Volltext Seite (XML)
Präsidenten mit ununterbrochenen Pfuirufen gegen den Minister des Innern, die auch nach dem Schluß der Sitzung andauerten, bis der Minister nach geraumer Zeit die Ministerbavk und den Saal verlassen halte. — Die Tschechen und die Sozialdemokraten erhoben sich von den Sitzen und brachen in ein ohrenbetäubendes Geschrei gegen den Minister des Innern Frhr. v Haerdtl aus. Man hörte die Ruse: Sie gehören nach Rußland! Sie sind ein russischer Minister! Sie gehören ins Kriminal!" Bei wüstem Lärm schloß der Präsident die Sitzung. Als die Minister sich entfernen wollten, machten die Tschechen und die Sozialdemokraten Mine, auf den Minister des Innern loszustürzen, werden aber von den Deutschen daran gehindert. Einige Tschechen ergreifen die Papiere von der Ministerbank und schleudern sie hinter Baron Haerdtl her. Unter ungeheurer Erregung leerte sich nur langsam der Saal. Aus Ktadt und Land. Mitteilung« aus dem Leserliche für diese Rubrik nehm« wir jederzeit dankbar entgegen. Wilsdruff, den 9. Juli. — 8. L. L. Johannes Calvin. Zwar steht er unserm Herzen längst nicht so nahe wie unser Luther, unser deutscher Reformator, zwar hat er längst nicht so, wie dieser, die Herzen des Volkes mit seinen Flugschriften bewegt, sondern bet weitem mehr den Gelehrten gedient, und doch müssen wir seiner an seinem 400. Geburtstage gedenken, denn der große Schweizer Reformator war ein Mann heldenhaften Glaubens, sittlichen Ernstes und reicher, geistiger Begabung, und sein Einfluß hat weit über die Grenzen der Schweiz hinausgereicht, namentlich nach Frank reich, dem er entstammte, und nach Polen. Er hat auch mit Melanchthon in enger Verbindung gestanden, hat Luther hochgeschätzt, und ist auch von diesem hochgeschätzt worden; namentlich verband ihn enge Freundschaft mit Buzer in Straßburg, Bullinger in Zürich und Farel in Genf, lauter bekannten Männern, die in der Geschichte der Reformationszeit einen hellklingenden Namen haben. Zu Noyon in der Pilardie (Nordsrankreich) am 10. Juli 1509 geboren, studierte der in seltenem Maße begabte Jüngling in Paris Theologie, in Orleans und Bourges Rechtswissenschaft. Die Briefe des Apostels Paulus, die er in der Ursprache las und übersetzte, machten einen un geheuren Eindruck auf ihn und überzeugten ihn, daß die Lehren der katholischen Kirche, der er damals noch angehörte, mit der heiligen Schrift nicht zusammenstimmten. Zu einer plötzlichen Bekehrung ging ihm die Wahrheit des Evangeliums auf, für die er nun mit Festigkeit und Ent- schiedenheit eintrat, die auch den heftigsten Anforderungen widerstanden. Farel hielt ihn in Genf fest. In der damals etwa 20000 Seelen zählenden Stadl, in welcher die Reformation schon seit 1535 eingeführt, aber nur un- vollkommen durchgeführt worben war, erlangte Calvin die Stellung eines Diktators, der mit ungebrochener Energie die strengste Klrchenzucht fast in alttestamentlichem Sinne einführte, wohl mußte er 1539 dem Widerstande der frei- heit- und genußliebenben Bevölkerung Genfs weichen und zog sich nach Straßburg zurück, vermählte sich auch dort mit einer Witwe Jdelette van Buren, wurde aber nach 9 Jahren glücklichster Ehe Witwer und kehrte, vom Nat der Bürgerschaft dringend zurückgerufen, 1541 nach Genf zurück, um dort mit neuem Eifer und in alter Strenge zu wirken und allen Widerstand seiner Gegner zu über- Windeo. Hier bekämpfte er mit besonderer Energie den Leugner der Dreieinigkeit, Michael Servet, der von der Obrigkeit der Stadt, nicht voa Calvi», dem Flammentode überliefert wurde. Er begründete hier eine wissenschaftliche Akademie, an der er sclvft Vorlesungen hielt, die bald hoch aufblühte und zahlreich, namentlich aus Frankreich, besucht wurde. Calvin starb, lange schon leidend und körperlich gebrechlich, geistig aber ungebrochen, am 19 April 1560. Sein Hauptwerk, das ihn in den weiteste» Kreisen bekannt gemacht hatte, war die Inslulio reliAionis ckristianse (Unterweisung in der christlichen Religion) DaS Buch enthält Abschnitte, die dem schönsten, was je vou Menschen geschrieben wurde, an die Seite gestellt werden können. Calvins ganzes System steht unter dem Einfluß und Schatten seiner Prävestinationslehre, daß heißt: der Lehre, wonach Gott von Ewigkeit her einen Teil der Menschen zur ewigen Verdammnis bestimmt habe, welchem göttlichen Beschlusse niemand entgehen könne. In seinen Schriftauslegungen hat Calvin Meisterhaftes geleistet, sie stehen heute noch hoch. Die zähe Energie seines Wesens, die oft nur scheinbare Härte seiner Aussprüche läßt ihn unserem Herzen schwer näher treten. Und doch sind ihm hohe, liebenswerte Züge eigen, und sein Glaubens mut und sein sittlicher Ernst sind heute noch vorbildlich. — Zu dem kommenden Sonnabend sund Sonntag stattfindenden Gauturnfest des Mittelelbeturu» gaues sind bereits 4000 Teilnehmer gemeldet. Einen herrlichen Anblick werden dre allgemeinen Stabübungen in ihrer Gesamlwirkung bei einer Beteiligung von 2900 Turnern gewähren Als Wettspiele werden Barlauf, Faust-, Schlag-, Schulderball und Tauziehen gespielt, während der Eilbotenlauf über 500 Meter von je 10 gleich, zeitigen ablaufenden Mannschaften sich als treffliche Ab- Wechslung in das Gesamtbild einstigen wird. Zu dem Vereinswetturnen werden 286 Riegen ihre Kräfte er proben: — während man hier in größeren Gruppen die Durchbildung der Massen auf dem Gebiete des Frei- übungsturnen betrachten wird, sieht man dort wieder im Schwünge am Reck, im schönen Sprunge am Bock und Pferd den Wert des Gerätturnen oder im munteren Turnspiele die Paarung fröhlichen Turnersiunes mit flotter Bewegung! Wahrlich, alles Bilder der Freude für die Freunde des deutschen Turnens! Am Begrüßung?» abend aber reichen sich zur Verschönung eines d-utschen Festes Sänger- und Turnerschaft die Hand: 200 Sänger der Gruppe Lößnitzortschaften d<s Elbgausängerbundes werden die Gäste durch das deutsche Lied erfreuen. — Weich' herrlicher Wechsel in den Aufgaben beider!; im deutschen Saug erheben sich deutsches Herz und Gemüt, während in der Tat, durch Stählung deutscher Kraft, deutsches Turnen wiederum zur eisernen Schutzwehr wird für der Sänger deutsches Fühlen und Empfinden. Neben der ernsten Turnarbeit, bestehend in Stabübungen, Barrenturnen und Gruppenstellungen, wird auch das „Fröhlich" des Turnerspruches im heiteren Tanze Aus- druck finden, selbst Lößnitzblümlein und -schmetterlinge wollen durch ein kindlich Spiel im Huldigungskranz nicht fehlen. Der Vorturnerturm überschaut bereits majestätisch den grünen Wiesenplan, und ostwärts regen sich fleißige Hände, herzlich und freudig die Gäste zu empfangen. — pk — Es wird auch an dieser Stelle darauf htngewiesen, das am nächsten Sonntag wegen des Gustav Adolf- Festes früh 9Uhr Kindergottesdienst und nachmittags 3 Uhr Gustav Adolf-FestgotteSdienst stattfindet. Die im „Hotel goldncr Löwe" abgchaltene Nachversammlung nimmt unmittelbar nach Schluß des Fchgottesdienstes seinen Anfang. Möchten sich zahlreiche Festteilnehmer eivfinden und möchte das Fest einen gesegneten Verlauf nehmen. Zum Festgottesdienste wolle man die Gesang bücher mtlbringen. Bei beiden Gottesdiensten, dem KindergotteSdienst und dem Festgott-sdienste, sollen Kollekten für die Gustav Adolf-Sache eingesammelt werden. Lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an den Glaubensgenoffen. — Kleine Vereinsnachrichten. Evangelischer Jünglingsveretn: Sonntag nachmittag 3 Uhr Gustav Adolf-Fest. Evangelischer Jungsrauenverein: Sonu- lag nachmittag 3 Uhr Gustav Adolf-Fest. Allseitiger Bc- such wird erwartet. Turnverein Wlsdrufs: Sonntag früh i/z6 Uhr Abmarich zum Gauturnsest in Radebeul. — Wetteransfichten für morgen: Südwest wind, amhetternd, meist trocken. — Lustwärme heute mittag -s- 15° L. — Auszeichnung. Dem am 1. Juli in den Rahe- stand getretenen Bahnwärter Flade-Grumbach wurde heute das Allgemeine Eürenkreuz verliehen. — Keffelsdorf. Freunde des Radfahrsports dürfte eS interelfteren, daß der Sächs. Radfahrerbund Sonntag den 11. Juli eine Dauer- und Weltfahrt Dresden— Wölfnitz—K c s s elS dor f—Freiberg—Chemnitz—Leipzig- Endstation Dresden Pieschen veranstaltet. Hierzu liegen über 100 Anmeldungen vor. Abfahrt soll früh 2 Uhr in Dresden-Wölfnitz erfolgen und können die Radler bereits von '/,3 Uhr ab Keffelsdorf passieren. — Am Sonntag vollenden sich zehn Jahre, daß Herr Restaurateur Schöne in Klipphausen das neue Etablissement bewirtschaftet. Nutz diesem Anlaß findet großes Sommersest mit Freikonzert und Ball und um 10 Uhr großer Festpolonarse statt. — Am Sonntag trifft der Bienenwirtschaftliche Be- zirksverband Dresden zur Besichtigung des Bienenstandes des Herrn Kirchner in Birkenhain ein. Anschließend an die Besichtigung findet eine Bezirks-Verbands-Ver sammlung im dortigen Gasthofe statt. — Zu dem im Schnellzuge erfolgten Doppelselbst- mord des Rittergutsbesitzers Kluge und Frau aus Stein bach bei Mohorn ist noch zu berichtet: Kluge hatte seit längerer Zeit mit Geldsorgen zu kämpfen infolge be- deutender Verluste, die seine Angehörigen bei der Leipziger Bank erlitten. Auch d e Flüssigmachung des seiner Frau gehörigen Vermögens scheint auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Sein Gut hatte er für den 1. Juli ve> pachtet und er selbst hatte Anstellung an einem landwirlschaft- Uchen Institut erhalten. Da sich dem Verkauf des In- ventars an den Pächter mit Rücksicht auf die Belastung des Anwesens Schwierigkeiten entgegenstcllten, ging die Verpachtung zurück. Er wollte jetzt noch einmal die Hilfe seines Schwiegervaters, der im 76. Lebensjahre steht, in Anspruch nehmen, doch scheint er auf der Reise den Mut verloren und mit seiner Gattin den Entschluß gefaßt zu haben, aus dem Leben zu scheiden. Fest steht, daß das Ehepaar noch in Wurzen, also eine knappe halbe Stunde vor der Ankunft in Leipzig aus dem Fenster seines Ab teils gesehen hat. Die Tat muß also unmittelbar vor dem Eintreffen des Zuges geschehen sein. Kluge war 40, seine Frau 28 Jahre alt. Beide sind seit 7 Jahren verheiratet und hinterlassen zwei Knaben im Alter von 4 und 2'/, Jahru Kluge war Offizier des Beurlaubten- stavdes In hiesigen landwirtschaftlichen Kreisen war er hochgeschätzt und wurde überall gern gesehen. Da ein Zweifel daran nicht bestehen kann, daß das Ehepaar freiwillig aus dem Leben schied, hat die Staatsanwalt schaft die Leichen ircigegeben und erfolgt die Beerdigung beute Freitag in Leipzig Ueberall nimmt man herzlichen Anteil an dem Schicksal des Ehepaares. Rätsel-Ecke. Preisrätsel-Losung. Harm — Halm. Es gingen im ganzen 18 Lötungen ein und zwar aus Wilsdruff 8, Grumbach 7, Weisiropp, Lampersdorf und Meißen je 1. Falsch davon waren 13 Lösungen. Gezogen wurde Nummer 9 mit der Ausschrift: Joh. Obendorfer, Meißen, Tonberg 22. Gewinn: „Mar schall Vorwärts", erzählt von H. Laudien. Bilderrätsel. Lösung folgt in nächster Nummer. Auflösung des Anagramms aus voriger Nummer: Jota, Oberon, Hand, Ampel, Noten, Neige, Saum, Ebro, Bart, Amsel, Seil, Tenne, Iran, Atlas, Name, Bast, Ader, Christ, Halm. Johann Sebastian Bach. Virchennachrichten für den 5. Sonntag nach Trinitatis. Wilsdruff. Kollekte sür den Gustav Adolf-Veiein. Vorm. 9 Uhr Kindergottesdienst. Voun l/,11 Uhr Tmifgottesdiensi. Nachm. 3 Uhr Jahrcssest des Wilsdruffer Zweigvereins der evangelischen Gustav Adols-Siistung; Festprediger: Pfarrer Jentsch-Deubm. (Gesangbücher sind mitzubringen) Nachm. '/,b Uhr Versammlung im Saale des „Hotel goldner Löwe". Freitag, den i6. Juli. Vorm. 9 Uhr Beichte und Feier des heiligen Abendmahls. Kirchenmusik zum Jahressest des Wilsdruffer Zweigvereins der Gustav Adols-Stiftung in der Kirche zu Wilsdruff am 11. Juli 1909. „Nun Preiset alle Gottes Barmherzigkeit." Cantate sür Männer-, Frauen- und gemischten Chor mit Orgel- und Orcheslerbegleilung von Bartmuß. Gesang: Kirchenchor; Orgel: Herr Lehrer Hillig. Texte an den Kirchtüren ä ö Psg. käuflich. Grumbach. Vorm. >/,9 Uhr Predigtgottesdicnst. Nachm. 1 Uhr Taufgottesdienft. Keffelsdorf. Vorni. 8 Uhr Beichte und Kommunion: HilsSg. Holstein. Vorm. '/,9 Uhr Predigtgottesdienst: Pfarrer Uc. ttr. Leßmüller. Nachm. 1 Uhr Christenlehre sür die Jünglinge: Hilssg. Holstein. Nachm. 3 Uhr Taufgottesdienst: ders. Limbach. Vorm. 8 Uhr Predigtgottesdienst. Nachm. 3 Uhr Gustav Adolf-Fest in Wilsdruff. Sora. Vorm. 8 Uhr Hauptgottesdiensi. Nachm. ^2 Uhr Taufgottesdienft. Blankenstein. Vorm. 8 Uhr Predigtgottessienst. Tanneberg. Vorm. 8 Uhr Predigtgottesdicnst. Eingesandt. Unserer heutigen Nummer liegt als Sonderbeilage ein Wahlflugblatt für die Kandidatur des Stadtrat Braun bei. osos Eingroß. Trans- Port der besten Hommerschen Milchkühe trifft Sonnabend früh ein und steht von nachmittags im Oberen Gast- Hof zum Bahnhof in Keffelsdorf billigst zum Verkauf. M. Ferch L Sohu, Keffelsdorf. Tel.: Amt Wilsdruff Nr. 71 «°i» Sonntag, d. 11. Juli, stelle iw wieder einen frisch. Transport junger starker Kühe u. 8—10 Mon. alle sehr schöne Kalben zu billigen Preisen zum Verkauf. «ms I. Zant, Deutschenbsra. KN Junge Ruh, worunter das Kalb steht, ist zu verkaufen M-Isnnsbvrg dir. 13. «oo* Wer für sein Ledlsedtpkerü den höchste« Fleischpreis erzielen will wende sich selbst an die kosseklSetüvroi von Bruno Ehrlich, Denben. Richtlausende Pferde werden sofort per Wagen abgeholt. rn« Suche zum sofortigen Antritt oder 1. August ein »»so Xüsksnmöckslrsn Frau Schlösser, Goldner Löwe, Wilsdruff. LUZ» LfSsuvLlk. 10IS Barthold öe Co 8ek!sMplen!e ZS auft zu höchsten Preise« die älteste Roßschlächterei von Oswalä Msnsvk, potsotisppsl. Telephon Nr. 735. Bei Unglücksfälle« bin mit Trans- Vollwagen sofort zur Stelle. Ein großer Transport ss°? steht bill. z. Verkauf Wvmstropp ßir. 44 b. 16—18 Jahre alt, für Haus und Geschäft zum 1 August bei hohem Lohn und guter Behandlung gesucht. Kenntnisse im Weiß- nähen oder Schneiderei erwünscht. »SN Ernst Lommatzsch, Nossen. Bäcker, der selbständig Brot backen kann, sucht Otto Veith, SchloßmüvleTaubenhcim. Ein Anstreicher wird gesucht. <ou Gebr. Müller, Möbelfabrik. Suche für 15. Juli oder 1. August ein anständiges -ss, Dienstmädchen im Alter von 16 bis 17 Jahren, bei gutem Lohn Frau Elisabeth Ullrich, Nossen, obere Bahubofsiroße 12. sssi Suche zum 1. Auguft o. I. ein rüchligeS Hausmädchen. Bäckerei Haupt, Wfisäruff, Hohestraße-