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<IL>L W « I l t M klia. den. Und diese Stunde war es auch, in der ich den festen Entschluß faßte, das große Hürdenrennen um Erikas Besitz mitzulau- sen! Doch nur sie, sie als Persönlichkeit ist das Ziel, das mich unwiderstehlich in die Bahn zwingt. Ihre Millionen gelten mir wenig oder nichts und nur zu gern würde ich mit ihnen, wenn es ginge, das größere tileinod loskaufen von den gierig ansge streckten Krallen der Mitgiftmarder, welche sie auf Schritt und Tritt umschleichen. Gleichviel indessen; aufnehmen werde ich den Kampf um das wundervolle Weib mit jedem Rivalen! Was andere ihr äußerlich zu bieten vermögen, das biete ich ihr inner lich. Nur eins bereitet mir noch herz klopfende Sorge, eins liegt für mich nocl im Schatten des Ungewissen, — das sind Erikas eigene Wünsche, ihre persönlichen und für sie doch ausschließlich bestimmen den Ansichten und Forderungen von der Ehe!" Mit flammenden Augen und leiden schaftlichem Gebärdenspiel stand Torniw vor dem Freunde, wäbrend ihm die Worte im Schwnng starker seelischer Erregung von den Lippen strömten. Ganz zuletzt in dessen schlug seine fiebernde Lebendigkeit Plötzlich in tiefes Nachdenken um und mit verschränkten Armen blieb er sinnend mit ten im Zimmer stehen. Schweigend, von geteilten Empfindun gen bewegt, hatte Greiner dem elemen taren Gefühlsausbruch des anderen zuge hört. Achtung und Unzufriedenheit stritten in ihm um die Vorherrschaft; aber ihr Kampf blieb ergebnislos, diese wie jene er wiesen sich von gleicher Stärke. „Das ist's eben, Freund," bemerkte er endlich unter energischem Kopfschütteln, „die Antwort, welche dn auf deine zuletzt aufgeworfene Frage noch nicht zu finden weißt, kann ich dir infolge meiner längeren Beobachtungen schon klipv nnd klar geben und — leider! sie fällt nicht eben tröstlich für dich aus. Dennoch empfinde ich's als heiligste Frenndespflicht, dich wenigstens zu warnen, weil ich von der Notwendigkeit einer solchen Warnung durchaus überzeugt bin — gerade bei meinem schwachen Glau ben an ihren Erfolg. Sieh mal, mein lie ber Junge, dein ganzes Wesen, dein ganzes Schaffen verlangt zu deiner Lebensgefähr tin ein stilles, tiefveranlagtes Geschöpf, von dem Bedürfnis erfüllt und auch dazu befähigt, in anirbmiegender Innigkeit alle Freuden und Leiden deiner ernsten Künst lerlaufbahn mitzucrfassen, liebevoll aufzu gehen nicht nur in der Sorge um dein kör perliches Wohl, sondern auch in deiner geistigen Individualität. Kannst du das aber bei Erika Vollmar voraussetzen? Nein! sage ich dir und tausendmal nein! Und wenn ich dich in diesem Augenblick auch bitter kränken werde durch meine Aufrich tigkeit, — es muß gesagt werden: jenes blendende Weib, das du mit solcher bedau ernswerten Glut liebst, halte ich für nichts weiter als eine reizende Larve ohne Seele und Gefühl, eine selten schöne Attrape ohne wirklichen Inhalt. Eine echte oberfächliche Weltdame, von Jugend auf als dereinstige Millionenerbin nur zu den materiellsten Daseinsgenüssen und äußerlichsten Lebcns- vorzügcn hingelenkt, in denen heute ihre seichten Ideale gipfeln, ist sie ganz dazu ge- schafsen, als Anbetungsobjekt einen sinnen- berauschten Tannhäuser zu beglücken oder als Gattin einem elegant auf Rand genähten Lebejüngling zur finanziellen Samariterin und außerdem höchstens noch zum Schau stück seiner Häuslichkeit zu dienen; dir aber, dir würde sie statt der hebenden Schwinge, die du brauchst, eine ewig lähmende Geistes fessel werden. So habe ich die schöne Erika Vollmar kennen und beurteilen gelernt und darum warne ich dich eindringlichst, an dem Hürdenrennen um ihre Hand teilzunchmen. Das war's, was ich dir sagen mußte, als dein bester Freund, ob du's mir nun dankst oder mit bitterm Groll nachträgst!" Er holte tief Atem, wie von einem drückenden Alb befreit. Robert jedoch stand völlig vernichtet da und starrte ins Leere — lange. Endlich griff er schweigend nach Mantel und Hut; Greiner aber hielt ihn noch einmal zurück. „Du gehst schweigend von mir," ver setzte er weich, „scheidest du wirklich in Zorn und Kränkung von einem Freunde, der es ehrlich und treu mit dir meint?" Tornow schüttelte langsam den Kopf. „Nein, nein," sagte er tonlos, „ich glaube dir's wohl, daß du als ehrlicher Freund nach deiner Ueberzeugung gesprochen hast; aber vergiß nicht, tausend Dolche hätten mich nicht schmerzhafter verwunden können wie deine Worte, das umsomehr, als meine ent gegengesetzte Ueberzeugung sich vor der dei nigen auch jetzt noch nicht um Haares Breite zu beugen vermag. Nach wie vor bleibe ich fest in meinem Entschluß, heißer als alle andern nach Erikas Hand zu ringen um jeden Preis, und lächelt mir dabei der Son nenschein des Erfolgs, dann wird die Zu kunft dich wohl noch inne werden lassen, wie sehr du Erika Unrecht getan und wie grau sam du durch dieses Unrecht mir das Herz gespalten hast, sei auch Freundestreue und nichts als sie deinem'harten Urteil zur be wegenden Kraft geworden." Grenwr drückte kräftig die ihm hinge- streckte Hand des Freundes. „Wenn du deinen getreuen Eckard nicht hören willst, der dich warnen zu müssen glaubte, ich kann es nicht ändern — reden wir nicht weiter davon, wenigstens heute nicht. Es bleibt eben das alte Lied, daß es in der Liebe keine Theorie sondern nur Praxis gibt und du gibst einen neuen Be weis, welche rätselhafte Macht sie im menschlichen Leben därstellt. Kennst du Vielleicht Mechthild Schwanthaler?" „Meinst du die junge Schweizer Bild hauerin, welche man neuerdings als eins der vielversprechendsten zeitgenössischen Ta lente überall nennt?" fragte er. sieb mit einer Gebärde zurückwendsnd, die wieder ein wenig an Lebhaftigkeit gewann. „Dieselbe. Ist dir auch ihre plastische Darstellung der Liebe bekannt?" „Es wäre schlimm, würde das nicht der Fall sein. Die Bronzestatuette, von der du sprichst, erhielt auf der letzten großen Kunstausstellung den ersten Preis. In der Tat war es auch ein hochinteressanter und ganz neuartiger Gedanke der Schwan thaler, die Liebe allegorisch in einer Art Verdoppelung des Janushauptes, daß heißt als einen Kopf mit vier Gesichtern darzu stellen, gegenüber dem selig lächelnden En gelsantlitz ein verhärmtes, von Tränen spuren gezeichnetes Frauengesicht, gegen über der gleichgültigen, unergründlichen Miene der Sphinx die entsetzlichen, wutver zerrten Züge einer Megäre." „Recht, ganz recht!" nahm Greiner dem Sprechenden in tiefernstem, vielsagendem Tone das Wort ab, „die Künstlerin brachte durch diesen viergesichtigen Kopf treffend zum Ausdruck, wie himmelweit verschieden sich die Liebe aus ihrer einzigen Grundform heraus entwickeln kann." „Es mag Wahres daran sein,,immerhin möchte ich nicht ganz so vorbehaltlos auf den kühnen Gedankengang einer Künstlerin schwören wie du das zu tun scheinst." „Und das sagt Robert Tornow, der selbst in jeder Fiber seiner Seele Künstler aus innerstem Beruf ist? Seltsam, wie niedrig du plötzlich die Wahrhaftigkeit der wirklichen ernsten Kunst einschätzen willst. Gibt das Leben jener Auffassung nicht viel leicht täglich in tausend und abertausend Fällen recht? Du magst vor der Megäre wohl sicher sein, genau so sicher wie leider auch vor dem selig lächelnden Engelsgesicht. Dir hat sich die Liebe als die rätselhafte Sphinx gezeigt und leicht kann ein Teil dessen, was sie dir einst dahinter enthüllt, auch jenes verweinte Leidensantlitz sein! Doch Prophezeiungen gleichen dem Wetter leuchten, das man nicht beachtet, weil ihm kein Donnerschlag folgt." Greiners eindringliche Worte hatten in Roberts Seele vorübergehend eine schwan kende Unsicherheit erzeugt. Mit wilder Energie kämpfte er indessen diese Regung sofort nieder nnd wandte sich nun wirklich zum Gehen. „Ich merke, daß du auch Mecktbild Schwanthaler nur meinetwegen zitiert hast!" sagte er dabei stirnrunzelnd. „Nur um dich, ja!" gab der Arzt zu. Schon draußen auf dem Treppenflur angelaugt, wandte sich Tornow noch ein zweites Mal zurück. Er zögerte ein wenig und fragte dann: „Geben denn Kommerzienrats Horns in dieser Saison gar keine Haussestlichkeit mehr?" „In diesen Tagen sollen wieder Einla dungen bevorstehen wie ich zufällig hinten herum erfuhr," antwortete Greiner mit innerm Widerstreben. „Für dich und mich auch?" „Du verlangst ein bißchen viel. Wie soll ich das wissen?" „Nun, du warst doch sonst immer hinter den Kulissen der Gesellschaft recht gut zu Hause. Versprich mir wenigstens, daß du, soweit dies in diskreter Weise möglich sein wird, deinen bedeutenden Einfluß bei den Horns benutzen willst, um auch mir wieder eine Einladung zu sichern." Sein Auge' hing an des Freunde? Zü gen mit einem Ausdruck von dringender Bitte und zitternder Spannung- daß Grei ner nicht den harten unbeirrbaren Mut fand, sich durch ein ruhiges Nein zu der Konsequenz seiner eigentlichen Ansicht zu bekennen. Mit einer Bewegung des Unbe hagens strich er sich die gerunzelte Stirn. „Wenn du mich durchaus zum Henker deines Lebensglückes machen möchtest — meinetwegen, ich will sehen, was sich tun läßt," gestand er mit einem unterdrückten Seufzer ein. „Ich danke dir!" sagte Robert leise, das von Greiner in seinem Mißmut gebrauchte scharfe Wort absichtlich überhörend,, ,„gute Nacht noch einmal, Kurt." Er ging und Greiner legte sich ärgerlich und sorgenvoll sogleich zur Ruhe. Keiner der beiden Freunde war heute mit dem andern zufrieden gewesen. — lForgkyimi si'lgtg