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462 PAPIER-ZEITUNG. No.19: Kopirtinten. Von Osw Schluttig und Dr. G. S. Neumann. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung zu Nr. 18.) II. A. Abdruck-Kopirtinten. Die direkt kopirfähigen oder Abdruck-Kopirtinten sind die Kopir tinten des gewöhnlichen Schreibgebrauchs, bei denen sog. Kopirpapier, d. h. mehr oder weniger dünnes, feinfaseriges, nicht oder nur sehr wenig geleimtes Seidenpapier zur Anwendung kommt. 1. Nass-Kopirtinten. Die Nass-Kopirtinten sind mit den gewöhnlichen Schreib- oder Buchtinten am nächsten verwandt und haben in den Schreibstuben die weiteste Verbreitung gefunden. Sie erfordern die Anwendung der bekannten Kopirpresse, in welcher feuchtes Kopirpapier auf die Schriftzüge des Originals aufgepresst wird. Von den Schreibtinten, welche auf dem Papier so schnell wie möglich unlöslich werden sollen, unterscheiden sie sich dadurch, dass das mit ihnen Geschriebene längere Zeit daselbst theilweise löslich bleiben muss, damit beim Auf legen des feuchten Kopirpapieres ein Theil des Farbstoffes der Schrift züge gelöst werden und in dieses übergehen kann. Je länger die Schriftzüge lösbar bleiben, um so andauernder ist die Kopirfähigkeit der Tinte. Es ist hier nicht der Ort zu besprechen, durch welche Mittel der Fabrikant eine Schreibtinte kopirfähig machen kann. Doch möchten wir Folgendes hervorheben. Der werthvollste Bestandtheil der Schreibtinte ist der Farbstoff, der entweder fertig gebildet in ihr enthalten ist, oder sich erst beim Eintrocknen der Schriftzüge auf dem Papiere unter dem Einflüsse der Luft entwickelt. Man findet nun gewöhnlich die Angabe, dass eine Schreibtinte in eine brauch bare Kopirtinte umgewandelt werden könne durch Zusatz hygro skopischer Stoffe, wie Rohr- oder Traubenzucker, Dextrin, Glycerin, Chlorcalcium u. dgl. Wir haben dem hinzuzufügen, dass ein der artiger Zusatz in den meisten Fällen nicht genügen wird, wenn nicht gleichzeitig dafür gesorgt ist, dass für die zu bereitende Kopirtinte auch hinreichende Mengen an Farbstoffen oder farbstoffgebenden Sub stanzen vorhanden sind. Die Quantität dieser Stoffe ist so zu be messen, dass nach Kopie-Abnahme noch genügend Farbstoff sowohl in den Schriftzügen des Originals, als auch in denjenigen der Kopieen zurückbleibt. Die Kopirtinte muss also reicher an färbenden Sub stanzen sein als die Schreibiinte, um so reicher, je mehr Kopieen sie liefern soll; denn die Schreibtinte hat in der Regel nicht mehr Vor rath an diesen Stoffen, als nöthig ist, um einfache Schriftzüge zu er zeugen. Daher bedarf jene allgemein verbreitete Angabe der er wähnten Ergänzung. a. Theerfärben-Kopirtinten. Der grossartige Aufschwung, den die Industrie der künst lichen Farbstoffe in den letzten drei Jahrzehnten genommen hat, ist natürlich auch der Tintenfabrikation zugute gekommen. In der allerersten Zeit musste man freilich, um einen Anilinfarbstoff zu lösen, Spiritus zu Hilfe nehmen; später aber gelang es, durch Sulfurirung die weitaus grösste Menge der Farbstoffe wasser löslich zu machen, und seitdem kann eigentlich erst von sog. »Anilintinten«, richtiger »Theerfarbentinten«, die Rede sein. Mit diesem Namen bezeichnet man die zum Schreiben geeigneten wäss rigen Lösungen der Theer- oder Anilinfarben aber nur dann, wenn sie ausserdem nicht noch Stoffe enthalten, die, in der Flüssigkeit ungefärbt, beim Eintrocknen der Tinte auf dem Papier Veranlassung zu weiterer Farbstoffbildung geben. Ist letzteres der Fall, wie z. B. in den Eisengallustinten, so sollen die Theerfarben der Tinte nur ihre vorläufige Färbung verleihen. Man kann also nur dann von einer Theerfarbstofftinte sprechen, wenn dieselbe ihre Färbung, mit welcher sie aus der Feder fliesst, auf dem Papier dauernd beibehält. Hieran sind diese Tinten leicht zu erkennen. Die Theerfarben-Kopirtinten enthalten zum Zwecke besserer Kopirfähigkeit häufig äusser dem Farbstoff noch einen Zusatz von hygroskopischen Stoffen, wie Zucker, Dextrin, Glycerin. Zwar halten sie sich durchgängig im Glase vorzüglich und greifen die Feder nicht an, weil sie keine freie Säure enthalten, widerstehen jedoch auf dem Papiere für die Dauer der Luft und dem Lichte im allgemeinen nur sehr wenig und sind aus diesem Grunde als geringwerthige Tinten zu bezeichnen. Wegen ihrer bestechenden und brillanten Farbe sind sie bei Privaten sehr beliebt, daher auch der violette Färbung be sitzende Hauptartikel dieser Art gewöhnlich den Namen •Salontinte 4 oder »Tinte für die elegante Welt« führt. In früherer Zeit mögen viele unter ihnen infolge spurenweisen Gehaltes an Arsen giftig gewesen sein; seitdem man aber gelernt hat, die Anilinfarben voll kommen giftfrei herzustellen, kann von einer Giftigkeit der meisten dieser Tinten nicht mehr die Rede sein. Weitere Mittheilungen über die sog. Giftigkeit der Tinten sollen später folgen. Da die Theerfarben-Kopirtinten auf dem Papiere eintrocknen, ohne dass eine chemische Veränderung mit dem in Wasser löslichen Farbstoffe vor sich geht, so behalten sie ihre Kopirfähigkeit so lange, bis sie unter dem Einflüsse des Lichtes und der Luft verbleichen. Aus gleichem Grunde zeigen ihre Schriftzüge auch beim Waschen mit Wasser oder Spiritus wenig Beständigkeit. Sie liefern selten mehr als zwei Kopieen, die aber sofort scharf und intensiv hervortreten, während die auf dem Originale befindlichen Schriftzüge gleichfalls von Anfang an kräftig beim Kopiren Zurück bleiben — vorausgesetzt natürlich, dass die Oberfläche des Papieres nicht derart ist, dass der Farbstoff zu wenig daran haften kann. Das Kopirpapier darf, besonders bei ftischer Schrift, nur schwach feucht sein, sonst laufen die Kopieen leicht breit. Es sei um so feuchter, je älter die Schrift ist, und je mehr Kopieen man erzielen will. Der mittels der Presse auszuübende Druck soll nur sehr mässig sein; eine Dauer von ein bis zwei Minuten wird, wenn nicht ganz alte Schriftstücke vorliegen, genügen. Im heissen Klima aber, wo das Papier bedeutend trockner ist als bei uns, und die Schriftzüge viel schneller und schärfer austrocknen, muss man das Kopirpapier wesent lich feuchter halten und die Pressung länger dauern lassen. b. Blauhoh-Kopirtinten. Die Hauptrepräsentanten dieser Art flic ssen mit gelb- bis violett- rother Farbe aus der Feder, werden auf dem Papiere sehr schnell, oft schon nach wenigen Minuten, blauschwarz und geben sowohl sofort nach dem Schreiben als auch nach Monaten und zuweilen selbst Jahren sehr intensive, schwarzviolette, scharfe Kopieen. Sie befinden sich im Handel gewöhnlich unter den Namen: Violette Kopirtinte, Hämatein-Kopirtinte, Pariser Kopirtinte, Anilin-Kopirtinte, Veilchenblauschwarze Kopirtinte usw. Diese Tinten sind meist eisenfrei, häufig aber chromhaltig. Sie sind in der Hauptsache Lösungen von Blauholzextrakt mit Zusätzen verschiedener Salze (gewöhnlich aus der Klasse der Alaune). Ihre Zusammensetzung ist jedoch sehr wechselnd, da jeder Fabrikant nach eigenen Vorschriften arbeitet. Ueber die chemische Konstitution der Farbstoffe, welche theils in der Flüssigkeit fertig gebildet sind, theils in den Schriftzügen auf dem Papiere sich entwickeln, wissen wir bis jetzt absolut noch nichts. Die veröffentlichten Rezepte zur Darstellung derartiger Tinten taugen in der Regel nichts oder nicht viel, denn zur Erlangung brauchbarer Ergebnisse, die auch für die Fabrikation im Grossen sich bewähren, ist nicht allein die Ausführung vielfacher Laboratoriumsversuche erforderlich, sondern auch umfassende praktische Erfahrung. Ein Fabrikant aber, der sich eine brauchbare Vorschrift ausgearbeitet hat, wird sich hüten, sein Geheimniss durch Veröffentlichung preiszugeben. Vor allem thäte aber hier Klarlegung der chemischen Natur der Rohmaterialien — des Blauholzfarbstoffs und seiner Verbindungen — noth, eine Aufgabe, für deren Lösung nicht nur der Tintenfabrikant, sondern natürlich auch indirekt das schreibende Publikum der Tintenprüfungsanstalt sehr dankbar sein würde. Das bisherige Verhalten der Kgl. Tintenprüfungsanstalt in Berlin lässt allerdings kaum hoffen, dass der Tinten-Industrie von ihr eine ähn liche Unterstützung zu Theil wird, wie sich beispielsweise Papier- und Eisen-Industrie einer solchen seitens der kgl. mechanisch-technischen Versuchsanstalt zu erfreuen haben. Hat doch die Tintenprüfungs anstalt seit ihrem Bestehen — 6 Jahren — auch nicht eine einzige Untersuchung über Tinten veröffentlicht, geschweige denn eine solche, die zur Belehrung und Förderung irgend eines Zweiges der Tinten fabrikation hätte beitragen können! Und wenn nicht einmal die Veröffentlichung des Verfahrens zur Prüfung der Tinten erfolgen kann, weil seine Anwendbarkeit noch nicht allseitig geprüft ist, wenn trotz dem die Resultate dieses notorisch unzuverlässigen Verfahrens rechts kräftige Geltung haben, so kann es nicht Wunder nehmen, wenn das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der genannten Anstalt nur ein sehr bedingtes ist. Den Beweis für diese Behauptung haben wir in unserer Schrift über Eisengallustinten gebracht, und zahlreiche fach männische Urtheile haben uns durchaus beigestimmt (Papier-Ztg., 1890, S. 2258). Wie anders z. B. bei der Papierprüfungsanstalt, die ihre Erfahrungen in jeder nur denkbaren Weise den Interessenten zugute kommen lässt! Die Blauholz-Kopirtinten erfordern nur ganz schwach angefeuch tetes Kopirpapier und auch nur verhältnissmässig kurze Zeit dauernden Druck. Aeltere Schriften müssen selbstverständlich feuchter und mit längerer Pressung kopirt werden. Frische Schriftzüge laufen aber bei Anwendung zu feuchten Kopirpapieres sehr leicht aus, weshalb hierbei besondere Vorsicht geboten ist. Wegen ihrer Leichtflüssigkeit und angenehmen Färbung nach der Kopien-Etnahme als Korrespondenztinten sehr beliebt, zeigen die Blauholz-Kopirtinten auf dem Papiere für die Dauer leider nur sehr