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No. 4. PAPIER-ZEITUNG. 81 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. SachlicheMittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Ziehdeckel mit Rückenschutz. Die sogenannten Ziehdeckel dürften den meisten Lesern bekannt sein. Sie bestehen aus zwei mit Buntpapier oder Kaliko überzogenen Pappdeckeln, die mit zwei oder drei Pergamentstreifen am Rücken verbunden sind. Am Vorderdeckel sind die Pergamentstreifen fest angeklebt, am Hinterdeckel sind sie durch drei Einschnitte gezogen, so dass der Deckel beweglich an ihnen hängt und nach Bedarf mehr oder weniger nahe an den Vorderdeckel gezogen werden kann. Die Ziehdeckel dienen zum Einheften von Schreibpapier und dergl., das auf die Pergamentstreifen geheftet wird, und die Beweglichkeit des hinteren Deckels hat den Zweck, die Decke dem mehr oder minder umfangreichen Papierinhalt anpassen zu können. Fig. 1 zeigt die aufgeklappte Mappe von aussen. A stellt den vorderen, B den hinteren Deckel dar; C C sind die Pergament streifen, welche beide verbinden, und um welche der Papierinhalt geheftet wird. Die Pergamentstreifen C C sind beim vorderen Deckel von aussen nach innen durch zwei eingeschlagene Schlitze 1, 1 gezogen und im Inneren des Deckels so weit festgeklebt, wie die punktirten Linien an deuten. Vom Vorderdeckel greifen sie nach dem Hinterdeckel über und sind dort durch die Schlitze 1 1 nach innen gezogen, laufen, wie die punktirten Linien an deuten, im Innern des Deckels bis zum Schlitz 2, sind dort wieder nach der Aussenseite gezogen und bei Schlitz 3 schliesslich wieder nach der Innenseite des Deckels, wo sie in der ungefähren Länge liegen, welche durch die punktirten Linien angedeutet ist. Da diePergamentstreifen Fig. i. nur am Vorderdeckel festge ¬ klebt sind, nicht aber am Hinterdeckel, so kann letzterer beliebig weit von ersterem entfernt werden, je nachdem dies der eingeheftete Inhalt erheischt. Infolge des Durchziehens durch drei Schlitze und die dabei erzielte Reibung bleibt der Hinterdeckel unbeweglich in der Lage, die man ihm ge geben hat, ohne sich von selbst weiter vom Vorderdeckel abzu ziehen. Das Verstellen kann nur geschehen, indem man die Streifen bei jedem einzelnen der drei Schlitze entsprechend lockert und von Schütz 3 beginnend nach Schlitz 7 zu verstellt. Diese einfachen, meist Schulzwecken dienenden Ziehdeckel wer den, möglichst in grösseren Mengen, folgendermaassen gefertigt: Man schneidet Pappen von geeigneter Dicke zu derjenigen Grösse, welche die Deckel besitzen sollen; dies wird meist Schreib-Quart, seltener Folio sein. Hat man eine Anzahl Deckel zugeschnitten, so versieht man dieselben mit kleinen Leinwand-Ecken, oder, sollen die Mappen besonderen Zwecken dienen und sehr haltbar sein, mit grösseren Ecken von zweckentsprechendem Stoff. Nachdem dies ge schehen, überzieht man die Deckel mit dem gewählten Ueberzugstoff, bei gewöhnlichen Quartdeckeln meist mit Marmor- oder Chagrin papier, bei besseren auch mit Kaliko. Verwendet man Kaliko, so ist das vorherige Anmachen von Leinwand-Ecken selbstverständlich nicht nöthig, da der Ueberzugstoff, der an allen vier Seiten über die Kanten weg nach innen geschlagen wird, selbst schon genügenden Halt besitzt. Vielfach werden zum Schulbedarf bestimmte Ziehdeckel gefälliger ausgestattet und mit Präge- und Golddruck versehen. Ge schieht dies, so wird der Druck nach dem Ueberziehen der Deckel ausgeführt, bevor die Innenseiten ausgefüttert und die Pergament streifen eingezogen sind. Die überzogenen und nach Bedarf gepressten Deckel theilt man nun in zwei Hälften von gleicher Zahl, in die Vorder- und Hinter deckel. Letztere füttert man mit dem hierzu bestimmten Schreib papierblatt aus, welches so eingeklebt wird, dass es von Rücken und Schmalseiten einige mm absteht, von den Langseiten vielleicht doppelt so viel. Zum Einschlagen der Schlitze bedient man sich eines Meissels von der Breite der Pergamentstreifen. Um die Schlitze regelmässig an dem betreffenden Platz einschlagen zu können, ist es rathsam, Pappschablonen anzufertigen, welche genau die Höhe des Deckels haben, und auf denen die Stellen vorgezeichnet sind, auf welche der Meissel gesetzt werden soll. Als Unterlage benützt man beim Einschlagen der Schlitze vortheilhaft einen Bleiklotz, doch ge nügt auch ein Holzklotz. Dieser muss allerdings behufs Beseitigung 3 3 1 c 11 LI L—,I B A 3 2 1 CI Kl i I der hinterlassenen Meisseischnitte öfter abgehobelt werden, ersterer wird durch Flachklopfen mit dem Hammer wieder geebnet. In den vorderen, noch nicht ausgefütterten Deckel schlägt man, wie Fig. 1 erkennen lässt, zwei Löcher, in den hinteren, bereits aus gefütterten Deckel sechs Löcher in genau gleich weiter Entfernung von der unteren und oberen Schmalseite. Der hintere Deckel ist nach dem Einschlagen der Schlitze fertig. Die Pergament streifen schneidet man je nach der Mappengrösse ungefähr 1 cm breit und so lang, als dies nach dem einzuheftenden Inhalt erforderlich ist. Man benützt dazu entweder Abfälle von haltbarem Pergament oder solche von Trommelfellen, wie man sie von Buchbindergeräthehandlungen oder auch aus Trommelfabriken beziehen kann. Die spitz zugeschnittenen Streifen steckt man von aussen nach innen durch den Schlitz des vorderen Deckels, zieht sie so weit durch, dass das durchgesteckte Ende einige Centimeter auf die Innenseite des Deckels reicht und klebt sie dort fest. Ist das mit beiden Streifen geschehen, so füttert man die Innenseite mit einem Papierblatt aus, so dass nun der Streifen zwischen Papierblatt und Pappe festgeklebt ist. Die Sprödigkeit des Pergamentes macht beim Ankleben meist den Gebrauch des Hammers nöthig, mit dem man die Enden fest anklopft; ebenso können bei sehr starkem Pergament die Streifen durch gelinde Hammerschläge über die Kanten des Deckels herumgelegt und auch nach dem Einziehen des hinteren Deckels an den Schlitzen flach niedergeklopft werden. Das Einziehen des hinteren Deckels erfolgt, indem der Streifen zuerst durch Schlitz 1 von aussen nach innen gesteckt wird, bei Schlitz 2 von innen nach aussen und bei 3 wieder nach der Innenseite, wo das überstehende Streifen-Ende liegen bleibt. Beabsichtigt man Papier in die Deckel einzuheften, so geschieht dies, indem das Papier vorher auf genaue Grösse geschnitten, und dann Lage um Lage mit Zwirn ebenso eingeheftet wird, wie man sonst Kontobücher heftet. Man sticht am oberen Fitzbund nach innen, umschlingt die Pergamentstreifen von aussen und sticht schliesslich am unteren Fitzbund wieder nach aussen, um alsdann die zweite Lage auf dieselbe Art zu heften. An den Fitzbünden werden alle Lagen verschlungen. Der Hauptvortheil der Ziehdeckel liegt darin, dass man beliebig viel Papier einheften, auch in vollgeschriebene Bücher stets einen neuen Papiervorrath einheften kann, ohne das alte Papier entfernen zu müssen. Dieses nachfolgende Anheften kann so weit gehen, als die Pergamentstreifen in ihrer Länge zulassen. Infolge dieser Eigenschaft des jederzeit zulässigen Anheftens weiterer Lagen ohne jede Schwierigkeit haben die Ziehdeckel viel fache Verwendung gefunden und sind äusser in Schulen auch in Schreibstuben als Nachheftbücher beliebt, ebenso zum Einheften von Handschriften, Musikalien, Zeitschriften, dünnen Broschüren und dergleichen. Zum Einheften von Zeitschriften finden sie besonders in wissenschaftlichen Lesezirkeln starke Verwendung, da es hier in vielen Fällen wünschenswerth ist, dass früher erschienene Nummern noch einige Male mit den später eingehefteten behufs etwaigen Nach schlagens vereinigt bleiben. Den Vorzügen der Ziehdeckel stellt sich bei erwähnter Ver wendung aber auch ein bedenklicher Nachtheil entgegen. Sowohl Zeitschriften und Musikalien, als auch die beim Kanzleigebrauch ein gehefteten Schreibpapiere sind bestimmt, entweder später nochmals eingebunden oder doch auf längere Zeit in gutem Zustande erhalten zu bleiben. Leider werden sie aber, in gewöhnliche Ziehdeckel ein geheftet, am Rücken meist empfindlich geschädigt, da der Rücken durch keine Hülle geschützt ist, und die eingehefteten Schriftstücke mit ihren Bruchstellen offen zwischen den Pergamentstreifen hervor sehen. Durch das Hin- und Herrücken beim Lesen scheuert sich das Papier an den Rückenbrüchen allmälig ab, wird geschwächt, und endlich fallen die äusseren Blätter der Lagen heraus, worauf dann die nächstfolgenden angegriffen werden. Bei Schreibebüchern, die lange Zeit im Gebrauch sind, reibt sich allmälig auch der über die Pergamentstreifen wegliegende Heftfaden ab, worauf die Lagen herausfallen, und die Heftung erneut oder ausgebessert werden muss. Das sind Uebelstände, die beseitigt werden müssen, wenn die Ziehdeckel zum Einheften besserer Schriftstücke oder Druckwerke wirklich zweckmässige Verwendung finden sollen. Die Beseitigung wird erfolgen, sobald der Rücken durch eine Decke von Leinwand oder anderem Stoff geschützt ist und nicht mehr frei liegt. Dieser Rückenschutz muss nun, der Bestimmung der Ziehdeckel entsprechend, gleichfalls verstellbar sein und das Einheften eines mehr oder minder umfangreichen Inhalts zulassen. Dies kann erreicht werden, indem man entweder den hinteren Deckel mit einer Klappe versieht, die im vorderen Deckel beweglich angebracht ist und den Rücken überspannt, oder umgekehrt, indem man die Klappe am Vorderdeckel befestigt und sie auf den Hinterdeckel übergreifen lässt. Die Art, welche man wählen will, muss dem Ermessen des Einzelnen und den besonderen Umständen überlassen bleiben. (Schluss folgt.)