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464 PAPIER-ZEITUNG. No. 19. Erfindungen und Erfinder. Von einem mehrfachen Patent - Inhaber. Wer die Veröffentlichungen des Patentamts regelmässig verfolgt, staunt über die unerschöpflich scheinende Mannigfaltigkeit der Er findungen. Was wird doch Alles erfunden! Mit grösserer Zähigkeit, als ein Patent-Aspirant sein Geisteskind beschützt, kann keine Löwin ihre Jungen vertheidigen. Ein Mann, der grosse geschäftliche Er fahrungen besitzt, sagte mir einmal: »Die Erfinder sind allesammt krank!« Das heisst, »krank« hat er nicht gesagt, sondern er wählte einen Ausdruck, für den ich vorstehende gelinde Umschreibung er finden musste. Wenn diese Unterstellung auch etwas schroff sein mag, so ist es doch wahr, dass sich kein Mensch mit gesunden Sinnen so in eine Idee zu verrennen vermag und so wenig vernünftigen Einwendungen Gehör zu geben pflegt, als ein »Erfinder.« Die Zahl der unausgeführten Erfindungen ist Legion, und unter dem verbliebenen kleinen Reste findet sich vielfach in den Patent- Listen die unheilvolle Bemerkung »Erloschen!« Viele Patente werden nur nachgesucht, um die darin liegende Idee »öffentlich« zu machen und zu verhindern, dass sich später ein Anderer die »Erfindung« schützen lassen könnte, die man gelegentlich ausführen will, ohne ein Patent zu bezahlen. Dies geschieht z. B. vielfach auf dem Ge biete der Elektrotechnik. Die meisten ertheilten Patente werden im dritten oder vierten Jahre, wenn der betr. Artikel schon genügend bekannt und an die ausübende Firma gebunden ist, freiwillig aufgegeben. Konkurrrenz ist ja dann kaum mehr zu befürchten. Manche Erfinder suchen nach geschehener Anmeldung die Er- theilung des Patents möglichst lange hinauszuschieben. So wird z. B. die Anmeldung unvollständig eingereicht, worauf nach 4 bis 6 Wochen der Bescheid erfolgt, dass man binnen 4 Wochen das Fehlende zu beschaffen habe. Oder man stellt einen unglaublichen Patent-Anspruch, der unmöglich durchgehen kann, und der in den angegebenen Fristen den Vorschlag des Patent-Amtes für einen passenden Anspruch zur Folge hat. Manchmal wird auch wohl vor der Ertheilung des Patentes der Anspruch oder ein Stück der Beschreibung zurückgezogen und unter Ausnutzung der Wartezeiten ergänzt, worauf die Begutachtung usw. ihren vorgeschriebenen Weg nimmt; — das Spiel beginnt also aufs neue. Das alles zu dem Zwecke, um Zeit zu gewinnen, um bei Ein führung des Artikels sagen zu können: »D. R. P. a.« und somit eine noch immer wirksame Empfehlung, jedenfalls aber den gesetzlichen Schutz für die Schwebezeit zum billigen Preise der Anmeldung — 20 M. — zu erhalten; vorausgesetzt, dass man die letztere selbst besorgt. Diejenigen Erfinder, die nicht eigene Mittel besitzen, sind die schlimmsten. Sie halten aller Welt Vorträge über den Nutzen ihrer Entdeckung und über die vermuthliche, nein, ganz sichere Einträg lichkeit derselben. Demzufolge werden von Erfindern, die zum ersten Mal von diesem süssen Gift genascht haben, ganz ungeheuerliche Preise für die Abtretung ihrer Erfindungen gefordert, wie ich aus eigener Erfahrung weiss. Die Gegenrede, dass ein unausgeführtes Patent nicht mehr Werth habe als ein Fidibus, oder der Vorschlag, statt der geforderten 200 000 M. 2—300 M. zu zahlen, wird als per sönliche Kränkung aufgefasst. Neulich kam ein Mann mit geheimnissvoller Miene zu mir, um eine von ihm »erfundene« Anlege-Vorrichtung für Buchdruckschnell pressen zu empfehlen, die leider schon erfunden war, ohne indess je zur Ausführung gelangt zu sein. Er sagte, damit sei ein Vermögen zu verdienen. »Ja,« warf ich ein, »man kann dabei aber auch eins verlieren!« Daran schien der Mann noch nicht gedacht zu haben. Er ging bekümmert von dannen. »Sicherheits-Briefumschläge« u. dgl. werden alljährlich zu Dutzenden erfunden, ebenfalls meist in Formen, welche der Fachmann sofort als alte Bekannte begrüsst, und welche die Patentirung ausschliessen. Das Missgeschick, dass Jemand etwas Erfundenes noch einmal erfindet, ist besonders dann schmerzlich für den Stiefvater, wenn für Modelle und Zeichnungen schon eine Menge Geld ausgegeben ist. Die gemachte trübe Erfahrung wirkt aber selten völlig abschreckend; — ist der eine Weg verschlossen, so führt vielleicht ein anderer zum Ziel, und der Erfinder grübelt und probirt weiter. Dabei kann es leicht geschehen, dass aus dem gelegentlichen Erfinder ein berufs mässiger wird, und’ dass ein nicht unfähiger Kopf, der in bestimmten Grenzen vielleicht Tüchtiges leisten könnte, in Phantastereien zu Grunde geht. H. II. Wehrbauten. (Das Regawehr zu Greifenberg in Pommern und das Sorgewehr zu Christburg in Ostpreussen.) Von J. Heyn, Zivilingenieur und Mühlenbaumeister, Stettin. Nachdruck verboten. Es ist noch in frischer Erinnerung, wie grosse Verheerungen die Wasserfluth des Frühjahrs 1888, welche namentlich in Norddeutsch land auftrat, zahlreichen Wasserbauten zufügte. Auch die Wehre der Rega zu Greifenburg in Pommern und der Sorge zu Christburg in Ostpreussen fielen den anstürmenden Wassermassen zum Opfer. Der Neubau dieser Wehre wurde bald in Angriff genommen und derartig ausgeführt, dass dieselben ähnlichen Hochwasserfluthen künftig- wirksamen Widerstand leisten können. Für die Schützen und Gries säulen wurde eine Bauart gewählt, welche es ermöglicht, die Schützen mit wenig Kraftaufwand und in kürzester Zeit zu heben, sowie die Griessäulen rasch zu entfernen, um so den Eisschollen wie dem Wasser freien Durchgang zu schaffen. Die Ausführung beider Wehre wurde dem Verfasser übertragen, welcher dabei die ihm unter Nr. 37 528 patentirten Rollschützen und eine eigenartige Form der Griessäulen in Anwendung brachte. Beide Bauwerke sind seit 2 Jahren im Betriebe, haben allen Erwartungen entsprochen, und die betreffenden Mühlenwerke sind nunmehr nach menschlicher Berechnung gegen jeden schädlichen Wasserandrang gerüstet. Eine Beschreibung der beiden Wehre dürfte daher für die zahl reichen Betriebe des Papierfachs, welche Wasserkraft benutzen, von Interesse sein. 1. Die Rollschützen nach D. R. P. Nr. 37 528. Das .Wesen der Patentrollschützen besteht darin, dass die Schütz tafeln an beiden Seiten mit Rollen versehen sind, durch welche sie sich an die Griessäulen legen. Auf die Rollen wird nun der Wasser druck übertragen, und es ist erklärlich, dass bei Bewegung der Schützen nicht mehr Kraft nöthig ist, als man zur Bewegung eines auf Schienen laufenden Wagens braucht. In den Abbildungen 1 bis 4 sind die Rollen mit a bezeichnet. Fig- 1. Fig. 1 veranschaulicht einen Querschnitt, in grösserem Maass- stabe gezeichnet, durch eine Griessäule und den angrenzenden Theil einer Schütztafel vom Greifenberger Wehr, f bedeutet die eiserne Griessäule, d die hölzerne Schütztafel, a eine von den Rollen, die hinter der Schütztafel befestigt sind, und durch welche letztere an der Griessäule aufliegt. Die einzelnen Rollen sind an Böcken b befestigt. Die patentirte Abdichtung der Schütztafel gegen die Griessäule erfolgt auf nachstehend beschriebene Weise: An der Seite, wo die Rollen sitzen, ist eine Blechplatte c an gebracht, welche bis auf etwa 20 mm an die Griessäule heranreicht, dann ist eine Holzleiste g vor diesen verbleibenden Spielraum von 20 mm gelegt, und diese Holzleiste ist durch ein Leder h mit der Schütztafel d verbunden. Es ist nun leicht erkennbar, dass sich die Holzleiste g durch den auf ihr lastenden Wasserdruck an die Gries säule anlegen muss und dadurch die Abdichtung zwischen Schütztafel und Griessäule herstellt, anderseits kann aber auch die am Leder h beweglich gehaltene Holzleiste g kein Klemmen oder Aufhalten bei der Bewegung der Schütztafel hervorrufen. Der Arm e, welcher zwischen zwei Knaggen, die an der Holzleiste befestigt sind, liegt, ist an der Schütztafel angeordnet, um die Holzleiste bei Bewegung der Schütztafel unter allen Umständen mitzunehmen, falls dies durch das Leder h nicht schon geschehen sollte.