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PAPIER-ZEITUNG. 581 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Grossbuchbinderei. (Fortsetzung zu Nr. 22.) Während der Buchblock auf die beschriebene Weise fertiggestellt wurde, waren die anderen Arbeiterabtheilungen beschäftigt, zugleich auch die Decken fertigzumachen. Als der eine Werkführer die Bogen zum Falzen gab, liess ein anderer nach dem Muster, das er in Händen hatte, auch die Pappen zu den Deckeln zuschneiden. Hierzu wird meist die gewöhnliche Pappscheere benutzt, von denen eine auf Fig. 1 in Nr. 21 deutlich im mittleren Vordergrund des unteren Saales zu sehen ist. Neben der Pappscheere liegt links ein Stoss Pappen, von dem der Arbeiter eben eine Pappe zum Schneiden wegnimmt. Weiter links steht eine kleine pappscheerenähnliche Kantenabschräg- maschine. Die Arbeiter, welche zum Pappenschneiden verwendet werden, sind nicht immer Buchbinder, sondern auch oft Arbeitsleute. Grosses Verständniss erfordert die Arbeit nicht, denn wenn die Maschine einmal nach Maassgabe des Probedeckels gestellt ist, so schneidet der Arbeiter ziemlich mechanisch Deckel um Deckel fertig. Bei sehr grossen Auflagen wird zum Deckelschneiden wohl auch die mehr- leistende Kreispappscheere benutzt, die auf unserem Bilde an der rechten Säule des unteren Saales zu sehen ist. Mitunter werden auch beide Maschinen ergänzend gebraucht, indem die Pappen auf der Pappscheere erst in Längsstreifen und diese auf der Kreisscheere in einzelne Deckel geschnitten werden. Sollen die Deckel mit abgeschrägten Kanten versehen werden, was besonders bei minder reich Fig. 6. am vordersten Beine des Gestells vergoldeten Decken beliebt ist, so geschieht dies auf der Abschräge maschine. Selbstverständlich müssen die Deckel dann aus ziemlich dicker Pappe bestehen, da bei schwacher Pappe die ab geschrägte Kante nicht ent sprechend zur Geltung kommt, und die fertige Decke einen matten Eindruck macht. Die Kantenab schrägmaschine Fig. 6 gleicht einer Pappscheere, nur ist sie kleiner, und das Messer ist nicht fest, sondern verstellbar am Ge stell angebracht. Je nachdem die Kante mehr oder weniger ab geschrägt werden soll, wird die Fläche des Messers in einem mehr oder minder spitzen Winkel zum Tisch der Maschine gestellt. Dies geschieht mittels einer Vorrichtung, welche bei Fig. 6 sichtbar ist und unterhalb des Drehpunktes des geschweiften Messers liegt. Auf dem Tische selbst liegt eine verstellbare Anschlagvorrichtung, an welche der abzu schrägende Pappdeckel mit der einen Kante angelegt wird, während die entgegengesetzte Kante genau unter das hochgehobene, schräg stehende Messer zu liegen kommt. Drückt man dieses nieder, so schneidet es ein Dreieck-Prisma aus der Pappkante und- schrägt diese somit ab. er vor dem Binden meist in Stockpressen, womöglich hydraulischen Pressen. Während die Pappen geschnitten werden, ist ein anderer Ar beiter mit dem Zuschneiden des zum üeberziehen bestimmten Kalikos beschäftigt. Was von den Pappen gesagt war, gilt auch vom Kaliko. Der Grossbuchbinder verarbeitet in der Hegel zu Leinenbänden nur guten, feinen Kaliko, jetzt überwiegend in feiner, schraffirter Pressung und in geschmackvollen, zarten Farben. Derselbe besitzt meist eine zweckentsprechende, kräftige Appretur, welche das Vergolden wesent lich erleichtert. Zugeschnitten werden die Ueberzüge von einem mit dieser Arbeit betrauten Mann auf folgende Art: Ist ein grosser Posten zu schneiden, so theilt er erst die Kalikorolle in der Breitenrichtung entsprechend ein, wickelt dieselbe fest zusammen und schneidet mit einem scharfen Messer, welches senkrecht zur Axe der Rolle aufge setzt wird, die ganze Rolle in einzelne, der Ueberzuggrösse ent sprechende Theile bezw. Rollenabschnitte. Dann macht er sich ein Pappmuster, welches so breit ist, wie die Stücke werden sollen, welche nun von den zertheilten Rollen abzuschneiden sind. Ueber dieses Muster weg wickelt er den Kaliko von der Rolle ab, und wenn derselbe vielleicht sechs mal um das Muster herumgewickelt ist, so schneidet er den Kaliko, da, wo er sich über die Pappkante weg legt, mit einem scharfen Messer in derselben Weise durch, wie man eine Lage Papier durchzuschneiden pflegt. Ebenso schneidet er dann den sechsfach übereinanderliegenden Kaliko auch an der entgegen gesetzten Seite durch und wiederholt das Aufwickeln und Durch schneiden so lange, bis die Rollen alle in die nöthige Zahl einzelner Ueberzüge geschnitten sind. Ist eine kleinere Partie zu schneiden, zu welcher keine ganze Kalikorolle verwendet wird, so schlägt er den umgekehrten Weg ein. Er schneidet ein langes Pappmuster, wickelt auf dieses den Kaliko in ganzer Länge der Rolle und schneidet ihn in diesen langen Streifen auf beschriebene Art durch. Die er haltenen Streifen schneidet er dann stossweise zur Grösse der Ueber züge auseinander. Die zugeschnittenen Pappdeckel, Einlagerücken und Kalikoüber züge werden denjenigen Buchbindern übergeben, die das Decken machen als tägliche Arbeit verrichten. Gewöhnlich arbeiten sich dabei vier Mann in die Hände, von denen der eine die Kalikoüberzüge mit Leim bestreicht, der andere die Pappdeckel auflegt, der dritte den Kaliko anreibt und der vierte die Decke einschlägt. Da das Ein schlagen mein- Zeit erfordert als das Anreiben, so wird in der Regel der dritte Mann den vierten unterstützen müssen. Sind die Deckel mit abgeschrägten Kanten versehen, so ist es nöthig, zum Einschlagen zwei Mann zu verwenden, da das Einschlagen über die schrägen Kanten hinweg schwieriger und zeitraubender ist. Zum Bestreichen des Ueberzugstoffes mit Leim wird meist ein Arbeitsbursche verwendet. Das Anreiben des Kaliko wird entweder mit einer dicken Bürste oder mit einem reinen, weichen Lappen ausgeführt. Der Gebrauch von Falzbeinen sollte dabei vermieden werden, da mit denselben der Kaliko glänzend ge rieben wird. Seit einiger Zeit ver wendet man auch Anreibmaschinen. Dieselben (Fig. 7) be stehen im Wesent lichen aus zwei in einem Gestell ge lagerten, aufeinander laufenden Kautschuk walzen, die nach Belieben näher oder werden können. Zwischen diesen zwei weiter zu einander gestellt übereinanderliegenden Kaut- Die aus dünner Pappe bestehenden Einlagerücken werden ent weder gleichfalls auf der Pappscheere geschnitten, oder auch auf einer Kartonscheere. Letztere gestattet leichteres und genaueres Schneiden der schmalen Streifen, wird daher meist vorgezogen. Die zu Einlegerücken bestimmte Pappe wird nicht dick, aber sehr zäh und glatt gewählt. Ebenso verarbeiten Grossbuchbinder auch zu Buchdeckeln nur reine, sehr feste und gut geglättete Pappe, da dieselbe wesentlich zum vollendeten Aussehen des Gold- und Farben drucks der Decke beiträgt. In schwammige Pappe wird sich die Prägeplatte zu tief eingraben, und der Golddruck verliert sein schönes Ansehen. Ist die Pappe überdies noch unrein, so kann es geschehen, dass die Gravirung der Prägeplatte durch harte Knötchen beschädigt wird; daher wäre es vom Grossbuchbinder verkehrt, in dieser Hin sicht sparen zu wollen. Je fester, reiner und glatter die Pappe ist, desto sicherer ist auf einen vollendeten Gold- und Farbendruck zu rechnen. Ist die Pappe vom Lieferanten nicht fest und glatt genug geliefert worden, so wird sie vor dem Verarbeiten nochmals in einem Walzwerk satinirt, und das ist fast der einzige Gebrauch, den der Grossbuchbinder noch vom Walzwerk macht, denn die Bücher glättet schukwalzen wird die Decke von einem kleinen Tisch aus hindurch gelassen. Die Walzen sind vorher so gestellt, dass sie kräftig auf die durchlaufende Decke drücken. Infolge dieses Druckes verbinden sich die Pappdeckel fest mit dem Kaliko, und die Decke fällt an gerieben in den hinten befindlichen Ablegekasten. Befinden sich ab geschrägte Kanten an den Deckeln, so müssen diese natürlich ausserdem noch gut angerieben werden. Die getrockneten Decken wandern nun zur Abtheilung der Press vergolder, die sich auf dem Bilde Fig. 1 an der rechten Seite der Wand entlang befindet. Wie man sieht, sind die meisten Vergolde- pressen durch Treibriemen mit der Transmission verbunden und werden durch Dampfkraft getrieben. Die grosse Anzahl der Ver- goldepressen wird bedingt durch den neuerdings beliebt gewordenen Bronze- und Vielfarbendruck, der oft in einer grösseren Anzahl von Farben ausgeführt wird, die ebensoviel Drucke erfordert. Dadurch macht sich in Grossbuchbindereien die Aufstellung einer Anzahl Pressen und demzufolge die Beschäftigung eben so vieler Farben drucker nöthig. Allerdings hat man mit der Ausbreitung des Farbendrucks auch