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No. 26. PAPIER-ZEITUNG. 661 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiterund Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Kleinbuchhandlungen. (Schluss zu Nr. 25.) Brotartikel nennt man im Buchhandel diejenigen Bücher, die einen unbegrenzten Abnehmerkreis haben, die man tagtäglich im Laden verkaufen, sich also ohne jegliches Risiko als Waare hinstellen kann. Zu ihnen- gehören die Klassiker unserer Literatur: Goethe, Schiller, Lessing, Körner, Kleist, Lenau, HauIV. Sie sind in zahlreichen Aus gaben erschienen. Die gangbarsten sind die Ausgaben von Reclam- Leipzig, Grote-Berlin, Verlagsgesellschaft Union«-Stuttgart, Fried berg & Mode-Berlin, Reimer-Berlin usw. Es genügt zunächst vollkommen, sich von derjenigen Ausgabe, die man führen will, 1 Goethe, 1 Schiller, 1 Körner, 1 Lenau und 1 Hauff hinzustellen. Das zeigt dem in den Laden tretenden Kunden bereits genug; alles Weitere kann man ja, wenn’s gebraucht wird, am dritten Tage nach der Bestellung haben. In zweiter Reihe tritt man an die Beschallung der in der ganzen Welt bekannten »Universal-Bibliothek« von Phil. Reclam, Leipzig, heran. Dieselbe umfasst jetzt (bis März 1891) 2790 Bändchen oder Nummern. Jede Nummer kostet 20 Pfennig oder 12 Kreuzer, und jedes Werk derselben ist einzeln käuflich. Die ganze Sammlung kostet also zur Zeit im Einkauf 279 M. und werthet für den Verkauf 558 Mark. Es würde aber für den Kleinbuchhändler nicht richtig sein, sich ein solches Gesammt-Exemplar anzuschaffen, denn selbstverständlich be finden sich unter diesen 2790 Nummern viele, die nicht täglich und auch nicht allerorten verkäuflich sind. Auch für die Auswahl aus dieser Bibliothek gilt der Satz: »In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister«. Zu den gangbarsten Bändchen gehören auch hier wieder die Einzel-Nummern, in welche die Werke unserer Klassiker ein- getheilt sind: die Goethe’schen Gedichte (»Hermann und Dorothea , Reinecke Fuchs) und Dramen, desgleichen die Schiller’schen, — die Lenau’schen, Körner’schen, Eichendorff sehen Einzelbändchen, ferner die von Wieland, Jean Paul, Gaudy, Hauff, E. T. A. Hoffmann; die Lutherbändchen, die Angely "sehen und Kotzebue’schen Lustspiele. Von Lessing wählt man: »Emilia Galotti«, »Minna von Barnhelm«, »Nathan der Weise«, die Einzelbändchen von Shakespeare’s Dramen und Molire’s Lustspielen. Von englischen Erzählungen und Romanen empfehlen sich die von Dickens, Walter Scott, Cooper (von neueren Bellamy’s »Rückblick«, Kennan’s »Sibirien«, auch wohl Bret Harte); von fran zösischen die von Daudet, George Sand, Mrime, Balzac, auch Tillier’s »Onkel Benjamin«; von nordischen vor allem: Ibsen: von russischen: Turgenjeff, Puschkin; von ungarischen die Arbeiten von Jokai ; von polnischen die von Kraszewski. Sehr verkäuflich sind diejenigen Bändchen, welche die populäre Richtung pflegen (Polterabendscherze, Räthselbuch, Deklamatorium von Bern usw.), diejenigen, welche zeitgenössische Themata behandeln (Lindenberg, Berlin , Pötzl, Wien«, Bern, »Deutsche Lyrik seit Goethe usw.), und die »Humoristika« (z. B.: Eckstein, »Besuch im Karzer«, die Saphir-Bändchen usw.). Beschränkt man sich zunächst auf eine Auswahl von etwa 509 Bänd chen (also mehr als 1/g der Universal-Bibliothek«), so wird man für die erste Zeit reichlich versorgt sein. Die Platzfrage spricht ja in einem kleinen Laden auch mit; und für Ladenhüter wird leider in der Regel von anderer Seite schon gesorgt. Der grosse Erfolg, welchen diese Reclam’sche Bibliothek durch die ganze Welt sich binnen etwa 30 Jahren erwarb, hat natürlich auch Konkurrenz-Unternehmungen geschaffen. Das grosse Leipziger Verlagsgeschäft, das Bibliographische Institut«, früher in Hildburg hausen, hat ein Unternehmen unter dem Titel »Meyer’s Volksbücher« geschaffen, von welchem jetzt ebenfalls an die 1000 Nummern zum Verkaufspreise von nur 10 Pf. erschienen sind. Indess ist bei An schaffung dieser Bibliothek zu erwägen: 1) wenn man Reclam führt, braucht man Meyer nicht zu führen, und umgekehrt; 2) man verkauft 1 Bändchen Reclam ebenso leicht für 20Pf., wie man 1 Bändchen »Volks bücher« für 10 Pfg. verkauft; 3) man verdient am Reclam - Bändchen 10, am Meyer- Bändchen nur 4 Pf.; 4) die Auswahl ist bei Reclam besser zu treffen, weil die Bibliothek schon weiter gediehen ist; 5) gewisse Bändchen (z. B. Gaudy) sind bei Reclam für 20 Pf. reichhaltiger, als zwei Meyer’sche für je 10 Pf. Noch einer dritten, mit grosser Umsicht geleiteten Unternehmung dieser Art haben wir an dieser Stelle zu gedenken: der von Otto Hendel in Halle, dem Verleger der »Saale - Zeitung«, vor 5 Jahren ins Leben gerufenen und schon bis zu 500 Bändchen gelangten Bibliothek der Gesammt-Litteratur . Als Format ist hier ein ziem lich grosses Oktav gewählt. Der Preis, ist 25 Pf. für die Nummer. Diese Bibliothek wendet sich vorzugsweise an ein gebildeteres Publikum und trifft danach auch die Auswahl, beschränkt sich darum auch nur auf wirkliche Literatur und bringt keine Bücher anderer Richtung. Rechnen wir nun, dass unser »Kleinbuchhändler« sich z. B. 500 Bändchen Reclam für 50 Mark und für weitere 50 Mark Klassiker- Bände angeschafft hat, so verzinst sich das kleine Anlage-Kapital schon mit 3‘/2 pCt., wenn er täglich nur 1 Bändchen Reclam verkauft, das ihm ja einen Nutzen von 10 Pf. einbringt! Weitere Bücher, die sich immer aus dem Laden verkaufen lassen, sind folgende: Gesetzsammlungen (Guttentag, Berlin und Roth, Giessen), Tagesbroschüren, usw. Ferner ist ein gutes, nicht zu theures Fremdwörterbuch erforderlich. Am gangbarsten sind von letzteren: Heyse (Hahn, Leipzig). Petri (Arnoldi, Leipzig), Weber (Ernst, Quedlinburg), Hoffmann (Brandstetter, Leipzig); von fremdsprachlichen Wörterbüchern genügen zunächst die Taschenwörterbücher von Feller (Leipzig, B. G. Teubner) und Köhler (Leipzig, Reclam), auch die von Klein bei Neufeld und Henius (Berlin) herausgegebenen, die sich bei billiger Preislage durch hübsche Ausstattung, holzfreies Papier und gute Abfassung (viele neue Wörter) auszeichnen. Sodann ein Briefsteller, z. B. Campe (Ernst, Quedlinburg), Kiesewetter (Flemming, Glogau), Ramler (Otto Wiegand, Leipzig), für Süddeutsch land: Brunner (Ensslin & Laiblin, Reutlingen); für Oesterreich: Gaal, (Hartleben, Wien). Ferner sind erforderlich: Königs »Kursbuch (50 Pf. ordinär, 38 Pf. netto, das besonders zur Reisezeit flott ver käuflich ist, event. auch durch direktes Anbietenlassen in Hotels); in Orten, wo grösserer Fremdenverkehr herrscht, wo sich Bahnlinien kreuzen, auch das bei Springer-Berlin erscheinende Reichskursbuch (2M. ord., IM. 20 Pf. netto) und Hendschel’s »Telegraph« (bei Hendschel in Frankfurt a. M.); für Oesterreich: »Der Kondukteur«, für Süd deutschland : Quentin’s »Fahrplanbuch«. Von belletristischen Büchern gehen zur Reisezeit vor allem: Engelhorn’s Romanbibliothek (aus ihr besonders die Ohnet’schen Bände) zu 50 Pf. brosch., 75 Pf. gebunden - ferner die Eckstein’sche Reisebibliothek (1 M. der Band) und die Goldschmidt’sche Unterhaltungs-Bibliothek (je 50 Pf.). Von Reise führern empfehlen sich als die vortheilhaftesten die Sammlungen von Grieben (bei Goldschmidt, Berlin), deren billige Bände verschiedene Preislagen haben, weshalb man von der Verlagshandlung einen Katalog verlangen muss — ferner von Wörl in Augsburg (zu 50 Pf.), auch die Europäischen Wanderbilder von Orell-Füssli (Zürich), und an grösseren Plätzen wieder: Bädeker’s weltbekannte »rothe« oder Movers »braune« Führer (beide Verlagsfirmen in Leipzig). Endlich braucht man die in den Buchbinderläden in der Regel schon be kannten, das ganze Jahr hindurch verkäuflichen Volksliederbücher, Traumbücher, Punktirbücher (Verlag: Mode, Berlin; Hager, Chemnitz; Püttmann, Köln; Sparmann, Oberhausen); die Nieritz’sehen Jugend schriften; die kleinen »Volksbibliotheken« mit Indianergeschichten (Gressner & Schramm-Leipzig, Sparmann-Oberhausen) usw. An Orten, wo sich ein Gymnasium befindet, wird man es nicht unterlassen, sich die von den Schülern als Hilfsmaterial zu ihren Uebersetzungsarbeiten gern gekauften »Eselsbrücken«, »Schlüssel« oder »Schwarten in einigen Exemplaren auf Lager zu legen. Die betreffende Auswahl hierin richtet sich nach dem jeweiligen Schul pensum. Ein Einblick in den Schul plan, gegebenenfalls Rücksprache mit einem Anstaltslehrer schafft Kenntniss von dem, was in dem betreffenden Schulsemester gebraucht wird. Verleger für dergleichen Literatur sind: E. Mecklenburg, Berlin (wortgetreue Uebersetzungen); Metzger, Stuttgart (Osiander"sehe Bibliothek); Langenscheidt, Berlin; Violet, Leipzig (Freundsche Bibliothek). Als zweckmässig wird es sich ferner erweisen, die von aus wärtigen Verlegern in den Ortsblättern bewirkten Bücheranzeigen zu verfolgen. Es ist ja nicht nothwendig, dass man sich infolge solcher Anzeigen ohne weiteres mit Büchern fürs Lager versieht. Wenn man aber an die betreffenden Verleger, unter Bezugnahme auf das Inserat, das Ersuchen um kostenfreie Ueberlassung eines Plakats für den Laden richtet, so wird man dadurch, ohne dass man mehr Kosten als 10 Pf. für einen Brief oder nur 5 für eine Karte hat, erstens zu einem hübschen Schmuck für den Laden, und zweitens recht oft zu einem Buchbesteller gelangen; denn Inserate wirken bekanntlich immer erst, wenn man sie mehrere Male hintereinander, oder die gleichen Anzeigentitel in verschiedener Form gesehen hat. Zwei Zeiten im Jahre sind es, zu denen der Buchhändler besondere Zurüstungen zu machen pflegt, das sind Weihnachten und Ostern. Zur Weihnachtszeit besonders wird das Bücherlager reich ausgestattet. So ziemlich alle Richtungen der Literatur sind da vertreten, und es giebt viele Verlagshandlungen, die lediglich in dieser Zeit von Mitte Oktober bis 2, 3 Tage vor dem Christfest Absatz für ihre Waare suchen und finden. Von ihnen kommen denn auch Ende September und Anfang Oktober die Reisenden, um durch direktes Angebot einen flotten Bezug ihrer Neuheiten zu veranlassen. Hier behaupten be-