Volltext Seite (XML)
MMN ßr UMM Beilage zu Str. 150 Donnerstag, 30. Dezember 1909. Denksprüche für Gemüt und Verstand. Wer gerne tätig ist, hat immer was zu tun; Kind, sage nie: Ich bin nun fertig und will ruh'n. Anr Sachsen. WilSdruff, den 29. Dezember. Bei Gelegenheit von DiebstahlSerörterungen kam zur Kenntnis der Beamten der Kriminalabteilung, daß rin in Dresden aufhältlicher unbekannter Russe im Besitze von Kunstgegenständen, die aus Museen stammten, sein sollte. Durch eingehende weitere Nachforschungen gelang es schließlich am 23. Dezember, diesen Russen in der Person deS Kunstmalers Georg Paulus Modrow, geboren am 27. Februar 1886 in Lodz (Rußland), zu ermitteln und festzunehmen. Auf Vorhaltungen bestritt er jedwede strafbare Handlung, doch wurden bei einer sofortigen Durchsuchung seiner an der Bürgerwiese ge legenen Wohnung verschiedene Gemälde und Kunstgegen- stände, die aus Dresdner und auswärtigen Museen gestohlen worden waren, gefunden. U. a. wurde in einem außer ordentlich geschickt angelegten Versteck ein den Kopf eines Kinder darstellendes Originalgemälde des niederländischen Malers van Dyk im Werte von über 100000 Kronen, welches ans der fürstlich Harrachschen Sammlung in Wien am 24. August 1908 gestohlen worden war, zutage gefördert. Nach langem hartnäckigem Leugnen gab Modrow zu, den van Dyk gestohlen zu haben. Ebenso mußte er unter dem Druck der herbeigeschafften Beweise noch eingestehen, am 23. August 1908 aus der fürstlich Liechtensteinschen Bildergalerie in Wien ein wertvolles Llfenbeinrelief, den „Raub der Proserpina" darstellend, sowie am 6. November d. I. aus der Dresdner Arnoldschen Gemäldegalerie das Bild „Die Wolke" des Dresdner Malers Wolfgang Müller gestohlen zu haben. Auch wurde ein im März 1907 aus dem Dresdner Stadtmuseum gestohlener wertvoller TeufrlS- kopf aus Alabaster bei ihm vorgefunden. Offenbar hat aber Modrow, der in den letzten Jahren die verschiedensten Städte des In- und Auslandes bereiste, hierbei noch viele andere gleichartige Diebstähle in Galerien und Museen verübt. Seine Festnahme ist glücklicherweise noch kurz vor seiner beabsichtigten Wegreise ins Ausland erfolgt. Er hatte sich bereits einen mit falschen Perso nalien versehenen Paß verschafft, mit dessen Hilfe er die ReichSgrenze nach Rußland zu passieren gedachte. An scheinend ist er auch in seiner Heimat Rußland eine gesuchte Person. Schwer verunglückt ist gestern vormittag in einer Holzhandlung in Naundorf bei Kötzschenbroda der Arbeiter Otto auS Kötzschenbioda. Dieser stürzte von einem Bretterwagen so unglücklich herab, daß er bald darauf an einer schweren Gehirnerschütterung verstarb. Am Freitag hat sich in Großenhain unter zahl reicher Beteiligung eine Ortsgruppe des Landesverbandes im Verbände von Zivilanwärtern des deutschen Reiches zur Wahrung der Interessen der gesamten Zivilanwärter. Beamtenschaft gebildet. Der hinterlistige Ueberfall auf eine Kellnerin in Penig in der Nacht vom 24. Oktober beschäftigte das Chemnitzer Landgericht als Berufungsinstanz. Wie seinerzeit gemeldet, hatte der in Leipzig geborene 25 Jahre alte und jetzt in Glauchau wohnhafte Markthelfer Kurt Köckert seine frühere Geliebte, die Kellnerin D., die, um mit K. das Verhältnis zu lösen, heimlich von Chemnitz abgereist war und in Penig Stellung angetreten hatte, am 23. und 24. Oktober ausgesucht und Drohungen aus- gestoßen, als sie sich geweigert hatte, mit ihm nach Glauchau zu ziehen. Als dann in der Nacht deS 24. Ok tober gegen 12 Uhr dar Mädchen einmal zur Gaststube herauStrat, wurde eS plötzlich von K., der sich verborgen gehalten und auf diesen Augenblick gewartet hatte, gepackt, mir fortgeschleift und dadurch am Schreien gehindert, daß K. ihr einen Finger in den Mund steckte. Vis an das Ufer der nahen Mulde zerrte der Unhold das Mädchen, nachdem er es gewürgt hatte, dann versuchte er, durch Schläge mit der Faust gegen die Schläfe und auf die Nase, eS zu betäuben und dann drückte er ihr mit beiden Händen heftig an die Augen. Wäre nun nicht ein Mann dazugekommen, hätte K., der sofort die Flucht ergriff, seine beabsichtigte Untat wohl vollendet. Die Handlungsweise K.s war erst als versuchter Totschlag angesehen worden, dann aber an ihm vom Schöffen- gencht Penig als hinterlistiger Ueberfall und Körper verletzung mit sechs Monaten Gefängnis bestraft worden. Die von ihm und auch vom Staatsanwalt dagegen ein gelegte Berufung verwarf das Chemnitzer Landgericht, das die Strafe als angemessen fand. Ueber Typhuserscheinungen in Mylou wird ge meldet: Die Zahl der Fälle, bei denen TyphuS ärztlicher, seits festgestellt ist, hat die Zahl 21 erreicht. Außerdem besteht bei einer weiteren Anzahl TyphuSverdacht. Etliche Schwererkrankte sind in das Krankenhaus ein- geliefert worden. Todesfälle sind bis sitzt nicht vor gekommen. Behördlicherseits sind alle Maßnahmen ge troffen, um einer weiteren Ausbreitung eutgegenzuwirken. Rezirksarzt Medizinalrat Dr. Flinzer aus Plauen weilte in dieser Angelegenheit bereits zu wiederholten Malen in Mylau. Ein bestimmter Anhalt über die tatsächliche Ursache zudiesen plötzlich auftretendcnTyphus-Erkrankungs- erscheinungen liegt noch nicht vor. Der in Luga bei Bautzen wohnende Wirtschafts- besitzer Johann Schulze ist an Genickstarre erkrankt. Behördlicherseits sind bereits alle Vorsichtsmaßregeln ge troffen worden. Aenderungen in Ler Organisation Ler Sächsischen Staatseisenbahnverwaltung. i. In der Tagespresse ist bereits wiederholt davon die Rede gewesen, daß vom 1. Januar 1910 ab Aenderungen in der Organisation der Sächsischen Staatseiscnbahn- verwaltung eintreten. Hierüber sei im folgenden einiges Nähere mitgeteilt. Eine grundlegende Aenderung der gegenwärtigen Organisation, wie sie seit dem Jahre 1899 besteht, ist nicht vorgenommen worden. Im Gegenteil haben die eingehenden und umfassenden Erörterungen, die innerhalb der Verwaltung über die Organisationsfrage seit Jahren stattgefunden haben, ergeben, daß die jetzige Organisation sich den für Sachsen maßgebenden Betriebs- und VerkehrSverhältnissen im allgemeinen durchaus an paßt und daß insbesondere eine Uebertragung der in anderen VerwaltungSbereichen bestehenden Organisations formen mit Rücksicht auf die davon abweichende Größe und Dichte deS sächsischen Eisenbahnnetzes nicht angängig sein würde. Wohl aber hat sich herausgesteüt, daß innerhalb des Rahmens der geltenden Organisation wesentliche Vereinfachungen und Verbesserungen möglich sind. Zur Durchführung dieser Verbesserungen sind mit Wirkung vom 1. Januar 1910 ab eine neue Verwaltungs ordnung der Sächsischen Staatseisenbahnen sowie neue GeschäftSanweisungen und Dienstvorschriften für die Generaldirektion und die ihr Nachgeordneten Dienststellen erlassen worden. Die wichtigsten Aenderungen, die durch die neuen Vorschriften getroffen werden, sind nachstehende: Während bisher die Bauinspektionen (künftig Bau ämter genannt) in vollem Umfange den Betriebsdirektionen unterstanden, werden sie in Zukunft, ebenso wie dies schon jetzt bei den übrigen Inspektionen der Fall war, in der Hauptsache unmittelbar der Generaldirektion unterstellt. Und zwar werden die Geschäfte der Bahnunterhaltung, des Neubaues und der Grundstücksverwaltung fortan ohne Mitwirkung der Betriebsdirektionen erledigt werden; nur insoweit bleiben die letzteren noch daran beteiligt, al« dies im Betriebs- und Lerkchrsinteresse unbedingt geboten ist. Mit dieser veränderten Stellung der Bau- ämtcr ist der bereits für das Maschinen-, Werkstätten- und Telegrophenwesen durchgeführte Grundsatz, daß die Ausführungsorgane unmittelbar der Leitungsinstanz, Ker Generaldircktion, unterstehen, nunmehr auch für den Be reich der bautechnischen Angelegenheiten zur Anwendung gebracht und zugleich eine scharfe Scheidung zwischen den Aufgaben der einzelnen Dienststellen herbeigeführt worden. Denn die Betriebsdirektionen werden sich künftig im wesentlichen nur noch mit dem Betriebs- und Verkehrs- dienste zu befassen haben und somit keine Zwischeninstanz zwischen der Generaldirektion und den Bauämtern mehr bilden. Wenn sie gleichwohl nicht in Betriebsämter um- gcwandelt worden sind und im Verhältnis zu den übrigen Inspektionen (künftig Aemtern) nach wie vor eine hervor gehobene Stellung einnehmen, so hat dies seine Ursache darin, daß es zur Entlastung der Gcneraldirektion und zur Vereinfachung des Geschäftsganges zweckmäßig erschien, die ihnen seinerzeit übertragenen allgemeinen Verwaltungs ausgaben zu belassen und deren Kreis gegen früher sogar noch zu erweitern. Eine zweite mit Anfang des nächsten Jahres in Kraft tretende Organisationsänderung betrifft ebenfalls die Bauämter, die bisher vielfach mit der Bearbeitung von Entwürfen und Anschlägen für größere Bauten (Bahnhofsumbauten usw) beauftragt waren. In Zukunft sollen derartige Entwürfe in der Regel zentral durch das bei der Generaldirektion bestehende allgemeine technische Bureau ausgestellt werden, wodurch eine größere Aus nutzung der bei solchen Projektsarbeiten gewonnenen Er fahrungen gewährleistet ist. tin 1'erbStrgnk. Originalroman von Hans Wackenhujen. ZS Lie lieh ihn kommen, wie sie dalag, und der schlaue Patron zeigte ihr, daß er zuverlässig war. Er halte gewartet bis der Herr ousaegangen war, denn erwünschte von ihr erst seine Instruktion zu haben. „Es ist lää erlich, unwürdig, zu einer Lüge greifen zu müssen. Ich will auch das nicht mehr." Klaus ließ am Abend lange auf sich warten. Als die Pendule auf dem Kamin zehn Uhr schlug, begab sich Laurelle mißmutig zur Ruhe. Lange lag sie noch mit offenen Augen. Es war das erste Vergnügen gewesen, dem sie sich trotz ihrer äußeren Trauer rückhaltslos über- laffen, und dabei halte sie eine eigentümliche Beobach tung gemacht. Die Kavaliere und Künstler halten ihr anfangs ein Benehmen gezeigt, als sei sie ihnen eine Heilige gewor den, die man nicht mehr anbeien dürfe: dann hatte sie selbst, anaetrieben durch ihre Freundin, den langweiligen Bann gebrochen. In dieser Ehe noch glücklich, wenigsten zufrieden zu werden, dazu war keine Hoffnung; ihr selbst fehlte bereits der Wille dazu, und so hatte sie sich denn ganz ihrem Naturell überlassen. Lie hatten sich Beide, er wie sie, als er um sie warb, einander nicht gegeben, wie sie waren; er, dem die innere Welt der Bühne fremd war, der sie immer in tragischen Partien gesehen, hatte an den Ernst geglaubt, den sie ihm, einem Geschäftsmann, gezeigt, und er selbst Halle sich, im Zujammenfein mit ihr, berauscht von ihrem Liebreiz, stets einer erhöhten auimirlen Stimmung hingegeben, die natürlich wieder in ihre Alltäglichkeit zurückgefallen, wenn die Geschäfte ihn iu Anspruch nahmen. Einer ihrer Verehrer, Aellenthin, halte ihr nach der Hochzeit scherzweise gesagt, die müßten sich im Domino geheiratet haben. In der Liebe gibt.s immer etwas Maskerade; Jeder zeigt sich von der besten Seite; in der Ehe braucht die Liebe garnicbt zu schwinden, davon zeugte Klaus, der ihr schon Manches verziehen hatte, wenn sie seine Geschäflssorgen nicht vergehen wollte, weil sie ihm unentbehrlich war. Aber die Ehe verlangt gar zu viel Vernunft, ja Klugheit, und die wollte sie nicht mehr besitzen. 13. Als Laurekle am Morren nach feilem Schlaf schon früh erwachte, sah sie das Lager des Gatlen noch unbe rührt. Lie lchellle der Jungier. Herr Brinkmann, meldete diese, sei, wie Jean erzählt, gestern Abend sehr sehr pät nach Hause gekommen; er habe diesen, der. ihn erwartend, im Korridor eingeschla fen sei, gar nicht geweckt, er sei aber von selbst erwach! und habe den Herrn spät nach Mitternacht heftig in sei nem Zimmer hin- und hergehen gehört und sei dann, da er nicht gerufen, in seine Mansarde gegangen. „Sonderbar'" Laurelle erhob sich, doch etwas beunruhigt. Aber sie hatte sich ja vorgenommen, Alles mit Ruhe an sicl kommen zu lassen! Was sie gestern getan, es mochte unrecht gewesen sein, war aber eigentlich doch nur einc Laune von ihr gewesen, die ihr die Umstände eingegc- ben. Lie machte sich auf eine Szene gefaßt und verwen dete eine besondere Sorgfalt auf ihre Morgentoilette. Dann fetz e sie sich an das Piano und schlug ein gc Akkorde an, damit andeutend, daß sie aufgeilanden sei, und begab sich zur gewohnten Zeit in das Frühstücks- zimmer. Klaus stand bereits in diesem am Fenster, mit gekreuz ten Armen, der Tür den Rücken wendend. Ihr Morgengruh klang ruhig nud freundlich. Einige Sekunden verstrichen, ehe er um zu ür wandle, die bereiis am Tische stand, um Len Tee zu .eroleren. Und wiederum vergingen einige Sekunden, ehe er, der ihren Gruß nicht erwiderte, ich dem Tische näherte. Laurette, beschäftigt, blickte ihn nicht an, sah nicht, wie sein Antlitz, sie beobachtend, sich entfärbte. „Du scheinst gestern sehr vergnügt gewesen zu sein," begann er, den Stuhl erfassend, ohne sich zu sehen. „Mein Gott, was blieb mir übrig!" antwortete sie trocken. „Ich verspätete mich in dem herrlichen Mond abend. Du ja auch, wie ich vermute! Dieses tzaushü- ken ist ja ermüdend. Ich begehre ja nichts als eine kleine Zerstreuung!" „Eine kleine Partie in dem herrlichen Mondabend, 'echs Schlitten, in deren vorderstem ..leine Fran saß. Herr von Fellenthin führte ihn natürlich ! Ich mußte es mit an'ehen, als ich von meiner Konferenz g ier über die Linden zurückkehrte." „So, Du sahst uns? Meine Freundin und ich wur den unvermutet dazu eingeladen. Wir dachten uns nichts Boies, wußten nicht, daß noch andere Schlitten üch der Partie anschiieszen w irden. Dir darf man ja nichts sagen; Du findest in Allem etwas." Klaus fuhr aus. Das Blut drang ihm zur Llirn und schwellte die Adern derselben. Unsanft legte er ihr die Hand auf die Schuller, denn das Bild, wie er sie gestern in dem Hellen Mondenglanz so übermütig lachend gesehen, als sie, ohne ihn zu bemerken, dicht an ihm vorübelgefahren war, erhitzte ihn. „Ich finde, daß Du Deine E,re als meine Gatlin und die Rücksicht für die Tramr meiner Familie fast schamlos verletzest!" rief er mit rauher Stimme. Laurette trat zurück, bleich, erbebend vor Aufregung. Aber sie schwieg noch. Sie sah ja schon das Ende auch die er Szene voraus. Dann aber stieg doch das Blut auch ihr zur Stirn; sie vermochte kaum an sich zu hal len, auf d.e.e Beleidigung.