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PAPIER-ZEITUNG. 635 Giegler, Bruno Radelli, Friedrich Schneider usw. führen, wenden und diesen den Auftrag überschreiben. In beiden Fällen aber wird ihm der Verdienst an der Besorgung des Auftrags wesentlich geschmälert werden, vielleicht so, dass von einem Nutzen überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann. Vor einem solchen Schaden kann sich nun Jeder leicht be wahren, der die Mühe nicht scheut, sich von den Einrichtungen des Buchhandels eine allgemeine Kenntniss zu verschaffen. Das ist wahrlich kein Kunststück! Ein Buch ist eine Waare wie jeder andere Handelsartikel; es handelt sich also einzig und allein darum, die Bezugsquellen für diese Waare kennen zu lernen und die Be dingungen zu erfüllen, unter welchen man diese Waare so billig und günstig beziehen kann wie der betreffende Ortsbuchhändler. Ohne die Kenntniss dieser Bedingungen würde die Kenntniss der Bezugsquellen nichts nützen, denn der Buchhandel ist so eigen- thümlich organisirt, dass der Bücherproduzent, der Verleger, seine Waare mit gewissen, bekanntlich recht hohen, 25, 331/3 und oft mehr Prozent betragenden Rabattsätzen nur an solche Firmen abgiebt, die ihm als »buchhändlerisch eingetragen bekannt und durch sein »Börsen blatt« nachgewiesen sind. Um diesen Ausweis zu erhalten, muss man sich an einen der in Leipzig sesshaften Kommissionäre wenden mit dem Ersuchen, die Vertretung für die neue Buchhandlungsfirma zu übernehmen. Es giebt dergleichen Geschäfte in Leipzig wohl ein halbes Hundert, und alle lassen ungefähr die gleichen Grund sätze für die Bedienung ihrer Kommittenten gelten. Immerhin wird es aber gerathen sein, sich an mehrere derselben mit der betreffenden Anfrage zu wenden, denn nur hierdurch wird man billige Bedingungen zu erzielen vermögen. Hat man einen Vertreter gefunden, so ersucht man ihn, die er forderliche Anzeige im Börsenblatt« zu erlassen, die für gewöhnlich folgenden Wortlaut hat: »Ich beehre mich hierdurch zur Anzeige zu bringen, dass ich mich durch die fortwährende Entwickelung meines Papier- und Schreibwaaren- handels veranlasst gesehen habe, mit dem Gesammtbuchhandel in direkte Ver bindung zu treten. Meinen Bedarf an Büchern wähle ich zunächst selbst aus. Dagegen ist mir die Uebersendung von Zirkularen und Katalogen erwünscht. Meine Vertretung in Leipzig hatte Herr zu über nehmen die Güte. Hochachtungsvoll Nun kann mit dem Waarenbezug begonnen werden. Zunächst wird sich ein solcher neuer »Kleinbuchhändler« darauf beschränken, diejenigen Bücher zu beziehen, welche direkt bei ihm im Laden ver langt werden. Hier aber tritt ihm schon wieder ein Uebelstand ent gegen. Es fehlt ihm nämlich die »Verleger-Kenntniss«, das heisst: er weiss nicht, bei welchem der verschiedenen hundert oder wohl gar tausend Buchverleger Deutschlands und Oesterreichs das verlangte Buch erschienen ist, in welchem Jahre es erschienen ist, ob es noch neu zu haben ist oder antiquarisch gesucht werden muss. Der Buch händler hat hierzu sein Material, und zwar ein sehr ausführliches, das ihn wohl selten im Stiche lassen wird. Dasselbe setzt sich zusammen aus: 1) dem »Börsenblatt« (jährl. Abonnementspreis für Nichtmitglieder des Deutschen Buchhändler-Börsenvereins 20 M., für Mitglieder 8 M.), in welchem jedes neu erscheinende, bezw. erschienene Buch, wenn nicht vom Verleger direkt, so doch in dem von der Hinrichs’schen Buchhandlung zusammengestellten »Verzeichniss neuer Bücher« mit genauer Angabe des Titels, Verfassers, Ueber- setzers, Ladenpreises usw, aufgeführt wird; 2) den Katalogen, welche von den Baarsortimentshandlungen (F. Volck- mar, Leipzig, K. F. Köhler, Leipzig, L. Staackmann, Leipzig; R. Mickisch, Berlin, Koch & Co, Stuttgart, Friese & Lang, Wien) herausgegeben werden und sämmtliche wirklich gangbaren Bücher enthalten. Sie sind dadurch für »unsere Leute« sehr praktisch, weil sie alphabetisch nach Gruppen und innerhalb dieser wieder alphabetisch nach Verfassern geordnet sind, also das Nachschlagen und Auf suchen sehr erleichtern, ferner bei jedem Buche den Ver leger (mit Verlagsort), den genauen Ladenpreis und den Bezugs preis, zu welchem der Baarsortimenter liefert, angeben; dieser Bezugspreis ist in der Regel der gleiche, zu welchem der Ver leger selbst liefert; der Nutzen, mit welchem diese Baarsortimenter arbeiten, beruht in der Regel nur darin, dass der Verleger seine Waare statt wie gewöhnlich mit 331/3, mit 40 pCt. an sie rabattirt, und dass sie ihre eigenen Einbände führen: 3) den Hinrichs’schen Bücherkatalogen, die wohl bis auf das Jahr 1830 zurückreichen und ein im höchsten Grade verlässliches und ausführliches Nachweisungsmaterial bieten. Dieselben erscheinen in Halbjahrsbänden zum Preise von 4 M. 50 Pf. für den Band in Oktavformat, und in Fünfjahrbänden (2spaltig, klein Folio) zum Preise von 15 M. für den Band. Äusser diesen Hinrichs’schen Katalogen giebt es noch die eben falls in sehr hohem Ansehen stehenden Kataloge von Kaiser, T. 0. Weigel und Heinsius, den die Brockhaus’sche Buchhand lung herausgiebt; ferner die Schlagwörter-Kataloge von Georg & Ost (bei Kruse, Hannover), welche die Bücher nicht nach den Autoren, sondern nach Gegenständen ordnen. Ganz nützlich sind auch die von Wolff, Leipzig, herausgegebenen, jetzt bei Guillermo Levien er scheinenden »Vademekums«, die nach Wissenschaften (Theologie, Technik, Jurisprudenz usw.) geordnet sind und immer je 1 Bändchen füllen. Wird der Buchhändler trotz aller dieser Verzeichnisse über Preis und Erscheinungsort eines Buches im Stich gelassen, so wendet er sich, an das »Bücher-Auskunftsbüreau« von 0. Gracklauer (Inh. Schulze) in Leipzig, das sich seit 20 Jahren alphabetische Nachweise angelegt hat und gegen eine Gebühr von 50 Pfg. für Nachfrage und Auskunft wohl über jedes Buch Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, über haupt aller mit dem deutschen Buchhandel in Beziehung stehenden oder gestanden habenden Verleger der Welt ausführlichen Nachweis zu geben imstande ist. Für den »Kleinbuchhändler« sind diese Materialien bis auf die im Abschnitt 2 aufgezählten Baarsortiments-Kataloge, wenigstens für die ersten Jahre der Entwickelung, zu theuer, da er sie in der ausgiebigen Weise eines wirklichen Buchhändlers zunächst noch nicht ausnützen kann. Deshalb behilft sich auch manche kleine »wirkliche« Sortimentsbuchhandlung ohne dieselben, oder theilt sich die Kosten für ihre Benutzung, w z. B. das »Börsenblatt«, mit anderen am Orte befindlichen Firmen. Unser »Kleinbuchhändler« wird für den Anfang, bis ihm nach und nach die Praxis eine gewisse Kenntniss auf diesem Gebiete verschafft haben wird, am klügsten so verfahren, dass er diejenigen Bücher, die bei ihm verlangt werden, auf einen an seinen Kommissionär gerichteten Verlangzettel schreibt; und dieser verlangt dann, unter Zuhilfenahme seiner Nachweisungs materialien von dem jeweiligen Verleger das betr. Buch in seinem Namen. Um Irrthümern bezüglich seines Kommittenten vorzubeugen, setzt er auf seinen Verlangzettel die Bemerkung: »Faktura mit dem Namen auszuschreiben«. Diesem Wunsche entspricht der Verleger wohl immer. Auf einem solchen Verlangzettel steht weiter nichts als Folgendes: y Herrn ^^Löbl. erbitte schleunigst durch Herrn N. N. in Leipzig Ort, . 18 Name ä Cd. baar Man lässt sich solche Zettel nicht in der Druckerei am eignen Orte drucken, da diese selten in der Lage sein dürfte, sie so billig herzu stellen, wie die für »buchhändlerische Drucksorten« besonders eingerichteten Leipziger Druckgeschäfte. Solche Druckereien lassen 40—50 und noch mehr Verlangzettel von allerhand Firmen zusammen kommen, drucken dieselben auf einmal von einer Form, haben Perforir- Einrichtung hierfür und können dann leicht 1000 Stück für 1 M., 1 M. 50—80 Pf. liefern und noch immer trotz des fabelhaft billigen Preises ein ganz gutes Geschäft dabei machen, während die Druckerei am Orte einen einzelnen Auftrag dieser Art selten unter 5—6 Mark ausführen könnte. Wenn ich weiter oben sagte, dass unser Kleinbuchhändler« sich zunächst nur auf die Besorgung der bei ihm direkt verlangten Bücher einlassen soll, so sollte das die Anschaffung eines kleinen Buchlagers nicht ausschliessen. In ein solches Lager darf derselbe aber nur Bücher wälden, für die er sichern Verkauf binnen kurzer Zeit in Aussicht hat. Der Büchermarkt ist ein ungeheurer — es kommen in Leipzig alljährlich Millionen von Büchern zur Auslieferung — die Auswahl ist also nicht so leicht, und man wird die allergrösste Vor sicht bei Zurechtmachung eines solchen kleinen Handlagers aus zuüben haben. Seit Jahren bürgert sich auch im Buchhandel mehr und mehr die Gepflogenheit ein, dass gewisse grosse »Partie-Geschäfte« — z. B. Gustav Fock, Leipzig, Griesbach in Gera, Köhler in Gera, Strauss in Bonn, Neufeld & Henius, Berlin — die Städte Deutschlands durch