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254 PAPIER-ZEITUNG. winne des Unternehmens betheiligt. Die Hälfte des Reinertrags, be ziehungsweise der entsprechende Antheil, gelangt an jene Leser zur Vertheilung, welche am Jahresschluss 52 Kupons einsenden. Ausserdem sind von den meisten dieser Blätter hohe, oft in die Hunderte von Pfunden laufende Preise für Diejenigen ausgesetzt, welche die meisten »Kupons einsenden, die man sich von »Freunden« zusammenbitten kann, wodurch im Publikum Kolporteure gewonnen werden. Auf diese Weise sind alle denkbaren Verlockungen geboten, um zum Kaufe der neuen Wochenblätter zu verleiten. Ein guter Lese- stoff, Preisgewinne, Kolportagegebühren und Gewinnantheil! Der Erfolg ist überraschend. Es sind mindestens 50 solcher Blätter emporgeschossen, (von den zu Grunde gegangenen garnicht zu sprechen), die festen Fuss gefasst haben. Die Wochenauflage der selben beträgt, gering angeschlagen, drei Millionen, was mindestens eine Summe von 300 000 Mark darstellt, welche wöchentlich für das .geistige Futter« mehr ausgegeben wird; und das vermehrte Lesen hat, allem Anscheine nach, die Leselust nur noch gesteigert, da die politischen Blätter, die illustrirten Zeitungen. Fachschriften usw. unter dieser Konkurrenz nicht gelitten, sondern noch einen weiteren Auf schwung genommen haben. Die hier erwähnten Wochenblätter bilden aber unstreitig die auffälligste Neuerung auf dem Gebiete des zeitgenössischen englischen Zeitungswesens und bekunden einen Unternehmungsgeist, der nicht bald seines Gleichen hat. An Preisen waren in der Weihnachts woche, soweit ich es zu erheben vermochte, über 7000 Pfund Sterling ausgeschrieben, wovon sich den Hauptfisch von 1000 Pfund (von Tit- Bits ausgeschrieben) Grant Allen mit einer Erzählung holte. (Aus dem Berliner Tageblatt.) Bücherfälschung. Im November vergangenen Jahres machte eine Notiz die Runde durch die Zeitungen, wonach ein Student der Akademie zu Münster einen silbernen Kodex entdeckt und für 10 000 M. vom Wirth Korte in Bevergen (R.-B. Münster) gekauft habe. Das Buch, welches als Luthers eigenhändiges Betrachtungsbuch über das Leiden Christi« bezeichnet wurde, besteht aus Silberplatten, die mit Pergamentblättern abwechseln. Die ersteren tragen gravirte Ornamente, bildliche Dar- Stellungen aus dem Leiden Christi und den Text, die letzteren Hand zeichnungen. Das ganze Buch sollte im Auftrage des Kurfürsten Joachim Nestor von der berühmten Soester Kupferstecherfamilie Aldegrever angefertigt und vom Kurfürsten an Luther geschenkt sein. Auf Anrathen sachverständiger Gelehrten hatte sich der Student zum Kaufe entschlossen, und die Echtheit des Buches wurde nicht bezweifelt. Sobald nur der Fund bekannt wurde, kamen, wie die Allgemeine Zeitung« meldet, von vielen Seiten Nachfragen und An- geböte, unter anderen auch aus dem Kabinet des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg und aus dem preussischen Kultusministerium im allerhöchsten Auftrage. Doch wollte der Besitzer des Buches es vorläufig nicht veräussern, sondern es vielmehr in Gemeinschaft mit einem Professor der Kunstgeschichte zu Münster einer wissenschaftlichen Bearbeitung unterziehen. Behufs derselben waren die einzelnen Blätter des Buches bereits photographirt und die Arbeiten im besten Fortschreiten. Da erhob Gymnasialprofessor Wormstall im Münst. Anzeiger Zweifel an der Echtheit des Buches aus inneren Gründen (Sprache, Stich u. dergh), zu denen sich bald äussere gesellten. Als das Buch ausgestellt war, hatte nämlich ein junger Besichtige! - desselben geäussert, das Werk sei seine Arbeit. In Verfolgung dieser anfangs unbeachteten Spur gelang es nun Professor Wormstall, nachzu- weisen, dass das Buch eine Fälschung neuesten Datums ist. Der allerdings unschuldige Urheber des Buches ist ein eben aus der Lehre entlassener Graveur, Karl Flüthe, aus dem westfälischen Städtchen Telgte. Er hatte während seiner Lehrzeit in Münster von seinem Meister eben jene Gravirungen auf den Silberplatten, selbst das Schnitzen des Elfenbeindeckels, als »Uebungsaufgaben« bekommen und wurde so sehr damit beschäftigt, dass er sich seinen Eltern gegen- über oft bitter darüber beschwerte. Zu welchen Zwecken die Arbeiten dienen sollten, wusste er nicht. Er kopirte sie nach gq- druckten Vorlagen und bekam sie nicht eher wieder zu sehen, als auf jener Ausstellung als fertiges Buch. Ei - widerstand allen Be stechungsversuchen und konnte selbst noch einige Pausen vorlegen, die genau zu den Bildern des Buches stimmen. Die Pausen sammt dem Buche wurden der Königlichen Staatsanwaltschaft übergeben, welche auch bereits den Meister des Lehrlings, Graveur JL, sowie den Verkäufer des Buches hat verhaften lassen. Nachdruck in Nord-Amerika Das neue amerikanische Gesetz über den Schutz des Urheber und Verlagsrechtes wird zwar, wie in Nr. 103 vorigen und Nr. 10 dieses Jahres erwähnt wurde, dem deutschen Bücherverlag nicht viel nützen, kann aber dem deutschen Kunsthandel sehr förderlich sein. Jene drückende Bestimmung, welche fordert, dass jedes auf Schutz Anspruch erhebende Buch in Amerika gesetzt und gedruckt werden muss, ist auf die Herstellung von Kunstblättern begreiflicherweise nicht übertragen worden. Der Schutz, welchen Kunstblätter künftig in Amerika geniessen, wird demnach uneingeschränkt und werthvoll sein, umsomehr, als die Maassregeln zur Erlangung des Schutzes sehr einfach sind. Sie bestehen darin, dass man dem Bibliothekar des Kongresses zwei Exemplare des betreffenden Kunstblattes einreicht und für die Eintragung 50 Cents zahlt. Es ist bemerkenswert!!, dass die amerikanischen Gesetzgeber sich hier die Gelegenheit zur Ein ziehung hoher Gebühren, die sie sonst ausgiebig zu nutzen verstanden, entgehen liessen. Die Eintragung und Beglaubigung einer Uebertragung des Urheberrechts kostet 1 Dollar, und ebensoviel wird für jede Ab schrift berechnet. Es liegt in der Natur der Kunstdruckverfahren begründet, dass die Nachbildung der vornehmeren Kunstblätter in der Technik des Urbildes auch zur Zeit der gegenwärtigen Schutzlosigkeit nicht häufig unternommen wurde. Das hätte die Herstellung kostspieliger Platten und die Heranziehung künstlerischer Kräfte beim Druck er fordert, und die hierfür nöthigen Summen wendet der amerikanische Nachdrucker nicht an. Die Nachbildung bestand meist darin, dass das neue Kunstblatt in einem der billigen Wiedergabeverfahren, wie Photographie, Kohledruck, Lichtdruck, verkleinert auf den Markt gebracht wurde. Von Nachdrucken dieser Art wimmelt es in Ame rika, und beliebte Blätter, wie z. B. Piglheins Idyll (Kind und Hund auf dem Wassersteg) oder Defreggers Salontyroler sind in Amerika in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet, für welche die Ur heber keinen Pfennig Entschädigung erhielten. Gerade solche Massenartikel des Kunsthandels werden von dem neuen Gesetz getroffen werden, und hier wird sich dasselbe um so wirksamer erweisen, als die auf unbefugte Nachbildung gesetzten Strafen sehr hoch sind. Alle vorhandenen Exemplare, sowie alle zur Herstellung erforderlichen Platten werden nicht allein weg genommen, sondern für jedes vorgefundene Exemplar muss der Nachdrucker 10 Dollar Strafe zahlen. Von dieser Strafe erhält der rechtmässige Eigenthümer die Hälfte. Da die Wirkung eines Gesetzes bekanntlich nur dann eintreten kann, wenn das betreffende Vergehen bekannt ist, und da die Maass- nahmen der amerikanischen Nachdrucker sich von Europa aus schlecht beobachten lassen, hat der Kunstverleger Friedrich Adolf Ackermann in München im Buchhändler-Börsenblatt den Vorschlag gemacht, in New York ein deutsches Centralbureau zur Ueberwachung des ameri kanischen Bücher- und Kunstdruckmarktes auf gemeinsame Kosten der Interessenten zu errichten. Eine solche Ueberwachungsstellle könnte in der That segens reich wirken. Bevor sie aber geschaffen werden kann, muss nicht allein das Gesetz erst noch vom Senat angenommen sein, sondern Deutschland muss für amerikanische Verlagswerke und Kunstdrucke die im Schlussparagraphen des neuen Gesetzes geforderten Gegen seitigkeits-Bestimmungen erlassen haben. Arbeitsverhältnisse in der Reichsdruckerei. Bei Berathung des Etats der Reichspost- und Telegraphen-Verwaltung kamen am 30. Januar im Reichstag auch die Arbeitsverhältnisse der Reichs druckerei zur Sprache. Der Abgeordnete Schmidt bemängelte, dass die Reichsdruckerei den Setzern nur ein Minimum von 24 M. 60 Pf zahlt, während die tarifzahlenden Privatdruckereien Berlins einen Wochenlohn von 25 M. 60 Pf. zu gewähren verpflichtet sind. Er tadelte ferner die häufigen Ueberstunden, die Ver pflichtung zur Sonntagsarbeit und die Entlohnung der Ausgelernten mit 18 M. Redner wies auf den Widerspruch hin, dass die Reichsdruckerei auf Ver anlassung des General-Postmeisters den Tarif nicht eingeführt habe, während Minister von Berlepsch ihn als geeignetes Mittel zur Regelung des Arbeits verhältnisses anerkannt habe. Direktor im Reichspostamt Fischer bestritt, dass ein solcher Wider spruch bestände. Die Löhne der Reichsdruckerei seien im Durchschnitt höher als die der Berliner Privatdruckereien, und angesichts dieser Thatsache sei es gleichgiltig, ob die guten Durchschnittslöhne sich auf den Tarif stützten oder nicht. Die Beseitigung der Ueberstunden durch Einstellung einer grösseren Arbeiterzahl ginge deshalb nicht an, weil die Drucksachen der Reichsanstalt technisch gut geschultes Personal beanspruchten. Einzelne Regierungsarbeiten kämen unerwartet und müssten sehr rasch erledigt werden; deshalb könne man leider auch die Sonntagsarbeit nicht ganz entbehren. Wollte man, um für alle Fälle gerüstet zu sein, die Zahl der ständigen Arbeiter vermehren, so würde für einen Theil derselben zeitweise keine Beschäftigung vorhanden sein; und ■wollte man solche Beschäftigung durch Heranziehung von Privatarbeit schaffen, so würden die Buchdrucker und die