Volltext Seite (XML)
No. 18. PAPIER-ZEITUNG. 439 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. Papiergeld. In Nr. 10, Seite 230 berichteten wir über das rücksichtslose Vor- gehen des Pariser Chemikers Schlumberger, welcher die leichte Nach- ahmbarkeit der französischen 500-Frankenscheine dadurch bewies, dass er einen in allen wesentlichen Theilen gelungenen Nachdruck veran staltete und dem »Moniteur industriell beilegte. Ueber Schlumbergers Maassnahmen und Verbesserungsvorschläge können wir heut, auf Grund von Berichten der Zeitschrift »La Papeterie« Näheres mittheilen. Schlumberger befasst sich schon seit Jahren mit Versuchen, wirk same Mittel zur Verhütung der Banknotenfälschung zu erfinden. Er ist im Besitz von Patenten und hat für seine Erfindungen von der Socit d’Encouragement 1887 die silberne, 1888 die goldene Preis- münze erhalten. Um sich das Erfinder-Vorrecht zu sichern, hatte er der genannten Gesellschaft bereits am 28. April und 31. Mai v. J. verschlossene Schrift stücke mit Vorschlägen überreicht, die später veröffentlicht wurden. Aus diesen vorläufigen Mittheilungen und den später gegebenen Er gänzungen Schlumbergers geht Folgendes hervor: Die Ansicht, dass mehrere in verschiedenen Farben übereinander gedruckte Platten Schutz gegen photographische Nachbildung bieten, ist irrig. Selbst diejenigen Farben, deren optische Intensität von der photochemischen am meisten verschieden ist, z. B. Dunkelblau und Gelb, bei deren photographischer Aufnahme mit gewöhnlichen Platten sich die Tonwerthe geradezu umkehren, können bei Anwendung der neueren farbenempfindlichen Platten ihren optischen Tonwerthen ge mäss wiedergegeben werden. Um bei den 500-Frankscheinen die durcheinandergehenden Zeich nungen der blauen und röthlichen Platte von einander zu trennen, verfuhr Schlumberger auf folgende Weise. Er fertigte von einem 500-Frankscheine auf farbenempfindlicher Platte eine starke Vergrösse rung, machte davon zwei Abzüge und liess auf dem einen die röth lichen, auf dem anderen die blauen Züge mit chinesischer Tusche, die etwas Zusatz von doppeltchromsaurem Kali erhielt, nachziehen. Durch geeignete Behandlung der (unfixirten?) photographischen Abzüge wurde das photographische Bild zerstört, und auf dem einen Abzug blieb die vergrösserte Zeichnung der röthlichen, auf dem andern die der blauen Farbe in schwarzen Zügen stehen. Schlumberger verwendete zur Zerstörung des photographischen Bildes Kupferchlorür und ein nachträgliches Bad von unterschwefligsaurem Natron. Von diesen beiden vergrösserten Vorlagen wurden nun Negative in richtiger Grösse der 500-Frankscheine genommen und zur Her stellung der Druckplatten in Lichtkupferdruck benutzt. Die Platten bedurften nur geringer Retusche und lieferten, im Verein mit dem sehr leicht herzustellenden grauen Ton-Unterdruck ein vollendetes Abbild der echten Scheine. Um Missbrauch zu verhüten, hatte Schlumberger äusser der An wendung dicken Papiers noch die Vorsicht gebraucht, die Hauptzeile »500 Francs« in »500 Liards« (Heller) zu verwandeln. Im Anschluss an die Schilderung des Ganges seiner wohlge meinten Fälschung weist Schlumberger darauf hin, dass man die ein zelnen Farben der Banknoten oft auch auf chemischem Wege »isoliren« könne. Bei den französischen Scheinen gelang ihm die Zerstörung der aus phosphorsaurem Mangan bestehenden rothen Farbe durch Cyankalium. Auf solche Weise wurde die blaue Farbe (Indigo) frei gelegt, und jenes Bild wiederhergestellt, welches die alten, ihrer ge ringen Fälschungssicherheit wegen viel getadelten 500-Frankscheine aufwiesen. Da letztere noch nicht aus dem Verkehr gezogen sind, war der betreffende Schein noch nicht einmal entwerthet. Aehnlich verhielten sich die russischen Rubelscheine, deren Blau (Preussisch- Blau) sich ebenfalls durch Cyankalium zerstören liess. Auch die Anbringung von Wasserzeichen ist nach Schlumberger noch kein ausreichendes Mittel zur Verhütung von Fälschungen. Der Fälscher braucht zur Nachahmung keineswegs eine ganze Papier fabrik, sondern nur ein umrahmtes Stück Metallsieb. Das Wasser zeichen kann entweder gepaust und aus Draht nachgebogen, oder aus Chromgelatine auf dem Wege der Leimtypie hergestellt und auf dem Siebe befestigt werden. Zerkochtes Papier giebt den erforderlichen Papierbrei. Der Schutzwerth der Wasserzeichen vermindert sich in demselben Grade als die Grösse des betreffenden Blattes abnimmt. Bei kleinen Blättern hat ein Wasserzeichen keinen Zweck mehr. Hierzu kommt, dass verwickelte Wasserzeichen die Festigkeit des Papiers beein trächtigen, denn wenn alle Feinheiten der Zeichnung zum Ausdruck kommen sollen, darf man bei der Papierbereitung nicht lange Fasern verwenden, sondern möglichst kurze, die sich den vorgeschriebenen Umrissen besser anfügen. Um möglichst weitgehende Sicherheit gegen Fälschung zu erzielen, schlägt Schlumberger Folgendes vor: Das Papier, auf welches die Scheine gedruckt werden sollen, wird nach dem Vorbild des bekannten Papyrolins aus zwei Papier schichten hergestellt, zwischen welche dünnes Gewebe gebettet ist. Zur Einlage verwendet man aber nicht Gewebe gewöhnlicher Art, sondern einen sehr feinen Stoff, auf welchen mit Albuminfarben ein Bild gedruckt wurde. Nachdem die drei Schichten vereinigt sind, werden sie durch ein geheiztes Walzenpaar geschickt. Dabei koagu- lirt das Albumin, die Farben verbinden sich mit den Papierfasern und erscheinen theilweise an der Papier-Oberfläche. Die Zusammen fügung der drei Schichten kann entweder auf der Papiermaschine oder mittels Klebens erfolgen. Das so hergestellte Papier lässt ein Bild erkennen, welches in der Durchsicht sehr, in der Aufsicht ziemlich deutlich erscheint. Seine Umrisse mischen sich in den späteren Aufdruck und lassen eine klare photographische Wiedergabe nicht zu. Diese Wirkung kann noch verstärkt werden, wenn man das Papier mit einem farblosen Firniss versieht, der mit lichtabstossenden (inaktinischen) Stoffen versetzt wurde. Schlumberger benutzte hierzu zunächst schwefel- saures Chinin, das aber nicht sicher genug wirkte, weshalb er es jetzt durch einen andern Stoff ersetzt, den er nicht nennt. Weitere Maassnahmen zur Verhinderung der Fälschung wären: 1) die Einbettung feiner, wenn man will: unverbrennlicher, mit spitzen- artiger oder anderer Musterung versehener Gewebe zwischen zwei Papierschichten, 2) der Aufdruck graphischer Darstellungen auf der Innenseite einer der beiden Papierschichten; 3) die Wahl verschieden gefärbter Papierschichten. Mit Bezug auf den farbigen Druck der Scheine verlangt Schlum berger, dass die verwendeten Farben sowohl allein als auch in ihrer Ge- sammtheit der photographischen Wiedergabe höchstmögliche Schwierig keiten entgegensetzen. Er glaubt dies zu erreichen, indem er z. B. Kobaltblau mit Chromgrün gemeinsam verwendet und dem letzteren etwas Neapelgelb zusetzt. Die Gravirung wird am besten so aus geführt, dass zwei Platten, in heller und dunkler Schattirung derselben Farbe übereinandergedruckt, ein Helldunkelbild ergeben. * * * Ob diese Vorschläge den beabsichtigten Zweck erreichen und ob die Herstellung solchen Papiergeldes in grossen Mengen nicht zu um ständlich und kostspielig wäre, muss die Erfahrung zeigen. Das Deutsche Reich und Preussen verwenden für ihr Papiergeld seit 1878 Papier mit lokalisirten Fasern, welches auf der Papiermaschine her gestellt wird. Die anders als der Papierstoff gefärbten und anders gearteten Fasern sind in das Papier derart eingebettet, dass sie zwar eine Masse von glatter Fläche damit bilden, aber doch deutlich sicht bar bleiben und sich mit einer Nadel herausheben lassen. Am deut lichsten sind sie auf den 50 Mark - Scheinen erkennbar, wo sie eine unbedruckte Stelle einnehmen. Dieses Papier erfüllt folgende wesent liche Erfordernisse eines Geld-Papiers: 1. Es kann nicht von Fälschern hergestellt werden, weil dazu eine vollständige Papierfabrik mit Papiermaschine und vielen Arbeitern gehört. 2. Jedermann aus dem Volke, sogar der des Lesens Unkundige kann sich überzeugen, ob das Papier echt ist, oder ob etwa die lokalisirten Fasern nur aufgedruckt sind, indem er mit einer Nadel eine Faser auslöst. Diesen Vorzügen ist es hauptsächlich zu danken, dass die deutschen Staats- und Banknoten seit vielen Jahren keine schädlichen Nachbildungen erfahren haben, dass sie deshalb vertrauensvoll von Jedermann genommen und vielfach dem Hartgeld vorgezogen werden. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ist niemals eine gelungene Fälschung dieser Art von Papiergeld vorgekommen, obwohl das »Fälschen« dort einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht hat. Der Herausgeber dieses Blattes hat das Verfahren der Herstellung solchen Papiers 1877 an die damalige Preussische Staatsdruckerei verkauft, und es in der Papierfabrik der Herren Gebrüder Ebart zu Spechthausen bei Eberswalde eingerichtet, wo das Papier aller unserer Noten angefertigt wird. Er hit das Verfahren damals im Auftrag des Erfinders Willcox auch allen anderen europäischen Staaten zum Kauf angeboten, aber vergeblich. Das Papiergeld dieser Staaten wäre am besten geschützt, wenn alle oder doch recht viele dies amerikanische bewährte Verfahren annehmen wollten, da sie dann gemeinsames Interesse an der Verhinderung von Nachahmungen hätten. Selbstver ständlich darf das Verfahren nur an Staaten oder von diesen über wachte Anstalten verkauft werden. Die Herstellung ähnlichen Papiers mit lokalisirten Fasern ist, selbst zu einwandfreien Zwecken, in Deutsch land durch besonderes Gesetz verboten.