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Blausternchens (Scilla). Die zahlreichen ZwiebelschuMn, die um den in der Winterruhe noch außerordentlich kurzen Blütenschaft gelagert sind, bergen bei ihnen die zubereiteten Baustoffe. Einige „Winterhelden" vermögen die Unbilden der kalten Jahreszeit ohne besonderen Schutz, ja mit einem ausgebreiteten, der Erde dicht anliegenden Kranze von Blättern, einer „Blattrosette", zu überdauern. Der Frost zerstört also nicht unbedingt das lebendige Gewebe der Pflanzen. In der besonderen Beschaffenheit der einzelnen Pflanzenarten muß es liegen, wenn dieselben Einwirkungen so ganz verschieden wirken. Merkwürdig ist es, daß neben dem Gänseblümchen, dem Wegerich und anderen gerade einige Ansiedler aus fremden Erdteilen sich so widerstandsfähig erweisen. Die früher als Zierpflanze eingesührte Nachtkerze, die übrigens auch unter dem Namen „Rhapontika" als Gemüse gebaut wird, wetteifert mit dem kanadischen Berufskraute an Zähigkeit. Durch diese Eigenschaft werden sie zu „Unkräutern", weil sie sich eben in ihrer Unverwüstlichkeit, in der Ausnützung auch ungünstiger Verhältnisse unsern Kulturpflanzen gegen über als überlegen zeigen. Diese sind weniger widerstands fähig, besonders auch die Getreidearten, die auf sich selbst überlassenen Feldern nach wenigen Jahren verschwinden. Immerhin vermögen die oberirdischen Triebe des Winterroggeus und Winterweizens, die hauptsächlichsten Gelreidearten in unserer Heimat, auf dem fruchtbaren Lößlehm, den Winter zu überdauern, wenn er ihnen eine leichte Schneedecke als Schutz spendet. Von Schaden ist ihnen hauptsächlich der Barfrost, besonders dann, wenn gegen Ausgang des Winters der in seinen oberen Schichten von der Sonne aufgetaute Boden nachts wiederum ge friert. Ja, die „Bestockung", die Bildung von Nebenachsen an dem Haupttriebe, von der der reichlichere Ertrag der Wintersaat gegenüber dem Sommergetreide wesentlich ab hängt, fällt zum Teil in den Anfang und Ausgang des Winters, wenn diese Zeit milde Tage bringt. Weiter regt sich neues Leben in den Samen. Unter der schützenden Laubdecke im Gebüsche haben abgefallene Eicheln, Bucheckern und andere schon längst die durch die Bodenfeuchtigkeit gelockerte Hülle gesprengt und den be sonders nach unten zur Wurzel auswachsenden Keim in die Erde gebahnt. Viele große Samen, besonders ölhaltige, verlieren übrigens die Keimkraft bald, andere kommen erst im nächsten Jahre zur Entwickelung, wenn man sie im Winter trocken aufbewahrt und im Frühjahre aussät. Der Gärtner bettet sie darum lagenweise in Erde oder Dünger ein, er schichtet sie ein oder „stratifiziert" sie, wie man es früher ausdrückle, da auch für diese einfache Sache ein unverständliches fremdes Wort gebraucht werden mußte. In der freien Natur beginnt die Entwickelung der Samen, wenn die hierzu nötigen Vorbedingungen vorhanden sind. Feuchtigkeit und ein gewisser Grad von Bodenwärme sind die wichtigsten. Darum wirken im Frühlinge vor allem die Sonnenstrahlen lebenerweckend. Die in den Samen, in den Knospen und sonst aufgespeicherten Stoffe, als „Reservestoffe" bezeichneten wir sie schon oben, müssen von der aus dem Boden aufgenommenen Feuchtigkeist gelöst werden. Diese Umwandlung vollzieht sich in den Pflanzen erst von einem bestimmten Wärmegrade an, der übrigens bei den einzelnen Pflanzenarten verschieden ist. Wird er nicht erreicht, schlummert das Leben. Sobald aber die Sonne den Boden bis zu diesem bestimmten Grade von Wärme gebracht hat, regt sich überall das Leben und das „Es werde" der Auferstehung ist gesprochen. Dann schwellen die Samen, ihre vom Wasser durch weichte Hülle wird gesprengt, wäre sie auch steinhart wie bei dem Kirsch- oder dem Psirsichkerne. Die nach unten verlängerte Achse des Keimlings nimmt als Wurzel Wasser aus dem Boden auf. Die in diesem enthaltenen, vollständig gelösten Stoffe können von der jungen Pflanze nur nutzbar gemacht werden, sobald diese grüne Teile gebildet hat. Allein in diesen kann sich die Umbildung (die „Assimilation") der aufgenommenen Stoffe in solche Verbindungen vollziehen, wie sie die Pflanze zum Aufbau ihrer Teile braucht. Das geschieht erst unter dem Ein flüsse der Sonne, unter deren Wirkung sich ja auch die Bildung des Blattgrüns vollzieht. Darum sehen wir alle Sprosse und Keimlinge bleich aus der Erde hervorsprießen und nach kurzer Zeit grün werden. Wegen dieser Wichtigkeit des Blattgrüns werden die beiden Samenhälften, die wir bei all den Pflanzen mit netzartig verteilten Blattnerven finden — der Naturwissen schaftler nennt sie nach ihrem Keimlinge gleich „Zweisamen lappige", nach der Verteilung der Adern im Blatte aber „Netzblätter" — bald aus der Erde ans Licht gehoben und ergrünen dort. Nur dicke Samen, wie solche der Eicheln, Erbsen, Roßkastanien und Feuerbohnen (die ge wöhnliche Bohne verhalt sich anders!), die genug Vorrat haben, um auch die ersten oberirdischen Triebe aus den in ihnen lagernden Vorräten aufzubauen, bleiben unter der Erde. Von großem Interesse ist es, zu beobachten, wie diese zarten Gebilde den Widerstand des Bodens bei dem Be streben, sich zum Lichte zu heben, überwinden. Sollten die gewöhnlich noch von der Samenhülle ein geschlossenen Keimblätter unmittelbar in die Höhe gehoben werden, würde die Pflanze dann nicht genügende Kraft baben. Darum bildet der darunter befindliche Teil des Stengels ein Knie. Die Pflanze gebraucht gewissermaßen den Ellenbogen, der sich nach oben Platz verschafft und die darüber befindliche Bodenkruste in die Höhe hebt oder durchbohrt. Dann wird mit der am Lichte erstarkten Kraft der noch in der Erde befindliche oberste Teil des jungen Stengels mit den Keimblättern herausgezogen. Wird die Samenhülle dabei von dem Boden zu fest gehalten, bleibt sie tief in der Erde. Ost aber vermögen die sich nun auf richtenden Keimblätter sie mit in die Höhe zu heben und tragen sie dann noch einige Tage als Mützchen, das dann abgestreift wird, wenn es den wachsenden Keimblättern zu eng geworden ist. Da die vom Regen durchweichte Erde sehr viel weniger Widerstand bietet, erklärt es sich auch, warum es nach einem solchen allüberall fast zusehends sprießt, zumal wenn das lebenspendende Naß warm war. Ueberall auf dem Felde, am Raine, auf unbesiedelten Stellen der Wiese, in Gebüschen, auf den Gartenbeeten finden sich im Frühling junge Pflänzchen, die ans einem kurzen Stengel zwei grüne rundliche Blättchen, die Keim blätter, tragen, die vorher die Hälften des Samens bildeten. Aehnlich ist es auch mit den aus der Erde kommenden Sprossen. Sie tragen nicht nur besondere Einrichtungen, die die bohrende verstärken, sondern auch solche, die die jungen Teile bei diesem schwierigen Unternehmen schützen. Meist bilden die zwiebelschalenartig umeinandergelegten Blätter oben eine ziemlich harte Spitze, die ihre Kraft von den außen anliegenden älteren Blättern erhält, während die kleineren jüngeren von diesen geschützt werden. So sehen wir es bei der Weißwurz (Salomonssiegel) unserer Gebüsche, der Kaiserkrone und verschiedenen Lilien im Garten. Bei sehr vielen Pflanzen müssen auch die schuppen artigen Wiederblätter die jungen Pflanzenteile beim Empor dringen aus der Erde schützen. Beim Frühlingssafran (Crocus) sieht man zuerst eine gelblichweiße Spitze, dann können sich die darin eingeschlossenen Blätter und Blüten entfalten. In ähnlicher Weise sind auch die in der Knospe in geknitterter Lage enthaltenen Blätter der Pestwurz auf Wiesen im Saubachtal von Schuppen geschützt, während die fleischfarbenen Blütenstände von den ähnlich gefärbten, schuppenartigen Hochblättern eingeschlossen sind. Beim Schneeglöckchen und Märzenbecher oder „großem Schnee- Weite v Baum Eöthei A <2 8 2Z 'L7 L § St S >». alöckchen" muffen die Blüten die bohrende Spitze verstärken helfen. Darum stehen sie zunächst aufrecht und find von dem Deckblatte umschlossen, das dort steht, wo später der Blütenstiel abwärts gebogen ist. Da das Wachstum der Pflanzen nur unter dem Ein flüsse des Lichtes vor sich geht, muß jede Art zu ihrer Zeit einen Platz an der Sonne finden, wenn sie gedeihen soll. Besondere Erscheinungen, die sich daraus ergeben, wollen wir auf eine Wanderung von der Höhe in das Tal ver folgen, beispielsweise auf einer Wanderung von Weistropp am Prinzbache hinab in das Saubachtal Am grasigen Wegrande, auf den die Hohlwege begrenzenden Mauern und zwischen den Saaten sproßt ein Zwergeugeschlecht, das in wenigen Wochen seine ganze Lebenszeit, seine „Vege tationsperiode" durchlaufen haben muß, soll es nicht im Kampfe mit größeren, hoher werdenden Pflanzen unterliegen. Wenn wir uns an der Heimat im Blütenschmucke erfreuen, ist vom Gänseblümchen im Grase nicht mehr viel zu sehen. Es ziert oft schon in den Wintermonaten die Wiesen, wenn die anderen Pflanzen, die es später bedrängen, noch in der Winterruhe verharren Seine dem Boden aufliegenden Blattrosetten vermögen ja auch die Bodenwärme vortreff lich auszunutzen. Auf den Mauern und dürren Rändern finden wir zur Zeit der Baumblüte Hungerblümchen, deren Schötchen zum Teil schon den Samen verstreut haben. Diese schnelle Entwickelung hat für sie auch den Vorteil, daß sie nicht in die Gefahr des Verdorrens kommen. Wenn die Sonne ihre größte Kraft entfaltet und solche Standorte richtig austrocknet, ist die Entwickelung solcher Arten ausgeschlossen. Nun können sich die Schutzeinrich tungen des Mauerpfeffers und anderer dickblättriger Pflanzen gegen die starke Einwirkung der Sonnenstrahlen bewähren. Auf den Feldern hat es das artenreiche Geschlecht des Ehrenpreises mit bläulichen bis himmelblauen, sehr ver gänglichen Blüten ebenso eilig. Besonders die dem Boden aufliegenden Arten müssen ihre Nachkommenschaft schon ge sichert haben, wenn das Getreide in die Halme zu schießen beginnt. Aber auch die aufrechten Arten der Pflanzen gattung haben keine Zeit zu verlieren, denn auch fie werden bald überwuchert sein. Mohn und Kornblume haben bis zu dieser Zeit in den kräftigen Blattrosetten, die der Erde aufliegen, genügend Kraft aufgespeichert, um mit den Halmen in die Höhe schießen und ein Wachstum um die Wette mit ihnen wagen zu können. Auch in den Laubgebüschen des Prinz- und Saubach- tales zeigen sich Anpassungen an die Lichtverhältnisse auf Schritt und Tritt. Der Frühling ist hier zugleich die Zeit des größten Blütenreichtums Die Anemonen mit ihren weißen Sternen, die blauen Leberblümchen, die Blüten trauben des Lerchensporns, das die Blüten vom Purpurrot zum Blau verändernde Lungenkraut, sie alle blühen in dieser Zeit und bedecken das Grau des Waldbodens, um nach wenigen Wochen unter dem Grün des Laubgesträuches selbst zu verschwinden. Darum die Eile! Beim Lerchen sporn sind bis zu dieser Zeit die Samen schon glänzend schwarz, also völlig reif. Auch auf den Wiesen des Tal grundes und der Abhänge folgen Pflanzenarten mit hohem Stengel solchen, die niedrig bleiben und darum eher zur Blüte kommen können. Zur Zeit der Kirschblüte wenn der Löwenzahn oder die Alaiblume, bei den Kindern wohl auch nach der Verwendung im Spiele Kettenblume genannt, seine goldgelben Blütenköpfe allerorten-in das frische Grün des Rasens wirkt, ist das Himmelsschlüsselchen oder Primel im Grase schon fast verschwunden. Aus anderen Ursachen erfolgt die Entwickelung der Blüten an vielen Bäumen im zeitigen Frühjahre. Mit dem Schneeglöckchen zu gleicher Zeit blühen im Garten die gelben Dolden der Korneliuskirsche, am Bache die rot braunen Kätzchen der Erlen und an den Gebüschrändern die gelben des Haselstrauches und bezeichnen mit ihrer Entfaltung den Zettraum. deS DvrfriMngS. Der Wind muß den beiden Kätzchenträgern zu Hilfe kommen und den aus den Beuteln reichlich auf die Deckfchuppen der einzelnen Blüten fallenden Blütenstaub oder Pollen forttragen zu den Fruchtblüten, die bei der Erle jetzt noch kleine rundlichs Kätzchen an der Spitze der Triebe bilden, später aber zu. rundlichen, schwarzen Zäpfchen werden, bei der Hasel aber« in Büscheln in besonderen Knospen stehen und sich durch vH die purpurn leuchtenden Griffel im Sonnenschein lebhaft . kennzeichnen. Wenig später gesellt sich auch die Sahl- oder Palmweide hinzu. Leider begegnet man in den Ge büschen fast nur noch den Sträuchern mit den unschein baren grünlichen Kätzchen aus Fruchtblüten. Die Schönheit der Stöcke mit Staubkätzchen zu der Zeit, wenn die gold gelben Beutel aus den wolligen Kätzchenschuppen hervor gestreckt sind, kann man fast nur noch an angepflanzten Sträuchern in Gärten bewundern. In den Tälern der Heimat sind sie meist jämmerlich zerschunden und ver stümmelt, mit den Zweigen wurde auch die Rinde losge rissen und von den Aesten nur solche ohne Blütenstände übrig gelassen. Schon an dem Aussehen kann man auch vor der Blütezeit feststellen, ob ein Strauch Staub- oder Stempelkätzchen trägt. Es ist Pflicht jedes Naturfreundes, gegen solche Verwüstungen der Heimat einzugreifen. Der Haushalt der Natur wird durch solche Eingriffe gewaltsam gestört. Indem man die heimatlichen Täler dieses Schmuckes beraubt, nimmt man auch den Bienen und anderen Insekten eine ergiebige Honigquelle im Frühlinge. Solchen Naturräubern, die mit großen Bündeln von Kätzchen aus den Gründen der Heimat heimziehen, müßte durch strenge Maßregeln das Handwerk gelegt werden, ebenso wie denen, die durch Ausgraben von Leberblümchen, Farnen und anderen Pflanzen, die durch unsere Kulturverhältnisse sowieso schon immer mehr verarmende Natur ihrer be sonderen Reize berauben. Meist sind es arbeitsscheue, einer regelmäßigen, rechtschaffenen Arbeit aus dem Wege gehende Personen, die sich in dieser Weise an der Natur vergreifen. Korneliuskirsche, Sahl- oder Palmweide und der stark giftige, aber schön gefärbte und weithin duftende Kellerhals sichern sich durch ihre frühe Blütezeit vor der Entfaltung deS Laubes den Besuch der Insekten, die nach der Entfaltung des Laubes den Weg zu diesen Sträuchern nicht finden würden. Aehnlich ist es auch beim Spitzahorne, der seine grünlich-gelben Trugdolden hoch oben über den noch un entfalteten Knospen der Sträucher öffnet. Mit Sorge und Bangen schaut der Landmann nach dem blauen Himmel, wenn sich zur Zeit der Obstblüte Nordwind einstellt. Noch ist die Macht der Frostriesen nicht für immer gebrochen und mit dem Schnee der Blütenbäume kann sich am Morgen das Weiß des Reifes auf den Wiesen mischen. Dazu sind die Fruchtanlagen der Kirschen gar zarte Gebilde, die gegen Frost gar empfindlich sind. Ein Gleiches gilt von den jungen Blättern und Trieben der Sträucher und Bäume unserer Gebüsche. So lange sie ge faltet, eingerollt oder zusammengeknittert in den wolligen Schuppen der Knospe schlummerten, waren sie ungefährdet. Werden sie aber durch das aufsteigende Wasser gespannt und gestreckt, bedürfen sie besonderer Schutzeinrichtungen, bis sie mit größerer Festigkeit auch stärkere Widerstands kraft empfangen haben. Solcher Schutzmittel treffen wir mancherlei. Bei vielen Gehölzen, besonders aber bei Ahornen, Rot- und Hainbuchen sieht man, wie namentlich die inneren Knospenschuppen sich mit den hervorbrechenden Blättern in die Länge strecken, als wollten sie dieselben noch nickt allein in den Gefahren des Frostes lassen. Zuweilen dienen auch die als „Nebenblätter" bezeichneten Gebilde am Grunde der Blattstiele dem gleichen Zwecke. Auffällig ist ferner die eintretende purpurviolette Färbung der genannten Hüllen, die übrigens oft ebenso an jungen Blättern und Zweigen hervortritt. Auch die Erscheinung faßt man als eine Schutzeinrichtung auf, da sie dazu bestimmt ist, die 23