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WrU Im KUck l/L2^1>d^2-VL^V^r/L2^2^I>L>Lv^V^V-dK>L^2^VL Zeiten Einhalt zu gebieten vermocht? Ein gewaltiges Schicksal hat sie in seinen Bann gezwungen — ist das nicht vielleicht mehr wert als Glück? Die Liebe eines großen Künstlers errungen zu haben — wie erhaben, wie herrlich! Eine ganze Welt voll Noman- tig und hochgespannter Tragik tut sich vor dem Kinde aus, sie fühlt sich als Heldin, weil ein Held sie liebt. „Zürnen Sie mir nicht, Elly, weil ich Ihnen so bittern Schmerz bereitet habe," spricht er im weichen Flüsterton zu ihr. „Aber sehen Sie, ich war so glücklich in ihrer Ge genwart und hoffte immer noch, daß — Ivas hofft der Mensch nicht, wenn er liebt? Aber dann kamen — ach, wozu soll ich Ihnen all' die kleinlichen Dinge erzählen die mich gebieterisch dazu zwangen, um Helga Le- vetzow zu werben? Das heißt, das habe ich ja gar nicht einmal getan — sie legte es mir so nähe, das arme Ding, es kam alles von selbst, ich hatte die Rettung in den Hän den, bevor ich nur nach ihr gesucht. Und daß ich es Ihnen nicht früher sagte, war Schwach heit, ich leugne es nicht, aber ich geizte um jede Sekunde, in der ich mich von Ihnen geliebt wußte, denn nun — nun werden Sie mich verachten, Elly —" „Nein, nein," haucht sie, ihn unter brechend, der sich immer mehr überstürzend immer heißer, immer dringender gesprochen' „Wie sollte ich Sie verachten, der Sie selbst leiden! Ich bin Ihnen dankbar für das Glück, das Sie mir geschenkt — ewig, ewig!" „Sieh', Mucker, den Jüngling im schwankenden Kahn, Er hat mir gestohlen mein Herze," singt die berühmte Primadonna des L.schen Stadttheaters zu Klavierbegleitung. - Wie süß und weich sich das Organ der Sängerm in Elly Walters Herz sticblt! Sie liebt Music leidenschaftlich und zumal wenn Liebeslieder gesungen werden, so ist's ihr immer so Wohl und Weh, daß sie lachen und Weinen könnte in einem Atem. Sie gedenkt dann eines Ereignisses aus vergan genen Tagen, des größten in ihrem stillen kleinen Leben und macht im Geiste all' das durch, was damals ihre junge Seele erschüb tert hat. Hat? Ist es nicht noch heute leb ndig in ihr, wie damals? Strehlen ist ein viel genannler und wie ihr's däncht, berühmter Maler geworden, dessen Bilder zwar nicht allzu oft auf Ausstellun gen erscheinen, aber doch, wo es geschieht, viel Bewunderung finden. Da sic seit Jah ren schon fern von ihrem Heiniatsort bei einer alten Tante wohnt, die sie nach dem frühzeitigen Tode ihrer Eltern zu sich ge- nommen, Axel Strehlen aber in der Stadt geblieben ist, wo sein Schwiegervater sein ausgedehntes Geschäft hat, so ist ihr selten Gelegenheit geworden, etwas von seinen Werken zu sehen. Die wenigen, die ihr vor Augen gekommen, haben keinen so großen Eindruck auf sie gemacht, als sie erwartete. Aber das mag sie sich nicht eingestehen oder zum mindesten sagt sie sich, daß ihr das künstlerische Verständnis fehlt, um die Werke eines so eminenten Meisters, wie Axel Strehlen, zu beurteilen. Nicht einen Augenblick lang ist ihr der Gedanke gekvm men, daß er dieser eminente Meister nicht sein könnte. Nur in Anbetung und exia- tischem Entzücken webt sie aus den Fäden ihrer Erinnerungen ein unzerreißbares Netz. »Zigeunerlünd darf nicht glücklich sein!" singt die Sängerin drüben am Klavier. Wie gut die Worte zu Ellys Stimmung Passen! lung beschicken war. „Gnädiges Fräulein gestatten, daß ich Ihnen Herrn Axel Strehlen vorstelle," hört sie da den Sohn des Hauses sprechen. Er schrocken fährt sie beim Klange des wohl bekannten Namens auf und sieht in sein — Axel Strehlens Antlitz! Aber ist er's auch wirklich? Dieser Mann mit den schwammigen Zügen, den scharfen ungezählten Falten unter den matten aus druckslosen Augen und der in die Breite ge gangenen Gestalt? Jst's möglich, daß ein Mensch sich so verändern kann? „Elly — Fräulein Welter —" sagt der Maler leise und aus dem Ton seiner Stimme erkennt sie deutlich, daß auch bei ihm die Erinnerung an die Vergangenheit nicht ausgclöscht ist — „sind Sie's denn auch in der Tat? Ich hatte keine Ahnung, daß ich Sie hier treffen würde und selbst, als ich jetzt eben Ihren Namen hörte, kam mir keine Vermutung. Desto größer ist die Freude der Ueberraschung Elly — liebe Elly Er hält ihr seine Hand hin, die sie me chanisch ergreift; der Sohn des Hauses hat sich diskret zurückgezogen und jetzt wortlos ^hen sich die beiden in die Augen. Donn fängt Alex Strehlen an zu reden, aber fängt Strehlen wieder an zu reden, aber Elly Weitz nicht, was er sagt, denn ein selt sames Gefühl von Enttäuschung, ganz un ähnlich jenem, das sie damals vor zwölf Jahren empfand, als er so bewegt und schmerzvoll ausüinandersetzte, daß er sie nicht zu seinem Weibe machen könnte, hatte sie zunehmend gefangen genommen. „Ein ganz hübscher Mensch, schade nur, daß er so starke Anlage zum Embonpoint besitzt," äußerte einmal eine bekannte Dame Über Strehlen zu ihr. „Das kommt natür lich davon, daß er zu viel Wert auf die Freuden der Tafel legt." Wie zornig Elly über diese Bemerkung gewesen war! Wie eine Entweihung ihres Helden war sie ihr vorgekommen. Heute weiß sie, daß die Dame ganz recht gehabt hat. Der Mann, der da vor ihr steht, ist ein ganz materieller unbedeutender Mensch, eitel, selbstsüchtig und talentlos, der von vornherein bestrebt gewesen war, eine gute Partie zu machen weil er recht gut wußte, daß sein geringes künstlerisches Können ihm nie die Mittel gewähren konnte, seine großen Bedürfnisse zu befriedigen. Nie ist er anders gewesen, als heute, nur die Jugend hat ihn verschönt und ihre Liebe — die erste Liebe des Back fischchens, die so duftig und wesenlos ist, wie eine Seifenblase und so rein und ohne jegliche Berechnung — hat ihm einen Glo rienschein um die Stirne gewebt! Jetzt ist er älter geworden und die zwölf Jahre des Wohllebens haben den trügerischen Glanz von seinem Antlitz gelöscht, so daß selbst ihre Augen sich nicht mehr über den Mann zu täuschen vermögen Und dieser Puppe diesem tönernen Götzen hat sie ihr Leben, mit allen seinen Aus sichten geopfert! „Ach, meine nutzlos geopferte Jugend, mein einsames Leben!" schreit eine Stimm-, in ihr, die, wie sie weiß, jetzt nie, nie mehr zum Schweigen kommen wird, wenn nichr — Nein, sie will nicht länger einsam sein. Ihr Frühling ist verblüht — vorzeitig — aber noch liegen Sommer, Herbst und Win ter vor ihr, in denen die Sonne auch leuch tet und wärmt, wenn man sie nicht geflis sentlich absperrt. „Sie scheinen so nachdenklich, Elly," sagt der Maler, der seine Freude über dies Wie Versehen in schwungvollen Worten ausge drückt, gekränkt, weil er merkt, daß sie ihm gar nicht zuhört. „Sie sind doch recht ver ändert." „Sie nicht," giebt sie mit abwesendem Blick zurück. „Nur die Walzerklänge feh len, bei denen ich Sie immer sah. Sie wissen, was Ballmusik, Lichterglanz und ein flotter Tänzer für das Herz der Acht zehnjährigen bedeuten. Und wenn der Tän zer gar noch Maler ist — — —. Heute tanzen Sie nicht mehr. Kein Wunder! Gänseleberpasteten, Austern, Schnepfen, Burgunder usw.!" Sie lacht schrill auf. Er versteht sie nicht; und daß der Zau ber, den er einst auf sie ausübte, nicht mehr wirft, begreift er. „Ich habe die Erinne rung an die Vergangenheit viel getreuer bewahrt, als Sie," meint er grollend. „Wer mag ein Lorbeerblatt in seinem Ruhmeskranz missen! Unsterblicher Künst lerruhm ist eine seltne und kostbare Ware, d'rum begnügt sich, wer weise ist, mit den Lorbeeren, die hübsche Frauen ihm bieten. Sie sind billiger zu haben, einen Teil davon benutzt er als Küchenwürze und die andern 'zum Schmuck des olympischen Hauptes" Er zuckt verdrossen mit den Achseln. „Sie sprechen in Rätseln, die zu lösen mein Scharfsinn nicht ausreicht." Nur noch wenige Worte wechseln sie, dann verbeugt er sich steif und geht. „Un begreiflich, daß ich einmal etwas Besonde res an der gefunden habe," denkt er ver drossen. „Es ist nur zu natürlich, daß sie keinen Mann gekriegt hat. Nun, zum min desten hat sie doch 'mal was erlebt." Ja, in das Gefühl der Verstimmung, welche ihn erfüllt, mischt sich wohltuend die Befriedi gung über sein gutes Herz, das diesem Mädchen eine Erinnerung geschenkt hat, herrlich genug, um ihr langes sonnenloses Altjungferndasein zu vergolden. Indessen suchen Ellys Augen — nicht den wohlgenährten Maler mit dem eitlen nichtssagenden Gesicht und den Brillant knöpfen, in der'tadellos geplätteten Hem denbrust — sondern — einen einfachen Mann, den Inhaber eines flottgehsndcn Geschäfts, dessen Bewerbung um ihrs Hand sie vor einem Jahr zurückgewiesen hat. Er trägt auch Brillantknöpfe, aber er hat sie durch seine eig'ne Tüchtigkeit verdient und nicht mit dem Gelds einer ungeliebten Frau bezahlt und — sie weiß, er liebt sie noch heute ehrlich. Vor ihres Geistes Augen sieht sie ein warmes Heim — Lorbeeren, die als Küchengewürz für Gänseleberpasteten be nutzt werden, schmücken es freilich nicht, aber Frieden, Behaglichkeit und Frohsinn werden darin wohnen und darum däucht sie's heute lockender, als die Luftschlösser, die eine erste Liebe erbaut hat. Im Grunde ist Elly Walter doch recht froh über dies Wiedersehen mit dem Gegen stand: ihrer ersten Liebel