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Well Im nl > a IX:2^2>^L<r2<r2<L1X2IX2IXr2<>L^V^L^2^>v^r2<>I?^l>2^ Dabei wies er auf den Betreffenden, einen Mann etwa in der Mitte der Vierzi ger, von stattlicher Erscheinung, „Der kann jodeln — besser, als alle un sere Volkssänger zusammen, aber freilich, io gut, wie fein verstorbener Bruder, ver steht er's doch nicht," fuhr der Herr fort. „Der letztere gehörte zu den Lieblingen des verstorbenen Kronprinzen Rudolph und er, sowie der berühmte Fiaker Bratfisch, haben den Kronprinzen ungezählte Male mit ihrer Kunst erfreut. Das war eine schöne Zeit!" Und nun erging der Sprecher sich in be geisterten Schilderungen jener lustigen Vergangenheit, indes die junge Professorin interessiert zuhörte und zuweilen eine Frage einflochl. Auch Herr Balder beteiligte sich an dem Zwiegespräch, infolgedessen wurde er eben- latls bald mit Lia vertrauter. Wie scharf der „alte Freund" der Miß Gibbs sie be obachtete, ahnte sie freilich nicht. „Wird jener Herr denn nicht heute Abend auch etwas singen?" erkundigte sich Lia. Der andere erbot sich, ihn dazu auszu fordern „Ich glaube, er würde es ohne dies tun, aber wenn ich ihm sage, daß er damit den Wunsch einer so reizenden Dame —" dabei verneigte er sich ein wenig ! vor Lia — „erfüllt, so tut er's um so lie s der." Damit stand der Herr auf und wand sich zwischen dem Gedränge der Gäste hin durch, bis zu dem langen vor die Fenster gestellten Tisch, an dem der populäre Sän ger saß. „Wie nannte der Herr doch den Jodler?" fragte Balder Lia. „Klepetar," entgegnete die junge Frau. „Klepetasch" wiederholte jener. „Das ist ein böhmischer Name?" „Ja, natürlich." „Dann wird er auch Wohl nicht Klepe- ta—s—ch. sondern Kleveta—c - z geschrie ben?" Und Balder buchstabierte den Na men. — — „Nein," widersprach Lia. „Richt cz, sondern r mit den« Accent, das spricht man ivie sch aus." „R mit dem Accent?" wiederholte der Schriftsteller. „Ich vermag mir das nicht ' vorzustellen." Er griff in seine Tasche, holte einen Notizblock und einen Bleistift hervor und begann allerhand Wunderliche Zeichen zu kritzeln. Lia lachte laut auf. „Aber, Herr Bal der, welche seltsamen Hieroglyphen malen Sie da! Sehen Sie, so wird's gemacht." lind sie nahm ihm den Bleistift fort und ßhricb ihm das r mit dein Accent vor. „Wie drollig!" Herr Balder betrachtete den Buchstaben angelegentlich und erkun digte sich noch nach allen möglichen andern böhmischen Worten, die auch einen Accent erheischten und Lia schrieb sie ihm alle vor, worauf er sie gleichfalls nachmalte. Dabei amüsierten sich beide ausgezeichnet und fan den des Lachens kein Ende. Scherzweise ergriff Balder zuletzt den Bleistift mit dem kleinen Finger und dem Daumen und schrieb auf diese ungewöhnliche Art, dann probierte er wieder, mit der Faust den Stift haltend, zu schreiben und so noch man ches Aehnliche Lia in ihrer ausgelassenen Laune aber folgte seinem Beispiel. Inzwischen hatte der Bruder des ver storbenen Freundes des Fiakers Bratfisch u singen begonnen und mit lautloser Auf merksamkeit horchte das Publikum ihm zu Er fang und jodelte wirklich ausgezeichnet mit einer sympathischen Stimme, die un willkürlich bei den sentimentalen Stellen das Herz ergriff und bei den lustigen die Hörer zu jubelndem Lachen Hinriß. Balder und Lia lauschten ' ebenfalls, aber ihre Schreibübungen unterbrachen sie deshalb doch nicht, nur verständigten sie sich über das, was sie vorhatten, im Flüstertöne. Die nervöse Lia war, einesteils durch die auf zwei verschiedene Gegenstände gerichtete Aufmerksamkeit seitens des Gefährten und ihrer selbst, andernteils wohl auch durch den reichlich genossenen Wein — denn Balder goß ihr fortwährend ein, ohne daß sie es recht bemerkte — in eine so angeregte Stim mung geraten, daß sie über dem augenblick lichen Vergnügen alles vergaß. Es begeg nete ihr das häufig, wenn sie sich amüsierte, sie ließ sich dann von ihrer Laune fort- rcißen und benahm sich wie ein ausgelasse nes Kind. „Wie kindlich sie doch noch ist!" pflegte in solchen Augenblicken ihr Gatte zu denken, einem erfahreneren, sachkundigeren Auge freilich erschien ihr Wesen in einem beträchtlich andern Licht. Und immer weiter ging das Schreib spiel. Herr Balder bewies eine unerschöpf liche Phantasie im Ersinnen immer neuer Arten, zu schreiben, zuletzt probierte er's auch mit der linken Hand und Lia machte ihm unbedenklich auch dies nach. Sie schrieben, den Bleistift mit dem Daumen, dem Zeige- und auch dem Mittelfinger der linken Hand haltend, dann mit dem Dau men, dem Mittel- und dem vierten Finger, und fo immer fort — viele Blätter des No tizblocks waren schon unter Lachen und Scherzen angefüllt Auch der Inhalt dessen, was man schrieb, gab zum Lachen Anlaß; man zeichnete die Worte auf, die man Von hier und dort kommend, aussing und amü sierte sich dann über den tollen Unsinn, der aus diese Weise entstand. Die andern Glie der des Egerschen Kreises nahmen an dem Spiel nicht teil, denn! sie hatten mit dem Zuhören der Vorträge genug zu tun, außer dem liebäugelten auch die jungen Herren mit ihren Kolleginnen und tauschten zwi schendurch mit andern Damen, die sich in dem Lokal befanden, ausdrucksvolle Blicke aus — kurz, jeder war vollauf beschäftigt. Nur der Professor saß ziemlich ernst da; wie immer, wenn er seine junge Krau in so ausgelassener Stimmung sah, erfüllten ihn geteilte Empfindungen, einerseits freute er sich an ihrem fröhlichen Wesen, andererseits konnte er doch ein gewisses Unbehagen nicht loswerden, weil, ohne daß er sich das selbst eingestand, ihr Uebermut ihn unnatürlich und übertrieben bäuchte. Doch liebte er sie zu sehr, um durch ein mahnendes Wort ihr das Vergnügen zu verderben. „Aber Gnädigste sind ja linkshändig," sagte da plötzlich Balder, als Lia eben wie der eine hinter ihrem Rücken gemachte Acußerung niederschrieb Lag es an seinem Ton oder woran sonst, daß die junge Frau, überrascht auf fuhr? „Linkshändig?" wiederholte sie in ftinktiv. „Ja doch. Wer fo deutlich, so kalligra phisch mit der linken Hand zu schreiben ver mag, muß linkshändig sein." „Sie haben bis zu einem gewissen Grade recht," mischte sich der Professor jetzt auch ein „Meine Frau besitzt eine ungewöhn liche Gewandtheit im Gebrauch der linken Hand und ich habe oft bewundert, Wie ge schickt sie bei manchen Verrichtungen die Rechte durch sie zu ersetzen vermag." „Das bildest du dir Wohl nur ein, Franz," entgegnete Lia mit einem gänzlich unmotivierten nervösen Auflachen. „Aber wo —" ihr Blick flog über den Tisch, indes ihre Pupillen sich unnatürlich erweiterten „wo — sind die Blätter mit unsern Schreib übungen?" „Ich habe sie zerrissen," entgegnete Bal der ruhig „und sie unter den Tisch gewor fen." — Die junge Frau sah unter den Tisch. Do lagen tatsächlich ein paar Papierfetzen, abe: wie es ihr erschien, waren sie nur zum klei nen Teil mit Schriftzeichen bedeckt. „Wc sind die Blätter?" rief sie noch einmal un gestüm. „Ich will mein Papier haben." „Aber Lia " mahnte der Professor er staunt über ihre Aufgeregtheit — „der Herr sagt doch, daß er sie unter den Tisch gewor fen hat/ Sie bückte sich, hob die Fetzen auf und paßte sie mit zitternden Fingern aneinan der. Ganz gewiß waren es lange nicht alle, aber Balder hatte sic in so kleine Stücke zerrissen, daß es unmöglich war, sie auch nur annähernd zusammenzustellen. „Geben Sie mir die Papiere!" wollte sie schreien, aber sie sah selbst ein, daß es ihr nichts nützen würde, daß sie vielmehr damit nur noch mehr auffallen würde. Mit der fast heroischen Selbstbeherrschung, die hysteri schen Frauen in entscheidenden Augenblicken eigen zu sein pflegt, die sie aber freilich nie sehr lange zu bewahren vermögen, zwang l sie sich zur Ruhe, aber doch konnte sie es nicht hindern, daß ihre unheimlich glühen- i den Augen ab und zu haßerfüllt zu Balder herüberflogen. „Wollen Gnädige nicht weiter schrei ben?" fragte dieser sanft. „Nein," entgegnete sie verächtlich. „Es ist ein läppisches Vergnügen." „Gnädige meinen, weil sich die Hand schrift doch nie verleugnet? Weil sie, mag sie mit der linken oder der rechten Hand geschrieben sein, für das Auge des Sach verständigen doch immer dieselbe bleibt?" „Ich bin keine Schreibsachverständige," j sagte Lia kurz, indem sie sich zu einer andern Person an dein Tisch wandte. Auch Balder richtete vorderhand nicht mehr das Wort an sic. „Haben gnädiger Fräulein einmal die Handschriftsammlnno der Madame Tissot in London gesehen?" fragte er die Miß Gibbs. „Das ist nämlich höchst interessant. Da kann man ganz ge nau die Veränderungen konstatieren, die sich bei der Reproduktion mit einer Land schrift vollziehen Photographiert verliert sie am wenigsten von ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten und hektographiert am meisten. Trotzdem erkennt man sie dennoch ! wieder, wenn man sich auf dergleichen vec- steht." „Sie haben sich wohl viel mit diesen Dingen beschäftigt?" erkundigte sich die Engländerin. „Ein wenig," lächelte Balder bescheiden. „Am meisten aber hat mich immer die j Spiegelschrift interessiert, denn —" und nun - hielt er der aufmerksam lauschenden Miß einen kleinen Vortrag über den Gegenstand. „Ist Ihnen kalt, gnädige Frau?" fragte einer der beiden Musikschüler die Gattin seines Lehrers. „Was veranlaßt Sie zu dieser Frage?" „Gnädige Fran schauderten so zusam men." „So? Ich weiß nichts davon." Und dann machte Lia irgend einen gezwungenen Scherz, über den sie selbst überlaut lachte. Der junge Herr lachte mit, aber er konnte sich dennoch eines befremdeten Kops