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646 No. 25. PAPIER-ZEITUNG. Neue Geschäfte und Geschäftsveränderungen. Wir bitten unsere geschätzten Bezieher, uns von jeder Veränderung Kenntniss zu geben die für unsern Leserkreis von Interesse ist; wir werden dieselbe kostenfrei unter dieser Ueberschrift veröffentlichen. Die Papier-Grosshandlung Maass & Rohmann in Berlin, In haber Siegmund Borchardt, Max Mecklenburg und Louis Maass, wird am 1. April ihr 50jähriges Geschäftsjubiläum feiern. Unter der Firma Eduard Voigt’s Buch- und Kunsthandlung ist in Wiesbaden, Taunusstr. 20, ein Sortiment eröffnet, dessen Ver tretung Herrn Otto Klemm in Leipzig übergeben wurde. Die Fabrik für Zeichen-und Schreibgeräthe Friedr. Nietzsch mann Söhne in Halle a. S. ist mit dem Buchhandel in unmittel baren Verkehr gebracht und deren Vertretung Herrn Th. Thomas in Leipzig übertragen. Die Firma Werner & Schumann in Berlin wird am 1. April die Feier ihres 50 jährigen Bestehens begehen. Schulbuchhandlung (W. Kögel) ist die Firma einer in Eis leben neu errichteten Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung. Inhaber ist Herr Werner Kögel. Vertreter Herr Robert Hoffmann in Leipzig. Die Firma C. Müller in Saarbrücken ist verändert in Saar brücker Tapetenfabrik 0. Müller, und in Berlin unter gleicher Firma eine Zweigniederlassung errichtet worden. Cösliner Papierfabrik. 22 000 M. Aktien wurden am 23. d. Mts. an der Berliner Börse zum Kurs von 36 pCt. franko Zinsen versteigert. Konkursaufhebung. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Buchbinders Adolf Stellrecht in Heilbronn ist aufgehoben. + Herr Adolf Feyerabend, Theilhaber der Papierfabrik Gebr. Rauch in Heilbronn, ist am 15. d. M. im 49. Lebensjahr gestorben. + Herr Carl Ed. Poensgen, Mitinhaber der Papiergrosshandlung Poensgen & Heyer in Köln, ist am 10. d. M. gestorben. Das Geschäft wird in unveränderter Weise unter der alten Firma fort gesetzt. Anglo-Austrian Printing and Publishing Union. Das grossartige Unternehmen, welches unter dem vorangestellten Namen eine Anzahl der grössten Wiener Verlags- und Druckgeschäfte zu einer mit englischem Gelde arbeitenden Aktiengesellschaft ver einigen sollte (Jahrg. 1889, Seiten 328, 422, 519, 632), ist vollständig zusammengebrochen. Auf der letzten Generalversammlung der Aktionäre, am 16. März, erklärte der »Chairman« Sir Henry Isaacs, die Gesellschaft für zahlungsunfähig. Statt 750 000 Lstr. waren nur 93 022 Lstr. eingezahlt worden, und von diesen sind 88 500 Lstr. in den Händen von Mr. Bottomley verschwunden. Die letzte Bilanz ergab einen Vermögensbestand von 26 Lstr. 5 sh. Keines der vielen grossen Geschäfte, mit denen Verhandlungen angeknüpft waren, ist in den Besitz der Gesellschaft übergegangen, und die den Wiener Firmen als Kaution geleisteten Anzahlungen in Höhe von 7 5 000 Lstr. sind sämmtlich verfallen. Obgleich eine Dividende von 8 pCt. für Vorzugs aktien und von 15 pCt. für gewöhnliche Aktien angekündigt war, ist nicht ein Pfennig gezahlt worden. Auf der Versammlung wurde, wie »The British and Colonial Printer and Stationer« meldet, fest gestellt, dass am 29. November und 15. Dezember Wechsel in Höhe von 2500 und 1000 Lstr. zu Gunsten von Mr. Bottomley gezogen und von diesem und dem Sekretär, Mr. Kegan Paul, im Namen der Gesellschaft akzeptirt worden sind. Der Betrag beider Wechsel wurde als »Zuschlags-Betriebskapital« verrechnet. Der Versammlung wurde ferner ein »Sanirungs«-Vorschlag unter breitet, wonach ein Herr Fischer gegen Zahlung von 40 000 Lstr. in baar und 30 000 Lstr. in Schuldverschreibungen (second mortgaga debentures) die Erwerbung einiger jener Wiener Anstalten unter nehmen will, mit denen Verhandlungen eingeleitet waren. Er will dafür drei Jahre lang eine Einahme von jährlich 15 000 Lstr. gewähr leisten. Der Vorschlag wurde abgelehnt, und der Beschluss gefasst, die Gesellschaft mit dem Ziel späterer Wiederherstellung (with the object of reconstruction) aufzulösen. Gegenüber verschiedenen wegen der 88 500 Lstr. an ihn ge richteten Fragen sprach Mr. Bottomley sein Bedauern aus, dass dieses Geld, sammt 50 000 Lstr. aus seiner eignen Tasche, sich gegenwärtig in Wien befinde, wo es zu »verschiedenen Zwecken« im Interesse der Gesellschaft Verwendung gefunden hätte. Er wünschte schliesslich der Gesellschaft alles Glück zur geplanten späteren Wiederherstellung. So endete das »grossartige Unternehmen«, welches bei den ersten Schritten zu seiner Ausführung allgemeines Staunen, dann patriotische Entrüstung, dann Zweifel an der Durchführbarkeit und endlich mit leidiges Achselzucken hervorgerufen hatte. Vortheil haben nur die Wiener Anstalten, welche die hohen Kautionen einstecken dürfen und — vielleicht — der wohlbestallte ehemalige Direktor, Mr. Horatio Bottomley. Zellstoff-Erinnerungen. Von einem alten Papiermacher. Anknüpfend an den Artikel Zellstoff in Nr. 11 dieser Zeitung will ich durch Mittheilung des nachfolgenden Erlebnisses beweisen, wie in den Anfängen der Zellstofffabrikation die Verbraucher, wenn sie auch nur die geringsten Fehler im Papier fanden, es gleich schlechtweg für Holzpapier erklärten. Dieselbe Abneigung, welche die Fabrikanten dem Zellstoff entgegenbrachten, zeigte sich bei den Verbrauchern mit Bezug auf das fertige Erzeugniss. Gegen Mitte des Jahres 1875 übernahm die Aschaffenburger Papier fabrik für eine grössere süddeutsche Zeitung einen Theil der Lieferung des Druckpapiers in Format, wenn ich nicht irre wöchentlich 200 Ctr. Die Lieferzeit wurde pünktlich eingehalten, und die Sache ging so weit ganz glatt ab. Eines Morgens aber, zu Anfang des Jahres 1876, brachte unser Direktor die Mittheilung, dass die Zeitung die letzte Sendung Papier als ganz unbrauchbar erkläre und umgehend Ersatz verlange. Unser Direktor hatte den Grundsatz, eingreifende Meinungs verschiedenheiten möglichst unmittelbar und persönlich zu ordnen, eine Handlungsweise, welche viele Irrthümer richtiggestellt und manchen Schaden verhütet hat. Er ertheilte mir also den Auftrag, sofort abzureisen und selbst nachzusehen, wo der Fehler stecke. Am Orte angekommen, besuchte ich sofort den technischen Leiter der Druckerei. Er empfing mich mit den Worten: »Aber bester Herr, was bringen Sie uns in Verlegenheit! Was sollen wir mit solchem Papier? Es ist das reine Fliesspapier; nicht zum Bedrucken! Sie haben wohl das Rezept verloren? Unser Maschinenmeister ist ganz äusser sich. Doch kommen Sie, Sie können sich mit dem Manne selbst auseinandersetzen.« Und ehe ich noch ein Wort gesprochen, eilte er vor mir her, mehrere Treppen hinunter, schob mich dann durch eine Thür in einen sehr weitläufigen Raum, welcher trotz der hellen Mittagszeit durch mehrere Gasflammen erhellt wurde. Hier war das Reich der Drucker. Der Obermaschinenmeister empfing mich mit der Frage, »Sie machen Ihr Papier jetzt wohl aus purem Holz?« Ich musste diese Frage mit ja beantworten. Zu einer Aufklärung, dass dies von Anfang an geschehen, und in welchem Sinne das Wort »Holz« zu nehmen sei, kam ich aber nicht, denn das »Ja« hatte den kleinen Herrn in die grösste Hitze gebracht, und nun liess er alle Register seiner Beredsamkeit los. Jedes Hauptwort konnte man als Beleidigung ansehen: Holzpapier, Schwindel, Betrug usw. Dies dauerte einige Minuten so fort, zum Schluss zeigte er nach einer Seite des Saales, wo ein Haufen Papier, theils noch verpackt, theils halb aufgerissen und lose, wild durcheinander lag, mit der Bemerkung: »Da liegt ihr —« ich will das Wort hier nicht wiederholen, nur soviel sei gesagt, dass es für die Landwirthschaft von grösstem Werth ist, aber, auf Papier und andere Gegenstände angewandt, den denkbar niedrigsten Grad der Achtung ausdrücken soll. Der erste Blick auf die noch fest geschnürten Packen gab mir die Gewiss heit, dass es nicht unsre Packung war. Auf die ruhig ge stellte Frage, ob der Haufen nur aus Aschaffenburger Papier bestehe, kam die ironische Antwort: »Ja, nur, und gehört nur ganz allein Ihnen.« — »Dann erlauben Sie mir wohl die Bemerkung, dass, soweit ich den Haufen übersehen kann, dies kein Aschaffenburger Fabrikat ist.« Unverkennbar hatte er im selben Moment auch seinen Irrthum eingesehen, denn der sonst nicht maulfaule Herr war auf einmal ganz »baff.« Sein Entschuldigen und Abbitten wollte dann kein Ende nehmen, bis auch ich endlich zu Worte kam und erklärte, dass wir ihm keine Unannehmlichkeiten machen würden, wie er sich aber bei seinen Vorgesetzten herausreissen wolle, sei seine Sache. — »Und dann versprechen Sie mir,« fügte ich hinzu, »nicht mehr Holzpapier, sondern für die Zukunft hübsch wacker Cellulosepapier (das Wort Zellstoff war noch nicht »erfunden«) zu sagen.« Zufrieden mit meiner Mission, vertauschte ich schleunigst diesen Gutenbergkeller mit einem in der Nähe liegenden Gambrinustempel und genehmigte dort mehrere Seidel Gerstensaft auf das fernere Gedeihen des Zellstoffs. Delary (Schweden), 22. Februar 91. C. Hennefeld. Anni. d. Red. Die eingeschaltete Bemerkung, dass das Wort Zellstoff damals noch nicht »erfunden« war, giebt uns willkommenen Anlass, wiederholt zu erwähnen, dass das Wort Zellstoff viel früher vorhanden war, als die Zellstofffabrikation. Wer sich davon überzeugen will, lese nur Liebigs landwirthschaftliche Briefe und andere Werke, da in diesen die deutsche Bezeichnung Zellstoff benutzt ist. Ob Liebig das Wort erfunden, oder noch von einem Vorgänger über nommen hat, wissen wir nicht. Das französische, von französischen Chemikern eingeführte Wort »Cellulose« scheint, weil es Fremdwort ist, für viele deutsche Techniker einen eigenen Reiz zu haben, da sie sich nicht zum Gebrauch der deutschen Bezeichnung entschliessen können.