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st er itlei »chM»N L WW Beilage zu Nr. 37. Donnerstag, 39. März 1911. ckst 2U- »SS3 »ort. Sin il -«4 «s n. sr. w hie» orn. Mer üs'6^ nger igsn ablja >ig, b billiae SchSt en Näher- k5 >686! 23 kn. 94, 8trS88< Denksprüche für Gemüt und Verstand. Der Mensch verkümmert im Frieden; Müßige Ruh' ist da» Grab de- Muts. Am» Sasdseir. WilSdruff, den 29. März. Ein furchtbares Unglück ist über Nacht über eine Familie mit neun Kindern hereingebrechen. Der Schleifer- Meister Emil Berger in Dre-de« war am Sonnabend abend mit seiner Ehefrau, nachdem sie ihre neun Kinder zu Bett gebracht, au-gegangen und nach Besuch ver- schiedener Gastwirtschaften erst um 4 Uhr früh nach seiner Wohnung, Windmühleustraße 21, zurückgekehrt. Die 42 Jahre alte Frau Berger glaubte Grund zur Eifersucht zu haben und geriet deshalb mit ihrem Mann in Streit Während dieser sich zu Bett b gab, machte sich die sehr erregte Ehefrau in der Küche zu schaffen. Plötzlich wurde Herr Berger durch Flammen, die zum Küchenfenster herausschlugen, im ersten Schlafe aufgeschreckt. AIS er hinzueilte, brach die Frau, die sich mit Petroleum über gossen und ibre Kleider angebrannt hatte, in den Flammen zusammen und verstarb. Beim Löschen deS Brande- zog sich ihr Mann so schwere Brandwunden zu, daß er im Unfallwagen nach dem Krankenhaus gebracht werden mußte. — Der Inhaber der Wittelbacher Bierhallen in Dresden (Moritzstraße) wußte den Besuch seines Lokals dadurch zu heben, daß er sämtliche Kellnerinnen im Hosenrockkostüm servieren läßt, wodurch natürlich täglich ein zahlreiches Publikum, worunter die Damen stark vertreten sind, nach diesem Lokal strömten. AIS Sonntag abend der 14 Jahre alte Sohn des Fleischermeisters Grützner in Neustadt i. S. Wiegefleisch zubereiten wollte und zu diesem Zwecke den Gasmotor andrehte, wurde er von der angedrrhtcn Kurbel gegen den Kopf getroffen und bewußtlos zu Boden geschleudert. Der Knabe ver starb in der Nacht, ohne da- Bewußtsein wieder erlangt zu haben. Er war der einzige Sohn seiner Eltern. Ein städtischer Seefischverkauf wurde in Zittau uister kolossalem Andrang deS Publikums eröffnet. Sehr bald war völlig ausverkauft. Die Preise waren sehr niedrig gestellt. Ek kosteten baS Pfund Kabilau 17Pfz , Seelachs 17 Pfg., Schellfisch 38 Pfg. und Flußhecht 35 Pfg. Da der erste Versuch so gut gelungen ist, wird der Verkauf der Fischt nun alle acht Tage in gleicher Weise und am gleichen Orte erfolgen. Um dem Andrang zu genügen, ist die Errichtung von zwei Verkaufsstellen beschlossen worden. Der 89 Jahre alte Gutsbesitzer Fiedler aus dem Dorfe Schöps wurde auf der Landstraße bei LSVau beim Durchgehe» seines Pferdes, das vor einem Automobil scheute, aus dem Wagen und so heftig gegen einen Baum geschleudert, daß er augenblicklich tot war. Da» Polizeiamt der Stadt Leipzig gibt bekannt: „Auf öffentlichen Straßen und Plätzen, in Straßenbahn, wagen sowie an allen Orten, wo öffentlicher Verkehr stattftndet, sind Hutnadeln derart verwahrt zu tragen, daß Gefahren für Personen nicht entstehen können. Zuwider handlungen, die die Verletzung einer Person zur Folge haben, werden — von den HaftbarkeitSfolgen abgesehen — nach § 230 deS NeichsstrafgrsetzbuchS mit Geld- oder Gefängnisstrafe geahndet". Am Sonnabend fand in Plauer» i. V. der Margaretentag statt. Der große Tag, der mit einer Morgenmusik deS PosauenchoreS von Trömels Cafe aus eingeleitet wurde, dürfte trotz oller Wetterunbill einen vollen Erfolg gebracht haben. Die Auflage der Fest- Zeitung betrug 10000, die Zahl der zum Verkauf stehenden Festpostkarten 136000. Schätzungsweise wird da- Er gebnis auf 50000 Mk. angegeben. Hauptversammlung des Landesverbandes der Evangelischen Arbeitervereine im Königreich Sachsen. Dieselbe fand am 18. und 19. März unter überaus zahlreicher Beteiligung auS allen LandeSteilen in Lugau im Erzgebirge statt. Von den 110 Vereinen deS Ver bandes waren 90 durch etwa 200 Delegierte vertreten. Die benachbarten Vereine hatten außerdem zahlreiche Gäste entsandt. Am Sonnabend abend wurde« nach kurzer Begrüßung eine Anzahl Anträge erledigt, die zum großen Teil organisatorischer Natur waren Ein Antrag, der die Behandlung des Thema- „Arbeiterstand und Schule" im Verbandsblatt forderte, wurde im Interesse der gedeihlichen Mitarbeit der Geistlichen und der Lehrer in dem Sinne abgelehnt, daß, wie bisher, in der Frage der Reform dek Religionsunterrichtes d r Landesverband strengste Neutralität wahrt, im Uebrigen aber der Schriftleitung freie Hand gelassen wird. Hinsichtlich der Verbandspresse wird in Aussicht genommen, dem Landes- verbandSorgane lokale Beiblätter für die Kreisverbände zu geben, die die besondere Aufgabe haben sollen, der sozialdemokratischen Presse des Bezirk- entgegenzutreten. Nach einem gemeinsamen Kirchgänge am Sonntag fand di- Hauptversammlung der Sterbekasse statt, während die Krankenkasse deS Verbände- diese vor der Sonnabend- sitzung abgehalten hatte. Das Mittagsmahl vereinigte die meisten Teilnehmer der Tagung, worauf der Lande-verband-vorsttzende, Herr Pfarrer Drechsler- Klein - Zschachwitz, die eigentliche Hauptversammlung eröffnete. Gesang und Gebet, jubelnd aufgenommenes Kaiser- und König-Hoch und die Begrüßung der Ehren gäste, die al- Vertreter der Regierung, der Gemeinde, der Kirche und Schule anwesend waren, ging den Be ratungen voraus; als Vertreter der Regierung war Amtshauptmann Fritzsche au- Stollberg erschienen. Danach erstattete der Vorsitzende den Jahresbericht Daraus ist hervorzuheben, daß infolge der rührigen Tätigkeit deS Agitation-au-schusseS, unter Vorsitz de- Herrn Pastor Richter-Königswalde, den bisherigen zwei BerbandSsekretären zwei neue im Hruptamte zugestellt werden konnten, denen ein fünfter am 1. April in Zwickau folgen wird. Der LandeSberband zählt IkO Vereine mit fast genau 18000 Mitgliedern; er ist im Berichtsjahre um vierzehn Vereine gewachsen. Immer wieder klagen die Vereine über Terrorismus von gegnerischer Seite. Einen Markstein in der Geschichte des Verbände- bedeutet der erste sächsische nationale Arbeiter- und Grhilfentag in Dresden, dessen Anregung und Durchführung dem Landesverband viel Arbeit kostete. Der Soziale Ausschuß nahm zur Reichswertzuwachssteuer, zur Verkürzung der geschloffenen Zeiten, zur Fleisch- teuerung, zum TerroriSmuS der sozialdemokratischen Gewerkschaften durch unbillige und einseitige Tarifverträge und zu den sogenannten gelben Gewerkschaften Stellung. Auch von den einzelnen Vereinen wird praktische soziale Betätigung an paritätischen Arbeitsnachweisen, unent geltlichen Rechtsauskunftsstellen, Spar- und Bauvereinen und Fürsorge für die Arbeitslosen berichtet. Oft werden auch Erfolge bei den verschiedensten Wahlen gemeldet. Der Bildung von Jugendgruppen und Arbeiterinnen vereinen soll künftig besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Dem VerbandSschriftleiter, Herrn Lehrer Alfred Ziegenfuß.DreSden, wird für seine außerordentlich fleißige, gewandte und unerschrockene Arbeit der herzlichste Dank ausgesprochen. Der Kassenbericht deS Landesverbandes balanziert mit etwa 27000 Mark. Den Höhepunkt der Tagung bildete der Vortrag deS EhrenbeisttzerS, Herrn Pastor Winter-Dresden, über: „Haben wir Ursache uns deS neuen deutschen Reiches zu freuen". Mit brausendem Beifall wurde der Vortrag ausgenommen, und spontan brauste danach das deutsche Sturmlied „Deutschland, Deutschland über alles" durch den Saal. Danach wurde über die Krankenunterstützunas- und Sterbekasse des Laude-verbandes berichtet. Die KrankenunterstützungSkasse schließt mit zirka 40000 Mk., die Sterbekasse mit zirka 50000 Mk. Vermögen ab. Zur ReichstagSwahl wird folgende Resolution an genommen: „Die Hauptversammlung lenkt die Aufmerksamkeit der Vereine auf die bevorstehenden Reichstagswahlen. Sie ist der Meinung, daß die Evangelischen Arbeiter vereine bei diesen keine andere Stellung als die bis herige einnehmen können und weist die von verschiedenen Seiten daran geübte Kritik zurück. Unsere Vereine stehen auf vaterländischem und christlichem, aber nicht parteipolitischem Boven. Mitglieder aller bürgerlichen Parteien haben in ihnen stets friedlich und freund schaftlich zusammen gewirkt. Sie werden deshalb für die Hauptwahlen keine andere Losung haben als diese: Unsere Mitglieder wähle« unter keinen Umständen sozialdemokratisch- Die Abstimmung für einen sozial demokratischen Kandidaten, den wir «IS solche für einen Christentum-gegner und für national unzuverlässig halten müssen, würde für sie eine Verleugnung unsrer Bestrebungen bedeuten. Dagegen bleibt es ihnen überlassen, zu entscheiden, welcher von den nationalen Kandidaten den gerechten Wünschen der Arbeiter am meisten entgegenkommt und dann diesem ihre Stimme zu geben. Die Vereine als solche können zunächst für keinen Kandidaten eine agitatorische Tätigkeit entfalten. Dagegen ist von ihnen zu erwarten, daß sie in einer etwaigen Stichwahl mit »oller Kraft für den nationalen Kandidaten wirken." Ebenso einstimmig wurde folgender Zusatz zu der Resolution angenommen: „Hinsichtlich der Kandidatur des Landesverbands- schriftführerS, Herrn Pastor Richter-Königswalde, im 6oM5 Mühlen. Erzählung von Wilhelm Braunau. „Papa, wo gehst du hin?" „Ich will noch einmal auf das Schiff, liebes Kind; ich habe noch einige Worte mit unserem Freunde Carlo da Vighi zu sprechen. — „Warum fragst du?" „O, dann bitte, nimm mich mit, lieber Papa. Ich möchte Francis auch noch einmal sehen, ehe er so weit fort geht. — Darf ich?" Tas Kind, welches diese Frage stellte, ein schöner, schwarz lockiger Knabe mit einem klugen Gesichtchen, blickte mit seinen Hellen, klaren Augen zu seinem Vater empor, der, eine hohe, «ühngeformte Gestalt mit echt portugiesischen! Gesicht, eben im Begriff war, sein Palastähn iches Haus am Prado zu Rio ve Janeiro, der Hauptstadt Brasiliens, zu verlassen und dem mit seinem Mastenwald weithin sichtbaren, geräumigen Hafen zuzuschreiten. Ein leises Nicken des Kopfes verkündete dem Knaben die Erfüllung seiner Bitte und Reifen und Spieiball auf die Stufen des Hauses werfend, faßte er die Hand des Vaters, um vergnügt an dessen Seite dem Hafen zuzuwandern. Draußen auf der Rhede, etwas gesondert von der ge waltigen Zahl der größeren und kleineren Schiffe, welche sich auf der spiegelglatten, glitzernden Wasserfläche des Hafens wiegten, lag ein großer, stattlicher Dreimaster, der nach der regen Tätigkeit zu schließen, welche an seinem Bord herrschte, sich rüstete, seinen Kiel nach dein Osten zu wenden, um die gewaltige Fläche des atlantischen Ozeans zu durchfurchen. An seine Bordwand gelehnt, das feuchtschimmernde Auge nach dem Lande gewendet, stand eine düstere Männergestalt, offen bar in ein tiefes, ernstes Sinnen verloren, denn der Mann schien das muntere Schwatzen des neben ihm stehenden Knaben nicht zu hören, der, beweglich wie alle. Südländer, den Vater bald auf dies, bald auf jenes aufmerksam machte. l Carlo da Vighi, einer der reichsten Kaufherrn der brasi- i lianischen Residenz, hatte vor wenigen Tagen die telegraphische Nachricht aus England erhalten, daß das Handlungshaus, welches dort seine Interessen vertrat, Bankerott gemacht habe und, wenn er nicht bedeutende Verluste erleiden wolle, seine Persönliche Anwesenheit notwendig sei. Höchst ungern riß sich der reiche Mann aus seiner gewohnten Bequemlichkeit und von dem Kreise hochgeachteter Freunde und teurer Ver wandten los, um die weite, immerhin nicht gefahrlose Reise mit dem fertig vor Anker liegenden Dreimaster anzutreten. Unvermögend, sich von einem bald mutterlos gewordenen Knaben feinem einzigen Kinde zu trennen, hatte er den Ent schluß gefaßt, denselben mit sich über den Ozean zu nehmen, da er wohl voraussah, daß die verwackelten Geschäfte ihn viel leicht auf lange Zeit von der Heimat fern heckten würden. Es war dämm kein Wunder, daß der durch so innige Bande an die Heimat gefesselte Mann, den ienseits des Meeres verdrießliche Verrichtungen io mancherlei Art erwarteten, mit recht schwerem Herzen von der Hemmt schied und deren An blick noch so lange, als es möglich war, genießen wollte. Von keinem aber war ihm der Abschied schwerer ge worden als von Pidro da Alvarez, seinem besten und ver trautesten Freunde, demselben Mann, der jetzt, in Begleitung seines etwa siebenjährigen Knaben, dem Hasen entgegenschritt und mit dem Freunde noch einige Minuten zu verbringen und einige letzte Aufträge demselben mitzugeben. Vater und Sohn hatten den Hafen erreicht und der erstere winkte einen der vielen Transportkähne, welche dienst bereit sich überall herumtummelten, herbei, um ihn noch dein Dreimaster da draußen hinaus zu rudern. Ehrerb etig folgte die Mannschaft dem Rufe des ihr wohlbekannten reichen Handelsherrn und legte das große Boot dicht an die Quader treppen des Quais an. Lustig sprang der mmckere Knabe über die Planken voran, gesenkten Hauptes folgte der Vater, um sich mit einem kurzen, aber nicht unfreundlichen Kopf nicken gegen die Ruderknechte aus eine Seitcnbank niederzu ¬ lassen. Ein kurzes Wort und eine bezeichnende Handbewegung und das große, schwere Boot schoß nach geschickter Wendung unter dem Ruderschlage von acht kräftigen Männern pfeil schnell zwischen den großen und kleinen Fahrzeugen hin in der Richtung nach dem vor dem Ausgang des Hafens maje stätisch daliegenden Kauffahrer. Ter gegen die Bordwand des letzteren gelehnte Mann hatte schon einige Zeit mit aufmerksamen Micken das sich in gerader Richtung und mit größter Schnellig keit seinen: Schiff zueilende Boot verfolgt. Da hob er sich plötzlich aus seiner nachlässigen Stellung empor und sah schärfer hin — ein zufriedenes Lächeln flog über seine ernsten Züge, er hatte den Freund mit seinem Knaben er kannt und während er sein Taschentuch zog, um den Heran kommenden schon von weitem einen Gruß zuzuwinken, faßte er mit der Linken die Hand seines Kindes, um den Knaben auf die Ankunft seines gleichalterigen Gespielen aufmerksam zu machen. Wenige Minuten noch und die Männer schüttelten ein ander herzlich die Hände, während die beiden Knaben, der Gegenwart ganz vergessend, munter und sroh aus dem breiten, blanlgescheuerten Deck umhersprangen. Eine Trennung auf lange Zeit ist etwas sehr schmerz- liches und länger, als er geglaubt, verweilte Piedro da Alvorenz mit dem Freunde in der Kajüte, stets fiel dem einen oder anderen der beiden Männer noch ein Gegenstand ein, wichtig genug, um noch vor dem Abschied besprochen zu werden. Ta erschien endlich der Kapitän und erinnerte die beiden Männer in ehrerbietiger, doch einen Widerspruch nicht dulden den Weise, daß die Stunde der Abfahrt gekominen sei und jede weitere Verzögerung ihm selbst ernste Verantwortung zuziehe. Da nmßte denn endlich geschieden sein. Die Väter winkten den Knaben zu, nunmehr Abschied zu nehmen, weinend erhoben sie sich, Piedro da Alvarez nahm sein Kind an dec Hand und die Männer bestiegen das Verdeck.