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MMM » MW Beilage M Nr. 39. Dienstag, 4. April 1911. Denksprüche für Gemüt ««» »erst««». Daß dein Leben Gestalt, dein Gedanke Leben gewinne, Laß die belebende Kraft stets die bildende sein. Sachse«. Wilsdruff, den 3. April. Die öffentlichen Prüfungen in der Klemichschen Handels- und höheren Fortbildungsschule in Dresden (Moritzstraße 3) wurde» am 29. März für die weiblichen und am 30. März für die männlichen Schulbesucher ab- gehalten. Die Entlassungsfeier wurde am 31. März fest lich begangen. Herr Organist Eckardt eröffnete die Feier mit einem Vortrag auf dem Harmonium. Direktor Klemich gab den Schulbericht vom abgelaufenen 45. Schul jahr. Hiernach erfolgten die Auszeichnungen an die Tüchtigsten. Den ersten Grad der Auszeichnung (Diplom) erhielten 10 Abgehende, den zweiten Grad (öffentliche Belobigung) 11, den dritten Grad (Anerkennung) 12. Die Hauptzensur l erhielten 4 Abgehende, die Id erhielten 15, dir Ila erhielten 44, die II erhielten 58, die II d erhielten 38. Auf die anderen entfielen die Zensuren III», Ist usw. Zur Verteilung kamen 6 Bücherprämien, gestiftet von der Schule und vom kaufmännischen Stenographenverein Gabelsberger zu Dresden. Der Albertzweigverein und der Verein für Wohl fahrtspflege in Borna-Land beabsichtigen, am 9. Juli d. I. im ganzen Bezirk der Amtshauptmannschaft Borna einen allgemeinen Margaritentag abzuhalten. Der er- hoffte Reingewinn soll zu zwei Dritteln den beiden Ver- einen, zu einem Drittel den betreffenden Orten für Wohltätigkeitszwecke zufließen. Vom fünften Stockwerk des neuen Rathauses in Werdau stürzte am Freitag abend gegen 7 Uhr die Frau des Schutzmannes Schädlich beim Fensterputzen auf den mit Steinplatten belegten Fußweg. Mit zerschmettertem Schädel und anderen schweren Verletzungen blieb die Un glückliche tot liegen. Von der Polizei in Mittweida wurde die am 15. August 1888 in Wintersdorf (S.-A.) geborene Kellnerin Lina Martha gesch. Thümmler, geb Hüfner festgenommen. Sie hat vor einem Jahr in Altenburg ihr einjähriges Kind durch Ersticken ermordet. In Krohburg wird mit Beginn des neuen Schul jahres eine MädchenfortbildungSschule errichtet. Mit dem gleichen Zeitpunkt erhalten die Fortbildungsschüler Turn- unterricht, dessen Erteilung den beiden dortigen Turn vereinen übertragen ist. Am Mittwoch vormittag in der elften Stunde geriet in der Holzwarenfabrik von Ullrich und Hoffmann in Niederseiffenbach der ledige Arbeiter Müller aus Seiffen in eine herabgefallene Schnur, die ihn mit sich an die Decke riß und ihn einige Male um die Trans mission schleuderte. Bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, fiel der Diann tot zu Boden. , Der Plan, zwischen Oelsnitz und Hof eine Auto- mobllverbindung herzustellen, gewinnt greifbare Gestalt. Um Hof letzt mit der Bahn zu erreichen, muß man von Oelsnitz über Plauen fahren und eine Strecke von 68 Kilometer zurücklegen. Die Länge der Automobilstrecke beträgt 24 Kilometer. Man rechnet, daß die in Aussicht genommene Gesellschaft m. b. H. mit einem Grundkapital von 45000 Mk. auskommt. Die Automobilverbindung wird voraussichtlich bereits am 1. Juli ins Leben treten. Die anläßlich de» Margaretentages in Plaue« i. ». g-machten Stiftungen betragen etwa 13000 Mk., so daß sich der Gesamtertrag, einschließlich deS Inhaltes aus de» Sammelbüchsen und sonstigen Spenden, auf etwa 73000 Mk. stellen würde. Die Unkosten »erden auf 6000 bis 7000 Mk. geschätzt. Ein gemeines Verbrechen scheint in Gera begangen worden zu sein. In einer Wohnung der Reichsstraße fand man ein 2'/»jähriges Mädchen anscheinend erstickt tot auf dem Sofa. Am Donnerstag wurde ein lediger Mensch, ein Logisgänger der Elter» des Kindes, festge- nommen, da er verdächtig ist, das Kind getötet zu haben, nachdem er eS mißbraucht hat. In Telsche« herrscht seit einiger Zeit eine Typhus- epidemie, die eine größere Ausdehnung angenommen hat, alt in den einzelnen auS Letschen stammenden Nachrichten zugegeben wird. Die Schulen sind geschloffen. Die Zahl der ErkrankungSfälle soll weit über 100, man spricht sogar von 200, betragen. Amtlicher Bericht »er Sitzung des Bezirksausschusses zu Reitze« am 29. März 1911. Nm Mittwoch fand im Sitzungssaale der Königlichen Amtshauptmannschaft die dritte Sitzung deS Bezirksaus schusses unter Vorsitz des Herrn Nmtshauptmanns Frei herrn von Oer statt. In öffentlicher Sitzung wurde die Rechnung des gemeinsamen Gewerbegerichts von Gemeinden der Königlichen Amtshauptmannschaft Meißen genehmigt und dem Kassierer einstimmig Entlastung erteilt. Genehmigt wurde die Errichtung von Schlachthaus, anlagen in Leubrn, Zadel und Diera und einer Firnis- siederei in Kötitz; die Zergliederung mehrerer Grundstücke ir Weinböhla und Coswig; die Umbezirkung von 21 mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke» aus dem selbständigen Gutsbezirk Deutschenbora und eines Flurstückes (Teil des Bahnkörpers) in Elgersdorf in die Gemeinde Deutschen- bora; die Uebernahme bleibender -Verbindlichkeiten bezüglich der Anlage elektrischer Leitungen seitens Niedermeisa, Htntermauer und Fischrrgafse gegenüber der Stadt Meißen und seitens Brockwitz gegenüber dem Elektrizitätswerk Niederlößnitz ; ferner bezüglich eines Schleusenbauer seitens Niederwartha. Zugestimmt wurde dem ortsstatutarischen Beschluß der Gemeinde Bieberstein über Gehalt des Gemeinde- Vorstandes. Die Streitigkeit über die Oeffentlichkeit des Fußweges im Käbschützbachtal von Luga über Lcutewitz nach Zöt hain wurde dahin entschieden, daß der Fußweg auch in Flur Tronitz öffentlich ist. Zu den Mehrkosten, die der Bezirksanstalt Bohnitzsch durch die plötzlich notwendig werdende Vertretung deS Anstaltslehrers erwachsen sind, hat das Königliche Kultus ministerium eine Beihilfe bewilligt. Der Gemeinde Robschütz wurde die für 1910 nach träglich erbetene Wegebauunterstützung von 85 Mk., die seit langer Zeit alljährlich in diesem Betrage auf Grund bestehender Vorträge gewährt worden war, auf Rechnung des Jahres 1911 noch nachträglich bewilligt. Bezüglich der Vorarbeiten zur Errichtung einer Be- zirkSsiechenanstalt wurde beschlossen, daß von allen Mit gliedern deS Bezirksausschusses und den Hilfsarbeitern der Amtshauptmannschaft auf Grund der Berichte von bestehenden Anstalten anderer Bezirke schriftliche Berichte und Entwürfe von Fragebogen eingegeben werden sollen, auf Grund deren dann das gesamte Material einheitlich bearbeitet werden soll. In nicht öffentlicher Sitzung wurden genehmigt die Schankerlaubnisgesuche von Seifert in Deutschenbora, Mehnert in Ziegenhain, Müller in Taubenheim, Nacke in Zehren, Rey in Coswig, Fröhnet in Mauna und Vogel in Brockwitz; abgelehnt die Konzesstonkgesuche von Knobloch in Taubenheim und von Schüttig i» Oberspaar. Zur Vorberatung der finanziellen Auseinandersetzung bei etwaigem Ausscheiden der Stadt Meißen aus dem Bezirksverband wird eine Kommission von drei Mitgliedern eingesetzt, die mit der Stadt verhandeln soll. Bei der Erörterung des Ministerialerlasses über die Pflege der Heranwachsenden Jugend sprach sich der Be zirksausschuß dahin aus, daß eine Vereinigung städtischer und ländlicher Jugend nicht zweckmäßig sei und mit Gründung von Bezirksverbänden der Jugendvereine ge wartet werden müßte, bis die Verbände auf dem Land besser entwickelt wären. Verschiedene Beschlußfassungen machten sich wegen einiger bei Verwaltung der Bezirksstraße aufgetauchter Fragen erforderlich. Auf Anordnung des Königlichen Ministeriums des Innern ist das Tanzregulativ in einem Punkte von ge- ringerem Interesse abzuändern. Dabei wurde ferner über eine Eingabe deS Saalinhaberverbandes verhandelt, nach welcher Tanzwirte als Aufsichtsführende bet öffentlichen Tänzen zugelassen werden sollen und auch keine Abgaben für die Erlaubnis außerregulativmäßiger Tanzmusik er hoben werden möchten. Der erste Beschwerdepunkt wurde kurzer Hand als ganz unbegründet zurückgewiese», da selbstverständlich keine Privatperson in ihren eigenen An gelegenheiten als Behörde tätig »erde» kann. Auch die Abgabe wird als gerechtfertigt augesehe», denn a»ßer- regulativmäßige Tanzmusik soll doch nur beantragt werden, wenn ei» besonder- starkes Bedürfnis öorliegt. Da» Vorltegen einer solchen Bedürfnisses wird a» besten da durch bewiesen, daß der Wirt bereit und in der Lage ist, die geringe Abgabe zu leisten; wenn dagegen der Wirt selbst nur so geringfügigen Besuch erwartet, daß er, wie oft behauptet wird, nicht einmal die Abgabe verdient, dann liegt auch keine Veranlassung vor, die sowieso häu figen Tanzgelegenheiten noch durch außerordentliche Ver anstaltungen zu vermehren. Lottes NMIen. Erzählung von Wilhelm Braunau. Plötzlich aber, als habe eine höhere Kraft ihn gebannt hielt er inne, einer Bildsäule gleich stand er da, dann aber wendete er langsam scheu den Kopf rückwärts nach der höher gelegenen Klippe, mit einem Ausdruck, als ob er sich fürchte, da zwei ihn zermalmende Augen zu begegnen. Noch einmal, als er eben die Stange zum Stoße hob, um das Leben des Kindes zu vernichten, hatte er durch das Tosen des Sturmes hindurch seinen Namen rufen gehört, nur seinen Namen, nichts weiter, und doch hatte dieser Ruf seinen Arm gehemmt, seinen wilden mordgierigen Blick in einen scheuen, fast untertänigen verwandelt. „Jaques l" Gellend, wie ein Schmerzens- oder Angstruf Und dabei doch w eder so weich, so lieb, so bittend und doch so befehlend klang der Ruf aus einem einzigen Munde von der Klippe herab, der Ruf, der dem Kinde das Leben rettete. Als der Angerufene emporsah, stand droben auf dem vor dersten Felsen des hohen Users eine Mädchengestalt, einfach und schlicht in ihrer armen Bauerntracht und doch hoch und hehr und ein mächtiger Unwille, nut Angst und Entsetzen ge paart, sprühte aus ihren dunklen Augen und belebte ihr hoch- gerötetes Antlitz. „Tu' dem Kinde nichts, Jaques, laß mir den Knaben!" rief sie, die zaudernde Bewegung des Burschen merkend und dieser lehnte, von den wenigen Worten des Mädchens völlig umgewandelt, seine Bootstange in die nächste Felsenritze, hob .den Knaben sanft wie ein Vater empor, und stieg unbe kümmert darum, daß ihm in der Zwischenzeit reiche Beute entgehen konnte, mit seiner Last das felsige Ufer empor, bis er vor dem Mädchen stand und den Knaben vor ihr auf den kurz abgeweideten Rasen legte. Auch Gaston hatte bei dem Rufe emporgeblickt und ^iw hellerSt^ahlbrach^aus sestnenAugen,als er droben das Mädchen stechen sah, dem >em Herz ,chon lange gehört'uNV das eben in so deutlicher Weise die Übereinstimmung ihrer Gefühle mit den seinigen an den Tag legte. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn Jaques diesen Blick bemerkt hätte. Eine eifersüchtige Regung wollte in Gastons Brust aussteigen, als er sah, wie das Mädchen zu dem Kinde sich niederbeugend, mit einem dankbaren Blick dem an seinen Posten zurückkehrenden Jaques zunickte, der hierüber voller Glück zu sein schien. Daß er das Kind hatte töten wollen, konnte ihm das Mädchen nicht so hoch anschlagen, dergleichen war unter ihren Augen wohl öfter schon geschehen und sie hatte es nicht hindern können, daß er ihr aber augenblick lich Gehorsam geleistet und ihr das Kind gebracht hatte, das glaubte er, müsse ihm in ihren Augen ganz besonders als ein Verdienst gelten. Als der Tag sich dem Ende zuneigte, waren die meisten der gestrandeten Güter geborgen; außer dem zum Leben wieder erwachten Knaben war kein Lebender an das User getrieben worden. Allerdings machten Mignon's Eltem sehr verdrießliche Augen, als die Tochter ihnen den unerwarteten Gast ins Haus brachte; allein der Knabe war gar zu schön und die heutige Beute so außerordentlich reich gewesen, daß man den Gast wohl mit in den Kauf nehmen konnte. Vielleicht brachte ihnen der Findling, der von sehr seiner Herkunft zu sein schien, noch einmal ein rechtes Glück ins Haus. Das Mädchen, das zu rechter Zeit dazu gekommen, um dem Kinde das Leben zu retten, hatte sich mit wirk licher Aufopferung um dasselbe bemüht und seine Freude war groß, als dasselbe endlich seine großen, dunklen Augen aufschlug und verwundert um sich blickte. Als aber Mgnon den Mund öffnete und die ersten Fragen der Teilnahme an den Wiedererwachten richtete, da blickte der Knabe sie zuerst fremd an und als auch er endlich zu sprechen be gann, da waren es sremde, unbekannte Töne, wie sie, die ja nur seither mit rauhen Schiffern verkehrt war, solche noch nie vemommen hatte. Mes Und der UmstäNd,' Latz^ der^ffenbär m^ einer viel wärmeren Zone geborene Knabe an der rauhen winterlichen Küste beständig fror und sich sehr niedergeschlagen zeigte, machte seiner Erretterin das Herz oft recht schwer, als aber der Früh ling in das Land kam und die Sonne wieder wärmer schien, da erwachte Moniz, wie sich der Knabe genannt hatte, zu neuem Leben und er schien die Zeit kaum erwarten zu können, da er in dem Boote seiner Pflegeeltern das erste Mal würde auf das Meer fahren dürfen. Kühn, wie ein eben nur an der See Gegorener es kann, lief er auf der schmalen Planke hin, seine Helle Stimme jauchzte bei den Schwankungen des Bootes frisch auf, in der Handhabung der Ruder bewies er eine Geschicklichkeit und Kraft, wie sie in solchem Alter selten ist, schnell hatte die kindliche Fassungsgabe sich auch an die allein gehörte Sprache seiner Umgebung gewöhnt und nun erzählte er seinen Rettern, daß er aus Brasilien stamme, aber nicht freiwillig, sondern durch selbst verschuldete Unvorsichtig keit die weite Reise gemacht habe. Seine Eltem lebten also noch und sehnten sich gewiß heiß nach ihrem Kinde. Aber wie dasselbe zurückbringen? Zeitungen wurden von den Küstenbauern, die des Lesens nur höchst mangelhaft kundig waren, nicht gehalten, Schiffe legten an der gefährlichen Küste nur selten an und endlich dachte Mignon, welche das Kind schnell sehr lieb gewonnen hatte, nur mit schwerem Kummer daran, sich wieder von demselben zu trennen. — Der Knabe schien sich an seine Umgebung ganz gewöhnt zu haben und die Anhänglichkeit seiner Retterin zu teilen. „Also du hast mir das Leben gerettet und der böse Ma.m da hat mich töten wollen," sagte er eines Tages — es ochte seit sei er Rettung ein Jah verflossen sein und er konnte sich schon recht gut verständlich machen — und dabei deutete er auf Jaques, welcher oft, als ob er das Recht dazu habe, bei Mignon einsprach und auch jetzt wieder auf, einem Stuhle neben dem Ofen saß, seine kurze Pfeife zwischen den Zähnen.