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494 PAPIER-ZEITUNG. Grossbuchbinderei. Im vorigen Jahrgang der Papier-Zeitung befand sich ein längerer Aufsatz über die Massenarbeiten des Geschäftsbuchfaches, welcher eine Schilderung des Grossbetriebes dieses Theils buchbinderischer Arbeiten gab. Gleichsam als Ergänzung oder als Seitenstück zu jenem Auf sätze kann der nachstehende gelten, welcher sich mit der eigentlichen Grossbuchbinderei, also mit der Massenherstellung von sogenannten Verleger-Einbänden beschäftigen wird. Zwischen beiden Fächern be stehen wohl Berührungspunkte, doch gehen die Arbeitsweisen in den Einzelheiten wesentlich auseinander. Schroffer als dies beim Geschäftsbuchfach der Fall ist, stehen sich hier die Gross- und Klein - Buchbindereien gegenüber. Der Unterschied wird schon in der buchbinderischen Geschäftssprache ausgedrückt, indem man zwischen Gross- oder Fabrik - Buchbinde reien einerseits und Klein- oder Sortiments-Buchbindereien anderseits ganz bestimmte Unterschiede macht und die betreffenden Geschäfts- betiiebe streng von einander hält. Diese Unterscheidung erstreckt sich selbst auf die Gehilfen, indem man von Sortiments- und von Massenarbeiten! spricht. Unter ersteren versteht man solche, welche in Kleinbuchbindereien lernten und in Einzelarbeiten tüchtig sind, unter letzteren Arbeiter, die Uebung in Sonderarbeiten besitzen. In diesem Sinne nennt man letztere auch wohl Fertigmacher. Goldschnitt- machen, Pressvergolder, Marmorirer usw. Diese Gehilfen- Eintheilung lässt schon erkennen, dass in Gross- Buchbindereien strengste Arbeitstheilung üblich ist, wogegen dieselbe in Klein-Buchbindereien wenig oder nicht zur Anwendung kommt. Die Grossbuchbinder sind fast ausschliesslich für Verleger thätig; sie binden für diese gleichzeitig hunderte, ja tausende von gleichmässigen Exemplaren eines Verlagswerkes, wogegen die Kleinbuchbinder Einzelarbeiten für Privatleute fertigen. Infolge der grossen und gleichmässigen Aufträge kommen in Grossbuchbindereien die Maschinen zur besseren Ausnützung, ebenso die zahlreichen Arbeitskräfte. Letztere werden noch besonders durch Stücklohn zu höherer Leistung angespornt, was im Kleinbetrieb nicht gut möglich ist. Zum Kleinbuchbinder bringt ein Auftraggeber einzelne Bücher, von denen jedes ein besonderes Format, besondere Bogenzahl, besondere Ausstattung und dergl. hat. Jedes Buch verlangt demnach besondere Aufmerksamkeit, bei gewissen Handgriffen besondere Be handlung, so z. B. beim Walzen oder Schlagen, Einsägen, Beschneiden, Ansetzen usw. Dazu kommt, dass jedes Buch nach den Angaben des Bestellers mit bestimmtem, oft von andern Aufträgen abweichendem Einband zu versehen, das eine Halbfranz, das andre als Pappband, das dritte Ganzleinen, das vierte steifbroschirt zu binden ist. Ferner hat auch jeder Besteller seine besonderen Ansichten hinsichtlich der Ausstattung. Der eine verlangt dunklen, der andre hellen Ueberzug, der eine weiss, der andre farbig Vorsetz, der eine die, der andre jene Rückenvergoldung. Allen diesen Wünschen muss der Klein meister Rechnung tragen, und obwohl-er den Vortheil der Massen- Arbeit insofern auszubeuten sucht, dass er die Bücher mehrerer Auftraggeber sich anhäufen lässt und möglichst bestrebt ist, stets eine grössere Bändezahl gleichzeitig zu binden, so machen doch die abweichenden Bestimmungen und Grössenunterschiede jenen Vortheil wenig bemerkbar und heben ihn nahezu auf. Er muss die einzelnen Bücher immerhin nach den betreffenden Bestimmungen arbeiten, und das raubt beträchtliche Zeit. Besonders umständlich ist das Ver golden der Rücken, da zu jedem einzelnen Buche der erforderliche Titel gesetzt und nach dem nur einmaligen Druck wieder abgelegt werden muss, — eine Arbeit, die bei langen Titeln oft unverhältniss- mässige Zeit erfordert. Ganz anders arbeitet dem gegenüber der Grossbuchbinder. Er erhält vom Verlagsbuchhändler ganze Auflagen, mindestens aber grosse Posten gleiche!' Bücher zu binden. Ein Buch wird genau wie 'las andere gearbeitet, eine Decke mittels der Vergoldepresse wie die, andere verziert. Abweichende Grössen der einzelnen Bücher, oder abweichende Bestimmungen über die Ausstattung giebt es bei diesen Posten nicht, demnach auch keine hieraus entspringende Zeit- versäumniss. Infolgedessen geht die Arbeit mit erstaunlicher Schnelligkeit vor sich. Die ganze Grossbuchbinderei stellt sozusagen eine riesige Maschine dar, in welcher jeder Arbeiter ein Rädchen bildet und alle Rädchen infolge zweckmässig durchgeführte)' Theil arbeit sicher ineinandergreifen. Die verschiedenen Arbeiter verrichten seit vielen Jahren tag täglich dieselbe Arbeit. Der eine presst ohne Unterbrechung Bücher ab, der andre macht Marmorschnitte, der dritte arbeitet fortwährend Decken, wieder ein andrer beschneidet usw. Dabei erlernt jeder Ein zelne die ilun zugewiesene Theilarbeit gründlich und bringt es durch Uebung zu beträchtlicher Fertigkeit. So liegt es schon im Wesen der ganzen Theilarbeit, dass bei ihr die Ausführung äusserst vollkommen sein kann, indem jeder Theilarbeiter die ihm zufallende Verrichtung gleichmässig und flott ausführt, meist gleichmässiger, als dies der Sortimentsarbeiter bei seiner abwechselungs reichen Thätigkeit kann. Macht z. B. ein seit Jahren als Marmorirer thätiger Arbeiter an tausend gleichmässige Bücher eben so viel gleich mässige Marmorschnitte, so wird jeder Schnitt vollkommen schön sein. Versieht dagegen ein Kleinmeister alle drei oder vier Tage einige Bücher mit verschiedenen Marmorschnitten, so wird er diese Voll kommenheit schwerlich erreichen, schon deshalb nicht, weil er zu seinen wenigen Büchern stets Grund und Farbe neu verdünnen und vorrichten muss. Ausserdem macht der Kleinbuchbinder nicht aus schliesslich Mannorschnitte, sondern führt in der Zwischenzeit andere Arbeiten aus und bindet überhaupt die Bücher vom Anfang bis zum Ende fertig, verrichtet also alle die Handgriffe, welche bei Fertig- Stellung eines Einbandes erforderlich sind, und deren Ausführung in Grossbuchbindereien in den Händen einer Reihe von Theilarbeitern liegt. Natürlich kann er sich dabei nicht die Fertigkeit bei Ausfüh rung jeder Einzelarbeit aneignen, welche die Theilarbeiter besitzen. Ferner hat die Einrichtung der Theilarbeit den Vorzug natür licher Kontrolle. Nicht nur, dass sich stets einige Arbeiter gemeinsam Hand in Hand arbeiten, wobei der eine schon der Wächter des anderen sein muss, da beide gemeinsam für etwaige Fehler verantwortlich gemacht werden, sondern die gegenseitige Ueberwachung der Arbeit pflanzt sich auch von Abtheilung zu Abtheilung fort. Entdeckt die Hefterin, dass die Bogen schlecht gefalzt oder beschmutzt sind, so ist es ihre Pflicht, dies dem Werkführer zu melden; ebenso müssen Fehler dieser von der nachfolgenden Arbeitsabtheilung gemeldet werden usw. Auf diese Weise wird den Werkführern die Kontrolle wesentlich erleichtert, welche sie natürlich in erster Reihe auszu üben haben. Mit den schwerwiegenden Vortheilen der Theilarbeit noch nicht zufrieden, sucht der Grossbuchbinder die Arbeit auch noch möglichst zu vereinfachen, indem er nur die nothwendigsten, besonders auf die Eleganz des Einbandes bestimmend wirkenden Hantirungen verrichten, dagegen einzelne Hantirungen, welche grössere Haltbarkeit bezwecken, nicht mit ausführen lässt. Der Kleinbuchbinder dagegen führt meist alle den Halt vermehrenden Hantirungen sorgfältig aus; er arbeitet daher wohl umständlicher, liefert meist aber auch Arbeiten, welche dauerverbürgender sind, als die üblichen Massenarbeiten. Natürlich kann das nicht als allgemeine Regel gelten, sondern es giebt auch Ausnahmen, in denen Grossbuchbinder sorgfältiger arbeiten lassen. Die mächtige Ueberlegenheit der Massen- und Theilarbeit macht sich recht auffallend an den Preisunterschieden bemerkbar. Um zu zeigen, wie erheblich diese sind, lasse ich die Nebeneinanderstellung einiger Preise folgen, wie sie für den Band bei Massenarbeit nach dem Preisverzeichniss eines bekannten Grossbuchbinders, und wie sie bei Einzelberechnung unter Zugrundelegung des Tarifs berechnet werden: Massenarbeit. Mittel-Oktav, 20 Bogen, Halbfranz 75 Pf. Gross-Oktav, 40 „ „ 95 „ Mittel-Oktav, 20 „ Ganzleinen, Gold- und Farbendruck 50 „ Gross-Oktav, 40 Bogen, Ganzleinen, Gold- und Farbendruck 70 „ Mittel-Oktav, 20 Bogen, Ganzleinen, Hochf. Gold- und Farbendruck mit Goldschnitt .... 85 „ Gross-Oktav, 40 Bogen, Ganzleinen, Hochf. Gold- und Farbendruck mit Goldschnitt . . 1 M. 10 „ Einzelarbeit. 2 M. Pf. 2 „ 40 „ 2 » 40 „ 3 „ — „ 4 „ - „ Wie man aus dieser Gegenüberstellung sieht, ist der Unterschied gross, hauptsächlich bei den Ganzleinen-Bänden. In der Herstellung dieser ist die eigentliche Ueberlegenheit der Grossbuchbinderei zu suchen. Es ist als sicher anzunehmen, dass der Grossbuchbinder, der 1000 Leinenbände mit Farbendruck, den Band für 50 Pf. bindet, dabei noch einen entsprechenden Verdienst hat, während der Kleinbuch binder bei Berechnung von 2 M. kaum auf seine Kosten kommen kann. Denn einzelne Leinenbände in der Presse zu vergolden und noch überdies mit Farbendruck zu versehen, ist eine eben so unren table Arbeit, als wenn ein Buchdrucker eine einzelne Geschäftskarte setzen und in der Presse drucken wollte. Wie beim Buchdrucker der Satz und das Zurichten die meiste Arbeit macht, so annähernd auch beim Buchbinder das Zurichten der Platten und der Presse, sowie das Anreiben der Farben bei Ganzleinenbänden. Sind Platten, Presse und Farbe zugerichtet, so macht es dem Vergolder nicht viel mehl- Arbeit, statt einer Decke deren zehn mit Gold- und Farben druck zu versehen. Aehnlich ist das Verhältniss zwischen der An fertigung eines einzelnen oder mehrerer Goldschnitte. Man sieht also, die Ueberlegenheit des Grossbetriebes ist, sobald es sich um Herstellung von grösseren Posten gleicher Bücher handelt, ganz unver- hältnissmässig gross. (Fortsetzung folgt.)