Volltext Seite (XML)
«Mm » MÄH Beilage zu Nr. 85. Donnerstag, 29. Juli 1809. Die Novelle zum Wechselstempelstcuergesetz. In dem Wirrwarr, den die überstürzte Einbringung und Durchpeitschung der sogenannten Ersatzsteuern hervor gerufen hat, war es kaum möglich, alle Einzelheiten der verschiedenen Gesetzentwürfe zu übersehen und in ihrer Tragweite zu würdigen, zumal da eine sichere Orientierung durch die zuständigen — sogar noch in der letzten Lesung vorgenommenen — Zusätze und Abänderungen erschwert wurde. Die Kritik hat sich in dem kurzen ihr zur Ver fügung stehenden Zeitraum hauptsächlich mit den sachlich anfechtbarsten und technisch am schlechtesten durchgearbeiteten Gesetzen, wie insbesondere der Talonsteuer und dem Scheckstempel usw., beschäftigt; dabei sind die nach der Art ihrer Aufmachung vielleicht uninteressanteren, für Handel und Industrie aber nicht minder wichtigen Steuern, wie zum Beispiel die Wechselstempelsteuer, etwas zu kurz gekommen. Es dürfte daher insbesondere für kaufmännische Kreise von Interesse sein, wenn nachstehend die Bestimmungen der Novelle zum Wechselstempelgesetz einmal einer zusammen fassenden Darstellung unterzogen werden. Die Novelle geht von dem Grundgedanken aus, daß der kurzfristige Wechselkredit, für den sich die Form des Dreimonats wechsels im Wirtschaftsleben herausgebildet hat, durch die neue Steuer nicht getroffen werden soll. Zur Steuer herangezogen sollen nur die länger als drei Monate laufenden Wechsel werden. Bei dieser Differenzierung der Wechsel liege nun allerdings — so könnte man meinen — die Möglichkeit einer juristisch nicht zu fassenden Um gehung des Gesetzes sehr nahe. Soll zum Beispiel für eine Schuld ein Wechsel mit Fälligkeit nach neun Monaten gegeben werden — so wäre es möglich, daß zunächst vom Schuldner ein Blankoakzept oder ein anderes Wechsel formular, dem wesentliche Erfordernisse des Wechsels (so zum Beispiel das Datum des Ausstellungstages oder des Fälligkeitstermins fehlen, ausgesertigt und dem Wechselgläubiger übergeben wird, während es diesem oder einem späteren Inhaber überlassen ist, drei Monate vor dem in Aussicht genommenen Fälligkeitstermin das „Formular" erst durch Hinzufügung der fehlenden Erfordernisse zum rechtskräftigen und steuerpflichtigen „Wechsel" zu machen, Um derartige Umgehungsmöglich keiten zu durchkreuzen, bestimmt die Novelle, daß als Wechsel im Sinne dieses Gesetzes auch eine Schrift anzusehen ist, die nicht die sämtlichen wesentlichen Erfordernisse des Wechsels enthält, sofern sie einem anderen unter der Verabredung übergeben wird, daß dieser berechtigt sein soll, die fehlenden Erfordernisse zu ergänzen. Das Bestehen einer Vereinbarung der bezeichneten Art wird vermutet, wenn die Schrift die Bezeichnung Wechsel enthält. Fehlt in der Schrift die Wechselsumme, so ist die Stempelabgabe und die weitere Abgabe von einer Summe von 10000 Mark zu entrichten; wird später eine andere als diese eingesetzt, so hat die entsprechende Ausgleichung durch Nacherhebung oder Erstattung der Steuer zu er folgen. Fehlt in der Schrift eine Bestimmung über die Zahlungszeit, so tritt die Verpflichtung zur Entrichtung der weiteren Abgabe mit dem Ablauf von drei Monaten nach dem Ausstellungstag ein. Fehlt die Angabe des Ausstellungstages, so gilt der Tag der Uebergabe als Ausstellungstag. Was nun den sachlichen Kern der Steuer anlangt, so wird diese in zweifacher Hinsicht abgestuft, nämlich ein mal nach der Länge der Laufzeit und zweitens in der Art und nach denselben Sätzen, wie dies schon im alten Wechselstempelgesetz bestimmt war, nach der Höhe der Wechselsumme. Die Novelle besagt: Für Wechsel, die länger als drei Monate laufen, und zwar gleichgültig, ob sie auf einen bestimmten Zahlungstag oder auf Sicht gestellt sind, ist zu entrichten eine der bis jetzt üblichen Stewpelabgabe der Höhe nach entsprechende zweite Abgabe für die nach den ersten drei Umlaufs monaten folgenden neun nächsten Umlaufsmonate, je eine weitere Abgabe in derselben Höhe für je weitere sechs Monate oder den angefangenen Teil dieses Zeitraumes. Die nach dem jetzt geltenden Wechselsteuergesetz geltende Stempelabgabe beträgt aber bei einer Wechselsumme von 200 M. und weniger 0,10 M. bei einer Wechselsumme über 200 M. bis 400 M. 0,20 M. bei einer Wechselsumme über 400 M. bis 600 M. 0,30 M. bei einer Wechselsumme über 600 M. bis 800 M. 0,40 M. bei einer Wechselsumme über 8- 0 M. bis 1000 M. 0,50 M. und von jeden ferneren 1000 Mk. der Wechselsumme 0,50 Mk. mehr; dergestalt, daß jedes angefangene Tausend für voll gerechnet wird. Ein Wechsel über 1400 Mk. mit einer Laufzeit von 14 Monaten müßte zum Beispiel also mit 3 Mk. ver- stempelt werden. Bei einem im Inland ausgestellten Dreimonatswechsel wird eine Frist von fünf Tagen, bei Wechseln die im Ausland ausgestellt sind, die nach dem ausländstchen Recht bestehende Respektfrist der dreimonatigen Laufzeit zugerechnet. Bei längerer Laufzeit werden also — wie man folgern kann — Rcspektfristen nicht berücksichtigt Für Wechsel, die eine bestimmte Zeit nach Frist zahlbar sind, werden die Fristen für die weiteren Stempelabgaben bei trockenen Wechseln (Solawechseln) vom Ablauf von drei Monaten nach dem Ausstellungstag, bei gezogenen Wechseln vom Ablauf von drei Monaten nach dec An nahme des Wechsels gerechnet. Ist der Tag der Annahme (was meist der Fall sein wird) aus dem Wechsel nicht ersichtlich, so gilt der fünfzehnte Tag nach dem Aus stellungstag in Ansehung der Stempelpflicht als Tag der Annahme, unbeschadet des Nachweises eines anderen An nahmetages. Ueber die Haftung des Indossanten für die weitere Abgabe ist bestimmt, daß nur die Indossanten, die nach Eintritt der weiteren Abgabepflicht am Umlauf des Wechsels teiigenommen haben, auch für die weitere Stempelabgabe haften. Die Entrichtung der weiteren Abgabe muß innerhalb der ersten drei Tage des Zeitraums erfolgen, für den sie zu zahlen ist, und wenn sich der Wechsel zu dieser Frist im Ausland befunden hat, innerhalb der ersten drei Tage nach der Einbringung des Wechsels ins Inland. Eine Vorausentrichtung der weiteren Abgabe für eine beliebige Umlaufszeit ist zulässig. Der 8 11 des Stempelsteuergesetzes enthält die Be stimmung, daß jeder Inhaber eines Wechsels die von einem Vormann versäumte Stempelung nachzuholen hat. Die Novelle fügt in diesen Paragraphen folgende Be stimmung ein: Ist eine Stempelpflicht aus dem Wechsel selbst nicht zu ersehen, so besteht die obige Verpflichmng nur, wenn die Umstände, die die Stempelpflicht überhaupt oder in einem höheren Umfange begründen, dem ferneren Inhaber bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind. Die Novelle tritt am 1. August in Kraft. In den Uebergangsbestimmungen wird gesagt, daß die in der Novelle für stempelpflichtig erklärten Urkunden und Schriften der weiteren Abgabe unterliegen, sofern sie am 1. August nocht nicht zahlbar sind. Aus Sachsen. Wilsdruff, den 28. Juli. Nach dem Genuß selbstgesammclter Pilze verstürben in Rohwei»» der 31 Jahre alte Hutmacher Otto Taupadel und dessen 7jähriges Töchterchen Gertrud, während die Ehefrau und ein anderes Kind noch krank darniederliegen. Schon wieder ein Unglücksfall auf der Radrennbahn. Einen jähen Abschluß fand am Sonntag das auf der Radrennbahn in Chemnitz veranstaltete Rennen. Es handelte sich um den großen Steherpreis, einem hundert Kilometer-Rennen hinter Motoren, das in drei Zwischen läufen ausgefahren werden sollte. Im ersten Verlauf stürzten die beiden Teilnehmer Nonnewitz-Dresden und Brüggemann-Magdeburg. Beide erlitten Verletzungen, setzten jedoch das Rennen fort. Die beiden anderen Zwischenläufe verliefen glatt. Im Entscheidungslaufe verlor in der 38. Runde Bieglas-Berlin seinen Schritt macher und kollidierte mit Schenkes Schrittmacher. Schenke wurde an die Außenplanke gedrängt und fuhr in das Publikum hinein. Er stürzte und wurde ohnmächtig von der Bahn getragen. Von dem Publikum sind drei er wachsene Per onen und ein Kind schwer verletzt worden. Die gestürzten Schrittmacher und Fahrer trugen nur leichtere Verletzungen davon. Das Rennen wurde sofort abgebrochen. Ein Fleischer in Mauen i. V. wurde wegen Nahrungsmtttelverfälschung angeklagt und ihm nach gewiesen, daß er Pferdefleisch, den Zentner zu 30 Mark, gekauft, es mit Schweinefleisch und Kartoffelmehl gemengt, dieses Gemisch zu Wurst verarbeitet und auch als rus sischen Salat an Restaurants und Hotels in Plauen ver kauft habe. Den Eimer zum Transport des Salats habe der Angeklagte gleichzeitig als Futtertrog für sein Schwein benutzt. Der Angeklagte leugnet nichr, Pferdefleisch ge kauft zu haben, er behauptet aber, daß er damit — Hühner gefüttert habe. Ueber die Zusammensetzung seines russischen Salates vom Vorsitzenden des Gerichtes be fragt, erklärte er, daß dies sein Geschäftsgeheimnis sei. Der so geheimnisvoll tuende Hühnerfreund wurde zn einem Monat Gefängnis und 150 Mark Geldstrafe ver urteilt. Eine komische Ep sode hat sich vor kurzem in Laus«» bei Dresden zugetragen und wird dort viel belacht. Ein Gerichtsvollzieher hatte, so berichten die „Dr. Nachr.", Auftrag erhalten, einen in dem idyllischen Dorfe domiz'- Auf dunklen wegen. 52) Roman von E. Wagner. Nachdruck verboten. Vertrauen Sie mir, als ob ich Ihre Mutte wäre, die Sie vor so vielen Jähren verloren haben und setzen Sie mich in die Lage, Ihnen zu helfen. Sagen Sie mir, wer dieser Mann war." „Ich kann es nicht, Lady Wolga. O, es ist, als ob mein Herz brechen sollte! Sie werden das Vertrauen zu mir verlieren, wenn es nicht bereits verloren ist und ich möchte lieber sterben, als von Ihnen verkannt sein. Das Geheimnis, nach welchem Sie mich fragen, ist nicht das meinige und deshalb darf ich es nicht sagen!" rief Alexa, verzweifelnd die Hände ringend. Lady Wolgas Augen wurden strenger. * lie, „Ihr Vater ist nicht hier und kann mcht auf ^ne achten; ich aber würde eine schlechte Freundin sein, wollte ich unterlassen, Ihr volles Ver trauen zu verlangen, oder zu dulden, daß Sie in Ihrer Unerfahrenheit in die Hände eines Unwürdigen fallen. Sie lieben Lord Kingscourt. Weiß er von dem nächt lichen Besuchs" „Nein, nein!" „Werden Sie es ihm erzählens" „Nein, Lady Wolga, um alles in der Welt nicht!" „Was soll ich davon denkens Mein Herz hängt an Ihnen, aber ich muß Ihr Geheimnis wissen. Ich muß es wissen um Ihrer selbst willen. Sie können mir sicher vertrauen. Ich werde Ihre Mitteilungen treu bewahren. Ich beschwöre Sie, Alexa, erzählen Sie mir die ganze Wahrheit." Alexa stand auf; sie war totenbleich und aus ihren Augen perlten aufs neue heiße Tränen. „Ich kann es Ihnen nicht sagen," erwiderte sie. „O, Lady Wolga, was müssen Sie von mir denkens Ich würde lieber sterben, als Ihre Achtung verlieren und doch kann ich Sie in mein Geheimnis nicht einweihen!" Lady Wolga erhob sich; ihr Gesicht war farblos, wie das des Mädchens. „Wo kein Vertrauen ist, da kann auch keine Liebe sein!" sprach sie mit sichtbarer Kälte. „Wenn Sie mir das eine schenken gebe ich Ihnen das andere. Inzwischen lassen Sie uns kein Zeichen gegenseitiger Zuneigung mehr austauschen. Sie werden morgen auf 14 Tage zu Mrs. Jngestre nach Mont Heron gehen; sollte diese wünschen, Sie länger bei sich zu behalten, so haben Sie die Freiheit, bei ihr zu bleiben!" Und mit einem traurigen „Gute Nacht!" und mit einem Blick welcher zeigte, wie tief sie im Herzen ver wundet war, verließ Lady Wolga das Zimmer. Alexa stand da wie erstarrt; lange blickte sie nach der Tür, durch welche ihre Mutter verschwunden war. Dann warf sie sich aufs Sofa und weinte bitterlich. „Das ist eine förmliche Entlassung!" dachte sie. „Sie wird mir nicht gestatten, zu ihr zuruckzukehren. „Ich habe ihre Liebe, ihre Achtung und ihr Vertrauen verloren. O Himmel, erbarme Dich meiner! Es ist zu viel, was ich zu ertragen habe!" 33. Kapitel. Wr. Hrrin. Alexa schlief in der Nacht nach dem Zusammentreffen mit ihrem Vater wenig. Besorgnis um ihn und Kummer über den Unwillen der Lady Wolga verscheuchten den Schlaf von ihrem Lager. Felice kam am andern Morgen zur gewohnten Zeit eine Stunde vor dem Aufstehen ihrer Herrin, um Alexa beim Ankleiden behilflich zu sein. Die vom Weinen geröteteten Augen, sowie die bleichen Wangen des Mädchens fielen ihr auf und sie vermutete, daß etwas besonderes vorgefallen sein müsse. „Es muß nicht alles in Ordnung sein," bemerkte sie- „Mylady hat eine unruhige Nacht gehabt. Sie ist vor etwa einer Stunde eingeschlafeu und wird erst spät erwachen." Alexa erwiderte nichts, aber der Schmerz in ihrem Herzen steigerte sich zu Folterqualen. „Mylady sagte mir gestern abend, daß Sie auf Ihrem Zimmer frühstücken würden, Mademoiselle," fuhr Felice fort, während sie Alexas seidenweiches Haar ordnete; „und sie trug mir auf, Ihnen zu sagen, daß sie wünsche, Ihr Besuch 'in Mont Heron möge Ihnen recht angenehm sein und Sie möchten Mylady entschuldigen, wenn sie Sie diesen Morgen nicht mehr sieht, da sie schon gestern abend Abschied von Ihnen genommen habe. Auch sollte ich Ihnen sagen, Mademoiselle, daß Mylady einen Brief von Ihnen zu erhalten hofft." Alexa nickte zustimmend; sie konnte nicht sprechen. In der Weigerung der Lady Wolga, sie nochmals zu empfangen, erblickte sie deren ernstliches und fortdauerndes Mißfallen. „Sie sind glücklich, Mademoiselle," plauderte Felice weiter, „Myladys Liebe in so hohem Maße gewonnen zu haben. Ich wüßte nicht, daß sie jemals eine so große Zuneigung zu irgend jemanden gefaßt Hütte, wie zu Ihnen. Ich weiß, daß es ihr schwer wird, Sie nach Mont Heron gehen zu lassen, aber Sie werden zurück kehren, ehe wir nach London gehen, nicht wahr?" „Ich hoffe es," versetzte Alexa bebend. „Aber Lady Wolga wird n cht lange mehr eine Gesellschafterin ge brauchen da sie doch bald heiraten wird."