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wagen befördert wurden. Das Gewicht der Esse beträgt 5,400,000 Sie steht 506,1 m über der Ostsee und 201,1 m über der Muldensohle auf dem Höhenrande des nördlichen Muldenufers. Der Grund der Este beträgt 3,1 m, der Sockel 9 m und die Säule 131 m, der Flächen inhalt im Grunde aber 144 qm, im Sockel dagegen 100 qm. Die Mauer ist im Säulenaufsatz 1,50 m, im Säulenkopf aber 0,25 m stark. Die lichte Weite der Este mißt im Sockel 5,15 m, im Säulenkopf 2,50 m. Im Säulenanfsatz befinden sich 37 eiserne Ringe, von denen der unterste 8,25 m Durchmesser und 26 m Umfang, der oberste 3 m Durchmesser und 9,5 m Umfang hat. Im Innern der Esse find gegenüberliegend je 520 Steigeisen mit 27 cm Entfernung, ebenso an der äußeren Nordseite der Esse 520 Steigeisen und 260 eiserne Bügel als Schutz» lehne angebracht. Den Säulenkopf bedeckt ein 16teiliger eiserer Kappenkranz im Gewicht von 775 KZ (15'/, Ztr ), an welchen sich zwei Kupferleitungen als Blitzableiter an» schließen. Die hohe Esse besichtigte am 16. Juli 1892 König Albert. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde am Sockel eine Metalltafel mit folgender Inschrift ange bracht: „Seine Majestät König Albert geruhte am 16 Juli 1892 die Königlichen Hüttenwerke und die hohe Esse zu besichtigen'. Das andere Bauwerk ist der Rothschönberger Stollen. Er wurde in den Jahren 1844 bis 1877 mit einem Kostenaufwande von 7,378,381 Mk. 19 Pfg. erbaut. Der Rothschönberger Stollen führt die Grubenwässer aus den Stlbergruben im Innern des Freiberger BergrevierS in größerer Menge ab, liegt aber bedeutend tiefer unter der Erdoberfläche, als alle damalig erbauten Wasserab führungen. Zunächst wurden von den Hauptschächten der einzelnen Silbergruben aus Bergwerksgraben, die „Flügel" des Stollens gebaut. Diese vereinigte man schließlich bet Halsbrücke zu einem in nördlicher Richtung fortführenden und bei Rothschönberg in die Triebisch einmündenden Hauptstollen. Davon erhielt er seinen Namen Rothschön berger Stollen. Dieser unterirdische Bau ist fast 14 Kilo meter, mit seinen Verzweigungen aber 51 Kilometer lang und mißt 3 m in der Höhe und 2'/, m in die Breite. Die bekannte Grabentour bei Reinsberg, die zum größten Teile am rechten Ufer der Bobritzsch hinführt, ist ein zum Rothschönberger Stollen gehöriger Bergwerksgraben. A*vz» EhroniS. Berheere«d< Schadenfeuer. Durch ein furcht bares Großfeuer wurden in Duderstadt insgesamt 44 Wohnhäuser mit 80 Hintergebäuden eingeäschert. Das Feuer wütete vor allem in der SachSstraße und an der Spiegelbrücke. Infolge der Dürre und des Wassermangels war ein Löschen ganz unmöglich. — In dem Dorfe Mejkow in Südböhmen find etwa 30 Häuser abgebrannt. Vier Personen sind bei dem Brande umgekommen. Eine große Anzahl Personen wurden schwer und leicht verletzt. Die Ursache des Brandes ist auf Selbstentzündung zurück- zuführen. — Die Ortschaft Zams bei Landeck wurde durch eine Brandkatastrophe fast vollständig vernichtet. Von 60 Häusern, die die Dorfgemeinde zählt, stehen nur noch 10. Alles andere, darunter Kirche, Pfarrhaus, Schule, Gasthäuser und die sämtlichen Scheunen wurden mit der ganzen Ernte ein Raub der Flammen. Die Brandursache ist unbekannt. Der Schaden ist außerordentlich groß. 600 Personen sind obdachlos. Mehrere Personen werden vermißt. — Vorgestern nachmittag 2'/, Uhr entstand in der Brettenstraße in Buxtehude Großfeuer, das auf die anliegenden Häuser üdersprang und sich rasch verbreitete. Um 6 Uhr abends standen etwa 20 Häuser in der Breiten» und Ktrchenstraße in Flammen, darunter das Rathaus und Mackenthuns Hotel. Die Wehren der Umgegend sowie die Harburger Dampfspritze waren angestrengt an der Bekämpfung des Feuers tätig, konnte jedoch desselben nicht Herr werden. Erst als aus Hamburg zwei Dampfsprttzen mit Sonderzug eingetroffen waren, gelang eS den Bemühungen der vereinigten Wehren, das Feuer auf den Häuserblock zu beschränken. Insgesamt wurden 28 Fachwerkhäuser, darunter das Rathaus vom Feuer vernichtet. 100 Porsone« beim Badem ertrunken. Aus Landsberg wird gemeldet: In der Warthe sind hinter einander sechs Personen beim Baden ertrunken. — Beim Baden im offenen Rhein bei Rodenkirchen ertranken am Sonntag zehn Personen; das Rheinbad war ungefähr von 40000 P rsonen besucht. — In der Provinz Schlesien find in den letzten Wochen 92 Personen beim Baden ertrunken. Giufturz ei«eS Neubaues. Vorgestern nach, mittag stürzte im Kohlenkamp bei Mühlheim a. d. Ruhr ein vier Stockwerke hoher Neubau zusammen. Acht Arbeiter wurden unter den Trümmern begraben. Fünf von ihnen erlitten teil« schwere, teils leichtere Verletzungen. Die Ursache der Unfalls ist unbeka>int. Eiseubahuuuglück i» Starnberg. Im Starn- beiger Bahnhof fuhr am Sonntag abend eine Lokomotive auf den Schlußwagen des Münchener Eilzuges, wobei die Paffagiere heftig durcheinander geworfen wurden. Etwa 30 Personen erlitten leichte Verletzungen, doch konnten sich alle nach ärztlicher Untersuchung selbst weiterbegeben. — Nach einer anderen Meldung liegen vier von den Ver letzten schwer darnieder, darunter eine Dame. Zusammenstotz zwifche« Strassenbahn und AutomobilomuibuS. Aus Königshütte wird gemeldet: Nm Sonntag stieß in Zawodste ein Straßenbahnwagen mit einem mit 35 Personen besetzten Automobilomnibus zusammen. Der Omnibus wurde zertrümmert und zehn Personen mehr »der weniger schwer verletzt. Schwere» Unglück in einem russische« Ar» tillerielager. Aus Petersburg wird gemeldet: Im Artillerielager bei Kars erklärte ein Artillerieoffizier der Mannschaft die Konstruktion einer neuen Kanone, wobei dieselbe mit einer Kartusche geladen wurde. Plötzlich ging der Schuß unerwartet los, riß eine große Anzahl von Soldaten in Stücke und verwundete 15 schwer. Vulkanausbruch in Japan. Aus Tokio wird gemeldet: Am Dienstag früh erfolgte ein Ausbruch des Vulkans Asana. Man befürchtet, daß dreißig Touristen, darunter mehrere Fremde, umgekommen sind. Schweres Unglück in einem Vergnügung-, park. Aus London wird gemeldet: In dem vielbesuchten Seebade Blackpool an der englischen Westküste entgleiste der aus drei Wagen bestehende Zug der Gebirgsbahn eines Vergnügungsparkes. Von den 30 Insassen der drei Wagen gerieten drei Frauen so unglücklich unter die Räder, daß sie mit gebrochenen Beinen und schweren inneren Verletzungen hoffnungslos ins Krankenhaus ge bracht werden mußten. 20 Personen, darunter zahlreiche Kinder, erlitten mehr oder minder schwere Verletzungen. Strauduug et»eS -uglisch-u Dampfers. Einer Ll»ydmeldung aus Aden zufolge ist der englische Dampfer „Fifeshire" südlich vom Cap Guardafui ge. strandet. Die Besatzung und 75 Passagiere sind in Aden eingetroffen. Zwei Boote mit 30 Personen werden vermißt. Eutgletsuug eines PersouenzugeS i« Peuusylvauie«. Eine Meldung aus Fortwayne besagt, daß ein Personenzug der Pensylvania-Eisesbahn entgleist ist. Die Trümmer der Wagen gerieten in Brand. Mehrere Reisende find tot. Viele Verwundete wurden bereits unter den brennenden Wagen hervorgrzogen, doch liegen unter ihnen noch Tote und Verwundete. Vermischtes. * Ci« Zeigefinger zu kaufe« gesucht! Wer hat einen Zeigefinger zu verkaufens Mrs. Reginald Waldorf aus Philadelphia hat ein Inserat im New-Jork Herald erlassen, daß sie eine» zu kaufen und eine« an ständigen Preis dafür anzulegen gewillt ist. Die Dame ist eine junge Witwe, die sich vor einiger Zeit den rechten Zeigefinger mit einem rostigen Messer verletzte, so daß eine Infektion eintrat und es nötig wurde, den Finger zu amputieren. Mrs. Waldorf ist jedoch eine ausgezeichnete Musikerin und möchte nicht für ihr ganzes Leben darauf verzichten, Klavier und Orgel zu spielen. Da sie nun von den großen Fortschritten der Verpflanzung von Körperteilen in letzter Zeil gehört hat, so möchte sie den Versuch machen, wieder in de« Besitz eines Zsigefiagers zu gelangen. Wer daran denkt, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, der möge zunächst Nachsehen, ob sei« Zeigefinger de« Ansprüchen genügt, wie der Arzt sie formuliert hat: eS muß der Zeigefinger der rechten Hand sein, seine Länge muß 7'/, Zentimeter und sein Umfang am erste» Glied 5 Zentimeter, am dritten Glied 4 Zentimeter be» tragen. Marktbericht. Dresdner Pr»d«kte«b»rse am 14. Auzust 1911. Wetter: Heiß. Stimmung Fester. Preise in Mk. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: Weizen, weißer —, brauner, neuer (74—78 Kilo) 199—203, do. alter (75—78 Kilo) 209—215, do. alter (73—74 Kilo) 203—206, russischer rot 230—238, do. russischer weiß —,—, Kansas —,—, Argentinier 234—237, Australischer —,— Manitoba 227—242. Roggen, sächsischer neuer(70—73 Kilo) 176—177,do. alter (7U bis 73 Kilo) 169—175, do. jeuchter <68—69 Kilo) —, preußischer neuer 176—179, russischer 178—181. Gerste, sächsische —, schlesisch« —,—, Posener , böhmische —, Futtergerste 161 bis 165. Hascr, sächsischer 190—194, do neuer 179—187, beregneter 174—184, schlesischer 190—194, mssischerloco 182—192. Mais, Cin- quantine 174—180, alter —, Rundmais, gelb 166—170, amertk. Mixed-Mais —,—, Laplata gelb 169—173, do. neu seucht —,—. Erbsen 180—190. Wicken 178—188. Buchweizen, Inländischer 190 bi- 200, do fremder 190—200. Oelsaaten, Wintcrraps, scharf trocken 270—285, do. trocken —, do. feucht —. Leinsaat, seine 400, mittlere 370—380, Laplata 355—360, Bombay 400. Rüböl rasfiniert 72. Rapskuchen (Dresdner Marke») lange 12,50, mnde—,—. Leinkuchen (Dresdner Marlen) I 19,50, II 19,00.' Malz 29,00—33,00. Weizenmehl (Dresdner Marken): Kaiserauszug 36,00—36,50, Grießler auszug 35,00—35,50, Semmelmehl 34,00—34,50, Bäckermundmehl 32,50—33,00, Grießlermuodmehl 25,00—26,00, Pohlmehl 19,50 bi« 20,50. Roqqenmehle (Dresdner Marken): Nr. 0 27,50—28,00, Nr.0/1 26,50—27,00, Nr. 1 25.50—26,00, Nr. 2 23,00-24,00, Nr. 3 19,00 bis 20,00, Futtermehl 15,60—16,00. Weizenkleie (Dresdner Marken) grobe 12,40—12,80, seine 12,40—12,80. Roggenkleie (Dresdner Marke») 13,80—14,00. Marktpreise am 11. August. Kartoffeln neue, 50 Kilogramm 6,00 bis 6,00, Heu im Gebund 50 Kilogramm 4,70—5,00, Roggenstroh (Flegeldrusch) Schock 34,00 bis 36,00. Dresdner Schlrchtvtehmarkt am 14. August 1911. Austrieb: 188 Ochsen, 241 Kalben und Kühe, 293 Bullen, 503 Kälber, 980 Schafe und 2266 Schweine, zusammm 4476 Stück. Die Preise für 50 Kilogramm Lebend- reip. Schlachtgewicht waren in Marl nachstehend verzeichnete: Ochsen: 1. s) vollfleischige, ausgemästete höchste» Schlachtwertcs bis zu 6 Jahrm 48—51 resp. 88—91, b) Oesterreicher desgl. —resp. -,— Schlachtgew., 2. junge fleischige, nichtausgem., ältere ausgemästete 42—47 resp. 80 - 87 , 3. mäßig genährte >ünge, gui genährte ältere 37—41 resp. 74—79 und 4. gering genährte jeden Alter- 32—36 resp. 70—73. Kalben und Kühe: 1. vollste! schige ausaemästete Kalben höchsten Schlachtwertes 44—47 resp. 76—80, 2. vollfleischiz« ausgemästetc Kühe höchsten Schlachtwertcs bts zu 7 Jahren 38—43 resp. 70— 75, 3. ältere ausgemästete Kühe und wenig gut entwickelt« jüngere Kühe und Kalbe» 34—37 resp. 65—69 , 4. mäßig genährt« Kühe und Kalben 29—83 resp. 61—64 und 5. gering genährte Kühe und Kalben 56—60 Schlachtgewicht. Bullen: I. vollflcischige höchsten Schlachtwertes 46—49 resp. 79—83, 2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 4S—45 resp. 72—78 und 3. gering genährte 36—41 resp. 66—71. Kälber: 1. feinste Mast- (Villmilchmast-) und beste Saug kälber 56—59 resp. 86—89, 2. mittlere Mast- und gute Saugkälber 50—55 resp. 80—85 und 3. geringe Saugkälber 44—49 resp. 74—79. Schafe: I. Mastlämmer 46—48 resp. 87—90, 2. jüngere Masthammel 42—45 resp. 82—d6 und 3. ältere Masthammel 35—40 resp. 75—79. Schweine: 1. a) vollfleischige der feineren Raffen und deren Kreuzungen im Alter bis zu 1^ Jahren 47—49 resp. 63—65, d) Fettschweine 48 bis 49 >e)p. 64—65, 2. fleischige 45—46 resp. 61—62 und 3. gering entwickelte, sowie Sauen 41—44 resp. 57—60. US. Ausnahmspreise über Notiz. Unter dem Austrieb besandm sich — Rinder dänischer Her kunft und — Schafe. Geschäftsgang in Ochse», Stieren, Kalben, Kühen und Bullen, nicht minder in Kälbern, Schafen und Schweinen durchweg langsam. Unverkauft sind stehen geblieben nur I Ochse und Stiere, 2 Kalben und Kühe, 6 Bullen, — Kälber, 186 Schafe, — Schweine. In Schweinen war vollständiger Ausverkauf zu verzeichnen. Um rin Erve. Novelle von Karl Meisner. 18s (Nachdruck verboten.) „Aber was ist dies denn," rief da Johann und zog aus der Reihe der Bücher eine Brieftasche heraus, die dort eingeklemmt gesteckt hatte. „Ah, das ist stark," rief Wolny. „Das ist ja die ge stohlene Brieftasche. Sehen Sie hier, Herr Notar, das ist mein verschwundenes Eigentum. Wer es mir entwendet, ist nun außer Zweifel, trotz aller moralischen Entrüstung und sonstiger Komödie." Mit wirklich trauriger Miene wandte sich der Notar Binchen zu. „So leid es mir tut, Fräulein Luy, muß ich Sie des Diebstahls für hochverdächtig und als meine Gefangene erklären. Die weitere Untersuchung der unangenehmen Angelegenheit werde ich an zuständiger Stelle veranlassen." Binchen war verwirrt, sprachlos. Starr blickte sie von einem zum andern, bleich wie ein schönes Marmorbild. Die Männer entfernten sich, nur Wolny blieb zögernd etwas zurück. Mit teuflischem Grinsen raunte er Binchen zu: „So, jetzt werden Sie morgen Liechtenberg nicht ver lassen. Ich gebe Ihnen bis morgen früh Bedenkzeit, ob Sie meinen Wünschen sich gefügig zeigen und meine ge fällige Freundin sein wollen, oder ob Sie lieber als gemeine Diebin in Gefängnis wandern. Das wäre dann der ver sprochene Schutz der Gerichte, den Sie anrufen wollten, meine wilde Taube. Mit diesen Worten eilte er dm Voraufgegangenen nach, nachdem er tatsächlich die Türe von außen verschlossen ilnd den Schlüssel abgezogen hatte. Durch das Schlüssel loch rief er noch leise: „Du wirst bis morgen nicht ver hungern noch verdursten, wenn ich auch vergessen sollte, Dir Speise und Trank zu bringen. Durch Hunger ist schon manche Löwin zum zahmen Kätzchen geworden." Die Zeugen der Durchsuchung und des Fundes der gestohlenen Brieftasche begaben sich in das Amtszimmer des Notars, wo ein Protokoll umständlich ausgesetzt und von allen unterschrieben wurde. Als Flebbe mit Wolny endlich allein war, sagte er mit ernster Miene: „Sie werden mit dem armen Kinde hoffentlich glimpflich verfahren, Herr Wolny." „Das kommt auf das arme Kind selbst an", lächelte Wolny zweideutig. „Wie sie sich bettet, wird sie ruhen." „Es ist ein unschuldiges, hilfloses Wesen — die wirk lich traurige Lage, in die es geraten ist " „Hätte es durch Ehrlichkeit vermeiden können", warf der Schloßherr kalt dazwischen. Doch Flebbe ließ sich nicht beirren. „Die traurige Lage, in die es geraten ist, erinnert mich lebhaft daran — daß auch ich eine Tochter habe, die sich ebenfalls in einer — traurigen Lage befindet, und zwar auch durch Sie, Herr Wolny." „Was hat Ihre Tochter denn jetzt hiermit zu schaffen? Ich verstehe das nicht." Ich werde dadurch daran erinnert, daß Sie mir einst, als ich Ihnen einen — sehr wichtigen Dienst leistete, versprachen, meine Tochter zu heiraten. Dieses Versprechen haben Sie bis heute noch nicht erfüllt, obwohl es — Sie verstehen mich — leider Gottes die höchste Zeit dazu wäre, um mein unglückliches Kind vor der Schande zu bewahren. Ich bin fest entschlossen, in dieser Angelegenheit Ihnen meine Hilfe zu verweigern, wenn Sie nicht meiner Tochter Ihr Besprechen halten." Wolny sah hochmütig auf den Notar herab. „Wer sagt Ihnen denn, daß ich mein Versprechen nicht halten werde? Ich habe Ihnen früher einmal versprochen, Ihre Tochter zu heiraten, aber — einen Zeitpunkt habe ich Ihnen dafür nicht genannt, überlassen Sie also di« Festsetzung desselben mir; vorläufig ist er noch nicht ge kommen. Warten Sie also ab, bis es mir beliebt, darüber meine Bestimmungen zu treffen." Mit diesen Worten verließ er kalt grüßend das Amts* zimmer. Flebbe blieb vor seinem Tisch sitzen, aber er konnte nicht arbeiten. Müde, gedankenschwer stützte er den Kopf in die Hand. Ein tiefer, tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust. In Grübeln versunken saß Binchen in ihrem Zimmer, das ihr zum Gefängnis geworden war. Sie war sich bewußt, daß Wolny selbst die Brieftasche in das Bücher brett gesteckt hatte, um gegen sie eine Waffe in der Hand zu haben und diese auf alle Möglichkeiten hin zu prüfen. Er war eben zu jeder Schandtat fähig. Sollte sie nun das mit Balthasar Dittert verabredete Zeichen geben und ein Tuch am Fenster befestigen? Aber wie sollte er jetzt,, da sie eingeschlossen war, zu ihr gelangen? Vor ihrem Fenster floß der breite, schmutzige Schloßgraben, da konnte sie nicht hinüber. Und was sollte er überhaupt tun? Er wäre höchstens mit seinem Vetter in scharfe Auseinander setzungen geraten, deren Folgen unabsehbar waren. Wes» halb ihn also unnützer Weise in diese Angelegenheit ver wickeln, da er doch nicht helfen konnte? Sie verzichtete daher auf seine Hilfe und wandte sich im stillen Gebet an die Hilfe, die aus himmlischen Höhen kommt, und die noch nie dem versagt wurde, der sie ernstlich anrief. (Fortsetzung folgt.)