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Eine wohlbekannte Art unserer heimischen Schnecken ist die große weißgraue Weinbergschnecke (Helix pomatia), die von allen unseren „Bauchfüßlern" das größte Haus hat. llnserer Gegend fehlen andere Arten von ähnlicher Größe ganz, auch sie selbst ist kein angestammtes Kind unserer rauhen Berggegend. Ihre Heimat liegt im sonnigen Süden. Da sic aber ein geschätzter Leckerbissen zur Fasten zeit in katholischen Ländern ist (große Kulturen dieser Schnecke finden sich in Ulm, Passau, Neckartailfingen usw. von wo sie zu Millionen nach Paris und Wien versandt wird) mag sie im frühen Mittelalter von den leckerhaften Mönchen in unsere Gegend verschleppt worden sein, möglich auch, daß sie schon in der Späteiszeit, der Kulturepoche des Spätmagdalenien, mit anderen südlichen Formen ein gewandert ist, während welcher die wilden Jägerhorden vorzeitlicher Urmenschen ihr unstetes Schweifleben führten, das Wildpferd, wollharige Naßhorn, Mammut, die Höhlen- hpäne, das Nenntier und verspätete nordische Tiere, wie Halsbandlemminge, Schneehase und Schneehuhn jagten und in den Höhlen der Alb und des Jura wie bei Wild stetten, den Ofnets und dem Keßlerloch bei Schaffhausen ein notdürftig Unterkommen fanden Beobachten wir diesen Fremdling, der sich jetzt aber gar heimisch fühlt bei uns, auf unseren Spaziergängen im Sau-, Weißeritz- oder Triebischtal etwas aufmerksamer, als wir sonst uns umzu sehen pflegen, so bemerken wir, wie sie zunächst gemächlich aus ihrem Kalkgehäuse hervorkreucht. Alles an ihr ist Phlegma, jede Bewegung unendlich langsam. Endlich streckt sie herfür, worauf wir als Buben so oft lauerten und wozu wir sie durch allerhand Kniffe zu bewegen suchten, ihre vier wunderlichen „Hörner". Wer fühlte sich von uns Erwachsenen nicht wie durch Zaubermittel zurückversetzt ins goldene, buntsckillernde Jugendland, wenn hinter irgend einem Gartenzaun, die monotone aber hastig abgeleierte Melodie des Schneckenliedchens ertönt: Schnecke, Schnecke, schniere, Zeich mer alle viere, Wennst se mer nick zeichst, Schmeiß ich dich in Graam, Frassen dich de Raam, Raam nich alleene, Tatzen, Hund und Becne; Frass'n dich de Millermick'n. Die d'ch vurne un hing zwicken, oder: Die in dein Hemde stickn! (Gegend v. Groitzsch). Wir sehen, daß aut den oberen „Hörnern" je ein schwarzes Pünktchen sitzt. Das sind die beiden Augen. Die beiden unteren dienen als Fühler. Niemand von uns traut diesem unglaublich „lang- stiligen" Tiere irgend welche heftigen Gemütsbewegungen, nicht die geringste Reizbarkeit zu. Aber ich konnte schon wiederholt die heftigste Leidenschaftlichkeit bei ihnen beobachten Die Heliciden, zu welchen unsere Schnecke gehört, sind zwei geschlechtig (Hermophrodit), d. h eine jede Schnecke enthält eine sogenannte Zwitterdrüse, in welcher sowohl Eier, als auch Samentierchen (Spermatozooen) erzeugt werden. Beide Sekrete gehen im Zwittergang abwärts, um sich dann getrennt im Ei- und Samenleiter fortzubewegen. Die äußeren Geschlechtsorgane (Vagina und Penis) liegen dicht hinter dem rechten Augenträger an der rechten Seite des Tieres. Außerdem haben sie noch eine sehr merkwürdige Einrichtung, den Pfeilsack mit Flagellum. Im Flagellum werden die Samentierchen in eine Chitinkapsel eingehüllt. Was aber ist der Zweck des Pfeilsackes? Wir wollen eine Begattung beobachten. Die langsamen Tiere nähern sich einander so, daß die beiden rechtsseitigen Kopfteile sich berühren. Dabei fließt reichlich Schleim über den Rücken. Die anfänglich langsamen Bewegungen werden schneller. Plötzlich richten sich beide Tiere in die Höhe um sich mit der Bauchseite zu berühren. Die Fühler werden in heftiger Bewegung fortwährend ein- und ausgestülpt. Die scharf gezähnte Zunge (Radula) wird schnell nach rechts und links bewegt. Jetzt sinken die Tiere wieder herab und nähern sich mit den Geschlechtsöffnungen. Da plötzlich schwillt der Vorderlcib an und im Augenblicke durchzuckt es beide Tiere auf das Heftigste, als seien sie vom elektrischen Schlage getroffen. Was war das? Wir sehen im Vorderlcib der Tiere ein glashelles Stielchen sitzen. Das ist der „Liebes pfeil" der Schnecken. In dem Pfeilsack bildet sich nämlich ein richtiger Pfeil aus Hellem Kalk. Er ist bei jeder Art verschieden, innerhalb der Art aber gleichgebaut, sodaß man nach seiner Beschaffenheit die Art bestimmen kann. Bei manchen ist die Spitze schlank, bei anderen gerundet, bei einigen der Schaft mit ein, zwei, drei, vier feinen Ansätzen geflügelt. Bei der Weinbergschnecke ist er fast 1 cm lang. Durch eine kleine Warze im Pfeilsack, die in der Erregung anschwillt, wird der Pfeil Hertig herausgeschleudert, sodaß er sich tief in den Leib des anderen Tieres einbohrt Man hat schon Tiere gefunden, bei denen er bis tief in die Leber eingedrungen war. Der Zweck dieser höchst komplizierten Einrichtung ist die Erregung des Partners zu höchster Leidenschaftlichkeit. In diesem Augenblicke werden die Penis in die Vagina gestoßen und die Kapsel (Spermatophor) wie eine Patrone eingeschoben. Eine Säure löst dann die Chitinhülle auf und der Samen fließt in den Samenbehälter (keceptaculum 8emin>8). Hier bleibt er solange, bis die Tiere Eier legen, wobei sie dann nachträglich befruchtet werden. Endlich ist die Differenzierung so weit fortgeschritten, daß die Individuen streng in Männchen und Weibchen getrennt sind. In tausendfältiger Form tritt bei ihnen das süße Liebesspiel auf. Aber immer wieder auch finden wir es verquickt mit dem Grundtrieb alles organischen Seins — mit dein Hunger. Davon das nächste Mal Albert Vohland. Deutsch als Weltsprache der Wissenschaft. Auf dem 15. Orientalistentage, der längst in Kopen hagen stattfand, waren etwa 450 Gelehrte aus allen Enden der Welt vertreten, darunter 26 amtliche Vertreter deutscher Staaten, Universitäten und wissenschaftlicher Anstalten, außerdem noch etwa 75 deutsche Gelehrte, im ganzen über 100 Deutsche, also etwa ein Viertel aller Teilnehmer. Von den 82 im Bericht angeführten Vorträgen und Berichten wurden nicht weniger als 43, also über die Hälfte, in deutscher Sprache abgehalten, in englischer Sprache nur 23, trotzdem ungefähr 90 Gelehrte aus englisch sprechenden Ländern versammelt waren. Deutsche Vorträge aber wur den nicht nur von Reichsdeutschen und Deutschösterreichern, sondern auch von Russen, Ungarn, Polen, Holländern, Amerikanern, Griechen, Schweden und Dänen gehalten. Wieder ein Beweis dafür, daß Deutsch immer mehr zur Weltsprache der Gelehrten wird. Der Nachdruck des Inhaltes dieses Blattes ist nur mit genauer Quellenangabe „Heimatbeilage zum Wochenblatt sür Wilsdruff" gestattet. Artikel mit dem Vermerk „Nachdruck verboten" sind vom Nachdruck überhaupt ausgeschlossen, auch auszugsweise. Alte Weitrcige und Zuschriften find zu richten „An die Hiedaktion des Wochenblatt für Wilsdruff". Schriftlcitung, unter Mitwirkung des Vereins für Naturkunde, Sektion Wilsdruff, Druck und Verlag von.Arthur Zschunke, Wilsdruff. I Juni 1909. 0n!nge M „Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend". Sie füllen meinen wachen Blick: Eine Kirche seh ich iin Mauernkranz, Die Bäume davor im Blütcnglück - Meine Heimat im Abendglanz! Ich schrecke empor in tiefer Nacht . . . Die Heimatglocken höre ich gehn; Sie haben mir fernen Gruß gebracht, Ihre Klänge wuchten und wehu. Am Straßenrand ein kleines Haus, In seinen Scheiben rotgoldnes Glühn — Hier sah ich einst im Geschwisterstrauß Die Märchenblumen der Kindheit blühn. Die furchtsame Herde zieht durchs Tor, Jäh scheucht der Hund die erschrocknen Lämmer, In rußiger Schmiede sausen im Chor Auf glühendes Eisen klingende Hämmer. Das alles hat mir der Traum gebracht, Durch den meiner Heimat Glocken gingen .. Nun lieg ich und lausche die ganze Nacht, Wie sie hallen und zitternd verschwingen. Wilhelm Popp. 12. Juni 1809. „Da liegen sie, die schwarzen Schufte, da drüben auf der Wiese stehen ihre Pferde. Was für Holz sie wieder aus der Struth herbeischleppen, als ob sie ewig hier ihr Lager halten wollten!" — „Und warum wir Limbacher nur immer Brot und Kartoffeln, Stroh und Heu liefern müssen! Das ganze Land steht ihnen doch offen!" — „Ja Gevatter, ihr wißt doch, daß der Herzog Friedrich Wilhelm den Sachsen ven Rückzug nach Dresden verlegen will. Und in dieser Gegend ists auszuhalten Daß nun gerade unser Dörfchen immer hart daran ist, liegt am Lagerplatz. Schaut doch hin, im Rücken die Struth, im Angesichte Limbach- Birkenhain. Möcht nur wissen, wie lang das Elend noch andauern soll!" Sie wandten sich um und schritten dem stattlichen Gute zu, Georg Rülker, ein kräftiger Mann, Gutsbesitzer, Richter und Kirchenvorsteher in einer Person — und neben ihm der trippelnde, geschmeidige Dorsglaser mit dem Glasrahmen auf dem Rücken. Er erzählte, wie er sich gestern abend ins Lager gewagt, wie er an den Posten vor beigeglitten sei. In Hemdärmel hätten die schwarzen Husaren dagesessen, kochend, waschend, nähend, rauchend. Sie hätten Karten gespielt und in großsprechischer Weise ihre Bedrückungen gegen die Bauern der Umgegend dargetan. Dss Bild, das er sich vor Eintreffen dieser „Legion der Rache" gemacht, sei gänzlich zu Nichte geworden. Rülker stößt die Holzpforte auf: Welche Aufregung! Frau und Kinder und Gesinde da an der Stalltür, aus aller Gesichter Helle Angst. Mit großen Augen und fliegendem Atem be richtete der älteste, wie ein Husar gegen das Tammesche Gut in Birkenhain gesprengt, wie er vor dem festverrammel- ten Tore mit rohen Worten Einlaß verlangt habe. Da ihm dieser verweigert worden sei, habe er durch einen Schuß ins Strohdach das Haus in Flammen versetzt. Rülker hört ruhig zu, keine Miene verrät die heiße Wut, die in ihm kocht, keine Miene die Angst um Weib und Kind, um Haus und Hof. „Gevatter, in dieser bösen Zeit ists beste Vor 100 Jahren. Pie schwarze Legion der Kache in Wilsdruff.