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WMM für NlM BeilaM zu Nr. 119 Donnerstag, 12. Oktober 1911. Denksprücke für Gemüt und B-rünud. Der lebt beglückt, der sich in alles weiß zu finden, Der Herr von seinem Herzen bleibt und herzhaft sich kann überwinden. Ans Sachsen. Wilsdruff, den 11. Oktober. Die Gastwirte von Dresden und Umgegend hielten im Restaurant Kneib in Dresden eine Versammlung ab, in welcher sie energisch Protest erhoben gegen die Preis, steigerung der drei Pilsner Bierbrauereien auf Pilsner Bier. Eine große Anzahl der anwesenden Wirte erklärte sich sofort bereit, künftig kein Bier mehr aus den drei Pilsner Brauereien zu beziehen. Zum Schluß der Ver sammlung sprachen die Anwesenden einmütig ihre äußerste Entrüstung über das rigorose Vorgehen der Pilsner Brauereien aus und beschlossen, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln danach zu trachten, das Pilsner Bier aus ihren Lokalen zu entfernen. Ein Landwirt in Dippoldiswalde sah, daß von seinem Felde in der Nacht einige 40 Krautköpfe entwendet waren. Da die Spur des Täters noch gut zu sehen war, wurde ein Polizeihund aus Dresden geholt. Der Hund „Renz" nahm an der Fußspur des Täters sofort Witterung und verfolgte diese zirka 600 Meter weit bis in die frühere Tennertmühle, wo der Hund an einer Stalltür, welche nicht verschlossen war, stehen blieb. Nachdem die Tür geöffnet worden war, wurde in einem Kantnchenstalle noch ein Teil des gestohlenen Krautes gefunden. Der Täter ist dadurch ermittelt worden und hat die Tat eingestanden. Die Landgemeinden Börlas und Spechtritz in der Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde und Lübau in der Amtshauptmannschaft DreSden-A. haben sich zu einem Gemetndeverbande nach dem Gesetze vom 18. Juni 1910 vereinigt, der den Namen Elektrizitäts-Gemeindeverband B-rlas-Spechtrih-Lübau führt, und seinen Sitz in Borlas hat. Nach der von der Kreishauptmannschaft genehmigten Verbandssatzung hat der Verband den Zweck, die Bezirke der ihm ansehörenden Gemeinden mit elek trischem Strom zu versorgen, der vertragsmäßig aus dem Elektrizitätswerke für den Plauenschen Grund zu Deuben entnommen wird. Um ihren Arbeitern in der Stammfabrik Ebers- Pach (Oberlausitz) sowohl wie auch in den Filialen in Eibau und Schirgiswalde die jetzt herrschende Teuerung etwas zu mildern, ist die Firma Herm. Wünsches Erben bestrebt, ihren Arbeitern billige Kartoffeln, Zentner 3 30 Mk , zu verschaffen. Eine Lieferung von 2000 Zentner wurde einem Rittergut in der Näht Weißenbergs in Auf trag gegeben. Auch sollen solchen Arbeitern, die nicht in der Lage find, die Kartoffeln zentnerweise zu kaufen, Heinere Posten abgegeben werden. Ebenso wie manche andere größere Firma hatte auch die Bautzener Tuchfabrik die Absicht, ihren Arbeitern den Besuch der Internationalen Hygiene-Ausstellung zu ermöglichen. Mit Rücksicht auf die beginnende allgemeine Teuerung ist sie jedoch davon abgekommen und hat dafür an jeden Arbeiter zehn Zentner Kohlen verteilen lassen. In Koselitz bei Großenhain hat der Fleischer Böhle beim Schlachten eines an Milzbrand erkrankten RindeS ich durch ein an der Hand befindliches Blütchen eine Blutvergiftung zugezogen, an deren Folgen er ver- torben ist. Anläßlich eines Tanzvergnügens von Landarbeitern rm Gasthof „Zur grünen Aue" in Groitzsch bei Leipzig entspann sich in der Nacht zum Montag gegen 1 Uhr zwischen dem Bergmann Krämer und dem Schlosser Paul Tresselt ein Streit, in dessen Verlauf Krämer mit einem Ma Zaler «Islirmsrklrzercdskl erhielt man äurck - ein Insorol im Voedenblutt kür Mlsürukk. Wir bitten um reekt-eiti^e ^ulgabe äer uns suAeäacbten Inserate. Taschenmesser auf den Tresselt einstach und ihn an der rechten Schläfe verwundete. Die Verletzung war so schwer, daß der Tod alsbald eintrat. Die Leiche wurde beschlagnahmt, der Täter verhaftet. Krämer ist sonst als ruhiger Mann bekannt, er ist verheiratet und Vater von sieben Kindern. Der Erstochene war ledig. Der Rekrut P. aus Frohburg vom Husarenregiment Nr. 19 in Grimma war dieser Tage beim Reiten von einem Pferd an den Leib geschlagen worden. Die dabei erlittenen inneren Verletzungen haben jetzt den Tod des jungen Soldaten herbeigeführt. Der Gemeinderat in Zschorlau beschloß, größere Mengen guter Kartoffeln anzukaufen und diese an die ärmere Bevölkerung zum Selbstkostenpreise abzugeben. 1(6. Hauptversammlung -es Sächsischen Lehrervereins, ii 1. Hauptversammlung. In der Alberthalle deSKcistallpalasteS fand tags darauf 9 Uhr morge»s die erste Haupivitsammlun« statt. Lauge vor Beginn derselben waren vir weiten Räume der Halle bis auf de» letzten Platz gefüllt; trotzdem mußten Tau ¬ sende wieder umkehre», ohne Einlaß gefunden zu haben. Die Versammlung wurde eröffnet mit dem Beethovenschen Sange „Die Ehre Gottes in der Natur", der auf alle Teilnehmer eine gewaltige Wirkung ausübte. Der 1. Vorsitzende, Herr Sättler, entbot allen Teil nehmern der 16. Hauptversammlung, besonders den Ver tretern der Königlichen und Städtischen Behörden herzliche Willkommrngrüße. Er führte kurz aus: Mit Stolz er füllt es den Vorstand des Sachs. Lehrervereins, daß so viele Tausende gekommen sind, um zu zeigen, die säch sische Lehrerschaft ist einig. (Lebhaftes Bravo!) Wir danken Ihnen, daß Sie zeigen wollen: Der Vorstand ist nicht der Führer oder auch der Geführte einer Gruppe radikaler Elemente, sondern der Vertreter der Wünsche der g samten sächsischen Lehrerschaft, wie sie in unserem sächsischen Lehrervrrein vereinigt ist. (Starker Beifall.) Der Name Leipzig ruft uns mancherlei Erinnerung wach. In Leipzig tagte 1849 die erste sächsische Lehrerversamm- lung, on der Vertreter aller Schulgattungen teilnahmeu. Das damals aufgestellte „Leipziger" Programm enthielt u. a. die Sätze: „Die gesamte Volkserziehung ist StaatS- fache. Die Leitung des VolkSerztehungSwesens geschieht du ch einen Erziehungsbeirat aus Sachverständigen, an dessen Spitze eia besonderer UnterrichtSminister steht. Die Annahme dieser Sache brachte die Gegner auf den Plan. Von allen Seiten begann ein Kesseltreiben gegen den Sächs. Lehrerverein. Wie dem Leipziger Programm, so ist cs auch u«S im Kampfe um die Reform des Volks schulgesetzes ergangen. Man suchte unsere Wünsche in Mißkredit zu bringen, darzustellen als bedenklichen Aus fluß eines Nimmersatten Lehrertums. Wir verwahren u»S ge-n solche Vorwürfe und stellen fest, daß wir von dem aufrichtigsten Bestreben getrieben werden, dazu betzutragen, daß i« unserem Volksleben die verlorene innere Einigkeit, das Sichverstehen unserer Stände endlich wieder an-e- bahnt werde (Bravo!), daß ein junges Geschlecht heran wächst, das des deutschen Namen in allen Lebenslagen Ehre mochen kann. (Brausender Beifall) Als Vertreter der Stadt Leipzig war Herr Bürger meister Roth erschienen. Unter starkem Beifalle der Ver sammlung hielt er folgende Begrüßungsansprache: Namens der Stadt Leipzig heiße ich die hier ver sammelten sächsischen Lehrer und Lehrerianen herzlich will kommen. Im besonderen habe ich Ihnen noch einen Gruß auszurichten von unserem Herrn Oberbürgermeister Dr. Ditlrich, der durch seinen Kuraufenthalt in Kissingen zu seinem Bedauern verhindert ist, Sie persönlich hier be grüßen zu können. Wenn ich meine Augen über diese gewaltige nach Tausenden zählende Versammlung schweifen lasse, dann kommt mir der vielleicht etwas lokalpalriotische Gedanke, daß Sie nicht nur der Tagesordnung Weges hierher ge kommen sind, sondern auch deshalb, um Leipzig, daß ja eine solche große Wichtigkeit in der Entwickelung Ihres Vereines hat, einmal wied-rzüsehen, und um gleichzeitig das Leipziger Volksschulwesen als in der größten Stadt unseres engeren Vaterlandes zu studieren. Bet diesem Studium werden Sie hoffentlich zufrieden sein. Ich hoffe sogar, daß Sie manches bei uns rccht gut finden werden, aber Sir werden vielleicht auch bei manchen Dingen sage»; Et« deutsches Mädchen. Roman von Karl Meisner. 44! (Nachdruck verboten.) »Ja, Herr Walfer, ich war bei ihr. Das liebe Kind ^ohnt ia ganz idyllisch da draußen auf dem Lande und befindet sich äußerst wohl. An ihr ist der Beweis zu er bringen, daß in England der Kunstsinn seine Heimstätte hat und die Kunst ihre Anerkennung findet. Marthas Bilder -werden ja außergewöhnlich, hoch bezahlt." »Wie sie es auch verdienen," warf Lord William ein. »Mylord sind allerdings ein bekannter Kunstkenner, da ich. keinen weiteren Widerspruch," entgegnete in ziem- nq spanischem Tone Mittenzweig. .. warf dem Lord einen Blick zu, den dieser sofort richtig verstand. "icht irre, Herr Mittenzweig, so sprach ich Rilko "!?rm ersten Zusammentreffen den Wunsch aus, Ihre Brider einmal zu besichtigen." Mylord, das wünschten Sie." den Ankauf von Gemälden für aber trotzdem, gedulden Sie sich noch vierzehn Tage, dann werde ich Ihnen eine lobnende Beschäftigung ^"^n. Ich habe in meiner Sammlung lehr wertvolle alte Stucke, die dringend der Restauration von kundiger Hand bedürfen." .Wie meinen Sie, Mylord, was sagten Sie eben" fragte erstaunt mit hochgezogenen Brauen der Künstler. »Ich meinte, ich würde für Sie sorgen in auskömmlicher Weise. Damit Ihnen das Warten nicht zu schwer fällt die Dierzehn Tage, mag Ihnen Herr Walfer einstweilen auf Mein Konto sieben Pfund auszahlen. Höhnisch lachte der alte Maler rauh auf. »Wirklich großartig, Mylord," rief er zornig, „in der Dat, großartig' Meine Bilder sind Ihnen zum Kauf nicht aut genug aber Ihren alten Trödelkram soll meine kundige Hand ausbessern und flicken. O, diese dummen, armen Deutschen, was mutet man denen doch alles zu! Ihr Herren Engländer leidet wirklich an dem nationalen Größen wahn, den man Euch zuschreibt. Sie beurteilen mich nur nach meinen abgetragenen Kleidern? Aber ich sage Ihnen, Herr, ehe ich mich erniedrige, Ihre alten Klecksereien, Anti quitäten genannt, mit neuem Firniß zu überziehen, eher trage ich Schuhe und Rock zum Trödeljuden und gehe dann betteln." Mittenzweig machte eine herablassende Verbeugung und verließ dann stolz den Laden. „Das ist deutsche Künstlerart," lächelte Walfer. „Eher betteln gehen, als sich in seiner Kunst, nach seiner Ansicht wenigstens, berabzuwürdigen. Ich hoffe, Fräulein Martha wird ihm den Kopf noch zurechtsetzen, daß er zur Vernunft kommt, der deutsche Bär." „Schelten Sie mir die deutschen Künstler nicht," sagte Lord William sehr ernst. „Ich bedauere aufrichtig, den deutschen Maler, den Freund meiner geliebten Martha, ! wenn auch nur unabsichtlich, gekränkt zu haben." Die beiden Herren besprachen nun noch einmal einige Punkte ihrer vorher erörterten Angelegenheiten. Der junge Lord bestand auf dem Verkauf seines Palastes, daher er Walfer um tunlichste Beschleunigung bat, weil er die Ent deckung des Bankiers und die Wiedererlangung des unter schlagenen Vermögens sür unwahrscheinlich hielt. Und wurde der Defraudant mit dem Gelde nicht gefaßt, mußte sich die Gesellschaft selbstredend auflösen und die Papiere waren wertlos. Walfer gab die Versicherung, sein möglichstes zu tun, um den gewünschten Verkauf zu beschleunigen. Gern hätte Lord William Kurze nach dem Stande der Revision des Prozesses seiner geliebten Martha gefragt, hatte er doch, ohne ihr Wissen, die nötige Kautipn hinter legt, aber ein feines, leicht erklärliches Gefühl hielt ihn in diesem Augenblick davon ab. Mit freundschaftlichem, festem Ländedruck schieden die beiden Herren voneinander. Lord William kehrte nachdenk lich in feinen Palast zurück. Die hohe Standuhr kündete mit silbernem Klang bereits die zehnte Stunde, als ein Diener ihm die Ankunft des Lords Gudin und seiner Tochter Mabel meldete. William war zwar nicht in der Stimmung, jetzt noch Besuche zu ' empfangen, aber seinen väterlichen Freund und ehemaligen ! Vormund glaubte er doch nicht abweisen zu dürfen. Er . trat in den'Besuchssalon, wo der Lord mit seiner Tochter , weilte. „William! William! Was habe ich vernehmen müssen," rief der alte Lord, indem er mit erheuchelter Freundlichkeit den Hausherrn mit beiden Armen umschloß. „Ihr ganzes Vermögen haben Sie verloren? Und von dem ver brecherischen Bankier Worth hat man noch keine Spur?" „So sagt man," antwortete ruhig der junge Lord, indem er förmlich seinen Besuch begrüßte. „Wenn Sie Ihr Vermögen ungeteilt bei dem Bankhaus in Aktien umgesetzt haben, so geben Sie jede Hoffnung auf, auch nur einen Schilling wiederzuerhalten. Saffron, mein langjähriger Anwalt, ist ebenfalls hereingefallen und ganz in Verzweiflung." „Lieber William," sagte nun Mabel mit einem ge winnenden, teilnehmenden Blick auf den jungen Lord, „Sie sehen uns als die Ersten hier, um Ihnen unser aufrichtigstes Beileid auszusprechen und Sie nach Möglichkeit zu trösten." „Und," fuhr der alte Lord eifrig fort, „um Ihnen gern unser eigenes Vermögen und unsern ganzen Kredit zur Ver fügung zu stellen. Wirklich, ich bedauere von ganzem Herzen, daß Sie nicht wenigstens ein halbes Jahr später erst mündig geworden sind. Aber trotzdem — der große Verlust darf nichts in Ihrer allgemeinen Stellung ändern. Und zöge sich nun die ganze Welt von Ihnen zurück, wir, meine Tochter und ich, bleiben Ihre treuen Freunde," (Fortsetzung folgt.) H