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330 PAPIER-ZEITUNG. No. 14. Man verwendet getrennte und kombinirte Instrumente. Die älteste Konstruktion bestand aus drei Theilen, wie heute noch: Trockenpresse, Schmelzheerd und Giess-Instrument. Der Nestor der Papierstereotypie in Deutschland, Herr Isermann sen. in Hamburg, liess im Jahre 1848 sein erstes Giessinstrument in Hamburg bauen, und nach diesem Muster wurden dann viele andere Instrumente ver fertigt. Die ersten Giessvorrichtungen waren nicht viel grösser als gewöhnliches- Quartformat, und ich war im Jahre 1886 so glücklich, in einer Druckerei in Brünn ein altes Giessinstrument zu entdecken, das mit zu den ersten seiner Zeit gehörte und ebenfalls nach Iser- mann’s Angaben vor 40 Jahren gebaut war. Dieses Instrument nimmt heute einen Ehrenplatz in meinem Maschinenlager ein, und wen der Weg nach Nürnberg führt, der ist freundlichst eingeladen, dieses kleine Wunder zu besichtigen. Die getrennten Apparate wurden zuerst von Scheiter & Giesecke in Leipzig in zweckentsprechender Weise erbaut; auch Hogenforst in Leipzig und einige Berliner Firmen, wie Küstermann und Gursch & Klemm liessen sich den Apparatebau nicht entgehen. Vor- zwanzig Jahren trat Nies-Frankfurt mit seinen kombinirten Apparatenan die Oeffentlichkeit. Nies wusste die Sache in System zu bringen und erzielte mit dem Verkauf seiner Apparate einen grossen finanziellen Erfolg. Dass sie später lange Zeit in Misskredit geriethen und nahe zu verdrängt wurden, daran war weniger der Apparat schuld als die Unkenntniss in der Behandlung der Matrizen. Auf diesem Gebiete wurde so viel gefabelt. und gedoktert«, dass es niemand Wunder nehmen darf, wenn der Laie die Stereotypie zu allen Teufeln wünschte und damit seinen Apparat selbst verur- theilte. Es giebt, von der Matrize abgesehen, nur einen Kardinal punkt in der ganzen Stereotypiewissenschaft: Das ist die Hitze! Wer seinen Apparat nicht genügend erhitzt, wer seinen Giesswinkel nicht heiss werden lässt, wer seine Matrize nicht knochenhart aus trocknen lässt und wer früher giesst, als bis die einlegte Matrize selbst vorgewärmt ist, was ja im heissen Instrument und unter heissen Giesswinkeln nach wenigen Sekunden der Fall ist, der be kommt keinen guten Guss, und wenn er seine ganze Wissenschaft auf den Kopf stellt. Für jedes mittlere Geschäft bleibt die kombinirte Stereotypie immer das praktischste Geräth, da sie sofort in Thätigkeit gesetzt werden kann und selbst dem Anfänger eine gewisse Gewähr bietet, •lass seine Arbeit auch von Erfolg gekrönt ist. Die kombinirten Stereotypie-Apparate erfordern jetzt auch keinen besonderen Arbeits raum. Seitdem es gelang, die Apparate mit Schutzvorrichtung gegen Bleidämpfe und Krätzdunst zu versehen, ohne ihren Charakter als kombinirte Apparate zu schmälern, seitdem es ferner gelang, die Giessfläche der Instrumente kombinirter Apparate bedeutend zu ver- grössern, so dass heute z. B. eine Matrize der Kölnischen Zeitung« ohne jede Schwierigkeit auf einem Widderapparat, wie ich meine kom binirten Apparate wegen ihrer Schwere und Widerstandsfähigkeit benannte, gegossen werden kann, haben die kombinirten Stereotypie apparate selbst in grossen Druckereien Eingang gefunden. In grossen Geschäften mit ständiger Arbeit für die Stereotypie hat die getrennte Anordnung der Apparate besondere Vortheile, welche über ein gewisses Maass hinaus nicht unterschätzt werden dürfen. In grossen Verlagsdruckereien und ähnlichen Geschäften arbeitet oft eine Person an der Trockenpresse, die andere giesst und eine dritte wird lediglich mit dem Abrichten der Güsse zur Druckfertigkeit beschäftigt. Für solche Geschäfte hätten die kombinirten Apparate wenig Werth, wenngleich nicht Unberücksichtigt bleiben darf, dass ein Giessinstrument, mit Schmelzofen kombinirt, im Preise nicht höher zu stehen kommt als ein besonderes Giessinstrument, da der Schmelzofen den sonstigen Unterbau des Giessinstrumentes ersetzt. Die Vorwärmung mittels Gasschlange kann bei Instrumenten jeder Bauart angebracht werden. Das Trocknen der Matrizen in grossen Betrieben geschieht mit Dampf-, Kohlen- oder Gasheizung in beson ders für den jeweiligen Heizzweck gebauten Pressen. Die beste Heizungsart ist diejenige mit Dampf, welcher sich jene mit Gas anreiht; beide Heizarten lassen sich gut reguliren. Dampf nimmt die erste Stelle ein. Gas hat schon viel Unheil an gerichtet, da die Heizröhren bisher in einer wenig rationellen Art angebracht waren. An allen mir bekannten Gastrockenpressen liegen die Rohre unmittelbar unter der Unterplatte der Presse. Diese An ordnung hat den Uebelstand im Gefolge, dass die Hitze in der Mitte bis auf den Schmelzpunkt des Schriftmetalls steigen kann, während eine grosse Satzform an den Rändern kalt bleibt; die Matrize trock net infolgedessen ungleichmässig, und die Arbeitsleistung wird oft gehindert. Wiederholt habe ich auf meinen Reisen Veranlassung gehabt, diesen Uebelstand abzustellen, indem ich an derjenigen Stelle, wo die Presse von den Gasflammen überhitzt wurde, ein Stück Eisenblech als Zwischenwand einschob, so dass die Flammen zunächst an diese Zwischenwand schlagen mussten, welche von dem eigent lichen Pressboden noch 10—20 mm entfernt war. Diese Zwischen schicht bildete jetzt gewissermaassen einen Heisslufttrockenraum, welcher gleichzeitig die überschüssige Hitze an den Seitenöffnungen entweichen liess und somit wieder die Wärme an den Aussenwänden der Presse regelte. Wo Hilfe durch den Schlosser zu zeitraubend war, machte ich einen Kitt von Matrizenpulver und Farbe und deckte damit die Löcher in der Mitte in der Weise zu, dass ich, soweit die Hitze zu gross war, zwei Löcher verstopfte und nur das dritte brennen liess. Diese Hilfe versagte nie; die Zwischenwand ist jedoch rationeller. Die Dampfpressen brauchen einen möglichst reichlichen Hohl- raum. Je grösser derselbe, je geringer der Dampfdruck. Eine richtig gebaute Dampftrockenpresse muss sich mit dem Abdampf der Maschine speisen lassen. Ist der Trockenkanal zu eng und die Dampfzuleitung nicht schlangenartig angelegt, sondern rechtwinklig, wie dies oft von Seiten oberflächlicher Aufsteller geschieht, so kann der Fall eintreten, dass die Dampfmaschine mehrere Atmosphären Druck nur für die Trockenpresse hergeben muss, und das kann unter Umständen eine recht theuere Trocknerei werden. Aufmerksamkeit erfordert auch die Anlage der Trockenpressen für Kohlenheizung. Ist der Herdbauer ein gedankenloser Mensch, so wird er die Flamme direkt an den Pressboden leiten, und es dauert nicht lange, so schmilzt die Form unter der Matrize davon. Auch hier ist die Untermauerung einer Eisenplatte unter Belassung von 20—40 mm Höhenraum für die heisse Luft unbedingt erforderlich. Eine Abart der Stereotypie, die hier nicht übergangen werden darf, ist die Kaltstereotypie. In einem früheren Werke habe ich ein mal die Bemerkung gemacht, dass der Ausdruck »Kaltstereotypie« eine sinnverwirrende Bezeichnung sei. Diesen Ausspruch muss ich heute noch aufrecht erhalten, obgleich der Begriff »Kaltstereotypie« durch dieses Wort heute so gut wie legalisirt erscheint; wer aber von dem Wesen dieses Verfahrens nicht unterrichtet ist, stellt sich meist etwas ganz anderes darunter vor. Unter dem Ausdruck »Stereotypiren« verstehen wir ohne wei teres die Herstellung von Gussplatten zu Druckwerken; unter dem Ausdruck »Kaltstereotypie« ist hingegen nur die Fertigstellung der Matrize ohne Erhitzung der Satzform zu verstehen. In der Kalt stereotypie wird die eingeklopfte Matrize nass von der Form entfernt und in einen Apparat zum Trocknen eingespannt: die Matrize wird also nicht auf der Form getrocknet, wie in der Warmstereotypie, sondern frei. Der Apparat für das Trocknen der Matrize bestand bisher aus einem Paar Rahmen, die mit Riegeln zusammengespannt werden konnten, sobald die nasse Matrize hineingelegt war. Der untere Rahmen war mit einem Drahtgitter versehen, auf welches die Ma trize zu liegen kam, so dass sie sich nicht werfen konnte. Der Umstand, dass ein solches Rahmenpaar nur immer für eine bestimmte Grösse der Matrize zu verwenden war, hat die Ausbreitung der Kaltstereotypie sehr gehindert, so dass thatsächlich nur unsere Rota- tionsdruckereien mit ihrem feststehenden Zeitungsformat die Vortheile dieses Verfahrens geniessen konnten. Alle Versuche, die Kaltstereo typie-Trocken Vorrichtung zu verbessern, sind bisher an dem Umstande gescheitert, dass jeder, der sich mit der Lösung dieser Aufgabe be schäftigte, an der Rahmenformung festhielt und aus diesem Grunde zu einem günstigen Ergebniss nicht gelangen konnte. Die Idee der verstellbaren Rahmen musste thatsächlich fallen, so lange nicht Gelegenheit geboten war, die Kaltstereotypie in einem für alle Matrizengrössen verstellbaren Apparat zusammenzufassen und diesen grossen Fortschritt auf dem Gebiete der Stereotypie jedem Stereotypiewerkstätten-Besitzer zugänglich zu machen. Neuerdings ist mir die Lösung dieser Aufgabe gelungen, und das Modell der neuen Erfindung befindet sich bereits in Berlin zur Gewinnung des Patentschutzes. In fast allen Betrieben diente bisher die Metallhitze als Trocken mittel. Ueber dem Kessel wurde ein Blechmantel befestigt, dessen Seitenwände mit Schiebleisten versehen waren. Dieser Mantel nahm das Rahmenpaar mit der nassen Matrize auf, und je nach den Hitze graden des Metalls konnte das Trocknen der Matrize in 3—8 Minuten bewirkt werden. Künftighin wird auch die Nothwendigkeit in Fort fall kommen, für die Kaltstereotypie die Metallhitze zu verwerthen. Der neue verstellbare Trockenapparat kann mit Gasheizung versehen werden, so dass jederzeit die Matrizenbereitung vorgenommen werden kann, ohne das Metall zu erhitzen und ohne Trockenpresse, wie in der W armstereotypie. Der Gebrauch der Kaltstereotypie ist überall von Vortheil, wo es sich um Massendruck handelt, ebenso dort, wo Plakate und ähn liche Arbeiten Stereotypie erfordern, und wäre dies auch nur aus hilfsweise der Fall, um einzelne Zeilen, Holzbuchstaben oder der gleichen zu vervielfältigen. Eine eigenartige Verwerthung der Kalt stereotypie kann auch noch Platz greifen bei Holzschnitten,