schönste auf Erden, Frieden der Seele und Weisheit, benutzen kann; und dcswegen der Entschluß, immer wieder umzu kehren, immer wieder seinen Sinn zu ändern, der s« leicht durch den Lärm und die Hast des Tazes abselenkt wird, so daß Gott schier in Vergessenheit gerät; immer wieder den Sinn hinzulenken auf Ihn, den persönlichen väter lichen Urquell aller Liebe und einer grenzenlosen, vorbe haltlosen Freude am Vergeben! Wer freilich keine Sehn sucht hat nach Seelenfrieden und Weisheit, der kann mit „Buße" schlechterdings nichts anfangen. Jeder andere Hingtgen kann sie — da hat Luther so durchaus recht — tagtäglich nicht entbehren. Und am LaxdeSbußtag soll nun einmal der Sinn der Gesamtheit auch bewußt ge- richtet sein auf die große, ach! so brennende Frage: Wie steht es um des Landes Bestes, um die gesunde, friedens, reiche Seele des ganzen Volkes, um die Weisheit Aller, vor den Augen des Vaters im Himmel? Naturgemäß wird dieser Betrachtung immer erst eine Einkehr in das individuelle Innere vorausgehen. Aber bei ihr allein kann im letzten Hintergrund noch »ft ein recht heilloser Egoismus lauern, die Sucht, lediglich für sich selber inner lich frei zu werden. Demgegenüber kann der Landes- Buß- und Bettag in der Tat ein Quell lautersten Segens werden, wenn jeder einmal ernstlich an das Wohl deS Ganzen, hineingerückt in da» Licht der Ewigkeit-- werte, denkt und in diesem Sinn Einkehr, Umkehr und Hinkehr zu Gott hält. Hat unser Volk es nötig im Jahre1911? Wer sein Volk lieb hat, dem, meinen wir, muß der Landes-Buß- und Bettag diesmal ein Born besonders ersehnter, unsagbarer Erleichterung sein! Aus Sachsen. Wilsdruff, den 20. November. Die Stadtverordneten in Dresden beschlossen in Uebereinstimmung mit dem Rat der Stadt Drekden, dem Armenamt 100000 Mark zur Unterstützung bedürftiger Familien zu überweisen, ferner weitere 50000 Mark dem Verein zur Speisung bedürftiger Schulkinder zu bewilligen sowie an die städtischen Beamten Teuerungszulagen zu gewähren. Dabei kam es zu erregte« Auseinander setzungen zvischen dem Berichterstatter Grützner und dem sozialdemokratischen Stadtverordneten Kühn. Oberbürger meister Beutler versicherte, er sei ganz objektiv an den Vorschlag, die Stadt solle den Verkauf von Fischen und Kartoffeln selbst in die Wege leiten, herangetreten; er habe sich aber bald überzeugt, daß ein nennenswerter V»r- tril für den Käufer nicht z« erzielen würde. S1-V. Renz ermahnte die Stadtverordneten, nicht immer nur mageres Fleisch zu verlangen, sondern auch Fleisch mit Fett zu essen (Heiterkeit), dann würde das Fleisch auch billiger werden. Aber H ute wolle eben kein Mensch mehr fettes Fleisch essen — Aufsehen erregte in Dresden die Ver haftung des Realgymnastal-Oberlehrers Ehrlich, der dringend verdächtig ist, sich de» im 8 176 Abs. 3 mit schwerer Strafe geahndeten Verbrechens schuldig gemacht zu habe«. Der etwa 40 Jahre alte Oberlehrer ist seit zehn Jahren an einem dortige« Gymnasium angestellt. Ein Meteorstein fiel am Sonnabend abend gegen 7 Uhr in der Postftraße in Kreisch« nieder. Der Stein zerbarst, und verschiedene Stücke wurde« in noch glühen dem Zustande aufgehoben. Die Irrenanstalt S-nnenstei«, die ohnehin schon ein? förmliche Stadt mit Kirche rc. bildet, erfährt aber mals eine Erweiterung durch Erbauung eines neuen Frauenhauses sowie eines Pflegerinnenheims mit Einzel- stübchen für das Pflegerinnen-Personal. E» find hierfür 291000 Mk. in den Etat eingestellt. Umfangreiche Neu- brüten wurden bekanntlich auch schon in dem letztver« gangenen Jahre ausgeführt. Die Verlegung des Feldartillerie-Regiments Nr. 28 von Pirna nach Biutzen soll im Herbst 1913 erfoglen. Mit dem Dienstgewehr erschaffen hat sich in Freiberg außerhalb der Kaserne der Soldat H. von der 12. Kom pagnie des Infanterie-Regiments Nr. 177. Der Beweg grund ist unbekannt. Der Leutnannt Meyer vom 139. Jnfanterie-Regiment in Döbel« legte am 13. November auf dem Flugfeld „Mars" bei Bork in der Mark seine Flugzeugführer- Prüfung auf einem Grade-Eindecker ab. Leutnant Meyer flog die Bedingungen in glänzender Weise und landete nach dem Höhenflüge im eleganten Gleitfluge. Der Polizeihund „Harras" in Meißen hat am Don nerstag wieder einen schönen Beweis seiner Brauchbarkeit geliefert. Er war mit seinem Führer nach Sörnewitz bei Oschatz geholt worden, wo seit der Nacht zum Diens tag vom Kirme»balle weg da» 18 Jahre alte Dienstmäd chen Hilma Engel aus Lampertswalde vermißt wurde. „Harras" hat, nachdem er Witterung von et« Paar Strümpfen erhalten hatte, die Spur über eine Mauer, Liebe ! Da marterten sich die andern, denen die Liebe in ihrer schönsten Gestalt winkte, versündigten sich am Schicksal! Und sie — was hätte sie darum gegeben, frei lieben zu dürfen wie jene! Mit der ganzen Glut der Leiden schaft, die in ihr schlummerte, mit der Kraft der gauzen Sehnsucht, die einem — einem zustrebte wie die Flamme der Flamme! O lieben — lieben —! Und sich verzehren zu müssen in stummer, verborgener, aussichtsloser Qual! Ewig auf Erfüllung verzichten zu müssen! Und das Blut regte sich plötzlich rebellisch in ihr. Eine Stimme schrie ihr zu: Auch du — auch du hast ein Recht! Vergiß alles! Wirf alle Bedenken hinter dich! Liebe! Und mag danach kommen, was will! Und wenn das Glück nur einen einzigen Tag dir blüht! Aber mit aller Macht stemmte sie sich gegen diese auf rührerischen Gedanken. Nein, sie durfte und sie wollte nicht schwach werden. Wenn sie sich nicht selbst verachten sollte. Nein, seine Gegenwart wollte sie genießen, so lange sie noch in Deutschland war. Seiner Stimme lauschen und sein Antlitz sehen. Und ihn lieben —, ohne daß er es wußte. Und er — er mußte sie vergessen. Er durfte sich keine Hoffnungen machen. Dafür mußte sie sorgen. Und das tat ihr am wehesten. Daß sie sich kalt, unfreundlich zeigen mußte, wo sie am liebsten geküßt hätte, bis ihr der Atem ausgegangen wäre. Aber es mußte sein. Wenn sie fort wäre, würde er sie schon vergessen. Die paar Wochen Galgenfrist mußte sie sich noch gönnen. Sie konnte nicht anders. Dann würde ja doch auf Nimmerwiedersehen geschieden werden. Auf Nimmerwiedersehen -! Wie weh das klang! Und sie sah hinaus über das Meer und erblickte im Geiste ihre Heimat in der wilden Schönheit, die ihr ans Herz ge wachsen war. Und sie hörte die uralten, schwermütigen Volkslieder. Dort oben — da würde sie still sitzen und warten. Warten — bis der Tod sich ihrer erbarmte. Und eine Träne stahl sich in jedes ihrer Augen. Sie wehrte ihnen nicht. Regungslos schaute sie in die See, die im Sonnenschein glänzte und glitzerte. Und die Tränen rollten ungehindert über Karlas Wangen. Karla, die starke, energische Karla, weinte! — — Vlll. Am nächsten Nachmittag fand Karla Throndhjem allein zum Ausgehen angekleidet. „Nun. Was ist denn mit dir?" fragte sie Maja. „Entschuldige mich heute, Karla! Bitte! Ich habe so wahnsinnige Kopfschmerzen, daß ich wirklich nicht sortgehen kann." * „Dann bleibe ich bei dir," entschied Karla. „Aber, Karla, was denkst du denn? Das dulde ich nicht. Bei dem Wetter Krankenwärterin zu machen? Das darfst du nicht verlangen." „Ach was, Krankenwärterin, wenn ich dir Gesellschaft leiste!" „Ich wäre heute eine sehr schlechte Gesellschafterin. Und — du mußt schon verzeihen, mein Kopf schmerzt mich so. daß ich wirklich gern allein bin." „Also gut. Wenn du nicht anders willst," gab Karla etwas ärgerlich zurück. „Aber lange bleibe ich auf keinen Fall weg." Maja hatte wirklich starke Kopfschmerzen. Und außerdem war sie sich am Tage vorher so über flüssig vorgekommen, daß der Spaziergang sie gar nicht reizte, wie sehr sie sich auch nach Erich sehnte. (Fortsetzung folgt.)